L 8 U 40/11

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 2 U 156/08
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 8 U 40/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
- kein Anspruch der Witwe auf Renten- und Hinterbliebenenleistungen wegen einer bei ihrem verstorbenen Ehemann (Versicherter) anerkannten Berufskrankheit (BK) Nr. 4103 der Berufskrankheitenverordnung (BKV) - hyaline Pleuraplaques -

- kein Anspruch auf Anerkennung einer BK 4104 (Kehlkopfkrebs) bzw. einer Wie-BK beim verstorbenen Ehemann im Hinblick auf eine unstillbare, zum Tode führende, Blutung eines ausgedehnten Weichteilsarkoms (bösartige Geschwulst) im Bereich der rechten Halsseite

- ein Hypopharynxkarzinom (Tumor des Schlundes) ist nicht gleichzusetzen mit einem Larynxkarzinom (Tumor im Bereich der Luftwege); allein letzterer wird als Kehlkopfkrebs im Sinne der BK 4104 BKV definiert

- keine Anerkennung als Wie-BK, da zum maßgeblichen Zeitpunkt des Todes des Versicherten keine medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse vorlagen, nach denen die Erkrankung in Form eines Hypopharynxkarzinoms/Weichteilsarkoms als eindeutig asbestbedingt hätte angesehen werden können und in die Liste der Berufskrankheiten aufzunehmen gewesen wäre

- eine langjährige, beruflich bedingte Multi-Toxin-Exposition beim Versicherten berechtigt weder die Verwaltung noch die Gerichte, Tatbestände mehrerer Listen-Berufskrankheiten zu einer neuen Gesamt-BK zu verbinden
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 18. Mai 2011 wird zurückgewiesen. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. &8195;

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin einen Anspruch auf Renten- und Hinterbliebenenleistungen wegen einer bei ihrem verstorbenen Ehemann anerkannten Berufskrankheit (BK) 4103 hat. Außerdem streiten die Beteiligten darüber, ob die Beklagte zu Recht die Anerkennung einer BK 4104 bzw. einer Wie-BK beim verstorbenen Ehemann der Klägerin sowie entsprechende Renten- und Hinterbliebenen¬leistungen abgelehnt hat.

Die 1941 geborene Klägerin ist Witwe des am 1941 geborenen und am 2006 verstorbenen M D. Dieser war von 1956 bis 2003 mit eineinhalbjähriger Unterbrechung durch den Wehrdienst als Bau- und Möbeltischler tätig gewesen und dabei gegenüber Holzstäuben, Holzbeizen, Holzschutzmitteln, Lösungsmitteln, Formaldehyd und asbesthaltigen Feinstäuben exponiert gewesen.

Seit dem 1. Februar 2003 hatte der verstorbene Ehemann der Klägerin Altersrente von der Deutschen Rentenversicherung Nord bezogen.

Mitte März 2006 war bei der Beklagten die ärztliche Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit des Arztes für HNO-Heilkunde Dr. W vom 14. März 2006 eingegangen.

Die Beklagte hatte daraufhin ein Berufskrankheitenfeststellungsverfahren hinsichtlich der Erkrankung des Ehemannes der Klägerin eingeleitet, zog das Vorerkrankungsverzeichnis der HZK-Krankenkasse sowie Berichte der den Ehemann der Klägerin behandelnden Ärzte beigezogen und eine Stellungnahme des Arztes für HNO-Heilkunde Dr. W eingeholt.

Zudem hatte die Beklagte eine Stellung ihrer Präventionsabteilung zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 4103/4104 vom 3. Mai 2006 eingeholt. Zusammenfassend war Dr. K zu dem Ergebnis gelangt, dass beim Ehemann der Klägerin von einer Exposition gegenüber asbesthaltigen Stäuben von 0,5 Faserjahren auszugehen sei.

Am 11. Mai 2006 verstarb der Ehemann der Klägerin an den Folgen eines Weichteilsarkoms (bösartige Geschwulst) der rechten Halsseite. Nebenbefundlich war ein metastasierendes Plattenepithelkarzinom des Hypopharynx (Schlund; Bereich, der Speise- und Luftwege trennt) festgestellt worden.

Nach dem Ableben des Ehemannes der Klägerin veranlasste die Beklagte eine Obduktion und holte ein fachpathologisches Gutachten durch den Pathologen Dr. D - vom 25. Juli 2006 vom Institut für Pathologie der Ruhr-Universität Bochum sowie ein pathologisch-anatomisches Zusammenhangsgutachten des Pathologen Dr. G vom 18. September 2006 ein.

