Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SF 58/10 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Anhörungsrüge des Bezirksrevisors gegen den Beschluss vom 28.12.2010 wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der Bezirksrevisor erhebt die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs unter der Fragestellung des Umfangs seines Akteneinsichtsrechts. Im Verfahren S 2 (6) SO 155/08 war dem dortigen Klägerbevollmächtigten Prozesskostenhilfe bewilligt worden. In der Sache ging es um die Frage der Gewährung von Grundsicherungsleistungen einschließlich eines gesundheitsbedingtem Mehrbedarfs und die Frage der Höhe anrechenbaren Einkommens. Die Beteiligten haben sich schließlich gütlich geeinigt. Mit Schriftsatz vom 06.01.2010 hat der Klägerbevollmächtigte dann die Festsetzung von insgesamt 785,40 Euro beantragt, die sich aus 250 Euro Verfahrensgebühr, 200 Euro Terminsgebühr und 190 Euro Erledigungsgebühr nebst 20 Euro Auslagenpauschale und Umsatzsteuer auf die genannten Positionen mit 125,40 Euro zusammensetzen. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat den zu erstattenden Betrag dann unter Streichung der Terminsgebühr und entsprechender Minderung der Umsatzsteuer auf 547,40 Euro festgesetzt. Hinsichtlich der in vorherigen anderen Verfahren bereits mehrfach aufgetretenen Frage des Umfangs des Akteneinsichtsrechts des Bezirksrevisiors hat das hiesige Gericht diesen mit Verfügung vom 14.07.2010 hierzu angehört und unter Schilderung der Problematik der möglichen Verletzung des § 203 Abs.2 StGB um Benennung einer Rechtsgrundlage für sein Anliegen gebeten. Auf den Inhalt der gerichtlichen Verfügung vom 14.07.2010 wird Bezug genommen. Der Bezirksrevisor ließ daraufhin ein Kurzgutachten erstellen. Dort wird als Rechtsgrundlage für die Einsicht in die dem PKH-Gebührenfestsetzungsverfahren zugrunde liegende Klageakte "Art. 103 Grundgesetz i.V.m. § 13 ff Bundesdatenschutzgesetz" genannt. Durch Beschluss vom 28.12.2010 zum Aktenzeichen S 2 SF 58/10 hat das hiesige Gericht die dem Rechtsanwalt als PKH-Gebühren zu erstattenden Kosten und Auslagen auf insgesamt 630,70 Euro festgesetzt, ohne dem Bezirksrevisor Einsicht in die Akte des zugrundeliegenden Klageverfahrens zu gewähren. Auf den Beschluss vom 28.12.2010 wird Bezug genommen.
Dagegen erhebt der Bezirksrevisor die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs.
Er beantragt wörtlich, "vorläufig, den Beschluss vom 28.10.2010 abzuändern, die PKH-Vergütung auf 547,40 Euro festzusetzen und die Erinnerung im Übrigen zurückzuweisen."
Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten auf den Inhalt der Akte S 2 SF 58/10 E Bezug genommen.
Die Anhörungsrüge ist nach § 178a SGG zulässig, denn der Antragsgegner hat sich innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis der angeblichen Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 178a Abs.2 S.1 SGG) schriftlich (§ 178a Abs.2 S.4 SGG) gegen den Beschluss des hiesigen Gerichts vom 28.12.2010 gewandt, gegen den ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gemäß § 177 SGG nicht gegeben ist (§ 178a Abs.1 S.1 Nr.1 SGG). Er hat die angegriffene Entscheidung bezeichnet und sowohl geltend gemacht, dass eine Verletzung rechtlichen Gehörs vorliege als auch, dass diese Verletzung entscheidungserheblich sei (§ 178a Abs.2 S.6 SGG).
