L 6 U 42/12

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Halle (Saale) (SAN)
Aktenzeichen
S 15 U 60/06
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 U 42/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Rückenbeschwerden des Klägers als Berufskrankheit im Sinne der Berufskrankheit (BK) Nr. 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (im weiteren BK Nr. 2108) anzuerkennen sind.

Der Kläger ist 1963 geboren und war zunächst von 1978 bis 1986 als Maurer in den L.-Werken beschäftigt. Anschließend war er bis 1992 als Heizer und Entascher im Braunkohlewerk in B. tätig, wobei diese Zeit durch den Armeedienst von 1989 bis 1990 unterbrochen war. Von 1992 bis 1994 war der Kläger arbeitslos und danach bis Ende 1996 als Entkerner bei der L.-Sanierungsgesellschaft mbH angestellt. Seither hat er keine versicherungspflichtige Tätigkeit mehr ausgeübt. Nach Darstellung des Klägers waren die Tätigkeiten bei den L.werken und insbesondere bei den Braunkohlewerken körperlich teilweise sogar sehr schwer.

Im August 2004 zeigte der Facharzt für Allgemeinmedizin F. der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Weiteren nur Beklagte) an, dass bei dem Kläger der Verdacht auf das Vorliegen einer BK bestehe. Dieser leide seit ungefähr 1980 unter ständigen Rückenschmerzen insbesondere an der Lendenwirbelsäule (LWS). Seiner Ansicht nach lag ein chronisches pseudoradikuläres Lumbalsyndrom vor. Genauso lautete die Diagnose in einem beigefügten Bericht der ...-W. - Klinik f. Poliklinik und Orthopädie - vom 20. April 2004. Nach diesem Bericht war der Kläger dort für zwei Tage in stationärer Behandlung gewesen; Motorik, Sensibilität und Durchblutung der unteren Extremitäten waren danach regelrecht. Der PSR (Patella-Sehnen-Reflex) war links abgeschwächt, sonstige Reflexe aber auslösbar.

Nach einem beigezogenen Bericht der Dipl.-Med. F. vom 6. Februar 2003 zeigten sich auf Röntgenaufnahmen der Lendenwirbelsäule normale Wirbelbogenabgänge ohne Verschmälerung der Zwischenwirbelräume. Es bestand eine normale Höhe der Wirbelkörper ohne degenerative Veränderungen und ohne anlagemäßige Störungen an den Abschnittsübergängen. Ihre Diagnose lautete auf einen Verdacht einer Lumboischialgie links. Das Zeichen nach Lasègue war negativ und der Patella- und Achillessehnenreflex seitengleich. Der Finger-Boden-Abstand betrug 10 cm.

Unter dem 4. Mai 2005 wandte sich die Beklagte an den Kläger und teilte ihm mit, dass durch eine fachärztliche Einschätzung beurteilt werden solle, ob in seinem Fall Befunde im Sinne des begründeten Verdachts einer beruflich bedingten Lendenwirbelsäulenerkrankung vorlägen. Weiter heißt es:

"Eine Untersuchung ist nicht vorgesehen, weil über den Befund und die Diagnose bereits ausreichende Unterlagen vorliegen.
Hierfür bedarf es der Übermittlung von ärztlichen Unterlagen über die Erkrankung, den Verlauf und eventuell über vorausgegangene Krankheiten und Verletzungen an den benannten Arzt/Ärztin. Sie können der Übermittlung der Sozialdaten widersprechen
(§ 76 Abs. 2 SGB X). Ein Widerspruch würde allerdings die Abwicklung voraussichtlich erheblich erschweren und verzögern.
Nach den gesetzlichen Bestimmungen (§ 200 Abs. 2 SGB VII) sollen Ihnen mehrere Ärzte zur Auswahl genannt werden [ ]."

Insoweit benannte die Beklagte drei verschiedene Ärzte und bat den Kläger, ihr bis zum 21. Februar 2005 mitzuteilen, welchem Arzt der Auftrag erteilt werden sollte.