Im Anschluss daran legte die Beklagte den Vorgang dem Landesgewerbearzt Dr. N vor, der in seiner Stellungnahme vom 26. Oktober 2006 ausführte, dass der Vollbeweis einer Erkrankung nach der Nr. 4104 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) nicht vorliege. Der Ehemann der Klägerin habe an einem sogenannten Hypopharynxkarzinom, also einem Tumor des Schlundes, nicht des Kehlkopfes gelitten. Der Schlundtumor sei laserchirurgisch entfernt worden, histologisch habe es sich um ein Plattenepithelkarzinom gehandelt. In einer zweiten Operation sei eine Ausräumung von Muskeln und Lymphknoten entlang von Hals-Kopfmuskeln durchgeführt worden (sogenannte Neck-Dissection). Im Zuge dieser Operation habe sich ein Zweittumor gefunden, ein sogenanntes Sarkom. Weiterhin hätten asbestbedingte Veränderungen an der Pleura bestanden. Sowohl die Röntgenbefunde als auch die Obduktionsbefunde zeigten typische asbestbedingte Pleuraplaques. Dr. N empfahl die Anerkennung einer BK 4103 ohne Rentenzahlung.

Mit Bescheid vom 25. Januar 2007 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 4104 der Anlage zur BKV und die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen ab und führte zur Begründung aus, dass die Anerkennung einer Berufskrankheit nach der Nr. 4104 (Lungenkrebs- und Kelhkopfkrebserkrankungen, verursacht durch Asbest) an dem fehlenden medizinischen Krankheitsbild eines Kehlkopfkrebses (Larynxkarzinom) scheiterte. Nach den durchgeführten Ermittlungen und pathologischen Untersuchungen sei der Ehemann der Klägerin an einem Tumor des Schlundes (Hypo¬pharynxkarzinom) mit Lymphknotenmetastasen und Sarkom in der rechten Halsseite erkrankt und nicht an einer Tumorerkrankung des Kehlkopfes oder der Lunge.

Mit ihrem Widerspruch vom 23. Februar 2007 machte die Klägerin geltend, dass es sich bei einem Hypopharynxkarzinom um ein sogenanntes äußeres Kehlkopfkarzinom handele und daher auch von der BK 4104 erfasst werde.

Die Beklagte holte eine beratungsärztliche Stellungnahme des HNO-Arztes Dr. L ¬ vom 31. März 2008 und des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. U vom 24. Mai 2008 ein und wies den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 18. September 2008 gegen die Ablehnung einer BK 4104 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Berufskrankheit nach der Nr. 4104 das Vorliegen einer Lungenkrebs- oder Kehlkopfkrebserkrankung fordere. Bei der Kehlkopfkrebserkrankung seien ausdrücklich nur Larynxkarzinome erwähnt. Der Hypopharynx und der Larynx seien zwei aneinandergrenzende anatomische Regionen, die sich jedoch deutlich voneinander unterschieden. Während sich im Hypopharynx Speise- und Luftwege trennten, liege der Larynx nur im Bereich der Luftwege. Bei einem Hypopharynxkarzinom handele es sich nicht um ein Larynxkarzinom. Ein Hypopharynxkarzinom werde deshalb auch als ein falsches äußeres Larynxkarzinom bezeichnet. Es liege somit nicht das medizinische Bild einer Berufskrankheit nach der Nr. 4104 vor, so dass die Voraussetzungen für eine Anerkennung als oder wie eine Berufskrankheit nicht erfüllt seien.

Parallel dazu hatte die Beklagte nach Auswertung der eingeholten Gutachten mit einem weiteren Bescheid vom 25. Januar 2007 eine BK 4103 ohne Rentenzahlung anerkannt. Zur Begründung hatte die Beklagte ausgeführt, dass die Veränderungen im Bereich der Pleura (Brustfell und Lungenfell) als berufsbedingt anerkannt würden. Diese Erkrankung sei eine Berufskrankheit nach der Nr. 4103 der Anlage zur BKV.

Als Folge der Berufskrankheit werde anerkannt:

Plattenartige Veränderungen (sogenannte Plaques) im Bereich der Pleura ohne bestimmenden Krankheitswert.

Als Folge der Berufskrankheit werde nicht anerkannt:

Ausgedehntes Weichteilsarkom im Bereich der rechten Halsregion, Krebsleiden des Schlundes.

