Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 6 R 41/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 119/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Gesichtspunkten, die beim Vorliegen einer schweren Osteoporose (Grad III) bei der Beurteilung des Leistungsvermögens unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes berücksichtigt werden müssen.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Der im Jahre 1967 geborene Kläger stellte am 10.07.2012 einen Rentenantrag. Er gab an, sich seit dem 27.10.2011 auf Grund einer Osteoporose mit fortgeschrittenem Knochenverlust für erwerbsgemindert zu halten. Zuletzt hatte der als Fleischer ausgebildete Kläger bei der G. AG als Facharbeiter gearbeitet. Diese letzte Tätigkeit sei jedoch zu schwer für ihn geworden.
Der Kläger überreichte einen Bescheid des Versorgungsamtes Kassel vom 11.06.2012 mit einem festgestellten Grad der Behinderung (GdB) von 40 auf Grund einer Funktionsstörung der Wirbelsäule mit Ausstrahlungen und eines Hypogonadimus mit Osteoporose (Bl. 3 Verwaltungsakte).
Aus einem Befundbericht der Fachärztin für Radiologie Dr. H. vom 28.10.2011 kann entnommen werden, dass sich der Kläger am gleichen Tag vorgestellt hatte. Im September 2011 habe er nach einem schweren Heben ein Knacken im Rücken wahrgenommen. Jetzt leide er unter erheblichen Schmerzen in der Brustwirbelsäule mit Ausstrahlung entlang der Rippen beiderseits und in die Lendenwirbelsäule. Die Wirbelsäule sei sehr steil. Die Rippenbogen würden dem Becken fast aufsitzen. Bei einer Röntgenaufnahme der BWS habe sich eine leichte linkskonvexe Torsionsskoliose der BWS gezeigt. Die Knochenstruktur sei regelrecht bei Zeichen einer diffusen Reduzierung des Mineralsalzgehalts. Auch seien multiple Fischwirbelkörperdeformitäten in den mittleren und in den unteren Segmenten der BWS sowie eine Spondylarthrose nach kaudal zunehmend festzustellen. Im Rahmen der Beurteilung wird von einer diffusen Osteoporose mit multiplen Fischwirbelkörperdeformitäten in den mittleren und unteren Segmenten der BWS ausgegangen. Bei Röntgenaufnahmen der LWS seien eine harmonische Lordose der LWS und eine diffuse Osteoporose festzustellen verbunden mit einer Fischwirbelkörperdeformität in allen abgebildeten Wirbelkörpern. Auch sei von einer Ventrospondylolisthese Grad 1 auszugehen (Bl. 9 Verwaltungsakte).
Ein Befundbericht des Facharztes für Innere Medizin Dr. E. vom 17.11.2011 (Bl. 13 Verwaltungsakte) verweist auf einen primären Hypogonadismus mit schwerer sekundärer Osteoporose. Dem Bericht kann zur Anamnese entnommen werden, dass der Kläger laut eigenen Angaben schon immer mal Rückenschmerzen gehabt habe. Innerhalb der letzten Tage habe er jedoch eine Zunahme der Knochenschmerzen bemerkt. Eine daraufhin eingeholte bildgebende Diagnostik habe die Diagnose einer diffusen Osteoporose mit Fisch- und Keilwirbelbildungen ergeben. Der Kläger habe innerhalb der letzten fünf Jahre mindestens 5 cm an Körpergröße verloren. Eine regelmäßige Medikamenteneinnahme und hierbei insbesondere Cortison sei verneint worden. Seine Körperbehaarung sei schon immer wenig ausgeprägt gewesen. Rasieren müsse er sich nur selten. Seine Sexualität bezeichnet er als normal, Kinder habe er keine. Dem Bericht kann zum Untersuchungsbefund entnommen werden, dass sich der Kläger in einem ausreichenden Allgemein- und gutem Ernährungszustand mit einem Blutdruck von RR 130/70 mmHg befinde. Der Kläger habe keinen Bartwuchs und nur eine spärliche Körperbehaarung. Bei einer Sonographie des Abdomen zeigte sich ein altersentsprechender Normalbefund. Es wurden sodann Laborparameter erhoben, die sich in der Anlage zum Befundbericht befinden. Dem Bericht kann zur Zusammenfassung entnommen werden, dass beim Kläger von einem primären Hypogonadismus auszugehen sei. Dieser werde als wesentliche Ursache für eine schwere Osteoporose mit bereits erheblichen Komplikationen angesehen. Dem Kläger sei unter anderem eine regelmäßige hormonelle Substitution empfohlen worden. Da der Kläger bei der Ausübung seines Berufes zum Teil schwere Pakete tragen müsse, solle der Kläger diese Tätigkeit bis zu einer verbesserten Stabilisierung der Knochen aussetzen (Bl. 12 Verwaltungsakte).
Einem Befundbericht des Zentrums für Hormon- und Stoffwechselerkrankungen Endokrinologikum – F-Stadt vom 07.12.2011 können als Diagnosen entnommen werden:
Schwere Osteoporose mit multiplen Wirbelkörperfrakturen BWS und LWS.
- T-Score L2/3: 3-4.
- Risikofaktoren: Primärer Hypogonadismus, Nikotinabusus.
- Verdacht auf systematische Mastozytose bei deutlich erhöhter Tryptasekonzentration.
Dem Bericht kann zum Untersuchungsbefund entnommen werden, dass der 44-jährige Kläger bei einer Körpergröße von 172 cm ein Gewicht von 71,5 kg habe. Bei der Untersuchung der Wirbelsäule zeige sich eine rechtskonvexe Skoliose im Bereich der oberen Brustwirbelsäule. Auch zeige sich ein deutliches Tannenbaumphänomen im Bereich der mittleren und unteren Brustwirbelsäule. Die Wirbelsäule sei nicht klopfschmerzhaft. Festzustellen seien aber Myelgelosen über der Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule. Der Kläger habe einen Fingerbodenabstand von 1 cm demonstrieren können. Der Untersuchungsbefund von Herz, Lunge und Abdomen sei unauffällig. Bei einer neuromuskulären Funktionsuntersuchung zeigten sich normale Befunde und hierbei unter anderem ein Gangbild mit einer Gleichmäßigkeit der Schritte. Der Bericht setzt sich sodann differenzialdiagnostisch mit verschiedenen Krankheitsbildern als Ursache der Osteoporose auseinander und verweist übereinstimmend mit den Vorbefunden unter anderem auf den hypergonadotropen Hypogonadismus. Eine lebenslängliche Testosteron-Substitution sei erforderlich (Bl. 18 Verwaltungsakte).
Eine Knochenbiopsie im Krankenhaus ergab laut Befundbericht vom 07.02.2012 eine manifeste Osteoporose mit multiplen Wirbelkörperfrakturen (Bl. 20 Verwaltungsakte).
Die Beklagte gab sodann zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts ein ärztliches Gutachten bei ihrem ärztlichen Dienst und hierbei beim Sozialmediziner I. in Auftrag, welches dieser am 15.08.2012 nach ambulanter Untersuchung am 19.06.2012 erstellte. Dem Gutachten kann zunächst entnommen werden, dass der Kläger mit dem PKW in Begleitung der Freundin zur Begutachtung gekommen war. Die Krankenkasse habe ihn geschickt. Er sei mittlerweile schon zweimal beim X.arzt gewesen. Dort habe man ihm für 24 Monate beschäftigungsunfähig geschrieben und er werde wohl eine VAP-Rente beziehen. Schmerzen habe er momentan keine. Er merke es jedoch, wenn er sich verdrehe, dann "krache" es im Rücken und wenn er versuche, mehr zu heben. Er gehe zweimal in der Woche zum Fitnessstudio und Rückenschwimmen, versuche sich da aber nicht so zu belasten. Gelenkbeschwerden habe er keine. Man habe ihm aber Angst gemacht, wenn er sich falsch belaste, dass er dann in den Rollstuhl komme. Die gesamte Situation belaste ihn schon, die Freundin stärke ihn aber. Internistische Erkrankungen oder andere Probleme werden nicht benannt. Probleme bei der Sexualität würden nicht bestehen. Der Kläger raucht laut eigenen Angaben weiterhin zehn Zigaretten, bis Anfang des Jahres seien es 30 Zigaretten pro Tag gewesen. Er trinke gelegentlich Alkohol. Schlafstörungen würden nicht bestehen. Der Appetit sei normal. Er habe zuletzt etwas zugenommen. Zur Berufsanamnese kann dem Gutachten entnommen werden, dass der Kläger seit 1991 als Zusteller mit einer 38,5 Stundenwoche und PKW-Nutzung arbeitet, wobei die Arbeit regelmäßig auch mit dem Austragen und Fahren von Paketen bis 30 kg verbunden ist. Dem Gutachten kann zum Untersuchungsbefund entnommen werden, dass der Kläger bei einer Körpergröße von 174 cm ein Gewicht von 82 kg habe. Der Kläger habe angegeben 4 cm in der Körpergröße abgenommen und seit dem letzten Jahr 6 kg zugenommen zu haben. Bei der körperlichen Untersuchung sei die Schädelkalotte nicht klopfempfindlich gewesen. Zum Hörvermögen wird darauf hingewiesen, dass die Umgangssprache verstanden werde. Die Schilddrüse sei bei der Tastuntersuchung ohne pathologischen Befund gewesen. Der Thorax sei seitengleichen beatmet. Bei der Untersuchung der Lungen zeige sich ein sonorer Klopfschall. Auch sei ein vesikuläres Atmen ohne Rassegeräusche und ohne Spastik festzustellen. Die Herzaktionen seien regelmäßig. Es zeige sich keine Belastungskurzatmigkeit. Bei der Untersuchung der äußeren Genitale zeige sich der Hypogonadismus. Dem Gutachten kann sodann zur Wirbelsäule und Gliedmaßen entnommen werden, dass das Gangbild des Klägers unauffällig sei. Es sei ein ausreichend flüssiges Treppengehen einer Etage festzustellen. Das Hinsetzen und Aufstehen, Hinlegen und Aufrichten, das Aus- und Ankleiden geschehe problemlos. Der Kläger könne auch problemlos einen Einbeinstand demonstrieren. Bei der Untersuchung der Wirbelsäule zeige sich eine leichte Steilstellung. Die Schulter-Nackenpartie sei unauffällig. Auffällig seien hingegen ein deutlicher Lendenwulst und ein Tannenbaumphänomen. Der Kläger äußere einen leichten Klopfschmerz über der unteren Lendenwirbelsäule. Die HWS-Beweglichkeit sei nicht eingeschränkt ohne Schmerzangabe. Hinsichtlich der LWS wird auf eine tolerable Seitneigung und Rotation bis 15° hingewiesen, dann komme es zu einer Schmerzangabe und einem hörbaren Knackgeräusch. Das Vorbeugen werde nur angedeutet bis zur Kniehöhe. Weiterhin seien ein Schulter- und Beckengeradstand festzustellen. Die Schulter-, Ellenbogen-, Hand- und Fingergelenke seien frei beweglich. Der Faustschluss sei gut möglich. Gleiches gelte für die Greif- und Spreizfunktionen der Hände. Auch die Hüft-, Knie-, Sprung- und Zehengelenke seien frei beweglich. Es zeige sich keine Muskel- und Kraftminderung. Dem Gutachten kann sodann zum Nervensystem entnommen werden, dass keine Störungen des Geruchs-, Geschmacks- und Tastsinns festzustellen seien. Die Zeichen nach Laségue seien beiderseits negativ. Der Kläger äußere keine Sensibilitätsstörungen. Es zeigten sich auch keine Koordinationsstörungen und keine Hinweise auf eine Störung der Motorik. Es fänden sich keine Hinweise auf eine Störung der Stand- und Gangvarianten und kein Hinweis auf eine Fußheber- oder Fußsenkerschwäche. Dem Gutachten kann sodann zur Psyche entnommen werden, dass der Kläger pünktlich zum anberaumten Termin erschienen sei. Das äußere Erscheinungsbild und die Kleidung seien gepflegt. Das Auftreten und Verhalten des Klägers entspreche den normalen Umgangsformen. Das Bewusstsein sei klar. Es zeigten sich keine örtlichen, zeitlichen oder formalen Denkstörungen. Die Stimmungslage erscheine ausgeglichen und der Affekt stabil. Das Gutachten enthält folgende Diagnosen:
