Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 21 KA 708/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 KA 16/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 18/14 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beigeladenen zu 2), 3) und 6) werden die Ziffern I und III des Urteils des Sozialgerichts München vom 19.10.2011 aufgehoben und die Klage auch insoweit abgewiesen.
II. Die Berufungen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) werden zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 2), 3) und 6) werden von der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) je zur Hälfte getragen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Patienten nur auf Überweisung von Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin, Ärzten für Neurologie und Psychiatrie sowie von Kinder- und Jugendpsychiatern behandeln darf ("Facharztfilter").
Die Klägerin ist Trägerin des Kinderzentrums St. M., eines Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) in A-Stadt. Mit Schreiben vom 11.01.2011 beantragte sie eine Verlängerung der im bisherigen Umfang über den 31.03.2011 hinaus. Zu dieser Folgeermächtigung gab die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern mit Schreiben vom 17.02.2011 eine Stellungnahme ab. Sie sei der Auffassung, dass die Inanspruchnahme des SPZ St. M. auf eine Überweisung durch Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin, Ärzte für Neurologie und Psychiatrie sowie für Kinder- und Jugendpsychiatrie eingeschränkt werden solle. Mit Bescheid vom 18.03.2011 erteilte der Zulassungsausschuss Ärzte Oberpfalz die ab dem 01.04.2011 bis 31.3.2014. Ziffer 3 des Beschlusses lautet: "Die Behandlung erfolgt auf Überweisung von Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin, Ärzten für Neurologie und Psychiatrie sowie von Kinder- und Jugendpsychiatern."
Gegen diese Beschränkung wandte sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch. Die Beschränkung des Überweiserkreises sei ermessensfehlerhaft. Eine wie auch immer geartete Bedarfsanalyse habe nicht stattgefunden. Es seien auch keine Kinder- und Jugendärzte, keine Kinder- und Jugendpsychiater und keine Neuropädiater befragt worden. Der Versorgungsbedarf in der betroffenen Region sei handgreiflich. Es bestehe ein qualitativ-spezieller Versorgungsbedarf bezüglich sozialpädiatrischer Leistungen. Deshalb sei es unbedingt erforderlich, niederschwellige Zugangsvoraussetzungen für die Patienten zu schaffen. Andernfalls würde vielen Kindern die so dringend notwendige Behandlung in einem SPZ verwehrt. Ferner lag eine Stellungnahme des Abgeordneten K. vom 26.04.2011 vor. Die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern beantragte die Zurückweisung des Widerspruchs. Eine Behandlung in einem SPZ sei nur dann geboten, wenn Art, Schwere oder Dauer des Krankheitsbildes keine hinreichende Behandlung durch geeignete Ärzte wie Kinder- und Jugendärzte und insbesondere Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie zulassen würden. Mit einem auf diese Facharztgruppen zugeschnittenen Überweisungsfilter sei sichergestellt, dass die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Behandlung in einem SPZ nur von den Ärzten zu treffen sei, die ansonsten selbst die sozialpädiatrische Versorgung sicherstellen würden.
Mit Bescheid vom 22.06.2011 wies der Beklagte aufgrund der Sitzung am 05.06.2011 den Widerspruch zurück. Das Bayerische Landessozialgericht habe in seinem Beschluss vom 23.03.2011 (L KA 120/10 ER) die Einschränkung des Überweiserkreises auf die vorgenannten Fachärzte bestätigt. Alle Planungsbereiche in der Oberpfalz seien mindestens ausreichend (Versorgungsgrad von mindestens 100 %) mit Kinder- und Jugendärzten versorgt. Im Bezirk Oberpfalz seien zusätzlich in A-Stadt, B-Stadt und C-Stadt Kinder- und Jugendpsychiater zugelassen und in der ganzen Oberpfalz nähmen insgesamt fünf Ärzte an der sozialpsychiatrischen Vereinbarung teil. Die Behandlung in einem SPZ sei nur dann geboten, wenn Art, Schwere oder Dauer des Krankheitsbildes keine hinreichende Behandlung durch geeignete Ärzte zuließen. Mit den auf diese Fachgruppen zugeschnittenen Überweisungsfiltern sei sichergestellt, dass die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Behandlung in einem SPZ nur von den Ärzten getroffen werde, die ansonsten selbst die sozialpädiatrische Versorgung sicherstellten. Eine Überweisung durch Kinder- und Jugendärzte, Ärzte für Neurologie und Psychiatrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie sei sinnvoll, notwendig und zwingend, weil nur diese beurteilen könnten, in welchen Fällen eine fachübergreifende, interdisziplinäre Behandlung von Patienten in einem SPZ überhaupt notwendig sei. Das Primat der vertragsärztlichen Versorgung liege bei den niedergelassenen Vertragsärzten und zugelassenen Heilmittelerbringen.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) ein. Die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin werde unverhältnismäßig beschränkt. Es fehle bereits an der Erforderlichkeit der entsprechenden Einschränkung. Das SPZ des Beklagten konkurriere weder mit Kinder- und Jugendärzten noch mit Ärzten für Neurologie und Psychiatrie oder mit Kinder- und Jugendpsychiatern. Bei der Klägerin erfolge die Entscheidung über das Ob und das Wie einer Behandlung nicht auf Basis der Diagnosen im Überweisungsschein, sondern auf Grundlage einer eigenen fundierten Einschätzung. Vor diesem Hintergrund würden Kinder, die auch vom Kinder- und Jugendarzt behandelt werden könnten, auch an diese Facharztgruppen weiterverwiesen. Die Indikation für eine Behandlung im SPZ werde von der Klägerin streng nach den Maßstäben des § 119 Abs. 2 S. 1 SGB V gestellt und überprüft. Vor diesem Hintergrund sei eine Beschränkung des Überweiserkreises absolut sinnlos. Außerdem sei die Beschränkung unverhältnismäßig. Dringend behandlungsbedürftige Kinder und Jugendliche würden von der notwendigen Therapie abgeschnitten. Die Beschränkung der Überweisungen greife auch in das Grundrecht der Kinder und Jugendlichen auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) ein. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Angebot für eine sozialpädiatrische Behandlung in einem SPZ nicht wahrgenommen werde, steige mit jedem zusätzlichen Arzt in der Überweisungskette. Für die große Anzahl schwer- und schwerstbehinderter Kinder und Jugendlicher habe ein Zugangserschwernis katastrophale Folgen. Die Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts könne auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden, da jeweils ein komplett anderer Sachverhalt zu Grunde liege. Stelle man auf die konkrete Versorgungssituation ab, seien die Anfahrtswege der Patienten, um die es in dieser Entscheidung gegangen sei, viel kürzer und unbeschwerlicher. Im Übrigen hätten sich entsprechende Beschränkungen des Überweiserkreises ohnehin nicht bewährt. Der Beklagte verwies demgegenüber auf die Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen. Die Beigeladene zu 2) legte dar, dass im Einzugsbereich des klägerischen SPZ eine gute Versorgung durch Kinder- und Jugendärzte gegeben sei. Die Angabe der Klägerin, dass die Wartezeit beim Kinderarzt sehr lange sei, werde bestritten. Außerdem wies die Beigeladene zu 2) auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 27.06.2001 hin. Bei der fachübergreifenden, ganzheitlichen Behandlung im SPZ handle es sich um spezielle Leistungen. Im Übrigen sei der Vortrag der Klägerin, dass auch Hausärzte aufgrund ihrer Ausbildung grundsätzlich geeignet wären, spezielle Defizite bei Kindern zu erkennen, die eine Überweisung ins SPZ rechtfertigen würden, zurückzuweisen. Sozialpädiatrische Inhalte seien kein Bestandteil der Aus- und Weiterbildung von Allgemeinärzten. Mit dem Facharztfilter werde sichergestellt, dass die Voraussetzungen der nach § 119 SGB V überhaupt vorlägen und diese auch nur in dem Umfang ausgeübt werde, wie von den Zulassungsgremien erteilt.
