Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SB 2395/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 3272/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 16. Juli 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Merkzeichens "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (G) streitig.
Der Beklagte hatte bei dem 1966 geborenen, berenteten Kläger mit Ausführungsbescheid vom 12.09.2005 den Grad der Behinderung (GdB) mit 100 seit 07.04.2003 festgestellt. Dieser Entscheidung hatte der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 01.08.2005 (S 5 SB 3955/04) zugrunde gelegen. Dieses hatte in Auswertung einer sachverständigen Zeugenauskunft der Psychiaterin M.-W., in der die Diagnosen schizophrenes Residuum, Alkoholabhängigkeitssyndrom und Entzugskrampfanfälle beschrieben worden waren, den Beklagten verurteilt, den GdB mit 100 festzustellen.
Der Kläger beantragte am 24.04.2008 die Feststellung der Merkzeichen "Rundfunkgebührenbefreiung" (RF) und G. Der Beklagte holte Befundberichte der Psychiaterin M.-W. und des Internisten B. ein. Die Psychiaterin M.-W. beschrieb ein Abhängigkeitssyndrom bei Alkoholgebrauch sowie eine paranoide Schizophrenie, führte aus, es bestehe weder eine Gehbehinderung noch eine verminderte Gehsicherheit oder Gehstrecke. Der Kläger sei seit Jahren nicht mehr akut psychotisch dekompensiert, insgesamt 23-mal stationär im PZN W. behandelt worden, lebe zurückgezogen und betreibe hartnäckig gerichtliche Auseinandersetzungen um die Gewährung sozialer Leistungen. Sie legte den Entlassungsbericht der Klinik für Suchttherapie und Entwöhnung in W. vom 04.06.2008 über eine erfolgte Alkoholentgiftung vor. Der Internist B. führte aus, das Gehvermögen sei durch eine beginnende Gonarthrose rechts, eine ausgeprägte Adipositas und eine COPD Grad I deutlich eingeschränkt. Die Gehstrecke werde vom Kläger, vor allem limitiert durch eine mangelnde Ausdauerleistungsfähigkeit, mit weniger als 2 Kilometer in einer halben Stunde angegeben. Die Gehsicherheit sei normal. Er legte den Entlassungsbericht des Psychiatrischen Zentrums NordB.en in W. vom 14.12.2007 über eine erfolgte Alkoholentgiftung und den Arztbrief der Lungen- und Bronchialheilkundlerin W.-D. vom 15.02.2008 (COPD Grad I) vor. Dr. M. berücksichtigte in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme eine seelische Krankheit mit einem Einzel-GdB von 90, eine Alkoholkrankheit und ein Anfallsleiden mit einem Einzel-GdB von 50, eine Lungenerkrankung mit einem Einzel-GdB von 20, einen Bluthochdruck mit einem Einzel-GdB von 10 sowie Knorpelschäden am rechten Kniegelenk mit einem Einzel-GdB von 10, bewertete den Gesamt-GdB mit 100 und schlug die Feststellung von Merkzeichen nicht vor. Sie führte zur Begründung aus, bei der COPD Grad I handele es sich um eine leichte Behinderung der Ventilation, so dass eine Atembehinderung mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades, welche das Merkzeichen G bedingen könne, weiterhin nicht vorliege. Auch eine beginnende Kniegelenksarthrose rechts bedinge keine mit einer Unterschenkelamputation vergleichbare Funktionsstörung der unteren Extremität. Mit Bescheid vom 09.07.2008 lehnte der Beklagte den Antrag ab.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er könne nicht 2 Kilometer im Straßenverkehr in einer halben Stunde zurücklegen. Der Beklagte holte erneut Befundberichte des Internisten B. sowie der Psychiaterin M.-W. ein und zog diverse ärztliche Unterlagen bei. Beide Befundberichte deckten sich inhaltlich mit ihren bereits aktenkundigen Befundberichten. Sie legten unter anderem den Entlassungsbericht der Park-Klinik in B. N. vom 16.02.2009 (Unauffälliges Gangbild, altersentsprechende Beweglichkeit der Extremitäten, lotgerechter Aufbau der Wirbelsäule, der Kläger habe bei der Abschlussuntersuchung von einer Verlängerung der Gehstrecke auf 20 Minuten berichtet, Besserung der Mobilisation und allgemeinen Beweglichkeit) sowie die Entlassungsberichte der Klinik für Suchttherapie und Entwöhnung in W. vom 17.10.2008 und 17.01.2009 über erfolgte Alkoholentgiftungen vor. Dr. M. hielt in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme an der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 22.07.2009 Klage beim Sozialgericht Mannheim erhoben.
