S 18 KA 268/10

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Dresden (FSS)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
18
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 18 KA 268/10
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Bemerkung
1. § 84 Abs. 6 Satz 2 SGB V setzt verbindliches Recht, von dem die Partner der Richtgrößenvereinbarungen nur abweichen dürfen, wenn außergewöhnliche, nicht behebbare Umstände der Bestimmung altersgemäß gegliederter Patientengruppen entgegen stehen (Anschl
I. Der Widerspruchsbescheid vom 27.10.2010 wird aufgehoben.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung einer Beratung im Ergebnis einer Prüfung der Wirtschaftlichkeit von Arzneimittelverordnungen des Jahres 2007 auf der Grundlage von Richtgrößen. Die Klägerin nimmt als Fachärztin für Innere Medizin mit Praxissitz in L. an der hausärztlichen Versorgung teil. Mit Schreiben vom 21.07.2009 zeigte die Geschäftsstelle der Prüfgremien der Ärzte und Krankenkassen Sachsen an, eine Arzneimittel-Richtgrößenprüfung für das Jahr 2007 durchzuführen. Mit Schreiben vom 09.09.2009 erläuterte die Klägerin die Indikationen der Arzneimittelverordnungen für ausgewählte Patienten mit hohem Arzneimittelbedarf. Die Prüfungsstelle der Ärzte und Krankenkassen Sachsen setzte auf Grund ihres Beschlusses vom 12.11.2009 mit Bescheid vom 22.12.2009 gegen die Klägerin einen Regress in Höhe von 22.769,95 EUR fest. Den am 07.01.2010 hiergegen erhobenen Widerspruch begründeten die Bevollmächtigten der Klägerin mit Schreiben vom 25.03.2010, 09.04.2010 und 10.05.2010 unter Hinweis auf zahlreiche Umstände, die nach ihrer Auffassung die Patientenstruktur und das Leistungsangebot der Praxis von anderen hausärztlichen Praxen unterscheiden und zu einem Mehraufwand an Arzneimitteln führen würden. Der Beklagte änderte auf Grund des Beschlusses vom 11.08.2010 mit Widerspruchsbescheid vom 27.10.2010, der am selben Tage zur Post aufgegeben wurde, die Entscheidung der Prüfungsstelle ab und setzte eine Beratung fest. Nach Anerkennung weiteren Mehraufwandes seien insgesamt 196.381,20 EUR vom Bruttoverordnungsvolumen abzusetzen. Die Überschreitung des Richtgrößenvolumens belaufe sich damit nur noch auf 23,77 %, so dass kein Regress, jedoch eine Beratung festzusetzen sei. Die am 26.11.2010 hiergegen erhobene Klage vom 22.11.2010 begründeten die Bevollmächtigten der Klägerin unter anderem mit der Forderung, die Kosten für Arzneimittel mit Wirkstoffen, für die mindestens eine Indikation als einer Praxisbesonderheit zugehörig anerkannt ist, vollumfänglich als berechtigten Mehraufwand vom Verordnungsvolumen abzusetzen. Dies gelte namentlich für Arzneimittel zur Behandlung von Sinusitiden und Bronchitiden (7.985,67 EUR). Zudem habe der Beklagte zu Unrecht die Ausgaben für Arzneimittel der ATC-Klasse A02 (insbesondere Antacida und Protonenpumpeninhibitoren, 12.768,87 EUR) als Begleitmedikation bei Diabetes mellitus nicht als Folge einer Praxisbesonderheit gewürdigt. Zusätzlich seien die Verordnungskosten für einen Tumorpatienten mit Misteltherapie (2.664,54 EUR) abzusetzen, so dass im Ergebnis das Richtgrößenvolumen sogar unterschritten sei. Die Klägerin beantragt, den Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 27.10.2010 aufzuheben. Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen. Das Rechtsschutzbedürfnis sei fraglich. Zwar erfolge gemäß § 106 Abs. 5e Satz 1 SGB V in der seit dem 01.01.2012 geltenden Fassung bei einer erstmaligen Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % eine individuelle Beratung, so dass sich bei mehrfacher Überschreitung dieser Schwelle die Beratung als Voraussetzung für eine künftige Regressfestsetzung auswirke. Weil aber der Beratung hier keine Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % zu Grunde gelegen habe, sei sie für eventuelle künftige Regresse ohne Bedeutung. Zudem sei die Beratung bereits am 16.02.2011 durchgeführt worden. Der geltend gemachte weitere Mehraufwand sei zum Teil bereits als solcher berücksichtigt worden oder schon im Verordnungsvolumen nicht bzw. nicht in der angegebenen Größenordnung enthalten gewesen. Kosten der Behandlung von Komorbiditäten einer Krankheit, deren Diagnosehäufung als Praxisbesonderheit anerkannt sei, könnten nur in Ausnahmefällen bei erheblichen Kosten berücksichtigt werden. Bezug