Mit Urteil vom 19.10.2011 gab das SG der Klage teilweise statt. Die Behandlung erfolge auf Überweisungen in der Regel von Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin, Ärzten für Neurologie und Psychiatrie sowie von Kinder- und Jugendpsychiatern. In besonders begründeten Ausnahmefällen auch auf Überweisung von Hausärzten. Die Behandlung solle erst dann von SPZ übernommen werden, wenn sie von geeigneten Ärzten nicht sichergestellt werden könne. Daraus ergebe sich, dass ebenfalls nur der fachkundige Gebietsarzt (zum Beispiel Kinderarzt) beurteilen könne, ob die Art und die Schwere der bei einem Kind vorliegenden Störung die Behandlung in einem SPZ erforderlich mache. Über diese Fachkunde verfüge ein Allgemeinarzt/Hausarzt in der Regel nicht. Deshalb sei der Facharztfilter nicht zu beanstanden. Gleichwohl sei die Entscheidung der Zulassungsgremien teilweise zu modifizieren gewesen. In der mündlichen Verhandlung habe sich nämlich herausgestellt, dass im Einzugsbereich der Klägerin (östliches Randgebiet Bayerns) Situationen auftreten könnten, die die Einhaltung der (entsprechenden) Überweisung durch den Gebietsarzt in einer Art erschwerten, die dem Wohl des behandlungsbedürftigen Kindes entgegenständen. In solchen besonders begründeten Ausnahmefällen könne die erforderliche Behandlung bei der Klägerin auch auf Überweisung von Hausärzten erfolgen. Dieser besonders begründete Ausnahmefall müsse aus der Überweisung des Hausarztes ersichtlich sein.
Gegen dieses Urteil legten die Beigeladene zu 2), der Beigeladene zu 3) und der Beigeladene zu 6) Berufung ein.
Die Modifizierung durch das Urteil des Sozialgerichts München sei rechtlich nicht haltbar. Sie sei mit der Situation im östlichen Randgebiet Bayerns begründet worden. Demgegenüber hätten die beigeladenen Krankenkassen Fakten zum Versorgungsgrad mit Fachärzten im Einzugsbereich der Klägerin vorgelegt, die belegten, dass die Versorgung sichergestellt sei. Im Übrigen sei die Modifizierung durch das Sozialgericht nicht konkret genug, so dass die Rechtssicherheit eingeschränkt werde. Ferner stützte sich die Beigeladene zu 2) auf den Beschluss des Senats vom 23.03.2011.
Die Klägerin und die Beigeladene zu 1) legten ebenfalls Berufung ein. Die Klägerin führte aus, dass der Einzugsbereich sehr breit sei und ein großer Anteil der Patienten aus den dünn besiedelten, traditionell versorgungsarmen Regionen, so zum Beispiel dem Oberpfälzer Wald und der Fränkischen Alb komme. Die sei an keinen bestimmten Überweiserkreis geknüpft gewesen. Nunmehr sei ein Facharztfilter vorgesehen. Die Klägerin habe jedoch einen Anspruch auf gemäß § 119 SGB V ohne jegliche Beschränkung des Überweiserkreises. Der Facharztfilter greife in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ein. Infolge des streitgegenständlichen Beschlusses habe die Klägerin einen deutlichen Rückgang sowohl der Neuanmeldungen als auch der Gesamtpatientenzahl hinnehmen müssen. Der Facharztfilter lasse sich unter keinem Aspekt rechtfertigen. Ein Versorgungsbedarf für die sozialpädiatrische Versorgung bestehe. Auf den Versorgungsgrad mit Kinder- und Jugendärzten, Ärzten für Neurologie und Psychiatrie und Kinder- und Psychiater komme es bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 119 SGB V nicht an. Die Erforderlichkeit einer entsprechenden Einschränkung fehle. Im Übrigen hätten auch die Allgemein- beziehungsweise Hausärzte regelmäßig die Fachkompetenz, die Behandlungsnotwendigkeit in einem SPZ richtig festzustellen. Diesbezüglich bestehe auch eine Pflicht zur Weiter- und Fortbildung. Hausärzte seien im Übrigen insbesondere in ländlichen Regionen der erste und oft auch einzige Ansprechpartner bei gesundheitlichen Fragen und Problemen. Zum Patientenkreis der Klägerin zählten zu einem hohen Prozentsatz Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen beziehungsweise sozial schwierigen Verhältnissen. Hier sei oft einzig der Hausarzt in der Lage, Risiken früh zu erkennen und zu intervenieren. Außerdem sei die Beschränkung unverhältnismäßig. Es würden auch die Grundrechte der betroffenen Kinder und Jugendlichen eingeschränkt.