Die Klägerin habe als Sonderrechtsnachfolgerin keinen Anspruch auf eine Verletztenrente. Ebenso scheide ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen aus, da der Ehemann der Klägerin nicht an den Folgen der BK 4103 verstorben sei.

Mit ihrem Widerspruch vom 23. Januar 2007 hatte die Klägerin geltend gemacht, dass die Versagung einer Hinterbliebenenrente sowie die Versagung einer Verletztenrente keinen Bestand haben könne, da die Ermittlungen von der Beklagten unzureichend durchgeführt worden seien. Unzweifelhaft habe bei ihrem verstorbenen Ehemann eine berufsbedingte Exposition gegenüber Asbest sowie gegenüber diversen Lösungsmitteln bestanden. Es sei auch zu bedenken, dass in den Jahren von 1950 bis 1970 grundsätzlich keine Arbeitsvorschriften existiert hätten, so dass die Betroffenen einer massiven Exposition gegenüber Asbest ausgesetzt gewesen seien. Ergänzend hatte die Klägerin auf beigefügte eidesstattliche Versicherungen von fünf ehemaligen Kollegen ihres verstorbenen Ehemannes verwiesen.

Weiterhin bestritt die Klägerin das Ergebnis der Ermittlungen der Präventionsabteilung der Beklagten; sie halte die Einschätzung von 0,5 Faserjahren definitiv für falsch.

Ebenfalls mit einem Bescheid vom 18. September 2008 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin gegen die Anerkennung einer BK 4103 ohne Rentenleistungen zurück und führte zur Begründung aus, dass asbestassoziierte Pleuraplaques die Ventilationsfunktion der Lunge im Allgemeinen nicht beeinträchtigten, so dass diese auch nicht zur Grundlage einer Bewertung der MdE gemacht werden könnten. Lungenfunktionsprotokolle, die einen weiteren Aufschluss über Lungenfunktionseinschränkungen geben könnten, seien zu Lebzeiten des Ehemannes der Klägerin nicht angefertigt worden. Nach dem Tod könnten derartige Untersuchungen nicht mehr durchgeführt werden.

Gegen beide Widerspruchsbescheide hat die Klägerin am 21. Oktober 2008 Klage erhoben, zu deren Begründung sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft hat und ergänzend darauf abgestellt hat, dass der den Versicherten früher behandelnde HNO-Arzt Dr. W über einen großen Erfahrungswert mit Hypopharynxkarzinomen verfüge. Dieser halte einen Kausalzusammenhang zwischen der Erkrankung ihres verstorbenen Ehemannes und der Exposition gegenüber Asbest, diversen Lösungsmitteln und weiteren extrem gesundheitsgefährdenden Arbeitsmaterialien für möglich.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 25. Januar 2007 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 18. September 2008 zu verurteilen, ihr – der Klägerin – unter Anerkennung der Krebserkrankung ihres verstorbenen Ehemannes als Berufskrankheit bzw. wie eine Berufskrankheit Verletztenrente bzw. Hinterbliebenenleistungen zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat sie sich auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden bezogen.

Das Sozialgericht hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts Behandlungs- und Befundberichte des HNO-Arztes Dr. V - vom 10. November 2009, des HNO-Arztes Dr. F vom 17. September 2009 und des HNO-Arztes Dr. W vom 27. November 2009 jeweils nebst weiteren Befundunterlagen eingeholt und Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Gutachtens des Arztes für Innere Medizin, Arbeitsmedizin, Lungen- und Bronchialheilkunde, Allergologie und Umweltmedizin Prof. Dr. B vom 16. November 2009. Dieser ist zusammenfassend zu dem Ergebnis gelangt, dass weder das zum Tode führende Weichteilsarkom noch das daneben festgestellte metastasierende Hypopharynxkarzinom mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Tätigkeit des verstorbenen Ehemannes der Klägerin als Bau- und Möbeltischler zurückzuführen sei. Die bei der Obduktion nachgewiesenen hyalinen Pleuraplaques seien mit Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Asbestbelastung zurückzuführen. Damit habe beim verstorbenen Ehemann der Klägerin eine Berufskrankheit nach der Nr. 4103 ohne wesentliche Minderung der Erwerbsfähigkeit vorgelegen.