Das Sozialgericht hat den Internisten B. und die Psychiaterin M.-W. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Internist B. hat eine massive Adipositas per magna mit relativer Herzinsuffizienz NYHA Grad II bis III bei COPD Grad I und Verdacht auf Schlafapnoesyndrom, eine Verschlechterung der Alkoholkrankheit, eine arterielle Hypertonie sowie einen Diabetes mellitus Typ II beschrieben. Er hat ausgeführt, der Kläger sei in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt. Zum einen bestehe aufgrund der Adipositas, der arteriellen Hypertonie und der COPD eine stark verminderte kardio-pulmonale Belastbarkeit. Zum anderen begründeten die verschleißbedingten Schäden im musculo-skelettären System eine schmerzbedingte Beeinträchtigung der Gehstrecke. Hinzu komme ein durch regelmäßige Alkoholräusche verkompliziertes schizophrenes Residuum bei Schizophrenie, so dass in Kombination all dieser Faktoren der Kläger Wegstrecken im Ortsverkehr von bis zu 2 Kilometern nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten und nicht ohne Gefahr für sich und andere zurücklegen könne. Er hat unter anderem seinen Arztbrief vom 01.09.2009 (in der Ergometrie am 22.08.2008 stufenweise Belastung bis 150 Watt, kein Nachweis einer hämodynamisch relevanten koronaren Herzkrankheit) vorgelegt. Die Psychiaterin M.-W. hat ein schizophrenes Residuum sowie ein Alkoholabhängigkeitssyndrom beschrieben und in Bezug auf die Gehfähigkeit, die Auffassung vertreten, ausgeführt, aufgrund der Psychose bestünden keine Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit, insbesondere der Wegefähigkeit.
Dr. R. hat in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme ausgeführt, beim Kläger bestehe keine Herzinsuffizienz NYHA Grad II bis III, zumal der Kläger ergometrisch stufenweise bis 150 Watt habe belastet werden können. Hierbei seien keine Durchblutungsstörungen von Seiten des Herzens, kein Brustengegefühl, regelrechtes Puls- und Blutdruckverhalten und keine hämodynamisch relevante koronare Herzkrankheit nachgewiesen worden.
Sodann hat das Sozialgericht den Psychiater Dr. J. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dr. J. hat einen Residualzustand nach Schizophrenie sowie eine Alkoholabhängigkeit mit episodischem Substanzgebrauch und Kontrollverlust beschrieben und ausgeführt, durch den sozialen Rückzug und die psychisch bedingte Antriebshemmung komme es beim Kläger zu gewichtsvermehrendem Bewegungsmangel.
Im Verlauf des Klageverfahrens sind die Entlassungsberichte der Klinik für Suchttherapie und Entwöhnung in W. vom 17.07.2009, 26.08.2009, 16.10.2009 und 19.02.2010 sowie des Kreiskrankenhauses M. vom 08.12.2009 über erfolgte Alkoholentgiftungen beigezogen worden.
In seinem Schreiben vom 10.06.2010 hat der Kläger ausgeführt, er verzichte auf das Merkzeichen RF.
Am 28.01.2011 beantragte der Kläger beim Beklagten eine Neufeststellung des GdB. Er hat dabei das eine Verletzung der rechten Schulter betreffende Gutachten des Chirurgen Dr. Sp. für die private Unfallversicherung vorgelegt. Daraufhin hat Dr. M. in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme als weitere Behinderung eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt. Mit Bescheid vom 11.10.2011 hat der Beklagte den Neufeststellungsantrag des Klägers abgelehnt, da der GdB mit 100 bereits höchstmöglich bewertet sei, aber als Funktionsbehinderung zusätzlich das rechte Schultergelenk aufgeführt.
Mit Gerichtsbescheid vom 16.07.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, beim Kläger liege keine erhebliche Beeinträchtigung seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vor. Er sei durch die bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen nicht gehindert, Wegstrecken im Ortsverkehr ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall von maximal 2 Kilometern bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten zu Fuß zurückzulegen. Das Anfallsleiden des Klägers habe nicht das Ausmaß, um die Voraussetzungen für das Merkzeichen G als erfüllt ansehen zu können. Dies ergebe sich aus den Befundberichten des Psychiatrischen Zentrums Nordbaden in W., wonach der letzte Anfall des Klägers vor circa 7 bis 8 Jahren aufgetreten sei. Für die vom Internisten B. vorgetragene Herzinsuffizienz NYHA Grad II bis III fänden sich keine hinreichenden Belege. Er widerlege diese Diagnose selbst, indem er in seinem vorgelegten Arztbrief eine ergometrische Belastung bis 150 Watt ohne Durchblutungsstörungen und ohne Nachweis einer hämodynamisch relevanten koronaren Herzkrankheit beschrieben habe. Hinsichtlich der chronischen Bronchitis sei davon auszugehen, dass diese zu keiner wesentlichen Leistungsminderung führe. Aktuelle Befunde auf pulmologischem Fachgebiet seien vom Kläger nicht vorgelegt worden. Im Entlassungsbericht des Psychiatrischen Zentrums Nordbaden in W. vom 19.02.2010 sei die im Entlassbrief vom 26.08.2009 noch aufgeführte leichte chronische Bronchitis nicht mehr aufgeführt worden. Der mit einem Einzel-GdB von 10 bewertete Knorpelschaden im rechten Kniegelenk rechtfertige ebenfalls nicht das Merkzeichen G. Dasselbe gelte für die Alkoholkrankheit des Klägers. Denn der Rauschzustand sei immer nur vorübergehender Natur und hindere den Kläger nicht, dauerhaft Wegstrecken im Ortsverkehr von bis zu 2 Kilometern ohne erhebliche Schwierigkeiten zurückzulegen.
Gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts hat der Kläger am 08.08.2013 Berufung eingelegt. Er könne keine 3 Kilometer innerhalb von 15 Minuten zurücklegen, da er bei einer Körpergröße von 163 Zentimetern bereits 133 Kilogramm wiege.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 16. Juli 2013 und den Bescheid des Beklagten vom 9. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, das Merkzeichen "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die aus seiner Sicht zutreffenden Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts.
Der Senat hat die Akten des für den Kläger zuständigen Rentenversicherungsträgers beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte des Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens G. Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Feststellung von Merkzeichen richtet sich nach den Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Auf Antrag des behinderten Menschen treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden, wenn neben dem Vorliegen einer Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind, die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die gesundheitlichen Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX). Zu diesen Merkmalen gehört auch das Merkzeichen G. Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert (§ 145 Abs. 1 SGB IX). In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (§ 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
Der seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretenen Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) lassen sich im Ergebnis keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Merkzeichens G entnehmen. Denn die VG sind hinsichtlich der getroffenen Regelungen für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche "Berechtigung für eine ständige Begleitung" (B), G, "außergewöhnliche Gehbehinderung" (aG), "Gehörlosigkeit" (Gl) und "Blindheit" (Bl) unwirksam, da es insoweit an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung fehlt. Eine solche Ermächtigung findet sich nämlich - mit Ausnahme des Merkzeichens "Hilflosigkeit" (H) - weder in § 30 Abs. 17 BVG in der Fassung bis zum 30.06.2011 beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab dem 01.07.2011 noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX (ständige Rechtsprechung des Senats zuletzt im Beschluss vom 14.01.2014 - L 6 SB 2185/13).
Der Senat stellt daher auf die von der Rechtsprechung für die Feststellung des Merkzeichens G entwickelten Kriterien ab. Danach sind als üblicherweise noch zu Fuß zurückzulegende Wegstrecken im Ortsverkehr im Sinne des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall, Wegstrecken von bis zu 2 Kilometern mit einer Gehdauer von etwa 30 Minuten anzusehen (BSG, Urteil vom 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 - juris; BSG, Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVS 1/96 - juris).
An einer das Merkzeichen G rechtfertigenden Einschränkung der Gehfähigkeit leidet der Kläger nicht. Denn es trifft nicht zu, dass der Kläger Wegstrecken im Ortsverkehr von bis zu 2 Kilometern mit einer Gehdauer von etwa 30 Minuten infolge einer Einschränkung des Gehvermögens ohne erhebliche Schwierigkeiten oder ohne Gefahren für sich oder andere nicht zurückzulegen vermag. Dies entnimmt der Senat den aktenkundigen ärztlichen Unterlagen, insbesondere den Befundberichten und sachverständigen Zeugenauskünften der Psychiaterin M.-W., des Internisten B. und des Dr. J. sowie den Entlassungsberichten der Park-Klinik in B. N., der Klinik für Suchttherapie und Entwöhnung in W. und des Kreiskrankenhauses M ...
Danach leidet der Kläger nach zutreffender versorgungsärztlicher Beurteilung auf orthopädischem Fachgebiet lediglich an mit jeweils einem Einzel-GdB von 10 zu beurteilenden Knorpelschäden am rechten Kniegelenk und Funktionsbehinderungen am rechten Schultergelenk. Aufgrund dieses in Bezug auf die Gehfähigkeit körperlich-neurologisch eher unauffälligen Befundes lassen sich keine das Merkzeichen G rechtfertigenden Gesundheitsstörungen ausmachen. Zwar hat der Internist B. die Ansicht vertreten, das Gehvermögen sei auch durch die Gonarthrose rechts deutlich eingeschränkt. Er hat aber in seinem Befundbericht eine normale Gehsicherheit angegeben. Bestätigt wird die Einschätzung des Senats durch die Angaben im Entlassungsbericht der Park-Klinik in B. N. vom 16.02.2009. Denn darin wird ein unauffälliges Gangbild, eine altersentsprechende Beweglichkeit der Extremitäten und ein lotgerechter Aufbau der Wirbelsäule beschrieben. Eine das Gehvermögen wesentlich beeinträchtigende Gesundheitsverschlechterung auf orthopädischem Fachgebiet ist seither nicht aktenkundig.
Nichts anderes folgt aus der versorgungsärztlich mit einem Einzel-GdB von 20 bewerteten Lungenerkrankung. Denn bei der COPD Grad I handelt es sich nach den Richtlinien der Deutschen Atemwegsliga vom 07.08.2013 (Fundstelle z. B. www.wikipedia.org/wiki/Chronisch obstruk¬tive Lungenerkrankung) um eine leichtgradige Erkrankung mit noch 80%igem exspiratorischem Volumen und damit nach den zutreffenden versorgungsärztlichen Darlegungen nur um eine leichte Behinderung der Ventilation, so dass eine das Merkzeichen G rechtfertigende Atembehinderung mit dauernder mittelgradiger Einschränkung der Lungenfunktion im Sinne der VG, Teil B, Nr. 8.3 nicht vorliegt.