Die Anhörungsrüge ist jedoch unbegründet. Der Bezirksrevisior hat im Rahmen eines Erinnerungsverfahrens gegen die Höhe der Festsetzung der Vergütung des im Wege der Prozesskostenhilfegewährung beigeordneten Rechtsanwalts kein Recht auf Einsichtnahme der Akte des zugrundeliegenden, erstinstanzlichen Klageverfahrens. Hierfür fehlt es an einer Ermächtigungsgrundlage. Und auch unter dem Aspekt der Interessenabwägung aufgrund einer Kollision zweier verfassungsrechtlicher Positionen ist das Interesse des Bezirksrevisors, die Aktenlage umfassend einschließlich dem Inhalt der Akte des zugrundeliegenden Klageverfahrens als Ausdruck des rechtlichen Gehörs gegenüber dem Interesse des Bürgers an der Wahrung des Sozialgeheimnisses und der Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht als Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs.1 GG zu kennen, nachrangig. Dazu im Einzelnen:
Die Berechtigung ergibt sich nicht aus der Tatsache, dass der Kläger das Verfahren erster Instanz angestrengt hat. Denn insoweit sind nur die nach dem Geschäftsverteilungsplan des angerufenen Gerichts zuständigen Personen zur Kenntnis der Akten befugt. Der Bezirksrevisor ist jedoch ein Mitarbeiter des Landessozialgerichts NRW. Insoweit ist er eine externe Person gegenüber dem Sozialgericht Detmold und eben kein Mitarbeiter des Sozialgerichts Detmold. Wäre er Mitarbeiter des Sozialgerichts Detmold bedürfte es keines förmlichen Erinnerungsverfahrens. Er könnte dann vielmehr die Entscheidung des Kostenbeamten, der dann nur Mitarbeiter der Abteilung des Bezirksrevisors wäre, durch Weisung korrigieren. So liegt der Sachverhalt aber gerade nicht.
Die Ermächtigung des Bezirksrevisors zur Einsichtnahme in Gerichtsakten der ersten Instanz ergibt sich nicht aus seiner Aufgabenbeschreibung. Dabei ist selbst die Zuständigkeit und Existenz des Amtes des Bezirksrevisors nicht durch Gesetz, sondern nur durch ministeriellen Erlass in Form der Kostenverfügung geregelt. Doch selbst eine gesetzliche Zuständigkeitsnorm, die man im Wege der Auslegung im Bereich der allgemeinen Organisation des Gerichtswesen suchen könnte, genügt als solche nicht als Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe gegenüber dem Bürger. Das deutsche Recht kennt keine "implied power" dergestalt, dass die Zuständigkeitsnorm gleichzeitig Ermächtigungsgrundlage für das Handeln der Behörde gegenüber dem Bürger wäre. Beides ist im deutschen Verwaltungsrecht vielmehr getrennt. Und im Sozialgerichtsgesetz wird der Bezirksrevisor überhaupt nicht genannt. Dort wird nur an ganz wenigen Stellen abstrakt die Landeskasse genannt. Auch ist die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung nicht bedroht, wenn der Bezirksrevisor die zugrundeliegenden Akten erster Instanz im Erinnerungsverfahren über die PKH-Gebühren nicht sehen darf, nachdem die Gebühren bereits gewissenhaft vom örtlichen Kostenbeamten festgesetzt worden sind. Und die weitergehende, verfassungsrechtlich gebotene Aufgabe der unabhängigen Kostenprüfung der Verwaltung zugunsten eines funktionierenden öffentlichen Finanzhaushalts ist ohnehin dem Landesrechnungshof übertragen, der auch mit entsprechenden Rechten ausgestattet ist. Insoweit ist der Bezirksrevisor nur ein verwaltungsinterner, aber behördenübergreifender Innenrevisor, der in seinen Befugnissen dem Landesrechnungshof nicht gleichsteht.
Eine Rechtsgrundlage für die begehrte Einsicht in die Akten des zugrundeliegenden Klageverfahrens ergibt sich auch nicht aus den §§ 13 ff Bundesdatenschutzgesetz. Denn der Anwendungsbereich dieser Normen ist hier nicht eröffnet. Dies verkennt das vom Bezirksrevisor vorgelegte Kurzgutachten. Soweit andere Rechtsvorschriften des Bundes auf personenbezogene Daten einschließlich deren Veröffentlichung an-zuwenden sind, gehen sie gemäß § 1 Abs.3 S.1 BDSG den Vorschriften dieses Gesetzes vor. Die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt nach § 1 Abs.3 S.2 BDSG unberührt. Die ärztliche Schweigepflicht beruht auf dem ärztlichen Standesrecht. Ihre Verletzung wird in § 203 Abs.1 StGB für den originär verpflichteten Kreis der Ärzte und deren Praxismit-arbeiter strafbewährt. Nach § 203 Abs.2 StGB wird ebenso bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart, das ihm als Amtsträger ( ... ) anvertraut oder sonst bekannt geworden ist. In Absatz 2 erfolgt also die äquivalente Ausdehnung auf Amtspersonen. Dabei kann das Merkmal "unbefugt" hier nicht mit einem Verweis auf §§ 13 ff BDSG verneint werden, da § 1 Abs.3 S.2 BDSG bei Vorliegen einer Schweigepflicht den Anwendungsbereich des BDSG schon gar nicht eröffnet.