nehmend auf einen gerichtlichen Hinweis auf § 84 Abs. 6 Satz 2 SGB V ist der Beklagte der Auffassung, dass die Vertragspartner der Richtgrößenvereinbarung nicht verpflichtet gewesen seien, die Richtgrößen für das Jahr 2007 über die Unterscheidung zwischen Mitgliedern und Familienversicherten sowie Rentnern hinaus noch weiter altersmäßig zu gliedern. Die Differenzierung zwischen Mitgliedern und Familienversicherten sowie Rentnern trage dem Gebot einer altersgestaffelten Gliederung bereits ausreichend Rechnung. Es handele sich bei § 84 Abs. 6 Satz 2 SGB V nur um eine Soll-Regelung, die eine alters- und morbiditätsbezogene Gliederung in das Ermessen der Vertragspartner auf Landesebene stelle. Wie die Kammer bereits in ihrem Urteil vom 16.12.2010, Az. S 18 KA 1507/07, ausgeführt habe, gingen die Rahmenvorgaben gemäß § 84 Abs. 7 SGB V für Richtgrößenvereinbarungen vom 31.01.2002 nicht von einer zwingenden Anordnung der Richtgrößen in der dort vorgesehenen Altersklassenstaffelung aus, vielmehr sollten nach deren § 2 Abs. 2 erst die organisatorischen und datenlogistischen Voraussetzungen geschaffen werden, bevor zu einer altersmäßigen Gliederung der Richtgrößen übergegangen werde. Auch die Vorschrift über die Datenlieferung in § 296 SGB V stelle es den Vertragspartnern frei, die Daten entweder getrennt nach Mitgliedern und Rentnern sowie deren Angehörigen oder in der nach § 84 Abs. 6 Satz 2 SGB V bestimmten Gliederung bereitzustellen. Zudem sehe die Regelung zwar vor, dass die Krankenkassen die Kostendaten nach Altersklassen bzw. Morbiditätskriterien gegliedert liefern können, jedoch fehle in der aktuellen Gesetzesfassung eine entsprechende Befugnis der Kassenärztlichen Vereinigungen, die Behandlungsfallzahlen entsprechend gegliedert zu liefern; § 296 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V greife nur noch die Gliederung nach Mitgliedern und Rentnern sowie Angehörigen auf. Hieraus sei zu schließen, dass es sich bei der altersmäßigen Gliederung der Richtgrößen nicht um eine zwingende Vorgabe des Gesetzes handele. Tatsächlich würden nur im Freistaat Bayern die Richtgrößen nach Altersgruppen gegliedert, dort erfolgten aber keine Richtgrößenprüfungen mehr. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der gerichtlichen Verfahrensakte mit der Niederschrift über die mündliche Verhandlung und auf die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Insbesondere steht der Klägerin ein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite, die Festsetzung der Beratung anzufechten. Es ist insoweit ohne Bedeutung, dass die Beratung, weil ihr keine Überschreitung des Richtgrößenvolumens um mehr als 25 % vorausging, noch keine Beratung im Sinne von § 106 Abs. 5e Satz 1 SGB V in der ab dem 01.01.2012 geltenden Fassung darstellt, an die bei wiederholter Überschreitung des Schwellenwertes ein späterer Regress anknüpfen könnte (vgl. auch § 106 Abs. 5e Satz 7 SGB V zur intertemporalen Geltung der Neuregelung, dazu Sozialgericht Düsseldorf, Urteil vom 03.04.2013, Az. S 2 KA 281/12, juris Rn. 23 f.). Bei der Beratung nach § 106 Abs. 1a in Verbindung mit Abs. 5a Satz 1 und 2 SGB V handelt es sich nach der gesetzlichen Konzeption um eine Sanktion im Falle der Überschreitung des Richtgrößenvolumens, die eine Beurteilung des Verordnungsverhaltens beinhaltet und auf eine Verhaltensänderung zielt. Der damit verbundene Eingriff in die durch Artikel 12 Abs. 1 GG geschützte Berufsfreiheit begründet eine Beschwer der Klägerin (Bundessozialgericht, Urteil vom 05.06.2013, Az. B 6 KA 40/12 R, juris Rn. 10). Dieser Sanktionscharakter ist nicht dadurch entfallen, dass die Klägerin die Beratung inzwischen absolviert hat. Deshalb hat sie ein berechtigtes Interesse, die aus einer rechtswidrigen Anordnung resultierende Zweckbestimmung der Beratung und damit deren Sanktionscharakter noch nach dem Vollzug der Beratung durch die gerichtliche Aufhebung des diese anordnenden Bescheides beseitigen zu lassen. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Allerdings haben die Bevollmächtigten der Klägerin die Klage nicht schlüssig begründet. Gemäß § 106 Abs. 5a Satz 1 SGB V werden Beratungen bei Überschreitung der Richtgrößenvolumen durchgeführt, wenn das Verordnungsvolumen des Arztes das Richtgrößenvolumen um mehr als 15 % übersteigt, sofern die Überschreitung nicht durch Praxisbesonderheiten begründet ist. Die Bevollmächtigten der Klägerin machen noch bislang unberücksichtigten Mehraufwand in Höhe von 23.419,08 EUR geltend (7.985,67 EUR Arzneimittel zur Behandlung von Bronchitiden und Sinusitiden, 12.768,87 EUR für die Begleitmedikation des Diabetes mellitus mit Mittelns zur Behandlung säurebedingter Erkrankungen, 2.664,54 EUR Misteltherapie). Rechnet man diesen Betrag dem bereits anerkannten Mehraufwand in Höhe von 196.381,20 EUR hinzu, ergäbe sich ein insgesamt anzuerkennender Mehraufwand von 219.800,28 EUR. Das nach dessen Abzug von den bereinigten Bruttoverordnungskosten (580.884,51 EUR) verbleibende Ausgabevolumen (361.084,23 EUR) überschreitet das Richtgrößenvolumen (310.671,56 EUR) noch immer um 50.412,67 EUR bzw. 16,23 %, also mehr als der Schwellenwert für die Anordnung einer Beratung. Auch die Berechnung auf Seite 7 der Klagebegründung vom 24.03.2011, wonach weitere Wirkstoffgruppen global als Mehraufwand anerkannt werden sollen, ist fehlerhaft. Die Bevollmächtigten der Klägerin postulieren hier eine Unterschreitung des Richtgrößenvolumens (310.671,56 EUR), wenn man von den Gesamtverordnungskosten (589.278,07 EUR) außer den Arzneimitteln der Indikationsgebiete gemäß Anlage 7.1 der Prüfungsvereinbarung (94.732,84 EUR) und den bereits anerkannten weiteren Praxisbesonderheiten (71.361,26 EUR) noch weitere Ausgaben für Arzneimittel in Höhe von zusammen 125.067,44 EUR, mithin insgesamt 291.161,54 EUR abzöge, so dass nur Verordnungskosten in Höhe von 298.116,53 EUR verbleiben würden. Jedoch sind in der Summe dieser weiteren Ausgaben (125.067,44 EUR) Arzneimittel der ATC-Klassen C01, C09, B01AC, N02AX, M01, R03A, R03B und R03D enthalten, deren Kosten von zusammen 71.361,26 EUR mit den Arzneimittelkosten für die bereits als Folge von Praxisbesonderheiten anerkannten Präparate eben dieser Wirkstoffklassen (ebenfalls 71.361,26 EUR) identisch sind. Bereinigt man die Berechnung um den doppelten Ansatz derselben Kosten, würde sich die Summe des insgesamt als berechtigt anzuerkennenden Aufwandes nur noch auf 219.800,28 EUR belaufen. Dann würde die Summe der zu berücksichtigenden Verordnungskosten auf Basis der Gesamtverordnungskosten (589.278,07 EUR) noch immer 369.477,79 EUR und auf Basis der bereinigten Gesamtverordnungskosten (580.884,51 EUR) noch immer 361.084,23 EUR betragen und das Richtgrößenvolumen um 18,93 % bzw. 16,23 % überschreiten. Dabei ist noch nicht einmal berücksichtigt, das auch die Rechnungsposten "A02 - Mittel bei säurebedingten Erkrankungen" (11.382,17 EUR) und "Magenmedikation aufgrund Diabetes mellitus" (12.786,87 EUR) im Wesentlichen die selben Arzneimittel, nämlich Antacida und Protonenpumpeninhibitoren, beinhalten und darüber hinaus bereits der Beklagte einen Teil dieser Arzneimittelkosten pauschal - das heißt ohne verordnungsbezogene Indikationsprüfung - als notwendige Begleitmedikation der Schmerztherapie im Zusammenhang mit einer Praxisbesonderheit vom Verordnungsvolumen abgesetzt hat. Die Klägerin könnte also der Beratung nicht entgehen, selbst wenn man der Klagebegründung im Übrigen folgen würde. Dabei kann die Klägerin nicht beanspruchen, die Kosten für Arzneimittel mit Wirkstoffen, für die mindestens eine Indikation als einer Praxisbesonderheit zugehörig anerkannt ist, vollumfänglich als berechtigten Mehraufwand vom Verordnungsvolumen abzusetzen. Anzuerkennen ist vielmehr nur der einer Praxisbesonderheit morbiditäts- und indikationsbezogen zurechenbare Mehraufwand im Vergleich zum Fachgruppendurchschnitt. Dieser darf zudem mit bezifferbaren Minderausgaben für andere Arzneimittel verrechnet werden, die unterdurchschnittlich verordnet werden. Das gilt auch in Bezug auf die Behandlung typischerweise mit anderen Erkrankungen vergemeinschafteter Krankheiten. Auch insoweit kann die Begleitmedikation nur dann Ausdruck einer Praxisbesonderheit sein, wenn sich in der geprüften Praxis auch die damit behandelten Begleiterkrankungen aus der Morbiditätsverteilung der Vergleichsgruppe herausheben. Nur entsprechend der Abweichung vom Fachgruppendurchschnitt kann sodann ein festgestellter Mehraufwand als durch die Praxisbesonderheit bedingt anerkannt werden (vgl. bereits das der Bevollmächtigten der Klägerin bereits bekannte Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 14.12.2011, Az. S 18 KA 831/08, sowie