Nach einem Aktenvermerk erfolgte aufgrund dieses Schreibens anschließend ein Anruf der "Lebensgefährtin" des Klägers. Ihren Namen nannte die Anruferin nach diesem Aktenvermerk nicht. Auf Nachfrage erklärte nach diesem Aktenvermerk der Kläger im Hintergrund, dass dies die Beklagte nichts anginge. Weiter wurde mitgeteilt, dass die Übersendung der Befunde an den zuletzt von der Beklagten genannten Arzt (Dr. K.) gewünscht werde.

Im Auftrag der Beklagten erstattete der Facharzt für Arbeitsmedizin Dr. K. unter dem 26. Februar 2005 ein Gutachten nach Aktenlage. Darin wies er darauf hin, dass mehr als 80 % aller Rückenschmerzen "unspezifisch" seien. Sie träten also nicht, wie es für bandscheibenbedingte Schmerzen ansonsten typisch sei, segmental und auch nicht belastungsabhängig auf. Lumbalsyndrome müssten durch geeignete klinische Diagnostik dem geschädigten Bandscheibensegment zuzuordnen sein. Eine Bandscheibenschädigung sei hier durch ein bildgebendes Verfahren nicht nachgewiesen worden. Bereits dies schließe den begründeten Verdacht auf das Vorliegen der BK Nr. 2108 aus. Eine irreversible Bandscheibenschädigung der LWS und eine funktionelle Einschränkung der LWS (klinischer Segmentbefund) sowie eine schmerzhafte Beeinträchtigung der Belastbarkeit lägen nicht vor.

Mit Bescheid vom 13. April 2005 lehnte der Rentenausschuss der Beklagten die Anerkennung einer BK Nr. 2108 ab und stützte sich auf die Ausführungen von Dr. K ... Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und rügte das vorliegende Gutachten als dürftig. Das Versorgungsamt H. habe mit Feststellungsbescheid vom 20. August 2003 einen Grad der Behinderung von 40 unter anderem aufgrund einer Funktionsminderung der Wirbelsäule anerkannt. Weiterhin wurden der bisherige Akteninhalt sowie abstrakt die Voraussetzungen der Anerkennung einer BK Nr. 2108 dargestellt.

Unter dem 8. August 2005 erstellte der technische Aufsichtsdienst der Beklagten eine Arbeitsplatzanalyse für den Zeitraum 1978 bis Ende 1985 in den L.-Werken. Insgesamt kam er schließlich unter dem 3. März 2006 zu dem Ergebnis, dass mit einer Gesamtdosis i.H.v. 0,6 x 106 Nh die arbeitstechnischen Voraussetzungen für eine BK Nr. 2108 nicht erfüllt seien (Bl. 161 Verwaltungsakte = VA).

Mit Widerspruchsbescheid vom 7. April 2006 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten daraufhin den Widerspruch des Klägers zurück und verwies zur Begründung auf die fehlenden arbeitstechnischen Voraussetzungen.

Hiergegen hat der Kläger noch im gleichen Monat Klage erhoben und zur Begründung seinen bisherigen Vortrag wiederholt. Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Befundberichtes von Herrn F., in dem eine linksbetonte Bandscheibenprotrusion bei L5/S1 mit vermutlicher Irritation der linken L5/S1-Wurzel geschildert wird. Ein Bandscheibenvorfall liege nicht vor. Die Diagnose lautet unter anderem auf ein chronisches Lumbalsyndrom sowie ein Pseudoradikulärsyndrom. Weiterhin hat er mitgeteilt, dass sich nach einer MRT-Untersuchung am 16. August 2005 eine Dehydrierung der Bandscheibe bei L5/S1 sowie eine beginnende Dehydrierung bei L4/5 gezeigt hätten. In einem weiteren Befundbericht vom 12. Oktober 2006 hat Dipl.-Med. F. ihre bisherigen Feststellungen wiederholt. Sie hat ausgeführt, es läge keine typische radikuläre Reizung vor, welche relativ sicher auf das Vorliegen eines Bandscheibenschadens schließen lasse.