Das Recht auf die Akteneinsicht im beschriebenen Umfang ergibt sich auch nicht aus einer Abwägung zweier kollidierender Grundrechte. Eine solche Kollision liegt hier zwar vor, die daraus erforderlich werdende Interessenabwägung geht jedoch zu Lasten des Bezirksrevisors aus, Vor Gericht hat gemäß Art. 103 GG jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. Obwohl es sich bei den Grundrechten grundsätzlich um Rechte des Bürgers gegenüber dem Staat handelt, entspricht es allgemeiner Auffassung, dass sich auch Behörden als Staatsteile auf die Justizgrundrechte aus Art. 97 ff GG berufen können. Rechtliches Gehör bedeutet, sich grundsätzlich vor Erlass einer Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zur Sache äußern zu können (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG E 69, S. 145, 148). Grundsätzlich stellt jedes Zurückbleiben hinter den dargestellten Anforderungen einen Eingriff dar. Art. 103 Abs.1 GG enthält keinen Gesetzesvorbehalt. Eingriffe können ihre Rechtfertigung daher allein in kollidierendem Verfassungsrecht finden. Zutreffend weist der Bezirksrevisor darauf hin, dass Beteiligte Anspruch auf rechtliche Gehör haben. Dazu gehört auch das Recht auf Akteneinsicht, dessen Umfang im Grundsatz soweit geht, dass Beteiligte grundsätzlich nach Möglichkeit natürlich auch alle beigezogenen Akten kennen müssen, um sich umfassend äußern zu können. Dies ist im Grundsatz eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit, die Ausdruck des fairen Verfahrens ist. Genauso selbstverständlich ist jedoch das Recht des Bürgers auf informationelle Selbstbestimmung Ausdruck von Art. 2 Abs.1 Grundgesetz in Verbindung mit Art. 1 Abs.1 GG, dessen Bedeutung das Bundesverfassungsgericht erstmals grundlegend in seiner Entscheidung zum Mikrozensus (BVerfG vom 15.12.1983 zu 1 BvR 209/83 und weiteren Az.) dargelegt hat. Einschränkungen sind nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig und bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechen muss. Hier kollidiert also das Interesse des Bürgers an der Geheimhaltung des Inhalts der Gerichtsakte gegenüber Dritten mit dem Interesse des Bezirksrevisors, den Inhalt des Klageverfahrens zu kennen, um sich im Erinnerungsverfahren zum Umfang der angefallenen PKH-Gebühren äußern zu können. Kollidieren zwei Grundrechte bedarf es der lnteressenabwägung. Das Recht des einen endet dort, wo das Recht des anderen anfängt. Die Abwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse des Klägers und dem Interesse der Landeskasse, vertreten "nur" durch einen weisungsgebundenen Bezirksrevisor als Mitarbeiter einer Justizbehörde und eben nicht durch den unabhängigen, mit eigenen Rechten ausgestatteten Landesrechnungshof als Wächter der Staatsfinanzen geht zu Lasten des Antragsgegners. Dessen Interesse an der Einsichtnahme in die Akte des zugrundeliegenden Klageverfahrens muss hinter dem Interesse des Bürgers, hier der Klägerin aus dem zugrundeliegenden Klageverfahren S 2 (6) SO 155/08, an der Wahrung der aus der ärztlichen Schweigepflicht und dem Sozialgeheimnis resultierenden Verschwiegenheitspflicht der Amtsträger beim Sozialgericht Detmold zurücktreten. Zwar ist es denknotwendig naheliegend, dass der Bezirksrevisor Einsicht in die dem Erinnerungsverfahren zugrundeliegenden Akten nehmen möchte. Und unter dem Aspekt des fairen Verfahrens ist dies grundsätzlich ein berechtigtes Interesse. Andererseits ist die Festsetzung der PKH-Gebühren bereits durch die Landeskasse erfolgt, nämlich durch den zuständigen Kostenbeamten des Sozialgerichts Detmold. Die Kostenbeamten des Sozialgerichts Detmold