Sozialgericht Dresden, Urteil vom 16.12.2010, Az. S 18 KA 1507/07, juris Rn. 62). Die Prüfgremien greifen bei der Ermittlung des anzuerkennenden Mehraufwandes regelmäßig auf pauschale Ansätze zurück, weil sie nicht über Übersichten über die Menge der je Fachgruppe verordneten Arzneimittel bezogen auf konkrete Indikationen verfügen und eine eineindeutige Zuordnung zwischen Diagnosen und Arzneimitteln sowohl wegen der Anwendungsbreite vieler Medikamente als auch wegen der Vielfalt der zur Behandlung zahlreicher Erkrankungen alternativ in Betracht kommender Behandlungsoptionen oftmals nicht möglich ist. Die von der Klägerin beanspruchte globale Herausnahme ganzer Arzneimittelklassen aus dem Verordnungsvolumen ohne Rücksicht auf die Abweichung der indikationsspezifischen Mortalität und dem dazu äquivalenten Arzneimittelmehrbedarf ist indessen in der Regel weniger sachgerecht und kann deshalb nicht verlangt werden. Gleichwohl ist der Widerspruchsbescheid des Beklagten aufzuheben, weil die der Festsetzung des Regresses zu Grund gelegten Richtgrößen nicht im Einklang mit höherrangigem Recht gebildet wurden. Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Regressen wegen der Überschreitung von Richtgrößen für Arzneimittelverordnungen ist § 84 Abs. 6 SGB V in Verbindung mit § 106 Abs. 5a SGB V. Gemäß § 84 Abs. 6 Satz 1 SGB V vereinbaren die Vertragspartner zur Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung für das auf das Kalenderjahr bezogene Volumen der je Arzt verordneten Arznei- und Verbandmittel (Richtgrößenvolumen) arztgruppenspezifische fallbezogene Richtgrößen als Durchschnittswerte unter Berücksichtigung der nach § 84 Abs. 1 SGB V getroffenen Arzneimittelvereinbarung, erstmals bis zum 31. März 2002. Zusätzlich sollen gemäß § 84 Abs. 6 Satz 2 SGB V in der seit dem 31.12.2001 geltenden Fassung des Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetz vom 19.12.2001 (BGBl. I Seite 3773) die Vertragspartner die Richtgrößen nach altersgemäß gegliederten Patientengruppen und darüber hinaus auch nach Krankheitsarten bestimmen. Die am 25.01.2007 vereinbarten, in der Beilage zu den KVS-Mitteilungen Heft 2/2007 bekannt gegebenen und für die Fachgruppen der hausärztlichen Internisten sowie der Allgemeinmediziner und Praktischen Ärzte nach dem Günstigkeitsprinzip (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 02.11.2005, Az. B 6 KA 63/04 R, juris Rn. 55) rückwirkend zum 01.01.2007 in Kraft getretenen Richtgrößen für das Jahr 2007 genügen diesen Vorgaben nicht, weil sie nicht nach altersgemäß gegliederten Patientengruppen bestimmt sind. Die Gliederung der Richtgrößen nach dem Versichertenstatus der Patienten in Mitglieder und Familienversicherte einerseits sowie Rentner andererseits stellt keine altersgemäße Gliederung im Sinne des § 84 Abs. 6 SGB V dar. Dies folgt schon aus der begrifflichen Differenzierung zwischen "Mitgliedern und Rentnern sowie deren Angehörigen" einerseits und "der nach § 84 Abs. 6 Satz 2 bestimmten Gliederung" andererseits in § 296 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 3 SGB V in der im Prüfzeitraum geltenden Fassung des GKV-Modernisierungsgesetz vom 14.11.2003 (BGBl. I S. 2190). Die Unterscheidung zwischen Mitgliedern, Familienversicherten und Rentnern knüpft an den Versichertenstatus des Patienten in der gesetzlichen Krankenversicherung an. Zwar weist die Mitgliedschaft in der Krankenversicherung der Rentner auch hinsichtlich der Rentenbezieher mit Rentenbeginn vor Erreichen der Regelaltersrentengrenze - namentlich wegen verminderter Erwerbsfähigkeit oder Schwerbehinderung - indirekt einen Morbiditätsbezug auf, dieser knüpft jedoch nicht an das Alter des Versicherten an. Die Vorgabe, die Richtgrößen nach altersgemäß gegliederten Patientengruppen zu gliedern, ist für die Vertragspartner der Arzneimittel- und Richtgrößenvereinbarung verbindlich. Hieran ändert auch die Formulierung als Soll-Vorschrift nichts, die auf das Ermessen der Vertragspartner hinweist, die Richtgrößen abweichend von den gesetzlichen Vorgaben zu gliedern. Denn das ihnen eingeräumte Gestaltungsermessen ist nicht frei, sondern im Sinne der gesetzlichen Vorgaben gebunden. Bereits die Begründung des Entwurfs des Arzneimittelbudget-Ablösungsgesetzes erläutert die in § 84 Abs. 6 Satz 2 SGB V vorgesehene Gliederung mit den Worten: "Satz 2 