1. Sekundäre Osteoporose Grad III mit 10/2011 festgestellter Wirbelveränderung.
2. Primärer Hypergonadismus bei Testosteronmangel.
3. Nikotinabusus.
4. Leichte Sehminderung für die Ferne, korrekturbedürftig.
Dem Gutachten kann sodann zur Epikrise entnommen werden, dass Beschwerden des Rückens bei fehlender Belastung vom Kläger nicht geäußert worden seien. Feststellbar seien eine Größenabnahme von 4 cm und eine Gewichtszunahme. Klinisch zeige sich ein übliches Tannenbaumphänomen mit Lendenwulst. Es bestehe auch eine aktiv vorgeführte Bewegungs- und Belastungsminderung der Lendenwirbelsäule. Die Wegefähigkeit sei erhalten. In der Gesamtschau könne festgestellt werden, dass der Kläger als Zusteller ebenso wenig einsetzbar sei wie in seinem erlernten Beruf als Fleischer. Eine berufliche Belastungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten zum Beispiel als Pförtner oder andere Arbeitsplätze bestehe hingegen durchaus im Umfang von täglich mehr als 6 Stunden.
Mit Bescheid vom 28.08.2012 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, da der Kläger nicht erwerbsgemindert sei.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, welchen die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.2013 (Bl. 39 Verwaltungsakte) als unbegründet zurückwies.
Am 04.02.2013 hat der Kläger gegen den Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids Klage beim Sozialgericht Kassel erhoben.
Mit Schriftsatz vom 19.03.2013 hat der Kläger die Klage dahingehend begründet, dass den Bewertungen der Beklagten nicht gefolgt werden könne.
Der Kläger hat einen Befundbericht des Zentrums für Hormon- und Stoffwechselerkrankungen – Endokrinologikum – vom 11.12.2012 überreicht, aus dem zu den anamnestischen Angaben der Hinweis auf ein Wohlbefinden hervorgeht. Die im Bericht genannte Medikation werde weiterhin gut vertragen. Der Kläger rauche weiterhin zehn Zigaretten täglich. Er gehe zweimal in der Woche zum Fitnesstraining. Der behandelnde Arzt Dr. F. führt im Rahmen der Zusammenfassung aus, dass sich im Vergleich zum Vorbefund im Wesentlichen keine neuen Aspekte gefunden hätten (Bl. 16 Gerichtsakte).
Das Gericht hat sodann zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts Befunde bei den behandelnden Ärzten eingeholt und die Akte nach dem Schwerbehindertenrecht über den Kläger beigezogen.
Aus einem weiteren Befundbericht von Dr. F. vom 25.02.2013 geht hervor, dass der Kläger neben dem Fitnesstraining – bzw. im Befundbericht ist von zweimal in der Woche Gymnastik die Rede – auch einmal in der Woche Joggen geht (Bl. 33 Gerichtsakte).
Aus dem Befundbericht des Orthopäden Dr. R. vom 16.04.2013 geht hervor, dass dieser den Kläger ausschließlich am 28.10.2011 behandelt habe. Der Kläger habe über Rückenschmerzen im BWS- und LWS-Bereich geklagt. Es sei von einer schweren Osteoporose, einer manifesten Osteoporose, multiplen Fischwirbelbildungen der BWS und LWS und einem Zustand nach BWK- und LWK-Frakturen auszugehen. Eine Verlaufsbeurteilung sei vor dem Hintergrund der nur einmaligen Vorstellung nicht möglich (Bl. 41 Gerichtsakte).
In der Akte nach dem Schwerbehindertenrecht befinden sich im Wesentlichen die gleichen Befunde wie in der Verwaltungsakte der Beklagten. Das Versorgungsamt bewertete Funktionsstörungen der Wirbelsäule mit Ausstrahlungen und einen Hypogonadismus mit Osteoporose mit einem Grad der Behinderung von 40. Hinweise auf weitere Behinderungen können der Verwaltungsakte des Versorgungsamtes Kassel nicht entnommen werden (Anlage zur Gerichtsakte).
Das Gericht hat sodann zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts ein orthopädisches Fachgutachten beim Facharzt für Orthopädie Dr. A. in Auftrag gegeben, welches dieser am 12.06.2013 nach ambulanter Untersuchung am gleichen Tag erstellt hat (Bl. 65 ff. Gerichtsakte). Dem Gutachten kann zur Eigenanamnese entnommen werden, dass der Kläger im Herbst 2011 beim Tragen von schweren Paketen plötzlich ein Knacken mit anhaltenden Rückenbeschwerden verspürt habe. Im Februar 2012 habe man eine Knochenbiopsie durchgeführt. Der Kläger hat nach der Schule eine Ausbildung zum Fleischer absolviert und bis zum Jahr 1991 in diesem Beruf gearbeitet. Von 1991 bis 27.10.2011 hat der Kläger als Zusteller vollschichtig gearbeitet. Die Arbeit war mit dem Austragen von Post und von Paketen bis 30 kg verbunden. Zum 25.04.2013 sei das Krankengeld ausgelaufen. Er habe jetzt Arbeitslosengeld beantragt. Der Kläger sei ledig und lebe allein in einer 130 m² großen Wohnung im ersten Stock, die über zehn Stufen zu erreichen sei. Leichte Hausarbeiten erledigen er selbst, schwere Hausarbeiten, zum Beispiel Fensterputzen oder Einkaufen von Getränken, würden von Freunden oder seiner Mutter erledigt. Der ca. 1000 m² große Garten werde in Teilnutzung von drei Mietern gepflegt. Er könne nur leichte Tätigkeiten verrichten, zum Beispiel kleinere Areale des Rasens mähen, wobei der Rasenmäher einen Eigenantrieb habe und ohne Fangkorb betrieben werden. Dem Gutachten kann zur aktuellen Medikation entnommen werden, dass der Kläger verschiedene Präparate gegen die Osteoporose einnimmt, wobei in der Liste der angegebenen Medikamente kein Schmerzmittel enthalten ist (vgl. Bl. 71 Gerichtsakte). An aktuellen Beschwerden gab der Kläger an, in den letzten zwei Jahren 6 cm geschrumpft zu sein. Er habe ständig Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule, insbesondere im LWS-Bereich. Von dort würden die Schmerzen in die Brustwirbelsäule aufsteigen. Er könne nicht lange sitzen, stehen oder liegen. Auch könne er nur maximal 3 Stunden durchschlafen. Dann müsse er Aufstehen und sich 2 Stunden bewegen bzw. umherlaufen. Spazierengehen könne er nur noch kurze Strecken. Die Gehstrecke liege unter 1 km. Er habe während einer Reha-Maßnahme Walking versucht, dies habe er aber wegen Beschwerden in der Wirbelsäule abbrechen müssen. Er habe ein Knacken in den Knien und Sprunggelenken, könne sich nicht hinknien und habe Probleme, die zehn Stufen zu seiner Wohnung zu ersteigen. Er besuche zwei- bis dreimal in der Woche ein Fitnessstudio. Er könne aufgrund seiner Beschwerden aber nur ein leichtes Fitnesstraining bewältigen. Er trainiere mit Gewichten bzw. einem Zug von 10-15 Kilogramm (Bl. 72 Gerichtsakte). Dem Gutachten kann zum Befund entnommen werden, dass sich der 45-jährige Kläger in einem guten Allgemein- und Ernährungszustand mit einem Gewicht von 82 kg bei einer Körpergröße von 172,5 cm befinde. Das Gangbild in knöchelhohen Konfektionsschuhen, die mit Einlagen versorgt seien, sei ohne Seitbetonung und raumgreifend. Während der ca. halbstündigen Befragung erfolge ein zweimaliger Positionswechsel mit Verlagerung des Gewichts von der rechten auf die linke Gesäßhälfte und umgekehrt. Das Ausziehen der Kleidung sei nicht beeinträchtigt. Dem Gutachten kann sodann zur Wirbelsäule der Hinweis auf einen Beckengradstand entnommen werden. Es zeige sich eine deutliche Dysproportion mit verkürztem Rumpf im Vergleich zu den Extremitäten. Auch sei ein Tannenbaumphänomen erkennbar. Der Kläger gebe einen ausgeprägten Druckschmerz am lumbosakralen Übergang an. Der Punktum maximum liege im Bereich des rechten Kreuzdarmbeingelenkes (Bl. 73 Gerichtsakte). Die Brustwirbelsäule sei mäßig klopfschmerzhaft. Der Kläger demonstriere eine sehr zögerliche Vorneigung. Bei langsamen Bewegungsabläufen zeigten sich ein Schoberindex von 10 zu 13 cm, Zeichen nach Ott von 30 zu 31 cm und ein Fingerbodenabstand von 26 Zentimetern. Im Langsitz sei die Entfaltbarkeit etwas besser und der Kläger könne einen Fingerfußsohlenabstand von 20 cm erreichen. Um den Langsitz einnehmen zu können, drehe er sich aus der liegenden Position zunächst auf die Seite und richte sich dann en bloc auf. Die