Auch der nach den VG, Teil B, Nr. 9.3 versorgungsärztlich mit einem Einzel-GdB von 10 bewertete allenfalls eine geringe Leistungsbeeinträchtigung bedingende Bluthochdruck rechtfertigt nicht das Merkzeichen G. Diese Gesundheitsstörung wirkt sich nicht in objektiv relevanter Weise auf die Gehfähigkeit des Klägers aus. Auch liegt keine die Gehfähigkeit limitierende Herzerkrankung vor. Dies ergibt sich aus dem Arztbrief des Internisten B. vom 01.09.2009, wonach in der am 22.08.2008 erfolgten Ergometrie eine stufenweise Belastung bis 150 Watt möglich gewesen ist, ohne dass eine hämodynamisch relevante koronare Herzkrankheit hat bewiesen werden können. Mithin hat eine nach den VG, Teil B, Nr. 9.1.1 schon bei mittelschwerer Belastung auftretende Leistungsbeeinträchtigung (zum Beispiel beim forschen Gehen), die erst bei Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei einer Ergometerbelastung mit 75 Watt angenommen werden kann, nicht objektiviert werden können. Die gegenteilige Ansicht des Internisten B., beim Kläger liege eine Herzinsuffizienz der New York Heart Assoziation (NYHA) Grad II bis III, also eine Herzerkrankung, die nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (Fundstelle z.B. www.wikipedia.org/wiki/NYHA-Klassifikation) mit leichter bis höhergradiger Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit (mit der Folge von Erschöpfung, Rhythmusstörungen, Luftnot oder Angina pectoris bereits bei geringer bis alltäglicher körperlicher Belastung) einhergeht, trifft mithin nicht zu.
Das maßgebliche Leiden des Klägers ist seine mit einem Einzel-GdB von 90 bewertete seelische Krankheit sowie das mit einem Einzel-GdB von 50 bewertete Alkohol- und Anfallsleiden. Doch auch diese Erkrankungen hindern den Kläger objektiv nicht, 2 Kilometer in 30 Minuten zurückzulegen. So führt die seelische Erkrankung in Form eines Abhängigkeitssyndroms bei Alkoholgebrauch und einer paranoiden Schizophrenie nicht zu die Gehfähigkeit tangierenden Orientierungsstörungen. Folgerichtig hat auch die Psychiaterin M.-W. ausgeführt, dass von Seiten ihres Fachgebietes weder eine Gehbehinderung noch eine verminderte Gehsicherheit oder Gehstrecke besteht. Anders ist es nur, wenn sich der Kläger in einem alkoholbedingtem Rauschzustand befindet. Insoweit hat aber das Sozialgericht zutreffend auf die nur vorübergehende Natur dieser Zustände hingewiesen.
Auch das Übergewicht des Klägers rechtfertigt nicht die Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens G. Dafür ist bei der Prüfung dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das menschliche Gehvermögen keine statische Messgröße ist, sondern von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird (ständige Rechtsprechung des Senats, so zuletzt Urteil vom 21.02.2013 - L 6 SB 695/10; nachgehend BSG, Beschluss vom 27.06.2013 - B 9 SB 28/13 B). Darunter sind neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaige Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens (ökonomische Beanspruchung der Muskulatur, Gehtempo und Rhythmus) sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, zu nennen. Von diesen Faktoren sind all jene heraus zu filtern, die nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des schwerbehinderten Menschen im Straßenverkehr nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung seines Gehvermögens, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.09.2010 - L 11 SB 77/07 - unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 7/06 R). Zwar gehört ein erhebliches Übergewicht zu den Faktoren, die einen Bezug zu einer Behinderung haben und daher bei der Beurteilung des Gehvermögens zu berücksichtigen sind. Die funktionellen Auswirkungen einer Adipositas per magna sind nämlich nicht nur nach den VG, Teil B, Nr. 15.3 bei der Einschätzung eines aus anderen Gesundheitsstörungen folgenden GdB (erhöhend) zu berücksichtigen, sondern auch insoweit, als sie zu einer Einbuße der in § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr führen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.04.2010 - L 13 SB 82/08 - unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 7/06 R). Dennoch sind beim Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G zu verneinen. Denn die aus den oben dargelegten GdB-relevanten Gesundheitsstörungen folgenden Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr werden durch funktionelle Auswirkungen der Adipositas per magna nicht so weit verstärkt, dass die dem Kläger in 30 Minuten zumutbare Wegstrecke auf unter 2 Kilometer abgesunken wäre. Allein der mit einem Gewicht von 133 Kilogramm bei einer Körpergröße von 1,63 Metern zu errechnende Body-Mass-Index (BMI) des Klägers von 50,06 kg/m² und damit eine Adipositas-Grad III im Sinne der Gewichtsklassifikation der Weltgesundheitsorganisation von 1995 (Fundstelle z.B. www.wikipedia.org/ wiki/Body-Mass-Index) begründet nicht diese Annahme.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten des Klägers sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung des Merkzeichens "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (G) streitig.
Der Beklagte hatte bei dem 1966 geborenen, berenteten Kläger mit Ausführungsbescheid vom 12.09.2005 den Grad der Behinderung (GdB) mit 100 seit 07.04.2003 festgestellt. Dieser Entscheidung hatte der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 01.08.2005 (S 5 SB 3955/04) zugrunde gelegen. Dieses hatte in Auswertung einer sachverständigen Zeugenauskunft der Psychiaterin M.-W., in der die Diagnosen schizophrenes Residuum, Alkoholabhängigkeitssyndrom und Entzugskrampfanfälle beschrieben worden waren, den Beklagten verurteilt, den GdB mit 100 festzustellen.