Nachdem die Klägerin gerügt hatte, dass dem Sachverständigen nicht alle Befundunterlagen vorgelegen hätten und sie ihrerseits die den Verstorbenen betreffenden Krankenakten der Praxis Dres. S und F sowie die Krankenakten der A -Klinik Nord übersandt hatte, hat das Sozialgericht daraufhin eine ergänzende Stellungnahme des Sachverständigen Prof. Dr. B vom 21. Oktober 2010 eingeholt. Dieser hat auch nach Auswertung der übersandten Unterlagen keinen Anlass gesehen, seine bisherige Beurteilung zu revidieren.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 18. Mai 2011 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Rechtsgrundlage für den Anspruch auf Verletztenrente wegen berufsbedingter Erkrankungen sei § 9 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (SGB VII) i. V. m. § 56 SGB VII, wonach der Träger der gesetzlichen Unfallversicherung nach Eintritt einer Berufskrankheit u. a. Verletztenrente zahle.

In Betracht komme vorliegend die Berufskrankheit Nr. 4104 der Anlage 1 zur BKV. Die Berufskrankheit 4104 erfasse Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs

&61485; in Verbindung mit Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose), &61485; in Verbindung mit durch Asbeststaub verursachter Erkrankungen der Pleura oder &61485; bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaub-Dosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren (25 x 106 [(Fasern/m3) x Jahre]).

Unabhängig von der Frage, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 4104 erfüllt seien, scheitere die Anerkennung bereits daran, dass im Falle des verstorbenen Ehemannes der Klägerin das medizinische Krankheitsbild eines Kehlkopfkrebses (Larynxkarzinoms) nicht erfüllt sei. Nach den im Verwaltungsverfahren wie auch Gerichtsverfahren eingeholten Gutachten sei der verstorbene Ehemann der Klägerin an einem Tumor des Schlundes (Hypopharynxkarzinom) erkrankt, nicht an einem Larynxkarzinom, wie er von der BK 4104 erfasst werde. Der Hypopharynx und der Larynx seien zwei aneinandergrenzende anatomische Regionen, die sich jedoch deutlich voneinander unterschieden. Während sich im Hypopharynx Speise- und Luftwege trennten, liege der Larynx nur im Bereich der Luftwege.

Auch komme die Anerkennung einer Kehlkopfkrebserkrankung als Quasi-BK nicht in Betracht; denn die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 SGB VII seien im Hinblick auf die in Rede stehende Erkrankung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin nicht erfüllt. Zu diesen Voraussetzungen gehörten sowohl der ursächliche Zusammenhang der Krankheit mit der nach den §§ 7, 8 SGB VII versicherten Tätigkeit als auch die Zugehörigkeit des Versicherten zu einer bestimmten Personengruppe, die durch ihre Arbeit im erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen Einwirkungen ausgesetzt sei, die nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft Krankheiten der betreffenden Art verursachten (sogenannte gruppentypische Risikoerhöhungen). Mit dieser Regelung solle nach den Vorgaben in der Rechtsprechung nicht in der Art einer Generalklausel erreicht werden, dass jede Krankheit, deren ursächlicher Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit im Einzelfall zumindest hinreichend wahrscheinlich sei, wie eine BK zu entschädigen sei. Vielmehr sollten damit Krankheiten zur Entschädigung gelangen, die nur deshalb nicht in die BK-Liste aufgenommen worden seien, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen bei ihrer Arbeit bei der letzten Fassung der Anlage zur BKV noch nicht vorhanden gewesen seien oder trotz Nachprüfung noch nicht ausgereicht hätten.

Der von der Kammer beauftragte Sachverständige Prof. Dr. B habe in seinem Gutachten dazu ausgeführt, dass die nicht sehr umfangreiche Literatur zu asbestbedingten Ursachen des Hypopharynxkarzinoms zusammenfassend durchaus Hinweise für mögliche berufliche Zusammenhänge zeige. Allerdings seien die bisherigen Studienergebnisse noch nicht so überzeugend, dass sie ausreichten, um das Hypopharynxkarzinom als eindeutig asbestbedingt ansehen zu können. Hinzukomme, dass der Hypopharynx anatomisch nicht Teil des Kehlkopfes sei, so dass eine Anerkennung eines sich im Sinus piriformis entwickelten Karzinoms nicht als BK 4104 erfolgen könne.

Letztlich sei für die Anerkennung der in Rede stehenden Erkrankung als Quasi-BK auch im Hinblick auf die Asbestexposition des verstorbenen Ehemannes der Klägerin kein Raum. Kehlkopfkrebs durch Asbest habe als BK 4104 Eingang in die BK-Liste gefunden, ohne dass der verstorbene Ehemann der Klägerin die Voraussetzungen für die Anerkennung erfüllt hätte. Hinweise darauf, dass neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse vorlägen, die es erforderlich machen würden, eine entsprechende Ergänzung oder Änderung der Listen-BK vorzunehmen und dementsprechend die Anerkennung als Quasi-BK rechtfertigen würden, seien nicht ersichtlich.