In einer von der Beklagten ohne nochmalige Anhörung des Klägers erbetenen Stellungnahme hat Dr. K. ausgeführt, die neu vorliegenden Befunde rechtfertigten keine andere Beurteilung. Der Kläger hat daraufhin eine Verletzung des § 200 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) gerügt. Nach § 76 Abs. 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) in Verbindung mit § 24 Bundesdatenschutzgesetz habe er ein Recht, der Übermittlung von Sozialdaten an Dritte zu widersprechen. Im Weiteren hat der Kläger dann auch die Unverwertbarkeit der Stellungnahme von Dr. K. vom 26. Februar 2005 geltend gemacht (vgl. Bl. 263, 342 GA).

Im Auftrag des Sozialgerichts hat Prof. Dr. v. S. -S. - Direktor der Orthopädischen Klinik und Poliklinik der Universitätsklinik L. - nach einer ambulanten Untersuchung des Klägers am 26. Mai 2008 ein Gutachten erstattet. Der Sachverständige hat ausgeführt, motorische Ausfallerscheinungen hätten nicht vorgelegen. Eine neu angefertigte Aufnahme der LWS zeige normal hohe Bandscheibenräume bei einem lotgerechten Aufbau und auf der Seitenaufnahme eine physiologische Lordose. Es beständen diskrete Spondylophyten an der Vorderoberkante des 4. Lendenwirbelkörpers sowie im Segment zwischen dem 1. und 2. Lendenwirbelkörper. Eine verstärkte subchondrale Sklerosierung im Bereich der Wirbelkörpergrund- und deckplatten hat der Sachverständige nicht feststellen können. Eine beigezogene CT-Aufnahme vom 18. Oktober 2007 hat degenerative Veränderungen der Zwischenwirbelgelenke in allen dargestellten Etagen der unteren LWS mit osteophytären Randwulstbildungen insbesondere im Segment L5/S1 gezeigt. Nach Ansicht des Gutachters hat allenfalls eine minimale Vorwölbung der Bandscheibe in diesem Segment ohne Seitenbetonung vorgelegen. Seine Diagnosen haben auf Verschleißerkrankung der LWS mit Bewegungseinschränkung und sensibler Nervenwurzelreizung am linken Bein, Fehlform und Verschleißerscheinung der Brust- und Halswirbelsäule mit Bewegungseinschränkung gelautet.

Die im CT sichtbare Randwulstbildung im Bereich der Zwischenwirbelgelenke L5/S1 erklärten ohne Zweifel die im linken Bein nachweisbare sensible Nervenwurzelreizung, da es durch diese degenerativen Wulstbildungen zu einer Irritation der im Zwischenwirbelloch verlaufenden Nervenwurzel kommen könne. Nach den klinischen und vor allem auch radiologischen Befunden könne somit das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Verschleißerkrankung im Bereich der LWS ausgeschlossen werden. Die degenerativen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule beträfen in erster Linie die Zwischenwirbelgelenke. Darüber hinaus fänden sich allenfalls ganz diskrete Veränderungen im Bereich der untersten Bandscheibe der LWS sowie im Bereich der Wirbelsäule im Sinne einer Spondylosis deformans. Die Anerkennung der BK Nr. 2108 könne aus verschiedenen medizinischen Gründen daher nicht empfohlen werden, denn

es liege keine primär bandscheibenbedingte Verschleißerkrankung im Bereich der LWS vor und

darüber hinaus zeigten die bildgebenden Befunde kein belastungskonformes Schadensbild.

Insbesondere liege weder eine Chondrose (Bandscheibenverschmälerung) noch eine vermehrte subchondrale Sklerosierung der Wirbelkörpergrund- und deckplatten oder eine relevante Begleitspondylose vor.