Der Kläger beantragte am 24.04.2008 die Feststellung der Merkzeichen "Rundfunkgebührenbefreiung" (RF) und G. Der Beklagte holte Befundberichte der Psychiaterin M.-W. und des Internisten B. ein. Die Psychiaterin M.-W. beschrieb ein Abhängigkeitssyndrom bei Alkoholgebrauch sowie eine paranoide Schizophrenie, führte aus, es bestehe weder eine Gehbehinderung noch eine verminderte Gehsicherheit oder Gehstrecke. Der Kläger sei seit Jahren nicht mehr akut psychotisch dekompensiert, insgesamt 23-mal stationär im PZN W. behandelt worden, lebe zurückgezogen und betreibe hartnäckig gerichtliche Auseinandersetzungen um die Gewährung sozialer Leistungen. Sie legte den Entlassungsbericht der Klinik für Suchttherapie und Entwöhnung in W. vom 04.06.2008 über eine erfolgte Alkoholentgiftung vor. Der Internist B. führte aus, das Gehvermögen sei durch eine beginnende Gonarthrose rechts, eine ausgeprägte Adipositas und eine COPD Grad I deutlich eingeschränkt. Die Gehstrecke werde vom Kläger, vor allem limitiert durch eine mangelnde Ausdauerleistungsfähigkeit, mit weniger als 2 Kilometer in einer halben Stunde angegeben. Die Gehsicherheit sei normal. Er legte den Entlassungsbericht des Psychiatrischen Zentrums NordB.en in W. vom 14.12.2007 über eine erfolgte Alkoholentgiftung und den Arztbrief der Lungen- und Bronchialheilkundlerin W.-D. vom 15.02.2008 (COPD Grad I) vor. Dr. M. berücksichtigte in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme eine seelische Krankheit mit einem Einzel-GdB von 90, eine Alkoholkrankheit und ein Anfallsleiden mit einem Einzel-GdB von 50, eine Lungenerkrankung mit einem Einzel-GdB von 20, einen Bluthochdruck mit einem Einzel-GdB von 10 sowie Knorpelschäden am rechten Kniegelenk mit einem Einzel-GdB von 10, bewertete den Gesamt-GdB mit 100 und schlug die Feststellung von Merkzeichen nicht vor. Sie führte zur Begründung aus, bei der COPD Grad I handele es sich um eine leichte Behinderung der Ventilation, so dass eine Atembehinderung mit dauernder Einschränkung der Lungenfunktion wenigstens mittleren Grades, welche das Merkzeichen G bedingen könne, weiterhin nicht vorliege. Auch eine beginnende Kniegelenksarthrose rechts bedinge keine mit einer Unterschenkelamputation vergleichbare Funktionsstörung der unteren Extremität. Mit Bescheid vom 09.07.2008 lehnte der Beklagte den Antrag ab.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er könne nicht 2 Kilometer im Straßenverkehr in einer halben Stunde zurücklegen. Der Beklagte holte erneut Befundberichte des Internisten B. sowie der Psychiaterin M.-W. ein und zog diverse ärztliche Unterlagen bei. Beide Befundberichte deckten sich inhaltlich mit ihren bereits aktenkundigen Befundberichten. Sie legten unter anderem den Entlassungsbericht der Park-Klinik in B. N. vom 16.02.2009 (Unauffälliges Gangbild, altersentsprechende Beweglichkeit der Extremitäten, lotgerechter Aufbau der Wirbelsäule, der Kläger habe bei der Abschlussuntersuchung von einer Verlängerung der Gehstrecke auf 20 Minuten berichtet, Besserung der Mobilisation und allgemeinen Beweglichkeit) sowie die Entlassungsberichte der Klinik für Suchttherapie und Entwöhnung in W. vom 17.10.2008 und 17.01.2009 über erfolgte Alkoholentgiftungen vor. Dr. M. hielt in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme an der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung fest. Mit Widerspruchsbescheid vom 20.07.2009 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 22.07.2009 Klage beim Sozialgericht Mannheim erhoben.
Das Sozialgericht hat den Internisten B. und die Psychiaterin M.-W. schriftlich als sachverständige Zeugen gehört. Der Internist B. hat eine massive Adipositas per magna mit relativer Herzinsuffizienz NYHA Grad II bis III bei COPD Grad I und Verdacht auf Schlafapnoesyndrom, eine Verschlechterung der Alkoholkrankheit, eine arterielle Hypertonie sowie einen Diabetes mellitus Typ II beschrieben. Er hat ausgeführt, der Kläger sei in seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt. Zum einen bestehe aufgrund der Adipositas, der arteriellen Hypertonie und der COPD eine stark verminderte kardio-pulmonale Belastbarkeit. Zum anderen begründeten die verschleißbedingten Schäden im musculo-skelettären System eine schmerzbedingte Beeinträchtigung der Gehstrecke. Hinzu komme ein durch regelmäßige Alkoholräusche verkompliziertes schizophrenes Residuum bei Schizophrenie, so dass in Kombination all dieser Faktoren der Kläger Wegstrecken im Ortsverkehr von bis zu 2 Kilometern nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten und nicht ohne Gefahr für sich und andere zurücklegen könne. Er hat unter anderem seinen Arztbrief vom 01.09.2009 (in der Ergometrie am 22.08.2008 stufenweise Belastung bis 150 Watt, kein Nachweis einer hämodynamisch relevanten koronaren Herzkrankheit) vorgelegt. Die Psychiaterin M.-W. hat ein schizophrenes Residuum sowie ein Alkoholabhängigkeitssyndrom beschrieben und in Bezug auf die Gehfähigkeit, die Auffassung vertreten, ausgeführt, aufgrund der Psychose bestünden keine Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit, insbesondere der Wegefähigkeit.