Seitenneigung sei mit 30° und die Rotationsfähigkeit mit 45° im unteren Normbereich überprüfbar. Die Halswirbelsäule sei frei beweglich ohne nennenswerte Schmerzangabe. Bei der Bewegungsprüfung komme es zu keiner Ausstrahlung in die oberen Extremitäten (Bl. 73 Gerichtsakte). Die Schultergelenke seien äußerlich frei von Entzündungszeichen und der Nacken- und Schürzengriff könnten vorgeführt werden. Bei der Bewegungsprüfung zeige sich ein deutliches Knacken in beiden Schultergelenken mit Bewegungsschmerz. Die Funktionsteste für die Rotatorenmanschette seien beiderseits negativ. Die Schultergelenke seien nicht druckschmerzhaft. Die Seitwärtshebung gegen Widerstand sei ausreichend kräftig, wobei der Kläger leichte Schmerzen angegeben habe. Im Bereich der Ellenbogengelenke zeigten sich keine Auffälligkeiten. Auch die Hände und Fingergelenke seien frei von Entzündungszeichen. Das Kleinfingerendglied rechts könne bei einem Zustand nach einer Beugesehnenverletzung nicht mehr aktiv gebeugt werden, ansonsten sei die Funktion sämtlicher Fingergelenke und der Handgelenke komplett erhalten. Auch der Faustschluss sei komplett. Bei der Untersuchung der Hüftgelenke zeigte sich im Bereich der rechten Hüfte ein schmerzbedingtes endgradiges Funktionsdefizit. Hier sei die Beugung bis 110° überprüfbar, links hingegen bis 120°. Die Rotation und Ab- und Adduktion seien frei überprüfbar. Auch gebe der Kläger keinen nennenswerten Leistendruckschmerz und keinen Druckschmerz über den äußeren Rollhügeln an. Die Muskulatur sei seitengleich ausgeprägt ohne Hinweise auf eine muskuläre Atrophie (Bl. 74 Gerichtsakte). Im Bereich der Kniegelenke gebe der Kläger einen ausgeprägten Kniescheibenverschiebe- und -verkanteschmerz beiderseits rechts stärker als links an, wobei hinsichtlich der Beugung und Streckung Parameter von 0-0-140° gemessen wurden. Typische Meniskuszeichen zeigten sich nicht. Die Kreuz- und Seitenbänder seien stabil. Im Bereich der Füße zeige sich eine deutliche Senk-Spreizfußdeformität, wobei die Funktion seitengleich frei überprüfbar gewesen sei und sich auch keine Entzündungszeichen gefunden hätten. Bei der orientierenden neurologischen Untersuchung zeigten sich im Bereich der oberen Extremitäten keine Auffälligkeiten. Hinsichtlich der unteren Extremitäten wird darauf hingewiesen, dass der Kläger die differenzierten Stand- und Gangvarianten ausführen konnte. Auch das Wiederaufrichten aus dem tiefen Hocksitz sei flüssig ohne Abstützreaktion vorführbar gewesen. Dr. A. hat sodann verschiedene Röntgenaufnahmen durchgeführt. Insoweit wird auf das Gutachten Bezug genommen. Das Gutachten enthält folgende Diagnosen (Bl. 77 Gerichtsakte):
1. Schwere Osteoporose Grad III mit multiplen Wirbelkörpersinterungen bei primärem Hypogonadismus mit Testosteronmangel, Nikotinabusus, degenerativen Bandscheibenschädigungen und leichter Instabilität.
2. Gonalgien bei initialen degenerativen Veränderungen im Kniescheibengleitlager beiderseits.
Dem Gutachten kann sodann zur Beantwortung der Beweisfragen entnommen werden, dass sich aufgrund der schweren morphologischen Veränderungen erhebliche Einschränkungen fänden, die einen erwerbsmindernden Dauereinfluss hätten. Unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustands sei der Kläger noch in der Lage, leichte Tätigkeiten 6 Stunden und mehr arbeitstäglich an fünf Tagen in der Woche zu verrichten. Der Kläger berichte, dass jegliche Belastungen, das heiße längeres Gehen, Stehen und Sitzen problematisch seien. Bei der Untersuchung sei aufgefallen, dass bei einer halbstündigen Befragung die Sitzposition zweimal gewechselt worden sei. Die Entfaltbarkeit der Wirbelsäule zeige sich endgradig eingeschränkt, wobei die Entfaltbarkeit im Langsitz besser ausgefallen sei als im Stand. Klinisch zeige sich ein typischer dysproportionierter Rumpf im Vergleich zu den Extremitäten. Aufgrund der Wirbelsäulensinterungen sei es zu einem Körperlängenverlust von 7 cm gekommen. Die muskuläre Situation sei schwach im Sinne einer muskulären Dekonditionierung. Der Kläger betreibe Muskelaufbautraining im Fitnessstudio. Hierbei würden Gewichte und Zugbelastungen von 15 kg geleistet. Hier liege zumindest bei einer statischen Belastung die Belastungsanforderung im Achsorgan schon zu hoch. Bei einer Osteoporose dritten Grades, das heiße bei mehr als vier Wirbelkörpersinterungen, sei im Akutstadium eine zeitweise Berentung notwendig. Das Akutstadium habe im Herbst 2011 und im ersten Halbjahr 2012 vorgelegen. Mittlerweile habe sich eine Stabilisierung der Knochendichte eingestellt. Es sei ein endokrinologischer Befundbericht vom 24.02.2013 vorgelegt worden. Er werde festgestellt, dass im Vergleich zu einer Untersuchung vom 28.10.2011 die Knochendichte im Bereich der linken Hüfte gleichbleibend sei, im Bereich des rechten proximalen Femurs habe sie leicht zugenommen. Es werde allerdings in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass bei unterschiedlichen Messgeräten eine eingeschränkte Vergleichbarkeit bestehe. Des Weiteren bestehe eine deutliche degenerative Schädigung im Bereich des Bewegungssegments L4/5. Aufgrund einer Bandscheibenreduktion sei es zu einer Vorverlagerung des vierten Lendenwirbelkörpers gegenüber dem fünften Lendenwirbelkörper gekommen. Es liege eine leichte Instabilität vor. Aufgrund der klinischen und morphologischen Situation im Bereich des Achsorgans seien Tätigkeiten in Zwangshaltungen, Hebe- und Bückarbeiten, ausschließlich stehende, gehende und sitzende Belastungen nicht mehr möglich. Der Arbeitsplatz müsse als Wechselarbeitsplatz angelegt werden. Tätigkeiten mit Vibration auf die Wirbelsäule und mit Absturzgefahr und mit Hebebelastungen von über 5 kg seien nicht mehr möglich. Wegen der beginnenden degenerativen Kniegelenksbeschwerden seien auch kniende und hockende Arbeiten nicht mehr möglich. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände sei nicht eingeschränkt. Eine Einschränkung des Seh- und Hörvermögens von sozialmedizinischer Bedeutung sei nicht bekannt (Bl. 80 Gerichtsakte). Aufgrund der anhaltenden Beschwerden des Achsorgans seien auch keine besonderen Anforderungen an die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit sowie an die nervliche Belastbarkeit zu stellen. Eine Einschränkung der Gehfähigkeit von sozialmedizinischer Bedeutung liege nicht vor. Auch sei der Kläger in der Lage, ein Kfz im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Er sei weiterhin nicht auf betriebsunübliche Pausen angewiesen. Dieses Leistungsvermögen bestehe ab Herbst 2011. Zum damaligen Zeitpunkt sei es zu Wirbelkörpersinterungen und zur Diagnose der Osteoporose gekommen, die radiologisch im Oktober 2011 habe gesichert werden können.
Der Kläger hat eine Stellungnahme des behandelnden Hausarztes Dr. H. vom 05.07.2013 überreicht. Die Einschätzung des Sachverständigen erscheine in Anbetracht der fatalen Situation des Klägers nahezu grotesk-provokativ. Der Kläger sei nicht in der Lage, auch nur 3 Stunden am Tag leichte Arbeiten zu verrichten. Die Medikation habe zu keiner Verbesserung der aus der Osteoporose resultierenden Funktionsstörungen gebracht. Bereits jetzt seien die Beeinträchtigungen des Klägers massiv. Das Heben und Tragen von Lasten über 3-5 kg seien ihm zur Vermeidung weiterer Frakturen streng untersagt. Rennen, Hüpfen, Arbeiten in Zwangshaltung seien ebenso streng zu meiden. Im Alltag müsse der Kläger schmerzbedingt alle 5-15 Minuten die Körperhaltung wechseln. Ein Schlaf sei nur unter Analgetikaeinnahme möglich. Autofahren führe aufgrund der Vibrationen rasch zu Schmerzen. Eine Berentung sei begründet und sollte zur Entlastung des inzwischen auch psychisch belasteten Klägers erfolgen (Bl. 97 Gerichtsakte).
