L 6 SF 1813/13 E

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 1813/13 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Erinnerung gegen die Festsetzung im Auszug aus dem Verzeichnis der Rechtsstreite der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Thüringer Landessozialgerichts vom 12. November 2013 wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.

Im Berufungsverfahren L 5 SB 295/06 war die Höhe des Grads der Behinderung (GdB) des Klägers streitig. Es wurde am 10. Februar 2011 durch Vergleich erledigt. Gegenstand des Berufungsverfahrens L 5 BL 1079/08 war die Aufhebung der Bewilligung von Blindengeld. Es wurde mit Beschluss vom 8. August 2011 ausgesetzt und als Verfahren L 5 BL 779/12 fortgesetzt. Mit Urteil vom 15. November 2012 wies der 5. Senat die Berufung des Klägers zurück. Im Berufungsverfahren L 5 SB 347/09 nahm der Erinnerungsführer seine Berufung am 29. Juni 2009 zurück. Mit Beschluss vom 27. Juli 2011 verwarf der 5. Senat seinen Antrag auf Aufhebung der Entscheidung über Missbrauchskosten im Urteil des Sozialgerichts Nord-hausen.

Unter dem 12. November 2013 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) dem Erin-nerungsführer einen "Auszug aus dem Verzeichnis der Rechtsstreite (§ 189 SGG)" übersandt und gebeten, für folgende Verfahren Gerichtsgebühren zu zahlen: L 5 SB 295/06 112,50 Euro L 5 BL 1079/08 112,50 Euro L 5 BL 779/12 225,00 Euro. L 5 SB 347/09 225,00 Euro

Dagegen hat dieser am 27. November 2013 Erinnerung eingelegt und vorgetragen, die Erhe-bung von Pauschgebühren für bereits rechtskräftig abgeschlossene Verfahren verletze das Rückwirkungsverbot. Für diese Verfahren habe er bis 2012 vom Freistaat Thüringen Kosten-erstattung begehren können. Seit Jahresbeginn 2013 sei dies nicht mehr möglich. Das beein-trächtige seine Interessen in erheblichem Maße.

Die UdG hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 27. November 2013) und sie dem Senat zu Entscheidung vorgelegt. Der Erinnerungsgegner hat sich deren Ansicht ange-schlossen und auf den Beschluss des Bundessozialgerichts (BSG) vom 29. Mai 2013 - B 13 SF 1/13 S verwiesen.

Mit Beschluss vom 5. Februar 2014 hat der Senatsvorsitzende das Verfahren dem Senat nach § 66 Abs. 6 S. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) übertragen.

II.

Zur Vollständigkeit weist der Senat darauf hin, dass der Auszug aus dem Verzeichnis der Rechtsstreite angesichts der Monatsfrist des § 189 Abs. 2 S. 2 SGG nach § 66 Abs. 2 S. 1 SGG hätte zugestellt werden müssen. Damit begann die Monatsfrist nicht zu laufen. Die Erinnerung ist zulässig aber nicht begründet. Zu Recht hat die UdG die Pauschgebühren nach § 189 Abs. 1 SGG festgestellt. Nach dieser Vorschrift werden die Gebühren für die Streitsachen in einem Verzeichnis zusammengestellt (Satz 1); die Mitteilung eines Auszugs aus diesem Verzeichnis an die nach § 184 Abs. 1 Gebührenpflichtigen gilt als Feststellung der Gebührenschuld und als Aufforderung, den Gebührenbetrag binnen eines Monats an die in der Mitteilung angegebenen Stelle zu zahlen (Satz 2). Nach § 184 Abs. 1 S. 1 SGG haben Kläger und Beklagte, die nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, für jede Streitsache eine Gebühr zu entrichten. Nach § 183 S. 1 SGG sind Verfahren vor den Gerich-ten der Sozialgerichtsbarkeit für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterblie-benenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger kosten-frei, sofern sie in dieser Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Die o.g. Beru-fungsverfahren waren selbständige gebührenpflichtige Streitsachen und der am Verfahren beteiligte Erinnerungsführer gehört nicht zum Personenkreis des § 183 S. 1 SGG.