Dr. R. hat in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme ausgeführt, beim Kläger bestehe keine Herzinsuffizienz NYHA Grad II bis III, zumal der Kläger ergometrisch stufenweise bis 150 Watt habe belastet werden können. Hierbei seien keine Durchblutungsstörungen von Seiten des Herzens, kein Brustengegefühl, regelrechtes Puls- und Blutdruckverhalten und keine hämodynamisch relevante koronare Herzkrankheit nachgewiesen worden.
Sodann hat das Sozialgericht den Psychiater Dr. J. schriftlich als sachverständigen Zeugen gehört. Dr. J. hat einen Residualzustand nach Schizophrenie sowie eine Alkoholabhängigkeit mit episodischem Substanzgebrauch und Kontrollverlust beschrieben und ausgeführt, durch den sozialen Rückzug und die psychisch bedingte Antriebshemmung komme es beim Kläger zu gewichtsvermehrendem Bewegungsmangel.
Im Verlauf des Klageverfahrens sind die Entlassungsberichte der Klinik für Suchttherapie und Entwöhnung in W. vom 17.07.2009, 26.08.2009, 16.10.2009 und 19.02.2010 sowie des Kreiskrankenhauses M. vom 08.12.2009 über erfolgte Alkoholentgiftungen beigezogen worden.
In seinem Schreiben vom 10.06.2010 hat der Kläger ausgeführt, er verzichte auf das Merkzeichen RF.
Am 28.01.2011 beantragte der Kläger beim Beklagten eine Neufeststellung des GdB. Er hat dabei das eine Verletzung der rechten Schulter betreffende Gutachten des Chirurgen Dr. Sp. für die private Unfallversicherung vorgelegt. Daraufhin hat Dr. M. in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme als weitere Behinderung eine Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenks mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt. Mit Bescheid vom 11.10.2011 hat der Beklagte den Neufeststellungsantrag des Klägers abgelehnt, da der GdB mit 100 bereits höchstmöglich bewertet sei, aber als Funktionsbehinderung zusätzlich das rechte Schultergelenk aufgeführt.
Mit Gerichtsbescheid vom 16.07.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt, beim Kläger liege keine erhebliche Beeinträchtigung seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr vor. Er sei durch die bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen nicht gehindert, Wegstrecken im Ortsverkehr ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall von maximal 2 Kilometern bei einer Gehdauer von etwa 30 Minuten zu Fuß zurückzulegen. Das Anfallsleiden des Klägers habe nicht das Ausmaß, um die Voraussetzungen für das Merkzeichen G als erfüllt ansehen zu können. Dies ergebe sich aus den Befundberichten des Psychiatrischen Zentrums Nordbaden in W., wonach der letzte Anfall des Klägers vor circa 7 bis 8 Jahren aufgetreten sei. Für die vom Internisten B. vorgetragene Herzinsuffizienz NYHA Grad II bis III fänden sich keine hinreichenden Belege. Er widerlege diese Diagnose selbst, indem er in seinem vorgelegten Arztbrief eine ergometrische Belastung bis 150 Watt ohne Durchblutungsstörungen und ohne Nachweis einer hämodynamisch relevanten koronaren Herzkrankheit beschrieben habe. Hinsichtlich der chronischen Bronchitis sei davon auszugehen, dass diese zu keiner wesentlichen Leistungsminderung führe. Aktuelle Befunde auf pulmologischem Fachgebiet seien vom Kläger nicht vorgelegt worden. Im Entlassungsbericht des Psychiatrischen Zentrums Nordbaden in W. vom 19.02.2010 sei die im Entlassbrief vom 26.08.2009 noch aufgeführte leichte chronische Bronchitis nicht mehr aufgeführt worden. Der mit einem Einzel-GdB von 10 bewertete Knorpelschaden im rechten Kniegelenk rechtfertige ebenfalls nicht das Merkzeichen G. Dasselbe gelte für die Alkoholkrankheit des Klägers. Denn der Rauschzustand sei immer nur vorübergehender Natur und hindere den Kläger nicht, dauerhaft Wegstrecken im Ortsverkehr von bis zu 2 Kilometern ohne erhebliche Schwierigkeiten zurückzulegen.
Gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts hat der Kläger am 08.08.2013 Berufung eingelegt. Er könne keine 3 Kilometer innerhalb von 15 Minuten zurücklegen, da er bei einer Körpergröße von 163 Zentimetern bereits 133 Kilogramm wiege.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 16. Juli 2013 und den Bescheid des Beklagten vom 9. Juli 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Juli 2009 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, das Merkzeichen "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist auf die aus seiner Sicht zutreffenden Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts.