Das Gericht hat sodann eine ergänzende Stellungnahme bei Dr. A. eingeholt, welche dieser am 30.07.2013 erstellt hat. Die schwere Osteoporose Grad III könne bestätigt werden. Aufgrund der schweren Osteoporose bestehe unbestreitbar eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Belastungsfähigkeit. Nach allgemeinen Empfehlungen zur Einschätzung einer Osteoporose dritten Grades in Bezug auf die sozialmedizinischen Konsequenzen sei davon auszugehen, dass nach eingetretenen Sinterungen, d.h. nach Ausbruch der Erkrankung, eine länger andauernde Arbeitsunfähigkeit über sechs Monate oder auch eine zeitweise Berentung notwendig seien. Hier sei der weitere Krankheitsverlauf entscheidend. Die Frakturen seien im Jahr 2011 aufgetreten. Nach spezifischen Maßnahmen sei es zu einer Stabilisierung der knöchernen Situation gekommen. Der Kläger berichte, dass er sich einem Muskelaufbauprogramm unterziehe. Er besuche zwei- bis dreimal in der Woche ein Fitnessstudio. Hier trainiere er mit Zuggewichten von 10-15 kg. Hier liege – wie im Gutachten bereits erwähnt – eine grenzwertige Belastungssituation vor. Die Einschätzung des Hausarztes, dass die Hebe- und Tragefähigkeit auf 3-5 kg begrenzt sei könne aus orthopädischer Sicht bestätigt worden, wobei er eine Grenze von 5 kg ansetze. Nach dem dokumentierten Krankheitsverlauf, der für eine Stabilisierung der Situation spreche, sehe er aktuell keine Veranlassung, die Einschätzung zur Belastungsfähigkeit aufgrund des hausärztlichen Befundberichtes zu revidieren. Sollte es im weiteren Krankheitsverlauf zu weiteren Knochenbrüchen oder Wirbelkörpersinterungen kommen und die Knochendichte weiter abnehmen, sei eine erneute Einschätzung der Leistungsfähigkeit erforderlich (Bl. 104 Gerichtsakte).
Der Kläger hat sodann eine ärztliche Bescheinigung von Dr. F. vom 14.08.2013 überreicht, aus der hervorgeht, dass dem Kläger eine längere sitzende oder stehende Tätigkeit nicht möglich sei. Das Heben von Gewichten über 5 kg sollte keinesfalls erfolgen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass eine berufliche Tätigkeit von mehr als 3 Stunden am Tag möglich sein solle (Bl. 108 Gerichtsakte).
Mit Schriftsatz vom 20.01.2014 hat der Kläger einen Befundbericht des Radiologen Professor Dr. F. über eine Knochendichtemessung überreicht. Aus diesen Befunden müsse gefolgert werden, dass der Kläger symptomabhängig in einen Arbeitsprozess mit geringster körperlicher Belastung eingegliedert werden könne. Da die Symptome jedoch zeitweise sehr stark wechselnd seien, sei der Kläger für einen geregelten Arbeitsablauf ungeeignet (Bl. 119 Gerichtsakte).
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 28.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Juli 2012 eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI, da die Voraussetzungen des § 43 SGB VI nicht erfüllt sind.
Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI sind der Vorschrift des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI zufolge Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VI haben Versicherte bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Vorversicherungszeit und Wartezeiterfüllung, § 43 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 SGB VI) bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI dann, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
1. Der Kläger hat zunächst keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI, da sein quantitatives Leistungsvermögen nicht eingeschränkt ist.
Der Kläger leidet ausweislich der eingeholten medizinischen Unterlagen und der Gutachten unter einer schweren Osteoporose (Grad III), die im Jahr 2011 bereits zu Wirbelbrüchen (Bl. 29 Verwaltungsakte) geführt hatte.
Es handelt sich bei einer Osteoporose um eine generalisierte Skeletterkrankung mit einem Verlust an Knochensubstanz und erhöhter Frakturhäufigkeit (Andrae u.a. (Hrsg.), Medizinwissen von A-Z, 2008, S.759; vgl. auch: Schröter, Gutachtliche Problemstellungen bei Osteoporose, MED SACH 2006, 212 ff.).
Dieses Krankheitsbild ist daher – wie auch die von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) herausgegebene Leitlinie zur "Leistungsfähigkeit bei Bandscheiben- und bandscheibenassoziierten Erkrankungen" (2009, S.24) ausführt – mit einer Störung der statischen Funktion der Wirbelsäule verbunden. Es ist daher zunächst einsichtig und stimmt mit den Empfehlungen der Leitlinie überein (S.24), dass der Sachverständige Dr. A. übereinstimmend mit dem Gutachter des medizinischen Dienstes der Beklagten davon ausgeht, dass dem Kläger nur noch leichte Arbeiten möglich sind und dass das Heben und Tragen von Lasten von über 5 kg vermieden werden sollten, um insbesondere weitere Knochenbrüche zu vermeiden.
Eine Aufhebung des Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist bei einer Osteoporose – wie Dr. A. nachvollziehbar ausführt – anzunehmen, für einen beschränkten Zeitraum nach eingetretenen Knochenbrüchen insbesondere im Wirbelsäulenbereich und im Falle von klinisch und radiologisch nachgewiesenen Zeichen einer Segmentinstabilität der Wirbelsäule mit gravierenden Funktionseinschränkungen (Leitlinie S.29). Auch wirken sich starke Schmerzzustände auf die geistige und psychische Belastbarkeit aus (Leitlinie S.26) und können zu qualitativen, im Einzelfall auch zu quantitativen Leistungseinschränkungen führen.
Im vorliegenden Fall hat der Gerichtssachverständige Dr. A. zu recht darauf hingewiesen, dass die letzten Sinterungen im Herbst 2011 stattgefunden hatten. In dieser Zeit bestand für einen Zeitraum von 6 Monaten Arbeitsunfähigkeit oder ein aufgehobenes Leistungsvermögen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Kläger die Osteoporose erst im Jahr 2011 in einem bereits fortgeschrittenen Stadium bemerkt und sich einer Behandlung unterzogen hatte, wobei eine geringfügige Verbesserung der Knochendichte unter der Medikation erreicht werden konnte. Die Rentenantragstellung erfolgte hingegen erst am 10.07.2012. Zu diesem Zeitpunkt waren die Folgen der Knochensinterungen jedoch – wie Dr. A. ausführt – wieder weitgehend zurückgegangen. Seit dem Rentenantrag ist es zu keiner weiteren Fraktur mehr gekommen, wie der Kläger im Rahmen des mündlichen Verhandlungstermins noch einmal bestätigt hat. Der Kläger hat weiterhin in der mündlichen Verhandlung angegeben, nicht auf eine regelmäßige Schmerzmittelmedikation angewiesen zu sein. Er nehme bei Bedarf das frei verkäufliche Schmerzmittel Ibuprofen 200 ein. Zu diesen Angaben passt das Aktivitätsniveau des Klägers. Der Kläger kümmert sich laut eigenen Angaben im Haushalt und in seinem Garten um leichte körperliche Arbeiten (Rasenmähen) und geht in ein Fitnessstudio und ist hierbei in der Lage, Zuggewichte mit einer Schwere von 15 kg zu bewältigen. Weiterhin kann aus den anamnestischen Angaben des Klägers entnommen werden, dass dieser im Jahr 2013 sogar noch Joggen ging (Bl. 33 Gerichtsakte), was mit Erschütterungen auf die Wirbelsäule verbunden ist.
Unter Zugrundelegung dieser Aspekte ist es für die Kammer zunächst völlig einsichtig, dass dem Kläger nur noch körperlich leichte Arbeiten mit weiteren qualitativen Einschränkungen zuzumuten sind. Aktuelle schwere Funktionsbeeinträchtigungen oder schwere chronische Schmerzen, die eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens begründen könnten, liegen aber derzeit nach Einschätzung der Kammer nicht vor. Die Einschätzung des Gerichtssachverständigen Dr. A., dass die beim Kläger bestehende Osteoporose Grad III nicht mit einer Minderung des quantitativen Leistungsvermögens verbunden ist, ist für die Kammer daher – unter Zugrundlegung der in der medizinisch-wissenschaftlichen Literatur niedergelegten Bewertungsmaßstäbe – ebenso nachvollziehbar, weshalb sich die Kammer dieser Einschätzung des orthopädischen Sachverständigen anschließt.
2. Eine andere Beurteilung ergibt sich nach der Überzeugung der Kammer auch nicht aus den von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entwickelten sog. Seltenheitsfällen.
Auch bei einem vollschichtigen Leistungsvermögen kann der Arbeitsmarkt ausnahmsweise verschlossen sein. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf die verbliebene Erwerbsfähigkeit nur möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten (vgl. Niesel in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 43 Rn. 37 ff. (62. Lfg. 2009, beck-online)).
Einer dieser Seltenheitsfälle liegt jedoch nicht vor. Der Kläger ist nicht wegeunfähig und nicht auf betriebsunübliche Pausen angewiesen. Auch liegt keine Summierung außergewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor.
Die Klage war daher insgesamt unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung.
Der im Jahre 1967 geborene Kläger stellte am 10.07.2012 einen Rentenantrag. Er gab an, sich seit dem 27.10.2011 auf Grund einer Osteoporose mit fortgeschrittenem Knochenverlust für erwerbsgemindert zu halten. Zuletzt hatte der als Fleischer ausgebildete Kläger bei der G. AG als Facharbeiter gearbeitet. Diese letzte Tätigkeit sei jedoch zu schwer für ihn geworden.