Der Kläger hat dem Gutachten widersprochen und vorgetragen, er sei wegen Schmerzen der LWS in ständiger medizinischer Betreuung. Das Bestehen einer Höhenminderung (Vorwölbung) spreche für eine BK. Ferner hat der Kläger Kopien der bereits in den Akten befindlichen Berichte von Dipl.-Med. F. sowie der Martin-Luther-Universität vorgelegt. Zudem hat er auf den Entlassungsbrief der Klinik f. Orthopädie des Krankenhauses M. in H. nach einer stationären Behandlung vom 29. November bis 3. Dezember 2007 verwiesen. Die dortigen Diagnosen haben auf ein Radikulärsyndrom L5 links sowie eine akute Lumbalgie gelautet. In den Röntgenaufnahmen der LWS vom 29. November 2007 haben sich danach eine Steilstellung und eine Facettengelenksarthrose im Lumbosakralgelenk gezeigt.

Weiterhin hat der Kläger zu dem Gutachten verschiedene Fragen gestellt, die das Sozialgericht zur Beantwortung an den Sachverständigen weitergeleitet hat. Unter dem 26. Oktober 2009 hat daraufhin Prof. Dr. v. S. ausgeführt, die festgestellten Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule des Klägers gingen in der Tat über das altersentsprechende Maß hinaus. Im Bereich der LWS sei die Beweglichkeit mittelgradig eingeschränkt und entspreche somit nicht dem in diesem Lebensalter zu erwartenden Bewegungsausmaß. Demgegenüber zeigten die radiologischen Untersuchungen nur degenerative Veränderungen, die allenfalls gering über das alltagsmäßige Ausmaß hinaus gingen. Die Gesundheitsstörungen im Bereich der LWS seien aber als schicksalhaft entstanden einzuschätzen. Andere Ursachen wie beispielsweise Fehlformen, angeborene Entwicklungsstörungen, Verletzungsfolgen, Entzündungen oder Tumore könnten ausgeschlossen werden. Die bandscheibenbedingten Veränderungen der LWS seien äußerst gering ausgeprägt. Für die Beschwerden des Klägers seien diese nicht verantwortlich zu machen, sondern degenerative Veränderungen der Zwischenwirbelgelenke. Die Anerkennung einer bandscheibenbedingten Verschleißerkrankung setze voraus, dass nicht nur radiologische, sondern vor allem auch klinische Befunde vorlägen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die bandscheibenbedingten Verschleißveränderungen zurückgeführt werden könnten. Genau dies sei bei dem Kläger nicht der Fall.

Darauf hat der Kläger eine Stellungnahme von Herrn F. vorgelegt. In dieser wird ausgeführt, es gebe zur Feststellung des Einflusses beruflicher Expositionen Tabellen- und Berechnungsvorschriften. Hierzu hat der Kläger behauptet, eine Arbeitsplatzanalyse durch einen technischen Aufsichtsbeamten sei nicht durchgeführt worden. Zudem hat der Kläger ausführlich schriftlich (vergl. Bl. 264 Gerichtsakte) sowie mündlich (Sitzungen vom 3. Mai 2011 sowie 19. Oktober 2011) seine berufliche Belastung geschildert.

Das Sozialgericht hat weiter Beweis erhoben durch Anhörung des Sachverständigen Prof. Dr. von S. in der mündlichen Verhandlung am 18. April 2012. Dieser hat seine bisherigen Ausführungen vertieft und weiter betont, bei dem Kläger läge keine Bandscheibenverschmälerung vor. Damit fehle eine Grundvoraussetzung, wie sie in der herrschenden Literatur gefordert werde.