Der Senat hat die Akten des für den Kläger zuständigen Rentenversicherungsträgers beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte des Beklagten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, nach § 151 Abs. 2 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens G. Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Feststellung von Merkzeichen richtet sich nach den Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Auf Antrag des behinderten Menschen treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden, wenn neben dem Vorliegen einer Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind, die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die gesundheitlichen Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX). Zu diesen Merkmalen gehört auch das Merkzeichen G. Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert (§ 145 Abs. 1 SGB IX). In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (§ 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
Der seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretenen Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) lassen sich im Ergebnis keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Merkzeichens G entnehmen. Denn die VG sind hinsichtlich der getroffenen Regelungen für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche "Berechtigung für eine ständige Begleitung" (B), G, "außergewöhnliche Gehbehinderung" (aG), "Gehörlosigkeit" (Gl) und "Blindheit" (Bl) unwirksam, da es insoweit an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung fehlt. Eine solche Ermächtigung findet sich nämlich - mit Ausnahme des Merkzeichens "Hilflosigkeit" (H) - weder in § 30 Abs. 17 BVG in der Fassung bis zum 30.06.2011 beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab dem 01.07.2011 noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX (ständige Rechtsprechung des Senats zuletzt im Beschluss vom 14.01.2014 - L 6 SB 2185/13).
Der Senat stellt daher auf die von der Rechtsprechung für die Feststellung des Merkzeichens G entwickelten Kriterien ab. Danach sind als üblicherweise noch zu Fuß zurückzulegende Wegstrecken im Ortsverkehr im Sinne des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall, Wegstrecken von bis zu 2 Kilometern mit einer Gehdauer von etwa 30 Minuten anzusehen (BSG, Urteil vom 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 - juris; BSG, Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVS 1/96 - juris).
An einer das Merkzeichen G rechtfertigenden Einschränkung der Gehfähigkeit leidet der Kläger nicht. Denn es trifft nicht zu, dass der Kläger Wegstrecken im Ortsverkehr von bis zu 2 Kilometern mit einer Gehdauer von etwa 30 Minuten infolge einer Einschränkung des Gehvermögens ohne erhebliche Schwierigkeiten oder ohne Gefahren für sich oder andere nicht zurückzulegen vermag. Dies entnimmt der Senat den aktenkundigen ärztlichen Unterlagen, insbesondere den Befundberichten und sachverständigen Zeugenauskünften der Psychiaterin M.-W., des Internisten B. und des Dr. J. sowie den Entlassungsberichten der Park-Klinik in B. N., der Klinik für Suchttherapie und Entwöhnung in W. und des Kreiskrankenhauses M ...
Danach leidet der Kläger nach zutreffender versorgungsärztlicher Beurteilung auf orthopädischem Fachgebiet lediglich an mit jeweils einem Einzel-GdB von 10 zu beurteilenden Knorpelschäden am rechten Kniegelenk und Funktionsbehinderungen am rechten Schultergelenk. Aufgrund dieses in Bezug auf die Gehfähigkeit körperlich-neurologisch eher unauffälligen Befundes lassen sich keine das Merkzeichen G rechtfertigenden Gesundheitsstörungen ausmachen. Zwar hat der Internist B. die Ansicht vertreten, das Gehvermögen sei auch durch die Gonarthrose rechts deutlich eingeschränkt. Er hat aber in seinem Befundbericht eine normale Gehsicherheit angegeben. Bestätigt wird die Einschätzung des Senats durch die Angaben im Entlassungsbericht der Park-Klinik in B. N. vom 16.02.2009. Denn darin wird ein unauffälliges Gangbild, eine altersentsprechende Beweglichkeit der Extremitäten und ein lotgerechter Aufbau der Wirbelsäule beschrieben. Eine das Gehvermögen wesentlich beeinträchtigende Gesundheitsverschlechterung auf orthopädischem Fachgebiet ist seither nicht aktenkundig.
Nichts anderes folgt aus der versorgungsärztlich mit einem Einzel-GdB von 20 bewerteten Lungenerkrankung. Denn bei der COPD Grad I handelt es sich nach den Richtlinien der Deutschen Atemwegsliga vom 07.08.2013 (Fundstelle z. B. www.wikipedia.org/wiki/Chronisch obstruk¬tive Lungenerkrankung) um eine leichtgradige Erkrankung mit noch 80%igem exspiratorischem Volumen und damit nach den zutreffenden versorgungsärztlichen Darlegungen nur um eine leichte Behinderung der Ventilation, so dass eine das Merkzeichen G rechtfertigende Atembehinderung mit dauernder mittelgradiger Einschränkung der Lungenfunktion im Sinne der VG, Teil B, Nr. 8.3 nicht vorliegt.