Der Kläger überreichte einen Bescheid des Versorgungsamtes Kassel vom 11.06.2012 mit einem festgestellten Grad der Behinderung (GdB) von 40 auf Grund einer Funktionsstörung der Wirbelsäule mit Ausstrahlungen und eines Hypogonadimus mit Osteoporose (Bl. 3 Verwaltungsakte).
Aus einem Befundbericht der Fachärztin für Radiologie Dr. H. vom 28.10.2011 kann entnommen werden, dass sich der Kläger am gleichen Tag vorgestellt hatte. Im September 2011 habe er nach einem schweren Heben ein Knacken im Rücken wahrgenommen. Jetzt leide er unter erheblichen Schmerzen in der Brustwirbelsäule mit Ausstrahlung entlang der Rippen beiderseits und in die Lendenwirbelsäule. Die Wirbelsäule sei sehr steil. Die Rippenbogen würden dem Becken fast aufsitzen. Bei einer Röntgenaufnahme der BWS habe sich eine leichte linkskonvexe Torsionsskoliose der BWS gezeigt. Die Knochenstruktur sei regelrecht bei Zeichen einer diffusen Reduzierung des Mineralsalzgehalts. Auch seien multiple Fischwirbelkörperdeformitäten in den mittleren und in den unteren Segmenten der BWS sowie eine Spondylarthrose nach kaudal zunehmend festzustellen. Im Rahmen der Beurteilung wird von einer diffusen Osteoporose mit multiplen Fischwirbelkörperdeformitäten in den mittleren und unteren Segmenten der BWS ausgegangen. Bei Röntgenaufnahmen der LWS seien eine harmonische Lordose der LWS und eine diffuse Osteoporose festzustellen verbunden mit einer Fischwirbelkörperdeformität in allen abgebildeten Wirbelkörpern. Auch sei von einer Ventrospondylolisthese Grad 1 auszugehen (Bl. 9 Verwaltungsakte).
Ein Befundbericht des Facharztes für Innere Medizin Dr. E. vom 17.11.2011 (Bl. 13 Verwaltungsakte) verweist auf einen primären Hypogonadismus mit schwerer sekundärer Osteoporose. Dem Bericht kann zur Anamnese entnommen werden, dass der Kläger laut eigenen Angaben schon immer mal Rückenschmerzen gehabt habe. Innerhalb der letzten Tage habe er jedoch eine Zunahme der Knochenschmerzen bemerkt. Eine daraufhin eingeholte bildgebende Diagnostik habe die Diagnose einer diffusen Osteoporose mit Fisch- und Keilwirbelbildungen ergeben. Der Kläger habe innerhalb der letzten fünf Jahre mindestens 5 cm an Körpergröße verloren. Eine regelmäßige Medikamenteneinnahme und hierbei insbesondere Cortison sei verneint worden. Seine Körperbehaarung sei schon immer wenig ausgeprägt gewesen. Rasieren müsse er sich nur selten. Seine Sexualität bezeichnet er als normal, Kinder habe er keine. Dem Bericht kann zum Untersuchungsbefund entnommen werden, dass sich der Kläger in einem ausreichenden Allgemein- und gutem Ernährungszustand mit einem Blutdruck von RR 130/70 mmHg befinde. Der Kläger habe keinen Bartwuchs und nur eine spärliche Körperbehaarung. Bei einer Sonographie des Abdomen zeigte sich ein altersentsprechender Normalbefund. Es wurden sodann Laborparameter erhoben, die sich in der Anlage zum Befundbericht befinden. Dem Bericht kann zur Zusammenfassung entnommen werden, dass beim Kläger von einem primären Hypogonadismus auszugehen sei. Dieser werde als wesentliche Ursache für eine schwere Osteoporose mit bereits erheblichen Komplikationen angesehen. Dem Kläger sei unter anderem eine regelmäßige hormonelle Substitution empfohlen worden. Da der Kläger bei der Ausübung seines Berufes zum Teil schwere Pakete tragen müsse, solle der Kläger diese Tätigkeit bis zu einer verbesserten Stabilisierung der Knochen aussetzen (Bl. 12 Verwaltungsakte).
Einem Befundbericht des Zentrums für Hormon- und Stoffwechselerkrankungen Endokrinologikum – F-Stadt vom 07.12.2011 können als Diagnosen entnommen werden:
Schwere Osteoporose mit multiplen Wirbelkörperfrakturen BWS und LWS.
- T-Score L2/3: 3-4.
- Risikofaktoren: Primärer Hypogonadismus, Nikotinabusus.
- Verdacht auf systematische Mastozytose bei deutlich erhöhter Tryptasekonzentration.
Dem Bericht kann zum Untersuchungsbefund entnommen werden, dass der 44-jährige Kläger bei einer Körpergröße von 172 cm ein Gewicht von 71,5 kg habe. Bei der Untersuchung der Wirbelsäule zeige sich eine rechtskonvexe Skoliose im Bereich der oberen Brustwirbelsäule. Auch zeige sich ein deutliches Tannenbaumphänomen im Bereich der mittleren und unteren Brustwirbelsäule. Die Wirbelsäule sei nicht klopfschmerzhaft. Festzustellen seien aber Myelgelosen über der Brustwirbelsäule und Lendenwirbelsäule. Der Kläger habe einen Fingerbodenabstand von 1 cm demonstrieren können. Der Untersuchungsbefund von Herz, Lunge und Abdomen sei unauffällig. Bei einer neuromuskulären Funktionsuntersuchung zeigten sich normale Befunde und hierbei unter anderem ein Gangbild mit einer Gleichmäßigkeit der Schritte. Der Bericht setzt sich sodann differenzialdiagnostisch mit verschiedenen Krankheitsbildern als Ursache der Osteoporose auseinander und verweist übereinstimmend mit den Vorbefunden unter anderem auf den hypergonadotropen Hypogonadismus. Eine lebenslängliche Testosteron-Substitution sei erforderlich (Bl. 18 Verwaltungsakte).
Eine Knochenbiopsie im Krankenhaus ergab laut Befundbericht vom 07.02.2012 eine manifeste Osteoporose mit multiplen Wirbelkörperfrakturen (Bl. 20 Verwaltungsakte).
Die Beklagte gab sodann zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts ein ärztliches Gutachten bei ihrem ärztlichen Dienst und hierbei beim Sozialmediziner I. in Auftrag, welches dieser am 15.08.2012 nach ambulanter Untersuchung am 19.06.2012 erstellte. Dem Gutachten kann zunächst entnommen werden, dass der Kläger mit dem PKW in Begleitung der Freundin zur Begutachtung gekommen war. Die Krankenkasse habe ihn geschickt. Er sei mittlerweile schon zweimal beim X.arzt gewesen. Dort habe man ihm für 24 Monate beschäftigungsunfähig geschrieben und er werde wohl eine VAP-Rente beziehen. Schmerzen habe er momentan keine. Er merke es jedoch, wenn er sich verdrehe, dann "krache" es im Rücken und wenn er versuche, mehr zu heben. Er gehe zweimal in der Woche zum Fitnessstudio und Rückenschwimmen, versuche sich da aber nicht so zu belasten. Gelenkbeschwerden habe er keine. Man habe ihm aber Angst gemacht, wenn er sich falsch belaste, dass er dann in den Rollstuhl komme. Die gesamte Situation belaste ihn schon, die Freundin stärke ihn aber. Internistische Erkrankungen oder andere Probleme werden nicht benannt. Probleme bei der Sexualität würden nicht bestehen. Der Kläger raucht laut eigenen Angaben weiterhin zehn Zigaretten, bis Anfang des Jahres seien es 30 Zigaretten pro Tag gewesen. Er trinke gelegentlich Alkohol. Schlafstörungen würden nicht bestehen. Der Appetit sei normal. Er habe zuletzt etwas zugenommen. Zur Berufsanamnese kann dem Gutachten entnommen werden, dass der Kläger seit 1991 als Zusteller mit einer 38,5 Stundenwoche und PKW-Nutzung arbeitet, wobei die Arbeit regelmäßig auch mit dem Austragen und Fahren von Paketen bis 30 kg verbunden ist. Dem Gutachten kann zum Untersuchungsbefund entnommen werden, dass der Kläger bei einer Körpergröße von 174 cm ein Gewicht von 82 kg habe. Der Kläger habe angegeben 4 cm in der Körpergröße abgenommen und seit dem letzten Jahr 6 kg zugenommen zu haben. Bei der körperlichen Untersuchung sei die Schädelkalotte nicht klopfempfindlich gewesen. Zum Hörvermögen wird darauf hingewiesen, dass die Umgangssprache verstanden werde. Die Schilddrüse sei bei der Tastuntersuchung ohne pathologischen Befund gewesen. Der Thorax sei seitengleichen beatmet. Bei der Untersuchung der Lungen zeige sich ein sonorer Klopfschall. Auch sei ein vesikuläres Atmen ohne Rassegeräusche und ohne Spastik festzustellen. Die Herzaktionen seien regelmäßig. Es zeige sich keine Belastungskurzatmigkeit. Bei der Untersuchung der äußeren Genitale zeige sich der Hypogonadismus. Dem Gutachten kann sodann zur Wirbelsäule und Gliedmaßen entnommen werden, dass das Gangbild des Klägers unauffällig sei. Es sei ein ausreichend flüssiges Treppengehen einer Etage festzustellen. Das Hinsetzen und Aufstehen, Hinlegen und Aufrichten, das Aus- und Ankleiden geschehe problemlos. Der Kläger könne auch problemlos einen Einbeinstand demonstrieren. Bei der Untersuchung der Wirbelsäule zeige sich eine leichte Steilstellung. Die Schulter-Nackenpartie sei unauffällig. Auffällig seien hingegen ein deutlicher Lendenwulst und ein Tannenbaumphänomen. Der Kläger äußere einen leichten Klopfschmerz über der unteren Lendenwirbelsäule. Die HWS-Beweglichkeit sei nicht eingeschränkt ohne Schmerzangabe. Hinsichtlich der LWS wird auf eine tolerable Seitneigung und Rotation bis 15° hingewiesen, dann komme es zu einer Schmerzangabe und einem hörbaren Knackgeräusch. Das Vorbeugen werde nur angedeutet bis zur Kniehöhe. Weiterhin seien ein Schulter- und Beckengeradstand festzustellen. Die Schulter-, Ellenbogen-, Hand- und Fingergelenke seien frei beweglich. Der Faustschluss sei gut möglich. Gleiches gelte für die Greif- und Spreizfunktionen der Hände. Auch die Hüft-, Knie-, Sprung- und Zehengelenke seien frei beweglich. Es zeige sich keine Muskel- und Kraftminderung. Dem Gutachten kann sodann zum Nervensystem entnommen werden, dass keine Störungen des Geruchs-, Geschmacks- und Tastsinns festzustellen seien. Die Zeichen nach Laségue seien beiderseits negativ. Der Kläger äußere keine Sensibilitätsstörungen. Es zeigten sich auch keine Koordinationsstörungen und keine Hinweise auf eine Störung der Motorik. Es fänden sich keine Hinweise auf eine Störung der Stand- und Gangvarianten und kein Hinweis auf eine Fußheber- oder Fußsenkerschwäche. Dem Gutachten kann sodann zur Psyche entnommen werden, dass der Kläger pünktlich zum anberaumten Termin erschienen sei. Das äußere Erscheinungsbild und die Kleidung seien gepflegt. Das Auftreten und Verhalten des Klägers entspreche den normalen Umgangsformen. Das Bewusstsein sei klar. Es zeigten sich keine örtlichen, zeitlichen oder formalen Denkstörungen. Die Stimmungslage erscheine ausgeglichen und der Affekt stabil. Das Gutachten enthält folgende Diagnosen:
1. Sekundäre Osteoporose Grad III mit 10/2011 festgestellter Wirbelveränderung.
2. Primärer Hypergonadismus bei Testosteronmangel.
3. Nikotinabusus.
4. Leichte Sehminderung für die Ferne, korrekturbedürftig.
Dem Gutachten kann sodann zur Epikrise entnommen werden, dass Beschwerden des Rückens bei fehlender Belastung vom Kläger nicht geäußert worden seien. Feststellbar seien eine Größenabnahme von 4 cm und eine Gewichtszunahme. Klinisch zeige sich ein übliches Tannenbaumphänomen mit Lendenwulst. Es bestehe auch eine aktiv vorgeführte Bewegungs- und Belastungsminderung der Lendenwirbelsäule. Die Wegefähigkeit sei erhalten. In der Gesamtschau könne festgestellt werden, dass der Kläger als Zusteller ebenso wenig einsetzbar sei wie in seinem erlernten Beruf als Fleischer. Eine berufliche Belastungsfähigkeit für leichte Tätigkeiten zum Beispiel als Pförtner oder andere Arbeitsplätze bestehe hingegen durchaus im Umfang von täglich mehr als 6 Stunden.
Mit Bescheid vom 28.08.2012 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, da der Kläger nicht erwerbsgemindert sei.
Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, welchen die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.2013 (Bl. 39 Verwaltungsakte) als unbegründet zurückwies.
Am 04.02.2013 hat der Kläger gegen den Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheids Klage beim Sozialgericht Kassel erhoben.
Mit Schriftsatz vom 19.03.2013 hat der Kläger die Klage dahingehend begründet, dass den Bewertungen der Beklagten nicht gefolgt werden könne.
Der Kläger hat einen Befundbericht des Zentrums für Hormon- und Stoffwechselerkrankungen – Endokrinologikum – vom 11.12.2012 überreicht, aus dem zu den anamnestischen Angaben der Hinweis auf ein Wohlbefinden hervorgeht. Die im Bericht genannte Medikation werde weiterhin gut vertragen. Der Kläger rauche weiterhin zehn Zigaretten täglich. Er gehe zweimal in der Woche zum Fitnesstraining. Der behandelnde Arzt Dr. F. führt im Rahmen der Zusammenfassung aus, dass sich im Vergleich zum Vorbefund im Wesentlichen keine neuen Aspekte gefunden hätten (Bl. 16 Gerichtsakte).
Das Gericht hat sodann zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts Befunde bei den behandelnden Ärzten eingeholt und die Akte nach dem Schwerbehindertenrecht über den Kläger beigezogen.
Aus einem weiteren Befundbericht von Dr. F. vom 25.02.2013 geht hervor, dass der Kläger neben dem Fitnesstraining – bzw. im Befundbericht ist von zweimal in der Woche Gymnastik die Rede – auch einmal in der Woche Joggen geht (Bl. 33 Gerichtsakte).
Aus dem Befundbericht des Orthopäden Dr. R. vom 16.04.2013 geht hervor, dass dieser den Kläger ausschließlich am 28.10.2011 behandelt habe. Der Kläger habe über Rückenschmerzen im BWS- und LWS-Bereich geklagt. Es sei von einer schweren Osteoporose, einer manifesten Osteoporose, multiplen Fischwirbelbildungen der BWS und LWS und einem Zustand nach BWK- und LWK-Frakturen auszugehen. Eine Verlaufsbeurteilung sei vor dem Hintergrund der nur einmaligen Vorstellung nicht möglich (Bl. 41 Gerichtsakte).
In der Akte nach dem Schwerbehindertenrecht befinden sich im Wesentlichen die gleichen Befunde wie in der Verwaltungsakte der Beklagten. Das Versorgungsamt bewertete Funktionsstörungen der Wirbelsäule mit Ausstrahlungen und einen Hypogonadismus mit Osteoporose mit einem Grad der Behinderung von 40. Hinweise auf weitere Behinderungen können der Verwaltungsakte des Versorgungsamtes Kassel nicht entnommen werden (Anlage zur Gerichtsakte).
Das Gericht hat sodann zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts ein orthopädisches Fachgutachten beim Facharzt für Orthopädie Dr. A. in Auftrag gegeben, welches dieser am 12.06.2013 nach ambulanter Untersuchung am gleichen Tag erstellt hat (Bl. 65 ff. Gerichtsakte). Dem Gutachten kann zur Eigenanamnese entnommen werden, dass der Kläger im Herbst 2011 beim Tragen von schweren Paketen plötzlich ein Knacken mit anhaltenden Rückenbeschwerden verspürt habe. Im Februar 2012 habe man eine Knochenbiopsie durchgeführt. Der Kläger hat nach der Schule eine Ausbildung zum Fleischer absolviert und bis zum Jahr 1991 in diesem Beruf gearbeitet. Von 1991 bis 27.10.2011 hat der Kläger als Zusteller vollschichtig gearbeitet. Die Arbeit war mit dem Austragen von Post und von Paketen bis 30 kg verbunden. Zum 25.04.2013 sei das Krankengeld ausgelaufen. Er habe jetzt Arbeitslosengeld beantragt. Der Kläger sei ledig und lebe allein in einer 130 m² großen Wohnung im ersten Stock, die über zehn Stufen zu erreichen sei. Leichte Hausarbeiten erledigen er selbst, schwere Hausarbeiten, zum Beispiel Fensterputzen oder Einkaufen von Getränken, würden von Freunden oder seiner Mutter erledigt. Der ca. 1000 m² große Garten werde in Teilnutzung von drei Mietern gepflegt. Er könne nur leichte Tätigkeiten verrichten, zum Beispiel kleinere Areale des Rasens mähen, wobei der Rasenmäher einen Eigenantrieb habe und ohne Fangkorb betrieben werden. Dem Gutachten kann zur aktuellen Medikation entnommen werden, dass der Kläger verschiedene Präparate gegen die Osteoporose einnimmt, wobei in der Liste der angegebenen Medikamente kein Schmerzmittel enthalten ist (vgl. Bl. 71 Gerichtsakte). An aktuellen Beschwerden gab der Kläger an, in den letzten zwei Jahren 6 cm geschrumpft zu sein. Er habe ständig Schmerzen im Bereich der Wirbelsäule, insbesondere im LWS-Bereich. Von dort würden die Schmerzen in die Brustwirbelsäule aufsteigen. Er könne nicht lange sitzen, stehen oder liegen. Auch könne er nur maximal 3 Stunden durchschlafen. Dann müsse er Aufstehen und sich 2 Stunden bewegen bzw. umherlaufen. Spazierengehen könne er nur noch kurze Strecken. Die Gehstrecke liege unter 1 km. Er habe während einer Reha-Maßnahme Walking versucht, dies habe er aber wegen Beschwerden in der Wirbelsäule abbrechen müssen. Er habe ein Knacken in den Knien und Sprunggelenken, könne sich nicht hinknien und habe Probleme, die zehn Stufen zu seiner Wohnung zu ersteigen. Er besuche zwei- bis dreimal in der Woche ein Fitnessstudio. Er könne aufgrund seiner Beschwerden aber nur ein leichtes Fitnesstraining bewältigen. Er trainiere mit Gewichten bzw. einem Zug von 10-15 Kilogramm (Bl. 72 Gerichtsakte). Dem Gutachten kann zum Befund entnommen werden, dass sich der 45-jährige Kläger in einem guten Allgemein- und Ernährungszustand mit einem Gewicht von 82 kg bei einer Körpergröße von 172,5 cm befinde. Das Gangbild in knöchelhohen Konfektionsschuhen, die mit Einlagen versorgt seien, sei ohne Seitbetonung und raumgreifend. Während der ca. halbstündigen Befragung erfolge ein zweimaliger Positionswechsel mit Verlagerung des Gewichts von der rechten auf die linke Gesäßhälfte und umgekehrt. Das Ausziehen der Kleidung sei nicht beeinträchtigt. Dem Gutachten kann sodann zur Wirbelsäule der Hinweis auf einen Beckengradstand entnommen werden. Es zeige sich eine deutliche Dysproportion mit verkürztem Rumpf im Vergleich zu den Extremitäten. Auch sei ein Tannenbaumphänomen erkennbar. Der Kläger gebe einen ausgeprägten Druckschmerz am lumbosakralen Übergang an. Der Punktum maximum liege im Bereich des rechten Kreuzdarmbeingelenkes (Bl. 73 Gerichtsakte). Die Brustwirbelsäule sei mäßig klopfschmerzhaft. Der Kläger demonstriere eine sehr zögerliche Vorneigung. Bei langsamen Bewegungsabläufen zeigten sich ein Schoberindex von 10 zu 13 cm, Zeichen nach Ott von 30 zu 31 cm und ein Fingerbodenabstand von 26 Zentimetern. Im Langsitz sei die Entfaltbarkeit etwas besser und der Kläger könne einen Fingerfußsohlenabstand von 20 cm erreichen. Um den Langsitz einnehmen zu können, drehe er sich aus der liegenden Position zunächst auf die Seite und richte sich dann en