Der Klägerin stünden auch keine Ansprüche auf Entschädigungsleistungen gegen die Beklagte wegen der anerkannten BK 4103 zu. Die Berufskrankheit 4103 erfasse die Asbeststaublungenerkrankungen (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankungen der Pleura. Zwar seien hyaline Pleuraplaques nachgewiesen worden, diese führten in der Regel aber nicht zu gesundheitlichen Einschränkungen, denen eine rentenberechtigende Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) beizumessen sei. Aus den Aktenunterlagen ergäben sich keine Hinweise darauf, dass beim verstorbenen Ehemann der Klägerin eine auf die Pleuraplaques zurückzuführende klinisch funktionsanalytische Einschränkung der Atemfunktion vorgelegen habe. Dementsprechend sei es nicht zu beanstanden, dass die Beklagte eine BK 4103 ohne Rentenzahlung anerkannt habe.

Auch aus den von der der Klägerin eingereichten Krankenakten seien keine weiteren Erkenntnisse zu entnehmen, die Rückschlüsse auf eine Einschränkung der Lungenfunktion zuließen. Bei nochmaliger Durchsicht aktueller Literatur durch den Sachverständigen hätten sich keine überzeugenden Hinweise für einen Zusammenhang zwischen der beruflichen Tätigkeit des verstorbenen Ehemannes der Klägerin und den bei ihm aufgetretenen Tumoren ergeben. Das gelte nicht nur für das Hypopharynx¬karzinom, sondern betreffe auch den Weichteiltumor. Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B reichten die diesbezüglichen Studien insgesamt nicht aus, um von gesicherten, auf den Beruf des Bau- und Möbeltischlers anzuwendenden Erkenntnissen zu sprechen. Dies gelte letztlich auch für eine mögliche Exposition des Versicherten gegenüber Formaldehyd. Daneben sei zu beachten, dass beim verstorbenen Ehemann der Klägerin ein chronischer Alkoholabusus, aber auch ein Rauchverhalten vorgelegen habe, das sich als außerberufliches Risiko darstelle.

Gegen das ihr am 29. August 2011 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 28. Sep-tember 2011 Berufung eingelegt. Zur Begründung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend, sie gehe davon aus, dass die Krebserkrankung ihres verstorbenen Ehemannes als Berufskrankheit anzusehen sei, sein Ableben infolge der Krebserkrankung daher auf der Berufskrankheit basiere, wobei die festgestellten hyalinen Pleuraplaques infolge der definitiven Asbestbelastung wie auch die weiteren berufsbedingten Schadstoffexpositionen (= Lösungsmittel, NC-Lacke, Formaldehyd, Arbeitsplatten und Carbolineum) mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zumindest als mitursächlich – jedenfalls in der Gesamtbetrachtung – anzusehen seien, so dass die leistungsversagenden Bescheide der Beklagten keinen Bestand haben könnten.