Die Beigeladene zu 1) legte dar, dass die im Bescheid vorgenommene Einschränkung des Überweisungsvorbehalts auf Ärzte bestimmter Fachgruppen insgesamt rechtswidrig sei. Fachärzte für Allgemeinmedizin seien ebenfalls qualifiziert, die Schwere einer drohenden Krankheit des Kindes und damit eine etwaige Behandlungsbedürftigkeit in einem SPZ einzuschätzen. Beispielsweise müsse auch der Facharzt für Allgemeinmedizin Verhaltensauffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter erkennen und eine entsprechende Behandlung koordinieren. Außerdem sei ein Facharztvorbehalt grundsätzlich dann unzulässig, wenn ein qualitativer und quantitativer Bedarf bestehe, denn ein derartiger Vorbehalt ginge in diesen Fällen zulasten des Versicherten, der stets zunächst an den niedergelassenen Gebietsarzt überwiesen werden müsste, obwohl möglicherweise von vornherein feststehe, dass dieser die Behandlung nicht übernehmen oder die erforderlichen Leistungen nicht erbringen könne.
Mit Schreiben vom 12.12.2012 legte die Beigeladene zu 2) einen Vergleichsvorschlag vor, nach dem bei bestimmten, gesicherten Diagnosen eine Überweisung ins SPZ auch durch Allgemeinärzte/praktische Ärzte zulässig wäre.
Die Klägerin stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 25.05.2012.
Die Beigeladene zu 1) stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 03.02.2012 mit der Maßgabe, hilfsweise den Beklagten zur Neuverbescheidung zu verurteilen.
Die Beigeladene zu 2) stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 10.05.2012 mit der Maßgabe, in Ziff. 1 die Klage insoweit abzuweisen.
Die Beigeladene zu 6) schließt sich dem Antrag der Beigeladenen zu 2) an.
Der Beklagte stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 23.05.2012.
Lediglich der fachkundige Gebietsarzt könne beurteilen, ob Art und Schwere einer Störung eine Behandlung in einem SPZ erforderlich machen würden. Bei Fachärzten für Kinder- und Jugendmedizin sei von einer besonderen Kompetenz auszugehen. Die Sozialpädiatrie werde nach der Weiterbildungsordnung jedoch ausschließlich im Bereich der Kinder- und Jugendärzte konkret genannt. Die Einschränkung des Überweiserkreises sei damit sachlich gerechtfertigt und trage dazu bei, denjenigen Patientenkreis zu bestimmen, der gemäß § 119 Abs. 2 S. 1 SGB V tatsächlich einer Behandlung im SPZ bedürfe. Die Modifizierung des Sozialgerichts München sei rechtlich nicht haltbar, da sie zu unbestimmt sei. Im Übrigen verwies der Beklagte auf die Rechtsprechung des Senats und des Landessozialgerichts NRW. Die Diagnosen in den Überweisungen von Hausärzten zeigten, dass die Behandlung der Kinder nicht den Vorgaben des § 119 Abs. 2 S. 1 SGB V entsprochen habe und somit eine Behandlung im SPZ nicht erforderlich gewesen wäre. Dies zeige auch, dass Hausärzte dazu tendierten, die Kinder nicht zuerst zum Facharzt, sondern gleich in ein SPZ zu überweisen. Das SPZ stelle jedoch erst die dritte Stufe der Versorgung dar, die nur in schweren Fällen in Anspruch genommen werden könne. Eine Überweisung durch Kinder- und Jugendärzte, Ärzte für Neurologie und Psychiatrie und Kinder- und Jugendpsychiater sei daher sinnvoll, notwendig und auch zwingend, weil nur diese beurteilen könnten, in welchen Fällen eine fachübergreifende, interdisziplinäre Behandlung von Patienten in einem SPZ überhaupt notwendig sei.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Beklagtenakten und die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen der Beigeladenen zu 2), 3) und 6) sind zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 19.10.2011 war in Nummer I des Tenors aufzuheben. Die Berufungen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) waren dementsprechend zurückzuweisen. Der Beklagte hat die der Klägerin zu Recht auf die Fälle beschränkt, in denen eine Überweisung durch Kinder- und Jugendärzte, Ärzte für Neurologie und Psychiatrie und Kinder- und Jugendpsychiater erfolgte (Facharztfilter).
Rechtsgrundlage dieser Einschränkung ist § 31 Abs. 7 S. 1 und 2 Ärzte-ZV. Danach sind Ermächtigungen zeitlich, räumlich und ihrem Umfang nach zu bestimmen. In dem Ermächtigungsbeschluss ist auch auszusprechen, ob der ermächtigte Arzt unmittelbar oder auf Überweisung in Anspruch genommen werden kann.
Zwischen allen Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin einen Anspruch auf gemäß § 119 Abs. 1 S. 2 SGB V hat. Die darf jedoch gemäß § 32 Abs. 1 SGB X mit einer Nebenbestimmung, nämlich dem Facharztfilter versehen werden, da diese Nebenbestimmung in § 31 Abs. 7 S. 2 Ärzte-ZV vorgesehen, also durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Weil der in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides angeordnete Facharztfilter auf § 31 Abs. 7 Ärzte-ZV gestützt werden kann, ist die Klägerin durch die streitgegenständliche Nebenbestimmung nicht in ihren Rechten verletzt.
Die grundsätzliche Rechtmäßigkeit eines Facharztfilters ist vom Bundessozialgericht wegen des Vorrangs der niedergelassenen Vertragsärzte in der ambulanten Krankenversorgung bereits bestätigt worden. Bei Ermächtigungen, die nicht auf quantitative Versorgungsdefizite, sondern auf das spezielle Leistungsangebot des ermächtigten Krankenhausarztes gestützt werden, ist die Befugnis zur Überweisung an diesen den Gebiets- oder Teilgebietsärzten vorzubehalten, die aufgrund ihrer Ausbildung und der Ausrichtung ihrer Tätigkeit für die Behandlung der infrage kommenden Krankheiten in erster Linie zuständig sind, da andernfalls der überweisende Arzt nach eigenem Gutdünken über die Notwendigkeit der Einschaltung des Krankenhausarztes befinden und den Gebietsarzt übergehen könnte und damit der Vorrang der niedergelassenen Vertragsärzte nicht gewahrt wäre (BSG, Urteil vom 27 6. 2001, B 6 KA 39/00 R, Rn. 19). Der Vorrang der niedergelassenen Vertragsärzte gilt auch im Verhältnis zu den SPZ. Wie nach § 116 SGB V, auf den sich das Urteil des BSG bezieht, besteht auch nach § 119 Abs. 1 S. 2 SGB V ein Anspruch auf Erteilung einer nur, soweit und solange eine ausreichende ärztliche beziehungsweise sozialpädiatrische Versorgung durch Vertragsärzte nicht sichergestellt ist.