sind im Kostenrecht umfassend ausgebildet und ebenfalls Recht und Gesetz verpflichtet. Es besteht auch nicht einmal die abstrakte Besorgnis eines wirtschaftlichen Eigeninteresses, anders als abstrakt betrachtet vielleicht bei dem Rechtsanwalt, der den Umfang und den Wert seiner Tätigkeit bei der Gebührenbestimmung selbst bemessen muss. Das Erinnerungsverfahren ist also bereits die zweite Prüfungsebene. Auch dies ist bei der Interessenabwägung zu beachten. Legt nämlich der Bezirksrevisor selbst Erinnerung ein, so handelt es sich tatsächlich betrachtet um eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem örtlichen Kostenbeamten und dem Bezirksrevisor, die man von der Interessenlage her gleichsam als Innerorganstreit Landeskasse gegen Landeskasse betrachten muss. Diese ist nicht vorrangig schutzwürdig. Legt der Rechtsanwalt Erinnerung ein, so hat die Landeskasse durch den örtlichen Kostenbeamten bereits eine Kürzung von Anwaltsgebühren vorgenommen. Die Staatskasse ist hier nicht schutzbedürftig, sondern wurde bereits geschützt. Das Interesse des Bezirksrevisors in einem solchen Fall dann argumentativ nachlegen zu können, ist ebenfalls nachrangig. Demgegenüber sind die Informationen, die der Kläger im sozialgerichtlichen Verfahren nolens volens im Sinne einer Obliegenheit preisgeben muss, um sozialrechtliche Ansprüche geltend machen zu können, erheblich. So ging es in dem zugrundeliegenden Klageverfahren um Ansprüche, die auch auf gesundheitliche Einschränkungen gestützt und mit entsprechenden Tatsachenangaben dargestellt wurden. Noch deutlicher wird dies in den zahlreichen sozialgerichtlichen Verfahren, wo auch noch eine medizinische Beweisaufnahme durch Einholung von Sachverständigengutachten erfolgt Und schließlich war in die Abwägung einzubeziehen, dass die Grundrechte in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat sind. Der Staat selbst kann sich nicht auf die Grundrechte aus Art. 1 ff Grundgesetz berufen. Staatsorgane können sich nur im Einzelfall auf die Justizgrundrechte, hier Art. 102 GG berufen, was dann aber "nur" Ausdruck der Wahrung des Prinzips des fairen Verfahrens, aber keine Gewährung von Grundrechten gegenüber dem Staat ist. Auch insoweit war dem Interesse an der Wahrung der Verschwiegenheitspflichten der Vorrang zuzumessen, da die Kostenfestsetzung auch abschließend durch den örtlichen Kostenbeamten, der in seinem jeweiligen Handeln dann allein der richterlichen Aufsicht unterliegt, funktioniert. Der Staat wird durch die Versagung der Akteneinsicht an den Bezirksrevisor nicht ernsthaft oder wesentlich in seiner Funktionsfähigkeit beeinträchtigt. Die Aufgabe des Bezirksrevisors beschränkt sich in der ersten Instanz dann auf eine Schlüssigkeitsprüfung, die Feststellung grober Fehler des Kostenbeamten in der Rechtsanwendung und die Klärung allgemeiner kostenrechtlicher Fragen bei der Kostenfestsetzung allein anhand der Kostenakte.
Die Reichweite bzw. Rechtsmäßigkeit des Akteneinsichtsrechts aus § 47 Abs. 2 Kostenverfügung NRW in Verbindung mit der Aufgabe der Prüfung von Kostenansätzen durch den Bezirksrevisor im Verwaltungsweg aus § 43 Kostenverfügung NRW bei Akten, deren Inhalt von der ärztlichen Schweigepflicht oder dem Sozialgeheimnis erfasst ist, war an dieser Stelle nicht zu prüfen. Die Frage der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage stellt sich aber offensichtlich auch dort, da die Kostenverfügung NRW auch dort "nur" eine ministerielle Arbeitsanweisung und kein durch ein Parlament verabschiedetes, formelles Gesetz ist.
Dieser Beschluss ist nach § 178 Abs. 4 S. 3 SGG unanfechtbar.
Gründe:
I.