Es gehe hier um eine berufsbedingte Mehrfachbelastung mit einer Reihe von krebserregenden Substanzen. Die Bewertung durch den vom Sozialgericht herangezogenen Gutachter leide bereits insofern an groben Mängeln, als diesem bei Abfassen des Hauptgutachtens lediglich einzelne Arztberichte, nicht jedoch die kompletten Behandlungsunterlagen ihres verstorbenen Ehemannes der seine Krebserkrankung behandelnden Ärzte vorgelegen hätten. In seiner subjektiven, ausschließlich auf der Basis der unvollständigen Ermittlungsakte der Beklagten erfolgten Bewertung sei der Gerichtsgutachter bereits innerlich festgelegt gewesen, als er seine ergänzenden Ausführungen gemacht habe. Seine Bewertung lasse zudem die gebotene Gesamtbetrachtung vermissen, in der gerade berücksichtigt werden müsste, dass der Verstorbene über Jahrzehnte berufsbedingt mehreren krebserregenden Stoffen ausgesetzt gewesen sei. Die streitentscheidenden Aspekte bezüglich der krebserregenden Immissionen hätten fachkompetent lediglich durch einen Onkologen bewertet werden können. Das Sozialgericht verkenne zudem bei seiner ablehnenden Entscheidung, dass sich der Hypopharynx als äußerer Kehlkopf definiere. Diese medizinische Definition im Rahmen der menschlichen Anatomie sei bindend und nicht einer freien Interpretation zugänglich. Abgesehen davon, dass beim Verstorbenen kein Alkoholabusus vorgelegen habe und das gelegentliche Rauchverhalten als unwesentliche außerberufliche Exposition völlig irrelevant sei, klammere das Sozialgericht bei seiner Entscheidung gänzlich aus, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht eine entsprechende Wahrscheinlichkeit genüge, wobei eine Mitursächlichkeit ausreiche. Überdies werde die hinreichende Wahrscheinlichkeit für die (Mit-)Ursächlichkeit berufsbedingter Schadstoffexpositionen nach der Rechtsprechung des Schleswig-Hol¬steinischen Landessozialgerichts (Urteil vom 13. September 2007 – L 1 U 44/03) angenommen, wenn die schädigenden beruflichen Einwirkungen in einer bestimmten Dosis/Wirkungsbeziehung stünden, aufgrund derer sich das Risiko einer Erkrankung zumindest verdopple. Hiervon sei hinsichtlich der Exposition mit Carbolineum auszugehen; denn ihr verstorbener Ehemann – der der Klägerin – habe insoweit eine Immission erfahren, die nach der eindeutigen gutachterlichen Feststellung eine Verdoppelung des Risikos für Weichteilsarkome aufweise.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 18. Mai 2011 sowie die Bescheide der Beklagten vom 25. Januar 2007 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 18. September 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie – die Klägerin – unter Anerkennung der Krebserkrankung ihres am 11. Mai 2006 verstorbenen Ehemannes M D als Berufskrankheit bzw. wie eine Berufskrankheit eine Verletztenrente als Sonderrechtsnachfolgerin ab dem 14. März 2006 bis zum 31. Mai 2006 nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) des Versicherten von mindestens 20 v. H. zu gewähren sowie ab dem 11. Mai 2006 eine Hinterbliebenenrente zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend und weist darauf hin, dass zunächst die Berufskrankheit Nr. 4104 wie auch die Berufskrankheit Nr. 4103 überprüft worden seien. Dabei sei festgestellt worden, dass ein Kehlkopfkarzinom nicht vorgelegen habe, sondern vielmehr ein Weichteilsarkom des Schlundes. Es habe demnach kein adäquates Schadensbild für eine "Listenerkrankung" vorgelegen. Nur wenn eine solche Einordnung nicht möglich sei, eröffne der Gesetzgeber eine Prüfung nach der sog. Öffnungsklausel gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII. Dabei sei jedoch zu beachten, dass auch insoweit konkrete Voraussetzungen vorliegen müssten, und zwar dergestalt, dass sich bereits eine zwar neue, wissenschaftlich-medizinische Erkenntnis so verdichtet habe, dass mit einer Aufnahme in die Berufskrankheitenliste auf Anraten des medizinischen Sachverständigenbeirates zu rechnen sei. Das sei hier nicht der Fall.

Es lägen keine gesicherten medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, durch welche exogene Noxen Weichteilsarkome des Halses verursacht würden. Der Verordnungsgeber bediene sich zur Feststellung neuerer Erkenntnisse des ärztlichen Sachverständigenbeirats, der ggf. Empfehlungen für die Bezeichnungen neuer Berufskrankheiten ausspreche. Ihres Wissens – des der Beklagten – lägen dort keine Erkenntnisse über das Auftreten von Weichteilsarkomen des Halses bei Bau- und Möbeltischlern vor. Auch damit habe sich der erstinstanzlich herangezogene medizinische Sachverständige Prof. Dr. B , ein versierter Arbeitsmediziner, ausführlich auseinandergesetzt.

Auf Antrag der Klägerin hat der Senat ein schriftliches Sachverständigengutachten gemäß § 109 SGG vom stellvertretenden Direktor der Medizinischen Klinik mit Schwerpunkt Onkologie und Hämatologie des Universitätsklinikums Charité, Berlin, Prof. Dr. K , eingeholt. In seinem onkologischen Fachgutachten vom 27. Februar 2013 hat Prof. Dr. K zur Frage, ob eine durch die Folgen der Berufskrankheit bedingte Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) vorliege, ggf. in welcher Höhe, Folgendes ausgeführt:

"Die als Berufskrankheit Nr. 4103 anerkannten hyalinen Pleuraplaques führen bei nicht dokumentierter pulmonaler Einschränkung nicht zu einer Minderung der Erwerbstätigkeit. Im Falle einer Anerkennung des Weichteilsarkoms und/ oder des Hypopharynxkarzinoms ist ab der Diagnosestellung, welche zeitgleich am eintrat von einer Minderung der Erwerbstätigkeit von 100 % anhaltend bis zum Tod von Herrn D auszugehen."