Da die SPZ nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht lediglich quantitative Versorgungsdefizite ausgleichen sollen, sondern spezialisierte Leistungen auf der dritten Stufe des Versorgungssystems erbringen und auf Kinder spezialisiert sind, die wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Krankheit oder einer drohenden Krankheit nicht von geeigneten Ärzten oder in geeigneten Frühförderstellen behandelt werden können (BSG Urteil vom 29.06.2011, B 6 KA 34/10 R, Rn. 11) liegen die Voraussetzungen für einen Facharztfilter nach § 31 Abs. 7 Ärzte-ZV grundsätzlich vor.
Konkretisiert man die Ermächtigungsnorm für einen Facharztfilter (§ 31 Abs. 7 S. 2 Ärzte-ZV) anhand der speziellen Vorgaben des § 119 Abs. 2 S. 1 SGB V, so ergibt sich, dass mit einem Überweisungsfilter sichergestellt werden muss, dass die sozialpädiatrische Behandlung durch SPZ auf diejenigen Kinder ausgerichtet wird, die wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Krankheit oder einer drohenden Krankheit nicht von geeigneten Ärzten oder in geeigneten Frühförderstellen behandelt werden können. Der Überweisungsfilter muss also gewährleisten, dass eine Überweisung nur erfolgt, wenn die Behandlung durch geeignete Ärzte nicht mehr ausreichend ist und spezielle Leistungen der dritten Versorgungsebene notwendig sind.
Diese Beurteilung ist den Gebietsärzten vorzubehalten, die aufgrund ihrer Ausbildung und Ausrichtung ihrer Tätigkeit für die Behandlung der infrage kommenden Krankheiten in erster Linie zuständig sind. Bei dieser Prüfung haben die Zulassungsgremien, die paritätisch mit Ärzten und Vertretern der Krankenkassen besetzt sind und damit über eine besondere Fachkunde verfügen, einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum, der sich an den Gebietsbeschreibungen der jeweils zum Zeitpunkt der geltenden Weiterbildungsordnung orientieren muss.
Diesen Beurteilungsspielraum hat der Beklagte nicht überschritten.
Die Erforderlichkeit einer sozialpädiatrischen Behandlung durch ein SPZ beurteilen können in erster Linie Kinder- und Jugendärzte, deren Fachgebiet nach der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns in der Fassung vom 17.10.2010 bereits in der Definition die Sozialpädiatrie umfasst, sowie die Kinder- und Jugendpsychiater, die psychische, psychosomatische, entwicklungsbedingte und neurologische Erkrankungen oder Störungen sowie psychische und soziale Verhaltensauffälligkeiten unter Berücksichtigung des familiären und sozialen Lebensumfelds diagnostizieren und behandeln und sogar über ein den SPZ vergleichbares interdisziplinäres Team verfügen, soweit sie an der Sozialpsychiatrischen Vereinbarung (Anlage 11 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte) teilnehmen. Sie sind aufgrund ihrer Ausbildung in der Lage, festzustellen, ob Leistungen der dritten Versorgungsstufe in einem SPZ, die außerhalb der Gesamtvergütung von den Kassen zu tragen sind, im Einzelfall erforderlich sind.
Beurteilungsfehlerfrei festgestellt hat der Beklagte auch, dass Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie geeignete Gebietsärzte sind. Zum Weiterbildungsinhalt des Gebiets Neurologie gehört neben dem Erkennen und Behandeln neurologischer Krankheitsbilder und Defektzustände insbesondere der Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in der interdisziplinären diagnostischen und therapeutischen Zusammenarbeit auch mit anderen Berufsgruppen der Gesundheitsversorgung wie der Krankengymnastik, der Logopädie, der Neuropsychologie und Ergotherapie einschließlich ihrer Indikationsstellung und Überwachung entsprechender Maßnahmen sowie die Indikationsstellung soziotherapeutischer Maßnahmen, zu dem des Gebiets der Psychiatrie und Psychotherapie die Erkennung und Behandlung von Verhaltensauffälligkeiten in Kindes- und Jugendalter und die Grundlagen der Sozialpsychiatrie. Insoweit hat der Beklagte zutreffend die nötige Beurteilungskompetenz dieser Gebietsärzte angenommen.
Der Beklagte hat seinen Beurteilungsspielraum auch insoweit nicht überschritten, als er eine Überweisung durch Fachärzte für Allgemeinmedizin und Praktische Ärzte ausgeschlossen hat. Das Gebiet der Allgemeinmedizin (Hausarzt) umfasst als Weiterbildungsinhalt den Bereich der Sozialpädiatrie nicht. Auch in den "weiteren Inhalten" ist lediglich die Erkennung und koordinierte Behandlung von Verhaltensauffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter enthalten, wobei die "koordinierte Behandlung" die alleinige Behandlung durch den Hausarzt ausschließt. Bei Praktischen Ärzten kann eine besondere Kompetenz im Bereich der Sozialpädiatrie nicht vorausgesetzt werden, da sie keine Facharztausbildung durchlaufen haben und lediglich aufgrund der Übergangsvorschrift in § 95 a Abs. 4 SGB V an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen können. Aufgrund der in der Weiterbildungsordnung geregelten Weiterbildungsinhalte kann nicht darauf geschlossen werden, dass diese beiden Arztgruppen hinreichend qualifiziert zur Beurteilung der Frage sind, ob eine Behandlung durch einen Vertragsarzt, regelmäßig einen Kinder- und Jugendarzt oder einen Kinder- und Jugendpsychiater, ausreichend ist oder ob spezialisierte Leistungen der dritten Versorgungsstufe erforderlich sind.
Im Ergebnis ist der in Ziffer 3 festgesetzte Facharztvorbehalt rechtmäßig.
Da der in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides enthaltene Facharztvorbehalt rechtmäßig ist, war das Urteil des Sozialgerichts München in Ziffer I aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG, § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Revision wird nicht zugelassen.
II. Die Berufungen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) werden zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Kosten der Beigeladenen zu 2), 3) und 6) werden von der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) je zur Hälfte getragen.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin Patienten nur auf Überweisung von Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin, Ärzten für Neurologie und Psychiatrie sowie von Kinder- und Jugendpsychiatern behandeln darf ("Facharztfilter").