Der Bezirksrevisor erhebt die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs unter der Fragestellung des Umfangs seines Akteneinsichtsrechts. Im Verfahren S 2 (6) SO 155/08 war dem dortigen Klägerbevollmächtigten Prozesskostenhilfe bewilligt worden. In der Sache ging es um die Frage der Gewährung von Grundsicherungsleistungen einschließlich eines gesundheitsbedingtem Mehrbedarfs und die Frage der Höhe anrechenbaren Einkommens. Die Beteiligten haben sich schließlich gütlich geeinigt. Mit Schriftsatz vom 06.01.2010 hat der Klägerbevollmächtigte dann die Festsetzung von insgesamt 785,40 Euro beantragt, die sich aus 250 Euro Verfahrensgebühr, 200 Euro Terminsgebühr und 190 Euro Erledigungsgebühr nebst 20 Euro Auslagenpauschale und Umsatzsteuer auf die genannten Positionen mit 125,40 Euro zusammensetzen. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat den zu erstattenden Betrag dann unter Streichung der Terminsgebühr und entsprechender Minderung der Umsatzsteuer auf 547,40 Euro festgesetzt. Hinsichtlich der in vorherigen anderen Verfahren bereits mehrfach aufgetretenen Frage des Umfangs des Akteneinsichtsrechts des Bezirksrevisiors hat das hiesige Gericht diesen mit Verfügung vom 14.07.2010 hierzu angehört und unter Schilderung der Problematik der möglichen Verletzung des § 203 Abs.2 StGB um Benennung einer Rechtsgrundlage für sein Anliegen gebeten. Auf den Inhalt der gerichtlichen Verfügung vom 14.07.2010 wird Bezug genommen. Der Bezirksrevisor ließ daraufhin ein Kurzgutachten erstellen. Dort wird als Rechtsgrundlage für die Einsicht in die dem PKH-Gebührenfestsetzungsverfahren zugrunde liegende Klageakte "Art. 103 Grundgesetz i.V.m. § 13 ff Bundesdatenschutzgesetz" genannt. Durch Beschluss vom 28.12.2010 zum Aktenzeichen S 2 SF 58/10 hat das hiesige Gericht die dem Rechtsanwalt als PKH-Gebühren zu erstattenden Kosten und Auslagen auf insgesamt 630,70 Euro festgesetzt, ohne dem Bezirksrevisor Einsicht in die Akte des zugrundeliegenden Klageverfahrens zu gewähren. Auf den Beschluss vom 28.12.2010 wird Bezug genommen.
Dagegen erhebt der Bezirksrevisor die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs.
Er beantragt wörtlich, "vorläufig, den Beschluss vom 28.10.2010 abzuändern, die PKH-Vergütung auf 547,40 Euro festzusetzen und die Erinnerung im Übrigen zurückzuweisen."
Im Übrigen wird wegen der Einzelheiten auf den Inhalt der Akte S 2 SF 58/10 E Bezug genommen.
Die Anhörungsrüge ist nach § 178a SGG zulässig, denn der Antragsgegner hat sich innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis der angeblichen Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 178a Abs.2 S.1 SGG) schriftlich (§ 178a Abs.2 S.4 SGG) gegen den Beschluss des hiesigen Gerichts vom 28.12.2010 gewandt, gegen den ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf gemäß § 177 SGG nicht gegeben ist (§ 178a Abs.1 S.1 Nr.1 SGG). Er hat die angegriffene Entscheidung bezeichnet und sowohl geltend gemacht, dass eine Verletzung rechtlichen Gehörs vorliege als auch, dass diese Verletzung entscheidungserheblich sei (§ 178a Abs.2 S.6 SGG).
Die Anhörungsrüge ist jedoch unbegründet. Der Bezirksrevisior hat im Rahmen eines Erinnerungsverfahrens gegen die Höhe der Festsetzung der Vergütung des im Wege der Prozesskostenhilfegewährung beigeordneten Rechtsanwalts kein Recht auf Einsichtnahme der Akte des zugrundeliegenden, erstinstanzlichen Klageverfahrens. Hierfür fehlt es an einer Ermächtigungsgrundlage. Und auch unter dem Aspekt der Interessenabwägung aufgrund einer Kollision zweier verfassungsrechtlicher Positionen ist das Interesse des Bezirksrevisors, die Aktenlage umfassend einschließlich dem Inhalt der Akte des zugrundeliegenden Klageverfahrens als Ausdruck des rechtlichen Gehörs gegenüber dem Interesse des Bürgers an der Wahrung des Sozialgeheimnisses und der Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht als Ausdruck des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs.1 GG zu kennen, nachrangig. Dazu im Einzelnen:
Die Berechtigung ergibt sich nicht aus der Tatsache, dass der Kläger das Verfahren erster Instanz angestrengt hat. Denn insoweit sind nur die nach dem Geschäftsverteilungsplan des angerufenen Gerichts zuständigen Personen zur Kenntnis der Akten befugt. Der Bezirksrevisor ist jedoch ein Mitarbeiter des Landessozialgerichts NRW. Insoweit ist er eine externe Person gegenüber dem Sozialgericht Detmold und eben kein Mitarbeiter des Sozialgerichts Detmold. Wäre er Mitarbeiter des Sozialgerichts Detmold bedürfte es keines förmlichen Erinnerungsverfahrens. Er könnte dann vielmehr die Entscheidung des Kostenbeamten, der dann nur Mitarbeiter der Abteilung des Bezirksrevisors wäre, durch Weisung korrigieren. So liegt der Sachverhalt aber gerade nicht.