Die Klägerin hat mit Schriftsatz vom 24. April 2013 ausgeführt, aus ihrer Sicht komme Prof. Dr. K zusammenfassend zu dem eindeutigen Resultat, dass sowohl das Weichteilsarkom durch die berufliche Exposition von Phenolen als auch das Hypopharynxkarzinom durch die berufliche Exposition von Asbest und weiteren Toxinen als quasi-Berufskrankheit einzuordnen sei. Die Minderung der Erwerbstätigkeit ordne der Sachverständige sowohl für das Weichteilsarkom als auch das Hypopha-rynxkarzinom mit 100 % bis zum Ableben ihres früheren Ehemannes am 11. Mai 2006 ein, wobei dessen Tod auf die Folgen des schnell progredienten undifferenzierten Weichteilsarkoms zurückzuführen sei. Konkret seien Asbest und Phenol für die Entstehung des Weichteilsarkoms und des Hypopharynxkarzinoms als mitursächlich zu sehen. Der Sachverständige gehe hierbei von einer über Jahre währenden berufsbedingten Multi-Toxin-Exposition aus, wobei der Stellenwert der einzelnen Toxine wie Asbest und Phenol als Ko-Faktoren bei der Kanzerogenese und höher einzustufen seien, als es die Analyse der Einzelfaktoren abbilde.

Prof. Dr. K hat mit Schriftsatz vom 20. September 2013 auf Anfrage des Gerichts bestätigt, dass sein Gutachten genauso aufzufassen sei, wie von der Klägerin vorgetragen.

Die Beklagte hält auch im Hinblick auf das Sachverständigengutachten von Prof. Dr. K dessen Überprüfung nicht für überzeugend. Es werde die Exposition gegenüber Holzschutzmitteln angeführt (phenolhaltig), gleichzeitig werde auf die nur limitierte Evidenz der zitierten Studie hingewiesen, d. h., es sei eine positive Assoziation zwischen der angeschuldigten Substanz und Tumorentität beobachtet worden, die eine kausale Interpretation/einen Zusammenhang lediglich glaubhaft erscheinen ließe, wobei eine zufällige Häufung quasi nicht ausgeschlossen werde. Das reiche in keinem Fall für eine überzeugende, hinreichende Wahrscheinlichkeit der Verursachung aus, wobei hier noch gar nicht die Qualität und Quantität der Exposition festgestellt worden sei. Des Weiteren werde eine sog. Multi-Toxin-Exposition bei dem Versicherten über viele Jahre gesehen. Allerdings sehe die Berufskrankheiten-verordnung einen sog. Synergieeffekt verschiedener Toxine, kumulierend betrachtend, nicht vor; insbesondere auch nicht für Asbest und Holzschutzmittel. Angesichts dessen überzeugten die Ausführungen des Sachverständigen nicht, der abschließend zu dem Ergebnis komme, ein Zusammenhang zwischen dem Weichteilsarkom und der beruflichen, nicht detailliert quantifizierten Exposition von verschiedenen Noxen erscheine möglich, möglicherweise auch wahrscheinlich; daher sei davon auszugehen, dass diese Erkenntnisse bei der letzten Änderung der Berufskrankheitenliste noch nicht vorgelegen hätten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen; diese sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Das Urteil des Sozialgerichts wie auch die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat weder Anspruch auf Renten- noch auf Hinterbliebenenleistungen.

Das im Rahmen der Klagehäufung nach § 56 Sozialgerichtsgesetz (SGG) geltend gemachte Begehren der Klägerin hat auch im Berufungsverfahren keinen Erfolg.

Die Klägerin hat keinen Anspruch als Rechtsnachfolgerin auf eine Verletztenrente für die Zeit ab Krankheitsbeginn ihres verstorbenen Ehemannes, des Versicherten M - D , ab der am 14. März 2006 gestellten ärztlichen Diagnose im Rahmen der Anzeige bei Verdacht auf eine Berufskrankheit durch Dr. W aufgrund dessen, dass die Beklagte mit Bescheid vom 25. Januar 2007 die Veränderungen im Bereich der Pleura (Brustfell und Lungenfell) des Versicherten als berufsbedingt anerkannt hat und diese Erkrankung als Berufskrankheit nach Nr. 4103 der Anlage zur Berufskrankheiten¬verordnung (BKV) eingestuft hat. Wie in jenem Bescheid im Einzelnen ausgeführt ist, habe zwar neben der ausreichend gesicherten Asbestexposi¬tion des Versicherten bei ihm eine plattenartige Veränderung im Bereich der Pleura nachgewiesen werden können, die auf die Asbestexposition zurückgeführt werde. Den asbestbedingten Pleuraver¬änderungen sei jedoch kein maßgeblicher Krankheitswert zuzuordnen gewesen, so dass eine Einschränkung der Lungenfunktion nicht vorgelegen habe. Die Erwerbsfähigkeit des verstorbenen Ehemannes der Klägerin sei dadurch nicht vermindert worden. Ein Anspruch auf eine Rente bestehe nicht, weil die Erwerbsfähigkeit des verstorbenen Ehemannes der Klägerin nicht um mindestens 20 % gemindert gewesen sei.