Die Klägerin ist Trägerin des Kinderzentrums St. M., eines Sozialpädiatrischen Zentrums (SPZ) in A-Stadt. Mit Schreiben vom 11.01.2011 beantragte sie eine Verlängerung der im bisherigen Umfang über den 31.03.2011 hinaus. Zu dieser Folgeermächtigung gab die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern mit Schreiben vom 17.02.2011 eine Stellungnahme ab. Sie sei der Auffassung, dass die Inanspruchnahme des SPZ St. M. auf eine Überweisung durch Ärzte für Kinder- und Jugendmedizin, Ärzte für Neurologie und Psychiatrie sowie für Kinder- und Jugendpsychiatrie eingeschränkt werden solle. Mit Bescheid vom 18.03.2011 erteilte der Zulassungsausschuss Ärzte Oberpfalz die ab dem 01.04.2011 bis 31.3.2014. Ziffer 3 des Beschlusses lautet: "Die Behandlung erfolgt auf Überweisung von Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin, Ärzten für Neurologie und Psychiatrie sowie von Kinder- und Jugendpsychiatern."
Gegen diese Beschränkung wandte sich die Klägerin mit ihrem Widerspruch. Die Beschränkung des Überweiserkreises sei ermessensfehlerhaft. Eine wie auch immer geartete Bedarfsanalyse habe nicht stattgefunden. Es seien auch keine Kinder- und Jugendärzte, keine Kinder- und Jugendpsychiater und keine Neuropädiater befragt worden. Der Versorgungsbedarf in der betroffenen Region sei handgreiflich. Es bestehe ein qualitativ-spezieller Versorgungsbedarf bezüglich sozialpädiatrischer Leistungen. Deshalb sei es unbedingt erforderlich, niederschwellige Zugangsvoraussetzungen für die Patienten zu schaffen. Andernfalls würde vielen Kindern die so dringend notwendige Behandlung in einem SPZ verwehrt. Ferner lag eine Stellungnahme des Abgeordneten K. vom 26.04.2011 vor. Die Arbeitsgemeinschaft der Krankenkassenverbände in Bayern beantragte die Zurückweisung des Widerspruchs. Eine Behandlung in einem SPZ sei nur dann geboten, wenn Art, Schwere oder Dauer des Krankheitsbildes keine hinreichende Behandlung durch geeignete Ärzte wie Kinder- und Jugendärzte und insbesondere Fachärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie zulassen würden. Mit einem auf diese Facharztgruppen zugeschnittenen Überweisungsfilter sei sichergestellt, dass die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Behandlung in einem SPZ nur von den Ärzten zu treffen sei, die ansonsten selbst die sozialpädiatrische Versorgung sicherstellen würden.
Mit Bescheid vom 22.06.2011 wies der Beklagte aufgrund der Sitzung am 05.06.2011 den Widerspruch zurück. Das Bayerische Landessozialgericht habe in seinem Beschluss vom 23.03.2011 (L KA 120/10 ER) die Einschränkung des Überweiserkreises auf die vorgenannten Fachärzte bestätigt. Alle Planungsbereiche in der Oberpfalz seien mindestens ausreichend (Versorgungsgrad von mindestens 100 %) mit Kinder- und Jugendärzten versorgt. Im Bezirk Oberpfalz seien zusätzlich in A-Stadt, B-Stadt und C-Stadt Kinder- und Jugendpsychiater zugelassen und in der ganzen Oberpfalz nähmen insgesamt fünf Ärzte an der sozialpsychiatrischen Vereinbarung teil. Die Behandlung in einem SPZ sei nur dann geboten, wenn Art, Schwere oder Dauer des Krankheitsbildes keine hinreichende Behandlung durch geeignete Ärzte zuließen. Mit den auf diese Fachgruppen zugeschnittenen Überweisungsfiltern sei sichergestellt, dass die Entscheidung über die Erforderlichkeit einer Behandlung in einem SPZ nur von den Ärzten getroffen werde, die ansonsten selbst die sozialpädiatrische Versorgung sicherstellten. Eine Überweisung durch Kinder- und Jugendärzte, Ärzte für Neurologie und Psychiatrie und Kinder- und Jugendpsychiatrie sei sinnvoll, notwendig und zwingend, weil nur diese beurteilen könnten, in welchen Fällen eine fachübergreifende, interdisziplinäre Behandlung von Patienten in einem SPZ überhaupt notwendig sei. Das Primat der vertragsärztlichen Versorgung liege bei den niedergelassenen Vertragsärzten und zugelassenen Heilmittelerbringen.
Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin Klage zum Sozialgericht München (SG) ein. Die Berufsausübungsfreiheit der Klägerin werde unverhältnismäßig beschränkt. Es fehle bereits an der Erforderlichkeit der entsprechenden Einschränkung. Das SPZ des Beklagten konkurriere weder mit Kinder- und Jugendärzten noch mit Ärzten für Neurologie und Psychiatrie oder mit Kinder- und Jugendpsychiatern. Bei der Klägerin erfolge die Entscheidung über das Ob und das Wie einer Behandlung nicht auf Basis der Diagnosen im Überweisungsschein, sondern auf Grundlage einer eigenen fundierten Einschätzung. Vor diesem Hintergrund würden Kinder, die auch vom Kinder- und Jugendarzt behandelt werden könnten, auch an diese Facharztgruppen weiterverwiesen. Die Indikation für eine Behandlung im SPZ werde von der Klägerin streng nach den Maßstäben des § 119 Abs. 2 S. 1 SGB V gestellt und überprüft. Vor diesem Hintergrund sei eine Beschränkung des Überweiserkreises absolut sinnlos. Außerdem sei die Beschränkung unverhältnismäßig. Dringend behandlungsbedürftige Kinder und Jugendliche würden von der notwendigen Therapie abgeschnitten. Die Beschränkung der Überweisungen greife auch in das Grundrecht der Kinder und Jugendlichen auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG) ein. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Angebot für eine sozialpädiatrische Behandlung in einem SPZ nicht wahrgenommen werde, steige mit jedem zusätzlichen Arzt in der Überweisungskette. Für die große Anzahl schwer- und schwerstbehinderter Kinder und Jugendlicher habe ein Zugangserschwernis katastrophale Folgen. Die Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts könne auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden, da jeweils ein komplett anderer Sachverhalt zu Grunde liege. Stelle man auf die konkrete Versorgungssituation ab, seien die Anfahrtswege der Patienten, um die es in dieser Entscheidung gegangen sei, viel kürzer und unbeschwerlicher. Im Übrigen hätten sich entsprechende Beschränkungen des Überweiserkreises ohnehin nicht bewährt. Der Beklagte verwies demgegenüber auf die Rechtsprechung des Bayerischen Landessozialgerichts und des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen. Die Beigeladene zu 2) legte dar, dass im Einzugsbereich des klägerischen SPZ eine gute Versorgung durch Kinder- und Jugendärzte gegeben sei. Die Angabe der Klägerin, dass die Wartezeit beim Kinderarzt sehr lange sei, werde bestritten. Außerdem wies die Beigeladene zu 2) auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 27.06.2001 hin. Bei der fachübergreifenden, ganzheitlichen Behandlung im SPZ handle es sich um spezielle Leistungen. Im Übrigen sei der Vortrag der Klägerin, dass auch Hausärzte aufgrund ihrer Ausbildung grundsätzlich geeignet wären, spezielle Defizite bei Kindern zu erkennen, die eine Überweisung ins SPZ rechtfertigen würden, zurückzuweisen. Sozialpädiatrische Inhalte seien kein Bestandteil der Aus- und Weiterbildung von Allgemeinärzten. Mit dem Facharztfilter werde sichergestellt, dass die Voraussetzungen der nach § 119 SGB V überhaupt vorlägen und diese auch nur in dem Umfang ausgeübt werde, wie von den Zulassungsgremien erteilt.