Die Ermächtigung des Bezirksrevisors zur Einsichtnahme in Gerichtsakten der ersten Instanz ergibt sich nicht aus seiner Aufgabenbeschreibung. Dabei ist selbst die Zuständigkeit und Existenz des Amtes des Bezirksrevisors nicht durch Gesetz, sondern nur durch ministeriellen Erlass in Form der Kostenverfügung geregelt. Doch selbst eine gesetzliche Zuständigkeitsnorm, die man im Wege der Auslegung im Bereich der allgemeinen Organisation des Gerichtswesen suchen könnte, genügt als solche nicht als Ermächtigungsgrundlage für Eingriffe gegenüber dem Bürger. Das deutsche Recht kennt keine "implied power" dergestalt, dass die Zuständigkeitsnorm gleichzeitig Ermächtigungsgrundlage für das Handeln der Behörde gegenüber dem Bürger wäre. Beides ist im deutschen Verwaltungsrecht vielmehr getrennt. Und im Sozialgerichtsgesetz wird der Bezirksrevisor überhaupt nicht genannt. Dort wird nur an ganz wenigen Stellen abstrakt die Landeskasse genannt. Auch ist die Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung nicht bedroht, wenn der Bezirksrevisor die zugrundeliegenden Akten erster Instanz im Erinnerungsverfahren über die PKH-Gebühren nicht sehen darf, nachdem die Gebühren bereits gewissenhaft vom örtlichen Kostenbeamten festgesetzt worden sind. Und die weitergehende, verfassungsrechtlich gebotene Aufgabe der unabhängigen Kostenprüfung der Verwaltung zugunsten eines funktionierenden öffentlichen Finanzhaushalts ist ohnehin dem Landesrechnungshof übertragen, der auch mit entsprechenden Rechten ausgestattet ist. Insoweit ist der Bezirksrevisor nur ein verwaltungsinterner, aber behördenübergreifender Innenrevisor, der in seinen Befugnissen dem Landesrechnungshof nicht gleichsteht.
Eine Rechtsgrundlage für die begehrte Einsicht in die Akten des zugrundeliegenden Klageverfahrens ergibt sich auch nicht aus den §§ 13 ff Bundesdatenschutzgesetz. Denn der Anwendungsbereich dieser Normen ist hier nicht eröffnet. Dies verkennt das vom Bezirksrevisor vorgelegte Kurzgutachten. Soweit andere Rechtsvorschriften des Bundes auf personenbezogene Daten einschließlich deren Veröffentlichung an-zuwenden sind, gehen sie gemäß § 1 Abs.3 S.1 BDSG den Vorschriften dieses Gesetzes vor. Die Verpflichtung zur Wahrung gesetzlicher Geheimhaltungspflichten oder von Berufs- oder besonderen Amtsgeheimnissen, die nicht auf gesetzlichen Vorschriften beruhen, bleibt nach § 1 Abs.3 S.2 BDSG unberührt. Die ärztliche Schweigepflicht beruht auf dem ärztlichen Standesrecht. Ihre Verletzung wird in § 203 Abs.1 StGB für den originär verpflichteten Kreis der Ärzte und deren Praxismit-arbeiter strafbewährt. Nach § 203 Abs.2 StGB wird ebenso bestraft, wer unbefugt ein fremdes Geheimnis, namentlich ein zum persönlichen Lebensbereich gehörendes Geheimnis oder ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart, das ihm als Amtsträger ( ... ) anvertraut oder sonst bekannt geworden ist. In Absatz 2 erfolgt also die äquivalente Ausdehnung auf Amtspersonen. Dabei kann das Merkmal "unbefugt" hier nicht mit einem Verweis auf §§ 13 ff BDSG verneint werden, da § 1 Abs.3 S.2 BDSG bei Vorliegen einer Schweigepflicht den Anwendungsbereich des BDSG schon gar nicht eröffnet.