Auch der nach den VG, Teil B, Nr. 9.3 versorgungsärztlich mit einem Einzel-GdB von 10 bewertete allenfalls eine geringe Leistungsbeeinträchtigung bedingende Bluthochdruck rechtfertigt nicht das Merkzeichen G. Diese Gesundheitsstörung wirkt sich nicht in objektiv relevanter Weise auf die Gehfähigkeit des Klägers aus. Auch liegt keine die Gehfähigkeit limitierende Herzerkrankung vor. Dies ergibt sich aus dem Arztbrief des Internisten B. vom 01.09.2009, wonach in der am 22.08.2008 erfolgten Ergometrie eine stufenweise Belastung bis 150 Watt möglich gewesen ist, ohne dass eine hämodynamisch relevante koronare Herzkrankheit hat bewiesen werden können. Mithin hat eine nach den VG, Teil B, Nr. 9.1.1 schon bei mittelschwerer Belastung auftretende Leistungsbeeinträchtigung (zum Beispiel beim forschen Gehen), die erst bei Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei einer Ergometerbelastung mit 75 Watt angenommen werden kann, nicht objektiviert werden können. Die gegenteilige Ansicht des Internisten B., beim Kläger liege eine Herzinsuffizienz der New York Heart Assoziation (NYHA) Grad II bis III, also eine Herzerkrankung, die nach den Leitlinien der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (Fundstelle z.B. www.wikipedia.org/wiki/NYHA-Klassifikation) mit leichter bis höhergradiger Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit (mit der Folge von Erschöpfung, Rhythmusstörungen, Luftnot oder Angina pectoris bereits bei geringer bis alltäglicher körperlicher Belastung) einhergeht, trifft mithin nicht zu.
Das maßgebliche Leiden des Klägers ist seine mit einem Einzel-GdB von 90 bewertete seelische Krankheit sowie das mit einem Einzel-GdB von 50 bewertete Alkohol- und Anfallsleiden. Doch auch diese Erkrankungen hindern den Kläger objektiv nicht, 2 Kilometer in 30 Minuten zurückzulegen. So führt die seelische Erkrankung in Form eines Abhängigkeitssyndroms bei Alkoholgebrauch und einer paranoiden Schizophrenie nicht zu die Gehfähigkeit tangierenden Orientierungsstörungen. Folgerichtig hat auch die Psychiaterin M.-W. ausgeführt, dass von Seiten ihres Fachgebietes weder eine Gehbehinderung noch eine verminderte Gehsicherheit oder Gehstrecke besteht. Anders ist es nur, wenn sich der Kläger in einem alkoholbedingtem Rauschzustand befindet. Insoweit hat aber das Sozialgericht zutreffend auf die nur vorübergehende Natur dieser Zustände hingewiesen.
Auch das Übergewicht des Klägers rechtfertigt nicht die Feststellung der Voraussetzungen des Merkzeichens G. Dafür ist bei der Prüfung dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das menschliche Gehvermögen keine statische Messgröße ist, sondern von verschiedenen Faktoren geprägt und variiert wird (ständige Rechtsprechung des Senats, so zuletzt Urteil vom 21.02.2013 - L 6 SB 695/10; nachgehend BSG, Beschluss vom 27.06.2013 - B 9 SB 28/13 B). Darunter sind neben den anatomischen Gegebenheiten des Körpers, also Körperbau und etwaige Behinderungen, vor allem der Trainingszustand, die Tagesform, Witterungseinflüsse, die Art des Gehens (ökonomische Beanspruchung der Muskulatur, Gehtempo und Rhythmus) sowie Persönlichkeitsmerkmale, vor allem die Motivation, zu nennen. Von diesen Faktoren sind all jene heraus zu filtern, die nach § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX außer Betracht zu bleiben haben, weil sie die Bewegungsfähigkeit des schwerbehinderten Menschen im Straßenverkehr nicht infolge einer behinderungsbedingten Einschränkung seines Gehvermögens, sondern möglicherweise aus anderen Gründen erheblich beeinträchtigen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.09.2010 - L 11 SB 77/07 - unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 7/06 R). Zwar gehört ein erhebliches Übergewicht zu den Faktoren, die einen Bezug zu einer Behinderung haben und daher bei der Beurteilung des Gehvermögens zu berücksichtigen sind. Die funktionellen Auswirkungen einer Adipositas per magna sind nämlich nicht nur nach den VG, Teil B, Nr. 15.3 bei der Einschätzung eines aus anderen Gesundheitsstörungen folgenden GdB (erhöhend) zu berücksichtigen, sondern auch insoweit, als sie zu einer Einbuße der in § 145 Abs. 1 Satz 1 SGB IX genannten Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr führen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15.04.2010 - L 13 SB 82/08 - unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 24.04.2008 - B 9/9a SB 7/06 R). Dennoch sind beim Kläger die gesundheitlichen Voraussetzungen für das Merkzeichen G zu verneinen. Denn die aus den oben dargelegten GdB-relevanten Gesundheitsstörungen folgenden Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr werden durch funktionelle Auswirkungen der Adipositas per magna nicht so weit verstärkt, dass die dem Kläger in 30 Minuten zumutbare Wegstrecke auf unter 2 Kilometer abgesunken wäre. Allein der mit einem Gewicht von 133 Kilogramm bei einer Körpergröße von 1,63 Metern zu errechnende Body-Mass-Index (BMI) des Klägers von 50,06 kg/m² und damit eine Adipositas-Grad III im Sinne der Gewichtsklassifikation der Weltgesundheitsorganisation von 1995 (Fundstelle z.B. www.wikipedia.org/ wiki/Body-Mass-Index) begründet nicht diese Annahme.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
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