gibt als Sollvorschrift für die Zukunft eine Differenzierung der Richtgrößen nach altersgemäß gegliederten Patientengruppen und in längerfristiger Perspektive auch nach Krankheitsarten vor. Damit wird eine auf die Einzelpraxis stärker ausgerichtete Berücksichtigung der medizinischen Behandlungserfordernisse angestrebt." (Deutscher Bundestag, Drucksache 14/6309, Seite 9) Während die Verbindlichkeit der Gliederung nach Krankheitsarten damit zwar durch den zeitlichen Vorbehalt auf längere Frist relativiert wird, geht die Begründung jedenfalls hinsichtlich der Gliederung nach Altersgruppen einschränkungslos von einer künftigen Umsetzung aus. Bereits im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens hatte der Bundesrat der Formulierung des neuen § 84 Abs. 6 Satz 2 SGB V im Gesetzentwurf der Bundesregierung (gleichlautend mit dem Fraktionsentwurf in Drucksache 14/6309) als Soll-Vorschrift den Vorschlag entgegen gesetzt, das Wort "sollen" durch das Wort "können" zu ersetzen, weil eine derartig ausdifferenzierte Richtgrößenbestimmung zu erheblichen Problemen bei der Handhabung führe. Allein auf Grund der Anzahl würden damit die Richtgrößen für den Vertragsarzt ihre orientierende Funktion verlieren. Zudem seien bisher die Datengrundlagen, die eine derart differenzierte Ausweisung nach Alters- und Krankheitsbezug darstellen könnten, nicht vorhanden. Praxisnäher scheine eine Differenzierung, die bestimmte Arzneimittel von vornherein als Praxisbesonderheiten aus der Richtgrößenprüfung herausnehme (Deutscher Bundestag, Drucksache 14/6880, Seite 6 f.). Dieser Stellungnahme des Bundesrates war die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung unter anderem mit dem Argument entgegen getreten, der Bundesrat formuliere seine Einwände in der Begründung so weitgehend, dass die Begründung die vom Bundesrat vorgeschlagene "Kann-Regelung" kaum mehr rechtfertige. Weiter heißt es dort: "Wenn in der Praxis nicht zu behebende Probleme auftreten sollten, verpflichtet auch die im Gesetzentwurf vorgesehene Soll-Regelung nicht zu einer Differenzierung der Richtgrößen nach Alter und Krankheitsarten." (Deutscher Bundestag, Drucksache 14/6880, Seite 10) Der Bundestag hat darauf den Gesetzentwurf auf Grund der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit (Deutscher Bundestag, Drucksache 14/7170, Seite 6) mit der Neufassung des § 84 SGB V in der ursprünglichen Formulierung des Gesetzentwurfs angenommen. Damit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass ausschließlich nicht behebbare Probleme ein Absehen von der gesetzlich vorgesehenen Gliederung nach Altersgruppen und Krankheitsarten rechtfertigen. Entsprechend den Grundsätzen für die Auslegung von Soll-Vorschriften ist davon auszugehen, dass das Gesetz für den Regelfall eine strikte Bindung entfaltet und Abweichungen hiervon nur in atypischen Fällen gestattet sind (so auch: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.05.2011, Az. L 3 KA 9/11 B ER, juris Rn. 23, Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V § 84 Rn. 128; Freudenberg in: jurisPK-SGB V, § 84 Rn. 94). In Bezug auf das streitgegenständliche Prüfjahr 2007 sind keine Gründe erkennbar, die ein Absehen von der gesetzlich vorgeschriebenen Gliederung der Richtgrößen nach Altersgruppen rechtfertigen. Die Kammer hatte sich mit dieser Frage bereits in Bezug auf die Arzneimittel-Richtgrößen für das Jahr 2003 befasst und die fehlende Gliederung nach Altersgruppen nicht beanstandet. Die Rahmenvorgaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen gemäß § 84 Abs. 7 SGB V für Arzneimittel-Richtgrößenvereinbarungen nach § 84 Abs. 6 Satz 1 SGB V vom 31.01.2002 (Deutsches Ärzteblatt 99 [2002] Nr. 22 S. A-1540), würden zwar in § 2 Abs. 2 Satz 1 in Verbindung mit Anlage 2 eine Gliederung in vier Altersgruppen (0-15 Jahre, 16-49 Jahre, 50-64 Jahre und ) 65 Jahre) vorsehen. Sie ließen jedoch gemäß § 2 Abs. 2 Satz 3 ausdrücklich Abweichungen in den Vereinbarungen auf Landesebene zu, bis die Vertragspartner auf der Bundesebene die organisatorischen und datenlogistischen Voraussetzungen für die Lieferung der Verordnungsdaten und Fallzahlen geschaffen haben (Sozialgericht Dresden, Urteil vom 16.12.2010, Az. S 18 KA 1507/07, juris Rn. 32). Ebenso hat das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen die Rechtslage in Bezug auf die