Das Recht auf die Akteneinsicht im beschriebenen Umfang ergibt sich auch nicht aus einer Abwägung zweier kollidierender Grundrechte. Eine solche Kollision liegt hier zwar vor, die daraus erforderlich werdende Interessenabwägung geht jedoch zu Lasten des Bezirksrevisors aus, Vor Gericht hat gemäß Art. 103 GG jedermann Anspruch auf rechtliches Gehör. Obwohl es sich bei den Grundrechten grundsätzlich um Rechte des Bürgers gegenüber dem Staat handelt, entspricht es allgemeiner Auffassung, dass sich auch Behörden als Staatsteile auf die Justizgrundrechte aus Art. 97 ff GG berufen können. Rechtliches Gehör bedeutet, sich grundsätzlich vor Erlass einer Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht zur Sache äußern zu können (ständige Rechtsprechung, vgl. BVerfG E 69, S. 145, 148). Grundsätzlich stellt jedes Zurückbleiben hinter den dargestellten Anforderungen einen Eingriff dar. Art. 103 Abs.1 GG enthält keinen Gesetzesvorbehalt. Eingriffe können ihre Rechtfertigung daher allein in kollidierendem Verfassungsrecht finden. Zutreffend weist der Bezirksrevisor darauf hin, dass Beteiligte Anspruch auf rechtliche Gehör haben. Dazu gehört auch das Recht auf Akteneinsicht, dessen Umfang im Grundsatz soweit geht, dass Beteiligte grundsätzlich nach Möglichkeit natürlich auch alle beigezogenen Akten kennen müssen, um sich umfassend äußern zu können. Dies ist im Grundsatz eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit, die Ausdruck des fairen Verfahrens ist. Genauso selbstverständlich ist jedoch das Recht des Bürgers auf informationelle Selbstbestimmung Ausdruck von Art. 2 Abs.1 Grundgesetz in Verbindung mit Art. 1 Abs.1 GG, dessen Bedeutung das Bundesverfassungsgericht erstmals grundlegend in seiner Entscheidung zum Mikrozensus (BVerfG vom 15.12.1983 zu 1 BvR 209/83 und weiteren Az.) dargelegt hat. Einschränkungen sind nur im überwiegenden Allgemeininteresse zulässig und bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, die dem rechtsstaatlichen Gebot der Normenklarheit entsprechen muss. Hier kollidiert also das Interesse des Bürgers an der Geheimhaltung des Inhalts der Gerichtsakte gegenüber Dritten mit dem Interesse des Bezirksrevisors, den Inhalt des Klageverfahrens zu kennen, um sich im Erinnerungsverfahren zum Umfang der angefallenen PKH-Gebühren äußern zu können. Kollidieren zwei Grundrechte bedarf es der lnteressenabwägung. Das Recht des einen endet dort, wo das Recht des anderen anfängt. Die Abwägung zwischen dem Geheimhaltungsinteresse des Klägers und dem Interesse der Landeskasse, vertreten "nur" durch einen weisungsgebundenen Bezirksrevisor als Mitarbeiter einer Justizbehörde und eben nicht durch den unabhängigen, mit eigenen Rechten ausgestatteten Landesrechnungshof als Wächter der Staatsfinanzen geht zu Lasten des Antragsgegners. Dessen Interesse an der Einsichtnahme in die Akte des zugrundeliegenden Klageverfahrens muss hinter dem Interesse des Bürgers, hier der Klägerin aus dem zugrundeliegenden Klageverfahren S 2 (6) SO 155/08, an der Wahrung der aus der ärztlichen Schweigepflicht und dem Sozialgeheimnis resultierenden Verschwiegenheitspflicht der Amtsträger beim Sozialgericht Detmold zurücktreten. Zwar ist es denknotwendig naheliegend, dass der Bezirksrevisor Einsicht in die dem Erinnerungsverfahren zugrundeliegenden Akten nehmen möchte. Und unter dem Aspekt des fairen Verfahrens ist dies grundsätzlich ein berechtigtes Interesse. Andererseits ist die Festsetzung der PKH-Gebühren bereits durch die Landeskasse erfolgt, nämlich durch den zuständigen Kostenbeamten des Sozialgerichts Detmold. Die Kostenbeamten des Sozialgerichts Detmold sind im Kostenrecht