Mit Urteil vom 19.10.2011 gab das SG der Klage teilweise statt. Die Behandlung erfolge auf Überweisungen in der Regel von Ärzten für Kinder- und Jugendmedizin, Ärzten für Neurologie und Psychiatrie sowie von Kinder- und Jugendpsychiatern. In besonders begründeten Ausnahmefällen auch auf Überweisung von Hausärzten. Die Behandlung solle erst dann von SPZ übernommen werden, wenn sie von geeigneten Ärzten nicht sichergestellt werden könne. Daraus ergebe sich, dass ebenfalls nur der fachkundige Gebietsarzt (zum Beispiel Kinderarzt) beurteilen könne, ob die Art und die Schwere der bei einem Kind vorliegenden Störung die Behandlung in einem SPZ erforderlich mache. Über diese Fachkunde verfüge ein Allgemeinarzt/Hausarzt in der Regel nicht. Deshalb sei der Facharztfilter nicht zu beanstanden. Gleichwohl sei die Entscheidung der Zulassungsgremien teilweise zu modifizieren gewesen. In der mündlichen Verhandlung habe sich nämlich herausgestellt, dass im Einzugsbereich der Klägerin (östliches Randgebiet Bayerns) Situationen auftreten könnten, die die Einhaltung der (entsprechenden) Überweisung durch den Gebietsarzt in einer Art erschwerten, die dem Wohl des behandlungsbedürftigen Kindes entgegenständen. In solchen besonders begründeten Ausnahmefällen könne die erforderliche Behandlung bei der Klägerin auch auf Überweisung von Hausärzten erfolgen. Dieser besonders begründete Ausnahmefall müsse aus der Überweisung des Hausarztes ersichtlich sein.
Gegen dieses Urteil legten die Beigeladene zu 2), der Beigeladene zu 3) und der Beigeladene zu 6) Berufung ein.
Die Modifizierung durch das Urteil des Sozialgerichts München sei rechtlich nicht haltbar. Sie sei mit der Situation im östlichen Randgebiet Bayerns begründet worden. Demgegenüber hätten die beigeladenen Krankenkassen Fakten zum Versorgungsgrad mit Fachärzten im Einzugsbereich der Klägerin vorgelegt, die belegten, dass die Versorgung sichergestellt sei. Im Übrigen sei die Modifizierung durch das Sozialgericht nicht konkret genug, so dass die Rechtssicherheit eingeschränkt werde. Ferner stützte sich die Beigeladene zu 2) auf den Beschluss des Senats vom 23.03.2011.
Die Klägerin und die Beigeladene zu 1) legten ebenfalls Berufung ein. Die Klägerin führte aus, dass der Einzugsbereich sehr breit sei und ein großer Anteil der Patienten aus den dünn besiedelten, traditionell versorgungsarmen Regionen, so zum Beispiel dem Oberpfälzer Wald und der Fränkischen Alb komme. Die sei an keinen bestimmten Überweiserkreis geknüpft gewesen. Nunmehr sei ein Facharztfilter vorgesehen. Die Klägerin habe jedoch einen Anspruch auf gemäß § 119 SGB V ohne jegliche Beschränkung des Überweiserkreises. Der Facharztfilter greife in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ein. Infolge des streitgegenständlichen Beschlusses habe die Klägerin einen deutlichen Rückgang sowohl der Neuanmeldungen als auch der Gesamtpatientenzahl hinnehmen müssen. Der Facharztfilter lasse sich unter keinem Aspekt rechtfertigen. Ein Versorgungsbedarf für die sozialpädiatrische Versorgung bestehe. Auf den Versorgungsgrad mit Kinder- und Jugendärzten, Ärzten für Neurologie und Psychiatrie und Kinder- und Psychiater komme es bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 119 SGB V nicht an. Die Erforderlichkeit einer entsprechenden Einschränkung fehle. Im Übrigen hätten auch die Allgemein- beziehungsweise Hausärzte regelmäßig die Fachkompetenz, die Behandlungsnotwendigkeit in einem SPZ richtig festzustellen. Diesbezüglich bestehe auch eine Pflicht zur Weiter- und Fortbildung. Hausärzte seien im Übrigen insbesondere in ländlichen Regionen der erste und oft auch einzige Ansprechpartner bei gesundheitlichen Fragen und Problemen. Zum Patientenkreis der Klägerin zählten zu einem hohen Prozentsatz Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen beziehungsweise sozial schwierigen Verhältnissen. Hier sei oft einzig der Hausarzt in der Lage, Risiken früh zu erkennen und zu intervenieren. Außerdem sei die Beschränkung unverhältnismäßig. Es würden auch die Grundrechte der betroffenen Kinder und Jugendlichen eingeschränkt.