niedersächsischen Richtgrößen für das Jahr 2003 beurteilt und dies damit begründet, den Vertragspartnern sei die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben in § 84 Abs. 6 Satz 2 SGB V nicht möglich gewesen, denn der Gesetzgeber hätte für das Jahr 2003 noch nicht die hierfür erforderlichen verfahrens- und datenschutzrechtlichen Voraussetzungen geschaffen. Nach § 296 Abs. 3 SGB V in der 2003 noch geltenden Fassung des Gesundheitsstrukturgesetzes vom 21.12.1992 hätten die Krankenkassen Art, Menge und Kosten der verordneten Arznei- und Verbandmittel nur getrennt nach Mitgliedern und Rentnern sowie deren Angehörigen für die Durchführung der Richtgrößenprüfungen zu übermitteln gehabt. Daten für die genannten Altersgruppen hätten dagegen nicht zur Verfügung gestellt werden müssen, so dass die Grundlagen für die Festsetzung entsprechender Richtgrößen - und für deren anschließende arztbezogene Prüfung - nicht vorhanden gewesen seien (Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.05.2011, Az. L 3 KA 9/11 B ER, juris Rn. 24). An dieser Rechtsprechung hält die Kammer in Bezug auf das Jahr 2007 nicht fest. § 84 Abs. 7 Satz 4, 5 und 7 SGB V beauftragte die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die Spitzenverbände der Krankenkassen, bis zum 31.01.2002 mit verbindlicher Wirkung für die Vereinbarungen der Richtgrößen die Gliederung der Arztgruppen und das Nähere zum Fallbezug zu beschließen. Ebenfalls mit verbindlicher Wirkung sollten sie für die Vereinbarungen der Richtgrößen nach § 84 Abs. 6 Satz 2 SGB V die altersgemäße Gliederung der Patientengruppen und unter Berücksichtigung der Beschlüsse des Koordinierungsausschusses nach § 137e Abs. 3 Nr. 1 SGB V die Krankheitsarten bestimmen. Mit der Erteilung dieses Regelungsauftrages hat der Gesetzgeber den Vertragspartnern auf Bundesebene aufgegeben, die notwendigen Rahmenvorgaben zu schaffen, um den Vertragspartnern auf Landesebene die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben zur altersmäßigen Gliederung der Richtgrößen zu ermöglichen. Er hat ihnen weder die Befugnis einräumen wollen noch mit Rücksicht auf den Gewaltenteilungsgrundsatz erteilen dürfen, die Geltung der gesetzlichen Vorgaben nach eigenem Ermessen zu hintergehen. Der Soll-Regelung über die Bestimmung der altersgemäßen Gliederung der Patientengruppen in § 84 Abs. 7 Satz 5 SGB V kommt die gleiche Verbindlichkeit zu wie der damit korrespondierenden Vorgabe in § 84 Abs. 6 Satz 2 SGB V. Nur wenn außergewöhnliche, nicht behebbare Umstände dem Erlass einer für die Vertragspartner auf Landeseben verbindlichen Bestimmung über die Altersgliederung entgegen stehen, können die Adressaten des Normsetzungsauftrags hiervon absehen oder die Verbindlichkeit ihrer Maßgaben einschränken. Anderenfalls sind die durch die Regelungsdefizite auf der Bundesebene geprägten Richtgrößenvereinbarungen rechtswidrig. Auf das Fehlen von Daten, an Hand derer sich die Arzneimittelausgaben des Arztes und der Vergleichsgruppe altersmäßig gegliederten Patientenkohorten zuordnen lassen, können sich die Partner der Richtgrößenvereinbarungen nicht berufen. Insoweit hat sich die Rechtslage im Jahr 2007 gegenüber dem Jahr 2003, auf das sich die Entscheidungen des Sozialgerichts Dresden vom 16.12.2010 und des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 06.05.2011 beziehen, geändert. Bereits mit Wirkung ab dem 01.01.2004 schrieb § 296 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 2 Nr. 3 SGB V in der Fassung des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes den Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen die Lieferung der erforderlichen Daten "getrennt nach Mitgliedern und Rentnern sowie deren Angehörigen oder in der nach § 84 Abs. 6 Satz 2 bestimmten Gliederung" vor. Dabei kann dem Wort "oder" keine Freistellung von der Verbindlichkeit des § 84 Abs. 6 Satz 2 SGB V entnommen werden. § 296 SGB V regelt Rahmenbedingungen für den Vollzug der Vorschriften über die Wirtschaftlichkeitsprüfung. Die Datenlieferung hat dienende Funktion und ist dem Regelungsauftrag des § 84 Abs. 6 Satz 2 SGB V normativ untergeordnet. Es obliegt den Vertragspartnern auf Landesebene, mittels der ihnen durch § 296 SGB V eingeräumten Befugnisse, die ihnen durch § 84 Abs. 6 Satz 2 SGB V übertragenen Aufgaben zu erfüllen. Ein ihnen bei der Wahl der Mittel