Die Gebührenpflicht entfällt nicht nach § 184 Abs. 3 SGG. Danach ist § 2 GKG entsprechend anwendbar. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 GKG sind in Verfahren vor den Gerichten der Sozialge-richtsbarkeit der Bund und die Länder sowie die nach Haushaltsplänen des Bundes oder eines Landes verwalteten öffentlichen Anstalten und Kassen von der Zahlung der Kosten befreit. Kommunale Gebietskörperschaften unterfallen - auch im übertragenen Wirkungskreis - diesem Befreiungstatbestand nicht (vgl. BSG, Beschluss vom 29. Mai 2013 - B 13 SF 1/13 S m.w.N., LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Juni 2008 - L 7 SB 129/06, nach juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012 § 184 Rdnr. 4).

Nicht einschlägig ist § 2 Abs. 5 S. 2 GKG, nach dem Kosten nicht zu erheben sind, soweit eine von der Zahlung der Kosten befreite Partei Kosten des Verfahrens übernimmt. Es ist be-reits zweifelhaft, ob eine Kostenübernahme durch ein Gesetz erfolgen kann (vgl. BSG, Be-schluss vom 29. Mai 2013 - B 13 SF 1/13 S). Jedenfalls trägt der Erinnerungsführer vor, er könne die Gebühren nicht anderweitig geltend machen.

Eine Gebührenbefreiung erfolgt nicht nach § 3 Abs. 1 GKG in Verbindung mit dem bis 7. November 2013 geltenden Thüringer Justizkostengesetz (ThürJKostG). Nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 ThürJKostG beinhaltet die dortige Gebührenbefreiung nur Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und Justizverwaltungsbehörden; Sozialgerichte werden nicht erwähnt. Sonstige landesrechtliche Gebührenbefreiungsvorschriften sind nicht ersichtlich.

Dieses Ergebnis ist nicht unbillig. Die Befreiung von der Pauschgebühr über § 2 GKG wurde nach der Gesetzesbegründung eingeführt, um dem allgemeinen Grundsatz Rechnung zu tra-gen, dass der Träger der Gerichtshoheit, der für die Gerichte finanziell aufzukommen hat, also der Bund oder die Länder, nicht in die eigene Kasse Gebühren zu zahlen hat (vgl. BT-Drucks. 14/5943 S. 35 zu Art. 1 Nr. 62 unter Hinweis auf BSG, Beschluss vom 10. Dezember 1956 - 8 RV 391/54, nach juris). Die Befreiung kommt daher in Thüringen nur bei Klagen gegen den Freistaat oder gegen unselbständige Behörden des Freistaats in Betracht.

Der Vortrag des Erinnerungsführers, die Erhebung der Pauschgebühren verstoße gegen das Rückwirkungsverbot führt zu keinem anderen Ergebnis. Das Rückwirkungsverbot soll grund-sätzlich verhindern, dass durch die Änderung von Rechtsvorschriften das Vertrauen des Bür-gers in den Fortbestand von Rechtsvorschriften enttäuscht wird (vgl. Jarass in Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 10. Auflage 2009, Art. 20 Rdnr. 67). Hier liegt bereits keine Änderung von Rechtsvorschriften durch die Anforderung der Pauschgebühr vor. Tatsächlich macht der Erinnerungsführer einen Vertrauensschutz hinsichtlich der Kosten-tragung geltend. Dies setzt aber voraus, dass vom Empfängerhorizont gesehen ein besonderer Vertrauenstatbestand gesetzt wurde, er darauf tatsächlich vertraute und sich darauf einrichtete (vgl. u.a. BSG, Urteile vom 12. November 2013 - B 1 KR 56/12 R und 20. März 2013 - B 6 KA 27/12 R, nach juris). Hier sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Freistaat einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat und der Erinnerungsführer auf ihn vertraut hat.

Auch ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Erinnerungsführer durch die Leistungs-pflicht übermäßig belastet oder in seinem Vermögen grundlegend beeinträchtigt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1987 - 1 BvL21/82, nach juris).

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 66 Abs. 3 S. 3 GKG)
Rechtskraft
Aus
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