Mit Urteil vom 18. April 2012 hat das Sozialgericht Halle die Klage abgewiesen und sich zur Begründung im Wesentlichen auf das Gutachten von Prof. Dr. von S. gestützt. Die Feststellungen dieses Sachverständigen ständen auch in Übereinstimmung mit denen der behandelnden Ärzte des Klägers sowie den sogenannten Konsensempfehlungen. Das Sozialgericht hat weiter ausgeführt, in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei die Rüge der Begutachtung durch Dr. K. verspätet. Die Stellungnahme dieses Arztes vom 14. Dezember 2006 dürfte aber unverwertbar sein, weil diese ohne vorherige Information des Klägers entsprechend § 200 Abs. 2 des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII) erstellt wurde und der Kläger dies unverzüglich gerügt habe.

Gegen das ihm am 9. Mai 2012 zugestellte Urteil hat der Kläger mit Berufungsschrift vom gleichen Tage - Eingang beim Landessozialgericht am 10. Mai 2012 - Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er seinen bisherigen Vortrag wiederholt und dabei insbesondere seine schwere Arbeit geschildert.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Halle vom 18. April 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 13. April 2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 7. April 2006 aufzuheben und festzustellen, dass bei dem Kläger eine bandscheibenbedingte Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit nach Nummer 2108 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung vorliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Urteil des Sozialgerichts.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung des Senats.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, form- und fristgerecht erhobene (§ 151 Abs. 1 SGG) und auch ansonsten zulässige Berufung ist begründet. Der Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheides beschwert den Kläger nicht im Sinne der §§ 157, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG, weil die Beklagte hierin zutreffend die Anerkennung der Lendenwirbelsäulenerkrankung als Berufskrankheit abgelehnt hat.

Zur Begründung verweist der Senat zunächst auf die ausführliche Darstellung der Sach- und Rechtslage durch das Sozialgericht, mit welcher sich der Kläger in dem entscheidenden Punkt - Fehlen einer bandscheibenbedingten Erkrankung - nicht weiter auseinandersetzt. Zur Verdeutlichung fasst der Senat die Argumentation wie folgt zusammen:

Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung (BKV) mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleidet. Die näheren Einzelheiten zum Erlass der BKV regelt § 9 Abs. 1 Sätze 2 und 3 sowie Abs. 6 SGB VII. Voraussetzung für die Anerkennung der hier strittigen BK Nr. 2108 ist nach deren Tatbestand das Vorliegen "bandscheibenbedingter Erkrankungen der LWS" durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Hier liegt keine bandscheibenbedingte Erkrankung vor und hat auch früher nicht vorgelegen. Nach den "Medizinischen Beurteilungskriterien zu bandscheibenbedingten Berufskrankheiten der Lendenwirbelsäule" (Konsensempfehlungen; veröffentlicht in Trauma und Berufskrankheit 2005, S. 211 ff., 215) ist der bildgebende Nachweis eines Bandscheibenschadens ("Höhenminderung und/oder Vorfall") eine Voraussetzung für den Nachweis einer bandscheibenbedingten Erkrankung. Diesen Konsensempfehlungen hat sich Prof. Dr. von S. -S. angeschlossen; sie entsprechen auch nach Ansicht des Senats dem aktuellen Erkenntnisstand medizinisch-wissenschaftlicher Erfahrungssätze zur Beurteilung der BK Nr. 2108, die von der großen Mehrheit der auf dem betreffenden Gebiet tätigen Fachwissenschaftler anerkannt werden (siehe Schröter, Begutachtung der BK Nr. 2108 in Anwendung der Konsenskriterien, Med Sach 2011, 107; im Übrigen BSG, 27.10.2009, B 2 U 16/08 R, juris; BSG, 27.6.2006, B 2 U 13/05 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 9).

Hier spricht das radiologische Bild entscheidend gegen eine bandscheibenbedingte Erkrankung. Der Sachverständige Prof. Dr. S. hat auf dem CT der LWS vom 18. Oktober 2007 nur eine "allenfalls minimale Vorwölbung der Bandscheibe L5/S1 ohne Seitenbetonung" festgestellt. Eine klinische Bedeutung käme diesem Befund nicht zu (S. 12 des Gutachtens). Auch die Röntgenaufnahmen von Mai 2008 zeigten nur "minimale degenerative Veränderungen" im Bereich der LWS. Der Sachverständige hat ausgeführt, die Bandscheibenräume seien in allen Etagen normal hoch.