bloc auf. Die Seitenneigung sei mit 30° und die Rotationsfähigkeit mit 45° im unteren Normbereich überprüfbar. Die Halswirbelsäule sei frei beweglich ohne nennenswerte Schmerzangabe. Bei der Bewegungsprüfung komme es zu keiner Ausstrahlung in die oberen Extremitäten (Bl. 73 Gerichtsakte). Die Schultergelenke seien äußerlich frei von Entzündungszeichen und der Nacken- und Schürzengriff könnten vorgeführt werden. Bei der Bewegungsprüfung zeige sich ein deutliches Knacken in beiden Schultergelenken mit Bewegungsschmerz. Die Funktionsteste für die Rotatorenmanschette seien beiderseits negativ. Die Schultergelenke seien nicht druckschmerzhaft. Die Seitwärtshebung gegen Widerstand sei ausreichend kräftig, wobei der Kläger leichte Schmerzen angegeben habe. Im Bereich der Ellenbogengelenke zeigten sich keine Auffälligkeiten. Auch die Hände und Fingergelenke seien frei von Entzündungszeichen. Das Kleinfingerendglied rechts könne bei einem Zustand nach einer Beugesehnenverletzung nicht mehr aktiv gebeugt werden, ansonsten sei die Funktion sämtlicher Fingergelenke und der Handgelenke komplett erhalten. Auch der Faustschluss sei komplett. Bei der Untersuchung der Hüftgelenke zeigte sich im Bereich der rechten Hüfte ein schmerzbedingtes endgradiges Funktionsdefizit. Hier sei die Beugung bis 110° überprüfbar, links hingegen bis 120°. Die Rotation und Ab- und Adduktion seien frei überprüfbar. Auch gebe der Kläger keinen nennenswerten Leistendruckschmerz und keinen Druckschmerz über den äußeren Rollhügeln an. Die Muskulatur sei seitengleich ausgeprägt ohne Hinweise auf eine muskuläre Atrophie (Bl. 74 Gerichtsakte). Im Bereich der Kniegelenke gebe der Kläger einen ausgeprägten Kniescheibenverschiebe- und -verkanteschmerz beiderseits rechts stärker als links an, wobei hinsichtlich der Beugung und Streckung Parameter von 0-0-140° gemessen wurden. Typische Meniskuszeichen zeigten sich nicht. Die Kreuz- und Seitenbänder seien stabil. Im Bereich der Füße zeige sich eine deutliche Senk-Spreizfußdeformität, wobei die Funktion seitengleich frei überprüfbar gewesen sei und sich auch keine Entzündungszeichen gefunden hätten. Bei der orientierenden neurologischen Untersuchung zeigten sich im Bereich der oberen Extremitäten keine Auffälligkeiten. Hinsichtlich der unteren Extremitäten wird darauf hingewiesen, dass der Kläger die differenzierten Stand- und Gangvarianten ausführen konnte. Auch das Wiederaufrichten aus dem tiefen Hocksitz sei flüssig ohne Abstützreaktion vorführbar gewesen. Dr. A. hat sodann verschiedene Röntgenaufnahmen durchgeführt. Insoweit wird auf das Gutachten Bezug genommen. Das Gutachten enthält folgende Diagnosen (Bl. 77 Gerichtsakte):
1. Schwere Osteoporose Grad III mit multiplen Wirbelkörpersinterungen bei primärem Hypogonadismus mit Testosteronmangel, Nikotinabusus, degenerativen Bandscheibenschädigungen und leichter Instabilität.
2. Gonalgien bei initialen degenerativen Veränderungen im Kniescheibengleitlager beiderseits.
Dem Gutachten kann sodann zur Beantwortung der Beweisfragen entnommen werden, dass sich aufgrund der schweren morphologischen Veränderungen erhebliche Einschränkungen fänden, die einen erwerbsmindernden Dauereinfluss hätten. Unter Berücksichtigung seines Gesundheitszustands sei der Kläger noch in der Lage, leichte Tätigkeiten 6 Stunden und mehr arbeitstäglich an fünf Tagen in der Woche zu verrichten. Der Kläger berichte, dass jegliche Belastungen, das heiße längeres Gehen, Stehen und Sitzen problematisch seien. Bei der Untersuchung sei aufgefallen, dass bei einer halbstündigen Befragung die Sitzposition zweimal gewechselt worden sei. Die Entfaltbarkeit der Wirbelsäule zeige sich endgradig eingeschränkt, wobei die Entfaltbarkeit im Langsitz besser ausgefallen sei als im Stand. Klinisch zeige sich ein typischer dysproportionierter Rumpf im Vergleich zu den Extremitäten. Aufgrund der Wirbelsäulensinterungen sei es zu einem Körperlängenverlust von 7 cm gekommen. Die muskuläre Situation sei schwach im Sinne einer muskulären Dekonditionierung. Der Kläger betreibe Muskelaufbautraining im Fitnessstudio. Hierbei würden Gewichte und Zugbelastungen von 15 kg geleistet. Hier liege zumindest bei einer statischen Belastung die Belastungsanforderung im Achsorgan schon zu hoch. Bei einer Osteoporose dritten Grades, das heiße bei mehr als vier Wirbelkörpersinterungen, sei im Akutstadium eine zeitweise Berentung notwendig. Das Akutstadium habe im Herbst 2011 und im ersten Halbjahr 2012 vorgelegen. Mittlerweile habe sich eine Stabilisierung der Knochendichte eingestellt. Es sei ein endokrinologischer Befundbericht vom 24.02.2013 vorgelegt worden. Er werde festgestellt, dass im Vergleich zu einer Untersuchung vom 28.10.2011 die Knochendichte im Bereich der linken Hüfte gleichbleibend sei, im Bereich des rechten proximalen Femurs habe sie leicht zugenommen. Es werde allerdings in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass bei unterschiedlichen Messgeräten eine eingeschränkte Vergleichbarkeit bestehe. Des Weiteren bestehe eine deutliche degenerative Schädigung im Bereich des Bewegungssegments L4/5. Aufgrund einer Bandscheibenreduktion sei es zu einer Vorverlagerung des vierten Lendenwirbelkörpers gegenüber dem fünften Lendenwirbelkörper gekommen. Es liege eine leichte Instabilität vor. Aufgrund der klinischen und morphologischen Situation im Bereich des Achsorgans seien Tätigkeiten in Zwangshaltungen, Hebe- und Bückarbeiten, ausschließlich stehende, gehende und sitzende Belastungen nicht mehr möglich. Der Arbeitsplatz müsse als Wechselarbeitsplatz angelegt werden. Tätigkeiten mit Vibration auf die Wirbelsäule und mit Absturzgefahr und mit Hebebelastungen von über 5 kg seien nicht mehr möglich. Wegen der beginnenden degenerativen Kniegelenksbeschwerden seien auch kniende und hockende Arbeiten nicht mehr möglich. Die Gebrauchsfähigkeit der Hände sei nicht eingeschränkt. Eine Einschränkung des Seh- und Hörvermögens von sozialmedizinischer Bedeutung sei nicht bekannt (Bl. 80 Gerichtsakte). Aufgrund der anhaltenden Beschwerden des Achsorgans seien auch keine besonderen Anforderungen an die Anpassungs- und Umstellungsfähigkeit sowie an die nervliche Belastbarkeit zu stellen. Eine Einschränkung der Gehfähigkeit von sozialmedizinischer Bedeutung liege nicht vor. Auch sei der Kläger in der Lage, ein Kfz im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Er sei weiterhin nicht auf betriebsunübliche Pausen angewiesen. Dieses Leistungsvermögen bestehe ab Herbst 2011. Zum damaligen Zeitpunkt sei es zu Wirbelkörpersinterungen und zur Diagnose der Osteoporose gekommen, die radiologisch im Oktober 2011 habe gesichert werden können.
Der Kläger hat eine Stellungnahme des behandelnden Hausarztes Dr. H. vom 05.07.2013 überreicht. Die Einschätzung des Sachverständigen erscheine in Anbetracht der fatalen Situation des Klägers nahezu grotesk-provokativ. Der Kläger sei nicht in der Lage, auch nur 3 Stunden am Tag leichte Arbeiten zu verrichten. Die Medikation habe zu keiner Verbesserung der aus der Osteoporose resultierenden Funktionsstörungen gebracht. Bereits jetzt seien die Beeinträchtigungen des Klägers massiv. Das Heben und Tragen von Lasten über 3-5 kg seien ihm zur Vermeidung weiterer Frakturen streng untersagt. Rennen, Hüpfen, Arbeiten in Zwangshaltung seien ebenso streng zu meiden. Im Alltag müsse der Kläger schmerzbedingt alle 5-15 Minuten die Körperhaltung wechseln. Ein Schlaf sei nur unter Analgetikaeinnahme möglich. Autofahren führe aufgrund der Vibrationen rasch zu Schmerzen. Eine Berentung sei begründet und sollte zur Entlastung des inzwischen auch psychisch belasteten Klägers erfolgen (Bl. 97 Gerichtsakte).