umfassend ausgebildet und ebenfalls Recht und Gesetz verpflichtet. Es besteht auch nicht einmal die abstrakte Besorgnis eines wirtschaftlichen Eigeninteresses, anders als abstrakt betrachtet vielleicht bei dem Rechtsanwalt, der den Umfang und den Wert seiner Tätigkeit bei der Gebührenbestimmung selbst bemessen muss. Das Erinnerungsverfahren ist also bereits die zweite Prüfungsebene. Auch dies ist bei der Interessenabwägung zu beachten. Legt nämlich der Bezirksrevisor selbst Erinnerung ein, so handelt es sich tatsächlich betrachtet um eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem örtlichen Kostenbeamten und dem Bezirksrevisor, die man von der Interessenlage her gleichsam als Innerorganstreit Landeskasse gegen Landeskasse betrachten muss. Diese ist nicht vorrangig schutzwürdig. Legt der Rechtsanwalt Erinnerung ein, so hat die Landeskasse durch den örtlichen Kostenbeamten bereits eine Kürzung von Anwaltsgebühren vorgenommen. Die Staatskasse ist hier nicht schutzbedürftig, sondern wurde bereits geschützt. Das Interesse des Bezirksrevisors in einem solchen Fall dann argumentativ nachlegen zu können, ist ebenfalls nachrangig. Demgegenüber sind die Informationen, die der Kläger im sozialgerichtlichen Verfahren nolens volens im Sinne einer Obliegenheit preisgeben muss, um sozialrechtliche Ansprüche geltend machen zu können, erheblich. So ging es in dem zugrundeliegenden Klageverfahren um Ansprüche, die auch auf gesundheitliche Einschränkungen gestützt und mit entsprechenden Tatsachenangaben dargestellt wurden. Noch deutlicher wird dies in den zahlreichen sozialgerichtlichen Verfahren, wo auch noch eine medizinische Beweisaufnahme durch Einholung von Sachverständigengutachten erfolgt Und schließlich war in die Abwägung einzubeziehen, dass die Grundrechte in erster Linie Abwehrrechte des Bürgers gegenüber dem Staat sind. Der Staat selbst kann sich nicht auf die Grundrechte aus Art. 1 ff Grundgesetz berufen. Staatsorgane können sich nur im Einzelfall auf die Justizgrundrechte, hier Art. 102 GG berufen, was dann aber "nur" Ausdruck der Wahrung des Prinzips des fairen Verfahrens, aber keine Gewährung von Grundrechten gegenüber dem Staat ist. Auch insoweit war dem Interesse an der Wahrung der Verschwiegenheitspflichten der Vorrang zuzumessen, da die Kostenfestsetzung auch abschließend durch den örtlichen Kostenbeamten, der in seinem jeweiligen Handeln dann allein der richterlichen Aufsicht unterliegt, funktioniert. Der Staat wird durch die Versagung der Akteneinsicht an den Bezirksrevisor nicht ernsthaft oder wesentlich in seiner Funktionsfähigkeit beeinträchtigt. Die Aufgabe des Bezirksrevisors beschränkt sich in der ersten Instanz dann auf eine Schlüssigkeitsprüfung, die Feststellung grober Fehler des Kostenbeamten in der Rechtsanwendung und die Klärung allgemeiner kostenrechtlicher Fragen bei der Kostenfestsetzung allein anhand der Kostenakte.
Die Reichweite bzw. Rechtsmäßigkeit des Akteneinsichtsrechts aus § 47 Abs. 2 Kostenverfügung NRW in Verbindung mit der Aufgabe der Prüfung von Kostenansätzen durch den Bezirksrevisor im Verwaltungsweg aus § 43 Kostenverfügung NRW bei Akten, deren Inhalt von der ärztlichen Schweigepflicht oder dem Sozialgeheimnis erfasst ist, war an dieser Stelle nicht zu prüfen. Die Frage der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage stellt sich aber offensichtlich auch dort, da die Kostenverfügung NRW auch dort "nur" eine ministerielle Arbeitsanweisung und kein durch ein Parlament verabschiedetes, formelles Gesetz ist.
Dieser Beschluss ist nach § 178 Abs. 4 S. 3 SGG unanfechtbar.
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