Dies stimmt mit der Bewertung von Dipl.-Med. F. vom 6. Februar 2003 überein, wonach "keine Verschmälerung der ZWR" (Zwischenwirbelräume) und eine "normale Höhe der Wirbelkörper ohne degenerative Veränderungen" vorlagen. Dem steht auch der Befundbericht von Dipl.-Med. F. vom 10. Oktober 2006 nicht entgegen, soweit sie darin ausführt, Ursache für die leichte radikuläre Reizung könnte ein Bandscheibenvorfall sei, weist sie zugleich auch darauf hin, dass es noch andere Gründe für diese Symptomatik geben könne und dass zum damaligen Zeitpunkt (2003) kein Grund für eine weiterführende Diagnostik bestand. Dies steht in keiner Weise im Widerspruch zu den Ausführungen von Prof. Dr. von S. Ausdrücklich betont Dipl.-Med. F., es liege keine typische radikuläre Reizung vor, welche relativ sicher auf ein Vorliegen eines Bandscheibenvorfalls schließen lasse.

Auch Herr F. geht wie Prof. Dr. von S. von einem pseudoradikulären Lumbalsyndrom aus; genauso lautete die Diagnose in dem Bericht der ... vom 20. April 2004. Lediglich die Klinik f. Orthopädie des Krankenhauses M. in H. hat nach einer stationären Behandlung vom 29. November bis 3. Dezember 2007 ein Radikulärsyndrom L5 links (neben einer akuten Lumbalgie) festgestellt. In den Röntgenaufnahmen der LWS vom 29. November 2007 zeigten sich aber nur eine Steilstellung und eine Facettengelenksarthrose im Lumbosakralgelenk, so dass diese abweichende Einschätzung nicht nachvollziehbar ist; eine Begründung ist auch nicht erkennbar.

Ähnlich hat Dr. K. eine Bandscheibenschädigung als durch bildgebende Verfahren nicht nachgewiesen erachtet. Schon nach dem radiologischen Bild schließt der Gutachter damit schlüssig und überzeugend eine bandscheibenbedingte Erkrankung aus.

Der Senat hat keine Bedenken, auch die Angaben von Dr. K. zu berücksichtigen. Denn zumindest hat der Kläger die Beauftragung Dr. K.s mit der Gutachtenserstellung nicht rechtzeitig gerügt. Insoweit kann dahinstehen, ob er mit seinem Vortrag im Berufungsverfahren, es liege nur eine "angebliche" Zustimmung einer Lebensgefährtin vor, die eigene Veranlassung der Begutachtung durch Dr. K. überhaupt bestritten hat. Der Kläger hat nämlich auch nach Akteneinsicht im Widerspruchsverfahren die Befassung Dr. K.s mit seinem Fall als Gutachter nicht beanstandet. Eine Rüge der Einschaltung Dr. K.s im Verwaltungsverfahren ist erstmals allenfalls dem Schriftsatz im Berufungsverfahren vom 21. Mai 2012 zu entnehmen.

Allein schon der schon früher erhobene Einwand des Klägers, es sei nach dem Gutachten nicht klar, ob es sich um ein persönliches Gutachten oder ein Aktengutachten handele, ist keine Rüge im Sinne des § 200 SGB VII. Im übrigen hatte die Beklagte bereits in dem Anhörungsschreiben darauf hingewiesen, dass die Einholung eines Gutachtens nach Aktenlage beabsichtigt sei; eine körperliche Untersuchung dürfte dem Kläger auch kaum verborgen geblieben sein, so dass der Sinn dieser Beanstandung unklar ist.