Das Gericht hat sodann eine ergänzende Stellungnahme bei Dr. A. eingeholt, welche dieser am 30.07.2013 erstellt hat. Die schwere Osteoporose Grad III könne bestätigt werden. Aufgrund der schweren Osteoporose bestehe unbestreitbar eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Belastungsfähigkeit. Nach allgemeinen Empfehlungen zur Einschätzung einer Osteoporose dritten Grades in Bezug auf die sozialmedizinischen Konsequenzen sei davon auszugehen, dass nach eingetretenen Sinterungen, d.h. nach Ausbruch der Erkrankung, eine länger andauernde Arbeitsunfähigkeit über sechs Monate oder auch eine zeitweise Berentung notwendig seien. Hier sei der weitere Krankheitsverlauf entscheidend. Die Frakturen seien im Jahr 2011 aufgetreten. Nach spezifischen Maßnahmen sei es zu einer Stabilisierung der knöchernen Situation gekommen. Der Kläger berichte, dass er sich einem Muskelaufbauprogramm unterziehe. Er besuche zwei- bis dreimal in der Woche ein Fitnessstudio. Hier trainiere er mit Zuggewichten von 10-15 kg. Hier liege – wie im Gutachten bereits erwähnt – eine grenzwertige Belastungssituation vor. Die Einschätzung des Hausarztes, dass die Hebe- und Tragefähigkeit auf 3-5 kg begrenzt sei könne aus orthopädischer Sicht bestätigt worden, wobei er eine Grenze von 5 kg ansetze. Nach dem dokumentierten Krankheitsverlauf, der für eine Stabilisierung der Situation spreche, sehe er aktuell keine Veranlassung, die Einschätzung zur Belastungsfähigkeit aufgrund des hausärztlichen Befundberichtes zu revidieren. Sollte es im weiteren Krankheitsverlauf zu weiteren Knochenbrüchen oder Wirbelkörpersinterungen kommen und die Knochendichte weiter abnehmen, sei eine erneute Einschätzung der Leistungsfähigkeit erforderlich (Bl. 104 Gerichtsakte).
Der Kläger hat sodann eine ärztliche Bescheinigung von Dr. F. vom 14.08.2013 überreicht, aus der hervorgeht, dass dem Kläger eine längere sitzende oder stehende Tätigkeit nicht möglich sei. Das Heben von Gewichten über 5 kg sollte keinesfalls erfolgen. Es sei nicht nachvollziehbar, dass eine berufliche Tätigkeit von mehr als 3 Stunden am Tag möglich sein solle (Bl. 108 Gerichtsakte).
Mit Schriftsatz vom 20.01.2014 hat der Kläger einen Befundbericht des Radiologen Professor Dr. F. über eine Knochendichtemessung überreicht. Aus diesen Befunden müsse gefolgert werden, dass der Kläger symptomabhängig in einen Arbeitsprozess mit geringster körperlicher Belastung eingegliedert werden könne. Da die Symptome jedoch zeitweise sehr stark wechselnd seien, sei der Kläger für einen geregelten Arbeitsablauf ungeeignet (Bl. 119 Gerichtsakte).
Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 28.08.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 09.01.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab Juli 2012 eine Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage hat keinen Erfolg. Die zulässige Klage ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf eine Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI, da die Voraussetzungen des § 43 SGB VI nicht erfüllt sind.
Gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VI haben Versicherte bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
1. teilweise erwerbsgemindert sind,
2. in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
3. vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert im Sinne des § 43 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI sind der Vorschrift des § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI zufolge Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VI haben Versicherte bei Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen (Vorversicherungszeit und Wartezeiterfüllung, § 43 Abs. 2 Nrn. 2 und 3 SGB VI) bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind. Voll erwerbsgemindert sind Versicherte gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI dann, wenn sie wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.
Gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen.
1. Der Kläger hat zunächst keinen Anspruch auf eine Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI, da sein quantitatives Leistungsvermögen nicht eingeschränkt ist.
Der Kläger leidet ausweislich der eingeholten medizinischen Unterlagen und der Gutachten unter einer schweren Osteoporose (Grad III), die im Jahr 2011 bereits zu Wirbelbrüchen (Bl. 29 Verwaltungsakte) geführt hatte.
Es handelt sich bei einer Osteoporose um eine generalisierte Skeletterkrankung mit einem Verlust an Knochensubstanz und erhöhter Frakturhäufigkeit (Andrae u.a. (Hrsg.), Medizinwissen von A-Z, 2008, S.759; vgl. auch: Schröter, Gutachtliche Problemstellungen bei Osteoporose, MED SACH 2006, 212 ff.).
Dieses Krankheitsbild ist daher – wie auch die von der Deutschen Rentenversicherung (DRV) herausgegebene Leitlinie zur "Leistungsfähigkeit bei Bandscheiben- und bandscheibenassoziierten Erkrankungen" (2009, S.24) ausführt – mit einer Störung der statischen Funktion der Wirbelsäule verbunden. Es ist daher zunächst einsichtig und stimmt mit den Empfehlungen der Leitlinie überein (S.24), dass der Sachverständige Dr. A. übereinstimmend mit dem Gutachter des medizinischen Dienstes der Beklagten davon ausgeht, dass dem Kläger nur noch leichte Arbeiten möglich sind und dass das Heben und Tragen von Lasten von über 5 kg vermieden werden sollten, um insbesondere weitere Knochenbrüche zu vermeiden.
Eine Aufhebung des Leistungsvermögens auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ist bei einer Osteoporose – wie Dr. A. nachvollziehbar ausführt – anzunehmen, für einen beschränkten Zeitraum nach eingetretenen Knochenbrüchen insbesondere im Wirbelsäulenbereich und im Falle von klinisch und radiologisch nachgewiesenen Zeichen einer Segmentinstabilität der Wirbelsäule mit gravierenden Funktionseinschränkungen (Leitlinie S.29). Auch wirken sich starke Schmerzzustände auf die geistige und psychische Belastbarkeit aus (Leitlinie S.26) und können zu qualitativen, im Einzelfall auch zu quantitativen Leistungseinschränkungen führen.
Im vorliegenden Fall hat der Gerichtssachverständige Dr. A. zu recht darauf hingewiesen, dass die letzten Sinterungen im Herbst 2011 stattgefunden hatten. In dieser Zeit bestand für einen Zeitraum von 6 Monaten Arbeitsunfähigkeit oder ein aufgehobenes Leistungsvermögen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass der Kläger die Osteoporose erst im Jahr 2011 in einem bereits fortgeschrittenen Stadium bemerkt und sich einer Behandlung unterzogen hatte, wobei eine geringfügige Verbesserung der Knochendichte unter der Medikation erreicht werden konnte. Die Rentenantragstellung erfolgte hingegen erst am 10.07.2012. Zu diesem Zeitpunkt waren die Folgen der Knochensinterungen jedoch – wie Dr. A. ausführt – wieder weitgehend zurückgegangen. Seit dem Rentenantrag ist es zu keiner weiteren Fraktur mehr gekommen, wie der Kläger im Rahmen des mündlichen Verhandlungstermins noch einmal bestätigt hat. Der Kläger hat weiterhin in der mündlichen Verhandlung angegeben, nicht auf eine regelmäßige Schmerzmittelmedikation angewiesen zu sein. Er nehme bei Bedarf das frei verkäufliche Schmerzmittel Ibuprofen 200 ein. Zu diesen Angaben passt das Aktivitätsniveau des Klägers. Der Kläger kümmert sich laut eigenen Angaben im Haushalt und in seinem Garten um leichte körperliche Arbeiten (Rasenmähen) und geht in ein Fitnessstudio und ist hierbei in der Lage, Zuggewichte mit einer Schwere von 15 kg zu bewältigen. Weiterhin kann aus den anamnestischen Angaben des Klägers entnommen werden, dass dieser im Jahr 2013 sogar noch Joggen ging (Bl. 33 Gerichtsakte), was mit Erschütterungen auf die Wirbelsäule verbunden ist.
Unter Zugrundelegung dieser Aspekte ist es für die Kammer zunächst völlig einsichtig, dass dem Kläger nur noch körperlich leichte Arbeiten mit weiteren qualitativen Einschränkungen zuzumuten sind. Aktuelle schwere Funktionsbeeinträchtigungen oder schwere chronische Schmerzen, die eine Minderung des quantitativen Leistungsvermögens begründen könnten, liegen aber derzeit nach Einschätzung der Kammer nicht vor. Die Einschätzung des Gerichtssachverständigen Dr. A., dass die beim Kläger bestehende Osteoporose Grad III nicht mit einer Minderung des quantitativen Leistungsvermögens verbunden ist, ist für die Kammer daher – unter Zugrundlegung der in der medizinisch-wissenschaftlichen Literatur niedergelegten Bewertungsmaßstäbe – ebenso nachvollziehbar, weshalb sich die Kammer dieser Einschätzung des orthopädischen Sachverständigen anschließt.
2. Eine andere Beurteilung ergibt sich nach der Überzeugung der Kammer auch nicht aus den von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entwickelten sog. Seltenheitsfällen.
Auch bei einem vollschichtigen Leistungsvermögen kann der Arbeitsmarkt ausnahmsweise verschlossen sein. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf die verbliebene Erwerbsfähigkeit nur möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten (vgl. Niesel in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, § 43 Rn. 37 ff. (62. Lfg. 2009, beck-online)).
Einer dieser Seltenheitsfälle liegt jedoch nicht vor. Der Kläger ist nicht wegeunfähig und nicht auf betriebsunübliche Pausen angewiesen. Auch liegt keine Summierung außergewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor.
Die Klage war daher insgesamt unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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