Die Beigeladene zu 1) legte dar, dass die im Bescheid vorgenommene Einschränkung des Überweisungsvorbehalts auf Ärzte bestimmter Fachgruppen insgesamt rechtswidrig sei. Fachärzte für Allgemeinmedizin seien ebenfalls qualifiziert, die Schwere einer drohenden Krankheit des Kindes und damit eine etwaige Behandlungsbedürftigkeit in einem SPZ einzuschätzen. Beispielsweise müsse auch der Facharzt für Allgemeinmedizin Verhaltensauffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter erkennen und eine entsprechende Behandlung koordinieren. Außerdem sei ein Facharztvorbehalt grundsätzlich dann unzulässig, wenn ein qualitativer und quantitativer Bedarf bestehe, denn ein derartiger Vorbehalt ginge in diesen Fällen zulasten des Versicherten, der stets zunächst an den niedergelassenen Gebietsarzt überwiesen werden müsste, obwohl möglicherweise von vornherein feststehe, dass dieser die Behandlung nicht übernehmen oder die erforderlichen Leistungen nicht erbringen könne.
Mit Schreiben vom 12.12.2012 legte die Beigeladene zu 2) einen Vergleichsvorschlag vor, nach dem bei bestimmten, gesicherten Diagnosen eine Überweisung ins SPZ auch durch Allgemeinärzte/praktische Ärzte zulässig wäre.
Die Klägerin stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 25.05.2012.
Die Beigeladene zu 1) stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 03.02.2012 mit der Maßgabe, hilfsweise den Beklagten zur Neuverbescheidung zu verurteilen.
Die Beigeladene zu 2) stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 10.05.2012 mit der Maßgabe, in Ziff. 1 die Klage insoweit abzuweisen.
Die Beigeladene zu 6) schließt sich dem Antrag der Beigeladenen zu 2) an.
Der Beklagte stellt den Antrag aus dem Schriftsatz vom 23.05.2012.
Lediglich der fachkundige Gebietsarzt könne beurteilen, ob Art und Schwere einer Störung eine Behandlung in einem SPZ erforderlich machen würden. Bei Fachärzten für Kinder- und Jugendmedizin sei von einer besonderen Kompetenz auszugehen. Die Sozialpädiatrie werde nach der Weiterbildungsordnung jedoch ausschließlich im Bereich der Kinder- und Jugendärzte konkret genannt. Die Einschränkung des Überweiserkreises sei damit sachlich gerechtfertigt und trage dazu bei, denjenigen Patientenkreis zu bestimmen, der gemäß § 119 Abs. 2 S. 1 SGB V tatsächlich einer Behandlung im SPZ bedürfe. Die Modifizierung des Sozialgerichts München sei rechtlich nicht haltbar, da sie zu unbestimmt sei. Im Übrigen verwies der Beklagte auf die Rechtsprechung des Senats und des Landessozialgerichts NRW. Die Diagnosen in den Überweisungen von Hausärzten zeigten, dass die Behandlung der Kinder nicht den Vorgaben des § 119 Abs. 2 S. 1 SGB V entsprochen habe und somit eine Behandlung im SPZ nicht erforderlich gewesen wäre. Dies zeige auch, dass Hausärzte dazu tendierten, die Kinder nicht zuerst zum Facharzt, sondern gleich in ein SPZ zu überweisen. Das SPZ stelle jedoch erst die dritte Stufe der Versorgung dar, die nur in schweren Fällen in Anspruch genommen werden könne. Eine Überweisung durch Kinder- und Jugendärzte, Ärzte für Neurologie und Psychiatrie und Kinder- und Jugendpsychiater sei daher sinnvoll, notwendig und auch zwingend, weil nur diese beurteilen könnten, in welchen Fällen eine fachübergreifende, interdisziplinäre Behandlung von Patienten in einem SPZ überhaupt notwendig sei.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die beigezogenen Beklagtenakten und die Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen der Beigeladenen zu 2), 3) und 6) sind zulässig und begründet. Das Urteil des Sozialgerichts München vom 19.10.2011 war in Nummer I des Tenors aufzuheben. Die Berufungen der Klägerin und der Beigeladenen zu 1) waren dementsprechend zurückzuweisen. Der Beklagte hat die der Klägerin zu Recht auf die Fälle beschränkt, in denen eine Überweisung durch Kinder- und Jugendärzte, Ärzte für Neurologie und Psychiatrie und Kinder- und Jugendpsychiater erfolgte (Facharztfilter).
Rechtsgrundlage dieser Einschränkung ist § 31 Abs. 7 S. 1 und 2 Ärzte-ZV. Danach sind Ermächtigungen zeitlich, räumlich und ihrem Umfang nach zu bestimmen. In dem Ermächtigungsbeschluss ist auch auszusprechen, ob der ermächtigte Arzt unmittelbar oder auf Überweisung in Anspruch genommen werden kann.
Zwischen allen Beteiligten ist unstreitig, dass die Klägerin einen Anspruch auf gemäß § 119 Abs. 1 S. 2 SGB V hat. Die darf jedoch gemäß § 32 Abs. 1 SGB X mit einer Nebenbestimmung, nämlich dem Facharztfilter versehen werden, da diese Nebenbestimmung in § 31 Abs. 7 S. 2 Ärzte-ZV vorgesehen, also durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Weil der in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides angeordnete Facharztfilter auf § 31 Abs. 7 Ärzte-ZV gestützt werden kann, ist die Klägerin durch die streitgegenständliche Nebenbestimmung nicht in ihren Rechten verletzt.
Die grundsätzliche Rechtmäßigkeit eines Facharztfilters ist vom Bundessozialgericht wegen des Vorrangs der niedergelassenen Vertragsärzte in der ambulanten Krankenversorgung bereits bestätigt worden. Bei Ermächtigungen, die nicht auf quantitative Versorgungsdefizite, sondern auf das spezielle Leistungsangebot des ermächtigten Krankenhausarztes gestützt werden, ist die Befugnis zur Überweisung an diesen den Gebiets- oder Teilgebietsärzten vorzubehalten, die aufgrund ihrer Ausbildung und der Ausrichtung ihrer Tätigkeit für die Behandlung der infrage kommenden Krankheiten in erster Linie zuständig sind, da andernfalls der überweisende Arzt nach eigenem Gutdünken über die Notwendigkeit der Einschaltung des Krankenhausarztes befinden und den Gebietsarzt übergehen könnte und damit der Vorrang der niedergelassenen Vertragsärzte nicht gewahrt wäre (BSG, Urteil vom 27 6. 2001, B 6 KA 39/00 R, Rn. 19). Der Vorrang der niedergelassenen Vertragsärzte gilt auch im Verhältnis zu den SPZ. Wie nach § 116 SGB V, auf den sich das Urteil des BSG bezieht, besteht auch nach § 119 Abs. 1 S. 2 SGB V ein Anspruch auf Erteilung einer nur, soweit und solange eine ausreichende ärztliche beziehungsweise sozialpädiatrische Versorgung durch Vertragsärzte nicht sichergestellt ist.