Richtig weist aber das Sozialgericht auf die Unbeachtlichkeit der verspäteten Rüge hin, die bis zum Abschluss des Verwaltungsverfahrens hätte erfolgen müssen (vgl. dazu BSG, 20.7.2010 B 2 U 17/09 R SozR 4-2700 § 200 Nr. 2).

Auch die Ausführungen von Dr. K. vom 14. Dezember 2006 sind entgegen der Ansicht des Sozialgerichts verwertbar. Denn auch zum Zeitpunkt dieser ergänzenden Stellungnahme vom 14. Dezember 2006 lag keine entgegenstehende Äußerung des Klägers vor. Dieser Arzt hat auf Seite 1 seiner Ausführungen zudem darauf hingewiesen, er sei um eine Stellungnahme per Aktenlage zur Würdigung der neuen Befunde gebeten worden. Er wurde danach weiter um Angabe gebeten, ob diese Befunde zu einer anderen als der durch die Beklagte bisher getroffenen Entscheidung Anlass gäben. Damit ist deutlich, dass die Beklagte insoweit nicht um die Erstellung eines Gutachtens gebeten hat, sondern lediglich um eine ergänzende Stellungnahme. Denn die Fragen sind konkret zur Ergänzung des bisherigen Gutachtens formuliert und auch so zu verstehen. Solche Nachfragen, ob sich aufgrund des Tatsachenvortrages des Klägers oder eventuell anderer Befunde neue Aspekte ergeben, sind oft notwendig. Die Beklagte muss bei solchen Nachfragen nicht erneut den Kläger über ein Widerspruchsrecht belehren; dieses Recht ist dem Kläger aus der ersten Belehrung bekannt; noch weniger hat sie ihm bei der Einholung solcher orientierender Stellungnahmen gar mehrere Gutachter vorzuschlagen. Dies zeigt, dass § 200 SGB VII nicht den Fall einer ergänzenden Stellungnahme erfasst (so auch BSG, 18.1.2011, B 2 U 5/10 R, juris Rn. 38).

Letztlich bliebe selbst eine eingeschränkte Verwertbarkeit dieser ergänzenden gutachlichen Stellungnahme folgenlos. Denn es ist offensichtlich, dass diese Ausführungen die bereits vorher getroffene Ablehnung und auch den weiteren Gang des Verfahrens sowie die weiteren Entscheidungen in der Sache nicht beeinflusst haben (vgl. BSG, 20.7.2010, B 2 U 17/09 R Juris Rn. 17). Neben der Wiedergabe der aktenkundigen Befundberichte enthält diese Stellungnahme nichts Neues; dementsprechend wird sie in dem Gutachten von Prof. Dr. von S. nur am Rande im Rahmen der Wiedergabe des Akteninhaltes und im Übrigen gar nicht mehr erwähnt.

Auch Dr. K. hat in seinem Gutachten vom 26. Februar 2005 in Übereinstimmung mit Prof. Dr. von S. ausgeführt, eine irreversible Bandscheibenschädigung der LWS und eine funktionelle Einschränkung der LWS (klinischer Segmentbefund) sowie eine schmerzhafte Beeinträchtigung der Belastbarkeit liege nicht vor.

Zu der Frage einer bandscheibenbedingten Erkrankung (und nicht nur eines bildgebenden Befundes) hat der Kläger nichts vorgetragen. Der Hinweis auf Rückenbeschwerden ist nicht weiterführend; alle genannten Ärzte gehen von einer Erkrankung der LWS aus. Da jedoch wie dargelegt für eine bandscheibenbedingte Erkrankung der LWS keine medizinischen Hinweise bestehen, kann auch offen bleiben, ob der Kläger tatsächlich - wie behauptet - schwer gearbeitet hat oder (wie der technische Aufsichtsdienst der Beklagten nach Analyse des Arbeitsplatzes ausgeführt hat) die Expositionsvoraussetzungen bei weitem nicht erfüllt sind.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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