evtl. eingeräumtes Ermessen enthebt sie nicht von der Pflicht, die Ziele des Gesetzes zu verwirklichen. Würde das verbindlich angeordnete Ziel des § 84 Abs. 6 Satz 2 SGB V - Wirtschaftlichkeitsprüfungen an Hand altersmäßig gegliederter Richtgrößen zu ermöglichen - daran scheitern, dass die mit dem Gesetzesvollzug beauftragten Körperschaften von einem ihnen bei der Auswahl der verwendeten Daten eingeräumten Ermessen in einer Weise Gebrauch machen, dass die Bereitstellung altersgestaffelter Richtgrößen letztlich mangels Datengrundlage unterbleibt, würde das rechtsstaatliche Verhältnis zwischen Legislative und Exekutive auf den Kopf gestellt. Allein die Komplexität der jeweils weiterer Konkretisierung bedürftigen Anforderungen des Gesetzgebers an die in §§ 84 und 296 SGB V genannten Adressaten, um die gesetzlich intendierte Form der Richtgrößenprüfungen letztlich durchzusetzen, darf nicht zu einer "Selbstfreistellung der Verwaltung durch selektiven Gesetzesgehorsam" (Dreier, Hierarchische Verwaltung im demokratischen Staat, 1991, Seite 173) führen. Bereits jetzt ist festzustellen, dass in allen Ländern mit Ausnahme des Freistaates Bayern die Richtgrößen nicht in der seit dem 31.12.2001 gesetzlich als Regelfall vorgesehenen Form durchgeführt werden. Vielmehr wird statt dessen flächendeckend das im Gesetzgebungsverfahren vom Bundesrat beschriebene Modell angewandt; dieses verzichtet ohne zwingende Gründe auf eine altersmäßige und morbiditätsbezogene Gliederung und bereinigt statt dessen die Verordnungsvolumina vorab ohne nähere Prüfung des Verordnungsverhaltens um bestimmte Arzneimittel. Genau diesem Vorgehen hatte der Bundestag letztlich mit Zustimmung des Bundesrates eine eindeutige Absage erteilt. Diese Grundentscheidung des parlamentarischen Gesetzgebers ist zu respektieren. Selbst wenn man mit Rücksicht auf den notwendigen zeitlichen Vorlauf für die Aufbereitung der prüfungsrelevanten Arzt- und Vergleichsgruppendaten die Zeitspanne zwischen dem Inkrafttreten der Neufassung des § 296 SGB V am 01.01.2004 und dem Geltungszeitraum der Richtgrößenvereinbarung zum 01.01.2007 für zu kurz bemessen halten wollte, stünde die vom 31.12.2001 bis zum 31.12.2003 bestehende Regelungslücke in § 296 SGB V der Lieferung nach Altersklassen aufgegliederter Arzneimittel- und Verordnungsdaten nicht entgegen (anders: Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 06.05.2011, Az. L 3 KA 9/11 B ER, juris Rn. 24). Die Aufbereitung der von den Kassenärztlichen Vereinigungen und Krankenkassen zu liefernden Daten nach den in den Rahmenvorgaben gemäß § 84 Abs. 7 Satz 5 SGB V bestimmten Altersklassen bedingt lediglich deren Gruppierung in Alterskohorten. Sie verlangt keine Übermittlung zusätzlicher patientenindividueller Daten. Sie ist weder mit einem Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Versicherten verbunden noch berührt sie die Berufsausübungsfreiheit der Vertragsärzte. Wird indessen nicht in (Grund-)Rechte der Bürger eingegriffen, reicht die gesetzliche Aufgabenzuweisung des § 84 Abs. 6 Satz 2 SGB V als Rechtsgrundlage für die Übermittlung der zur Bildung altersgestaffelter Richtgrößen erforderlichen Daten auch ohne ausdrückliche Anordnung in § 296 SGB V aus. Hindernisse, die der Bildung altersmäßig gegliederter Richtgrößen für 2007 entgegengestanden hätten, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Eine vergleichbare Aggregation von Daten an Hand von Versichertenmerkmalen wird bereits im Rahmen der nach Mitgliedern, Familienversicherten und Rentnern gegliederten Richtgrößen praktiziert. Die Gesamtvertragspartner im Freistaat Bayern haben altersmäßig gegliederte Richtgrößen bereits ab dem Jahr 2002, also unmittelbar nach Inkrafttreten des § 84 Abs. 6 Satz 2 SGB V, vereinbart (www.kvb.de/fileadmin/kvb/dokumente/Praxis/Verordnung/Gesetz/Richtgroessenvereinbarung-Arzneimittel-2002-2003-vom-13-05-2002.pdf). Die auf deren Grundlage durchgeführten Richtgrößenprüfungen sind im Rahmen einer gerichtlichen Überprüfung unbeanstandet geblieben (Sozialgericht München, Urteil vom 24.10.2007, Az. S 38 KA 1231/06; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 25.11.2009, Az. L 12 KA 16/08; Bundessozialgericht, Urteil vom 23.03.2011, Az. B 6 KA 9/10 R). Klarstellend ist zu ergänzen, dass die Kammer die Entscheidung nicht zusätzlich auf das Fehlen einer Gliederung