Da die SPZ nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht lediglich quantitative Versorgungsdefizite ausgleichen sollen, sondern spezialisierte Leistungen auf der dritten Stufe des Versorgungssystems erbringen und auf Kinder spezialisiert sind, die wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Krankheit oder einer drohenden Krankheit nicht von geeigneten Ärzten oder in geeigneten Frühförderstellen behandelt werden können (BSG Urteil vom 29.06.2011, B 6 KA 34/10 R, Rn. 11) liegen die Voraussetzungen für einen Facharztfilter nach § 31 Abs. 7 Ärzte-ZV grundsätzlich vor.
Konkretisiert man die Ermächtigungsnorm für einen Facharztfilter (§ 31 Abs. 7 S. 2 Ärzte-ZV) anhand der speziellen Vorgaben des § 119 Abs. 2 S. 1 SGB V, so ergibt sich, dass mit einem Überweisungsfilter sichergestellt werden muss, dass die sozialpädiatrische Behandlung durch SPZ auf diejenigen Kinder ausgerichtet wird, die wegen der Art, Schwere oder Dauer ihrer Krankheit oder einer drohenden Krankheit nicht von geeigneten Ärzten oder in geeigneten Frühförderstellen behandelt werden können. Der Überweisungsfilter muss also gewährleisten, dass eine Überweisung nur erfolgt, wenn die Behandlung durch geeignete Ärzte nicht mehr ausreichend ist und spezielle Leistungen der dritten Versorgungsebene notwendig sind.
Diese Beurteilung ist den Gebietsärzten vorzubehalten, die aufgrund ihrer Ausbildung und Ausrichtung ihrer Tätigkeit für die Behandlung der infrage kommenden Krankheiten in erster Linie zuständig sind. Bei dieser Prüfung haben die Zulassungsgremien, die paritätisch mit Ärzten und Vertretern der Krankenkassen besetzt sind und damit über eine besondere Fachkunde verfügen, einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Beurteilungsspielraum, der sich an den Gebietsbeschreibungen der jeweils zum Zeitpunkt der geltenden Weiterbildungsordnung orientieren muss.
Diesen Beurteilungsspielraum hat der Beklagte nicht überschritten.
Die Erforderlichkeit einer sozialpädiatrischen Behandlung durch ein SPZ beurteilen können in erster Linie Kinder- und Jugendärzte, deren Fachgebiet nach der Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns in der Fassung vom 17.10.2010 bereits in der Definition die Sozialpädiatrie umfasst, sowie die Kinder- und Jugendpsychiater, die psychische, psychosomatische, entwicklungsbedingte und neurologische Erkrankungen oder Störungen sowie psychische und soziale Verhaltensauffälligkeiten unter Berücksichtigung des familiären und sozialen Lebensumfelds diagnostizieren und behandeln und sogar über ein den SPZ vergleichbares interdisziplinäres Team verfügen, soweit sie an der Sozialpsychiatrischen Vereinbarung (Anlage 11 zum Bundesmantelvertrag-Ärzte) teilnehmen. Sie sind aufgrund ihrer Ausbildung in der Lage, festzustellen, ob Leistungen der dritten Versorgungsstufe in einem SPZ, die außerhalb der Gesamtvergütung von den Kassen zu tragen sind, im Einzelfall erforderlich sind.
Beurteilungsfehlerfrei festgestellt hat der Beklagte auch, dass Fachärzte für Neurologie und Psychiatrie geeignete Gebietsärzte sind. Zum Weiterbildungsinhalt des Gebiets Neurologie gehört neben dem Erkennen und Behandeln neurologischer Krankheitsbilder und Defektzustände insbesondere der Erwerb von Kenntnissen, Erfahrungen und Fertigkeiten in der interdisziplinären diagnostischen und therapeutischen Zusammenarbeit auch mit anderen Berufsgruppen der Gesundheitsversorgung wie der Krankengymnastik, der Logopädie, der Neuropsychologie und Ergotherapie einschließlich ihrer Indikationsstellung und Überwachung entsprechender Maßnahmen sowie die Indikationsstellung soziotherapeutischer Maßnahmen, zu dem des Gebiets der Psychiatrie und Psychotherapie die Erkennung und Behandlung von Verhaltensauffälligkeiten in Kindes- und Jugendalter und die Grundlagen der Sozialpsychiatrie. Insoweit hat der Beklagte zutreffend die nötige Beurteilungskompetenz dieser Gebietsärzte angenommen.
Der Beklagte hat seinen Beurteilungsspielraum auch insoweit nicht überschritten, als er eine Überweisung durch Fachärzte für Allgemeinmedizin und Praktische Ärzte ausgeschlossen hat. Das Gebiet der Allgemeinmedizin (Hausarzt) umfasst als Weiterbildungsinhalt den Bereich der Sozialpädiatrie nicht. Auch in den "weiteren Inhalten" ist lediglich die Erkennung und koordinierte Behandlung von Verhaltensauffälligkeiten im Kindes- und Jugendalter enthalten, wobei die "koordinierte Behandlung" die alleinige Behandlung durch den Hausarzt ausschließt. Bei Praktischen Ärzten kann eine besondere Kompetenz im Bereich der Sozialpädiatrie nicht vorausgesetzt werden, da sie keine Facharztausbildung durchlaufen haben und lediglich aufgrund der Übergangsvorschrift in § 95 a Abs. 4 SGB V an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmen können. Aufgrund der in der Weiterbildungsordnung geregelten Weiterbildungsinhalte kann nicht darauf geschlossen werden, dass diese beiden Arztgruppen hinreichend qualifiziert zur Beurteilung der Frage sind, ob eine Behandlung durch einen Vertragsarzt, regelmäßig einen Kinder- und Jugendarzt oder einen Kinder- und Jugendpsychiater, ausreichend ist oder ob spezialisierte Leistungen der dritten Versorgungsstufe erforderlich sind.
Im Ergebnis ist der in Ziffer 3 festgesetzte Facharztvorbehalt rechtmäßig.
Da der in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheides enthaltene Facharztvorbehalt rechtmäßig ist, war das Urteil des Sozialgerichts München in Ziffer I aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG, § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Rechtskraft
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