der Richtgrößen nach Krankheitsarten gestützt hat. Insoweit ist - was letztlich offen bleiben kann - nicht ausgeschlossen, dass eine solche Untergliederung tatsächlich nicht behebbare Schwierigkeiten aufwirft, die jedenfalls im Prüfjahr 2007 ein Absehen von einer entsprechenden Richtgrößenvereinbarung hätten rechtfertigen können. Der Kammer ist kein Erhebungs- und Steuerungsmodell ersichtlich, das sowohl der fehlenden Spezifik einer Vielzahl von Arzneimittelverordnungen, das heißt der Schwierigkeit einer eineindeutigen Zuordnung von Diagnosen und Arzneimitteln, Rechnung trägt als auch der Multimorbidität vieler Versicherter mit der Erfordernis, den aus Komorbiditäten resultierenden Arzneimittelbedarf angemessen zu berücksichtigen, zugleich aber Mehrfachzuordnungen zu vermeiden. Die Problematik der indikationsbezogenen Erfassung und Gewichtung von Arzneimittelausgaben findet inzwischen eine Parallele im Risikostrukturausgleich, wo die Suche nach einem Lösungsmodell (vgl. § 29 Nr. 1, § 31 Abs. 1 Satz 2 bis 4 und Abs. 2 Satz 3 RSAV) erstmals mit Wirkung ab dem 01.01.2009 in Festlegungen der zu berücksichtigenden Krankheiten sowie diagnosebezogener Morbiditätsgruppen, des Zuordnungsalgorithmus der Versicherten zu den Morbiditätsgruppen, des Regressionsverfahrens zur Ermittlung der Gewichtungsfaktoren und des Berechnungsverfahrens zur Ermittlung der Risikozuschläge durch das Bundesversicherungsamt mündete. Dieses Verfahren kann jedoch - den unterschiedlichen Zielen von Risikostrukturausgleich und Richtgrößenprüfung geschuldet - nicht ohne Weiteres auf die Bildung von Arzneimittelrichtgrößen übertragen werden. Es weist Einschränkungen auf, die der Verwendung als Maßstab zur Beurteilung der Wirtschaftlichkeit von Arzneimittelausgaben entgegenstehen, insbesondere: die Berücksichtigung nur einer begrenzten Zahl ausgewählter Erkrankungen bzw. Diagnosekomplexe, die hierarchische Zuordnung der Behandlungskosten zu jeweils nur einer - der schwersten - Krankheitsklasse des Versicherten ohne vollständige Berücksichtigung von Komorbiditäten und der Rückgriff auf den tatsächlichen Arzneimittelverbrauch als Morbiditätsindikator (vgl. IGES/Lauterbach/ Wasem, Gutachten "Klassifikationsmodelle für Versicherte im Risikostrukturausgleich" 2004, http://www.bundesversicherungsamt.de /fileadmin/redaktion/Risikostrukturausgleich/Weiterentwicklung/ Klassifikationsmodelle RSA IGES-Lauterbach-Wasem.pdf). Zu berücksichtigen ist zudem, dass die Richtgrößen nicht nur das Verordnungsverhalten im Sinne einer Zielgröße steuern sollen, sondern dass es auch möglich sein muss, bei wesentlichen Abweichungen vom Richtgrößenvolumen die Wirtschaftlichkeit der Verordnungen in Relation zu den Richtgrößen zu überprüfen, Praxisbesonderheiten zu identifizieren und den daraus resultierenden gerechtfertigten Mehraufwand zu quantifizieren. Letzteres ist wegen des Fehlens indikationsbezogener Verordnungsstatistiken schon jetzt nur mit erheblichen Pauschalisierungen möglich. Eine diagnose- bzw. indikationsbezogene Gliederung der Arzneimittelausgaben in den Richtgrößen würde die schon jetzt vielfach bestehenden Probleme, typischen Verordnungsaufwand von atypischem Mehraufwand indikationsbezogen zu unterscheiden und die Wirtschaftlichkeit des Letzteren nach Grund und Höhe zu beurteilen, auf die Ebene der Richtgrößenvereinbarung verlagern. Weil der Regress auf die für 2007 festgesetzten Richtgrößen nicht gestützt werden kann und deren rückwirkende Ersetzung durch rechtmäßig gebildete Richtgrößen ausgeschlossen ist, bleibt dem Beklagten für eine Neubescheidung des Widerspruchs kein Raum. Der Ausgangsbescheid der Prüfungsstelle ist mit der Anrufung des Beklagten ohnehin gegenstandslos geworden (vgl. Bundesozialgericht, Urteil vom 09.03.1994, Az. 6 RKa 5/92, juris Rn. 15 ff.). Der Widerspruchsbescheid des Beklagten ist damit ersatzlos aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 VwGO. Der gemäß § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 1 Abs. 2 Nr. 3, § 3 Abs. 1 und § 63 Abs. 2 Satz 1 GKG und § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG nach der sich aus dem Klageantrag ergebenden Bedeutung der Sache festzusetzende Streitwert entspricht der Höhe der streitgegenständlichen Regressforderung (§ 52 Abs. 3 GKG).
Rechtskraft
Aus
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