Eine solche Minderung der Erwerbsfähigkeit in mindestens diesem Ausmaß wäre aber Voraussetzung gewesen für einen Rentenanspruch nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch, Siebtes Buch (SGB VII), den die Klägerin als Sonderrechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes für die Zeit bis zu dessen Tod bzw. gemäß § 73 Abs. 6 SGB VII bis zum Ende des Monats, in dem der Tod eintrat (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 13. Februar 2013 – B 2 U 33/11 R –, recherchiert bei juris) – anderenfalls – hätte geltend machen können. Diese Voraussetzung war hier nicht erfüllt.

Auch das Sozialgericht hat bereits ausführlich und zutreffend im angefochtenen Urteil dargelegt, dass die Aktenunterlagen keinerlei Hinweise darauf enthielten, dass bei dem verstorbenen Ehemann der Klägerin eine auf die Pleuraplaques zurückzuführende klinisch funktionsanalytische Einschränkung der Atemfunktion vorgelegen habe; entsprechende Lungenfunktionsprotokolle seien zu keinem Zeitpunkt gefertigt worden und könnten daher auch nicht zur Grundlage der Bewertung einer (theoretisch denkbaren) Minderung der Erwerbsfähigkeit gemacht werden. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die entsprechenden Ausführungen in den Entscheidungsgründen des erstinstanzlichen Urteils verwiesen. Diese Einschätzung wird auch ausdrücklich bestätigt durch die Erkenntnisse des im Rahmen von § 109 SGG tätig gewordenen medizinischen Sachverständigen Prof. Dr. K , der zusammenfassend ausgeführt hat, die als Berufskrankheit Nr. 4103 anerkannten hyalinen Pleuraplaques führten bei nicht dokumentierter pulmonaler Einschränkung nicht zu einer Minderung der Erwerbsfähigkeit. Er hat in diesem Zusammenhang weiter ausgeführt, eine relevante Nebendiagnose im Hinblick auf das Versterben von Herrn D am ausgedehnten Weichteilsarkom bestehe durch die hyalinen Pleuraplaques nicht.

Ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen bestand bezogen auf die als BK Nr. 4103 anerkannte Veränderung im Bereich der Pleura schon deshalb nicht, weil wie die Beklagte im Bescheid vom 25. Januar 2007 zutreffend ausgeführt hat der Verstorbene nicht an den Folgen der Berufskrankheit (Nr. 4103 BKV) verstorben ist, sondern an den Folgen eines ausgedehnten Weichteilsarkoms im Bereich der rechten Halsseite im Rahmen einer unstillbaren Tumorblutung.

Ein Anspruch auf eine Rentenzahlung als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ab der Diagnose der Krankheit bis zum Ende des Monats, in dem der Tod des Versicherten M D eintrat (Ende Mai 2006), bzw. ein Anspruch auf Hinterbliebenenrente ab dem Todestag gemäß §§ 63 Abs. 1 Nr. 3 SGB VII, 72 Abs. 2 Satz 1 SGB VII besteht auch nicht im Hinblick darauf, dass die Klägerin als Witwe ihres verstorbenen Ehemannes geltend macht, die Beklagte habe zu Unrecht eine Leistungsgewährung wegen dessen Krebserkrankung durch (weiteren) Bescheid vom 25. Januar 2007 abgelehnt und sich in diesem Zusammenhang darauf berufen, dessen Erkrankung sei keine Berufskrankheit nach Nr. 4104 BKV (Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs i.V.m. Asbesteinwirkungen). Der Einwand, das Sozialgericht habe zu Unrecht auch eine Wie-BK abgelehnt, greift ebenfalls nicht durch.

Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB VII besteht der Anspruch von Hinterbliebenen auf Leistungen nach Satz 1 Nr. 1 bis 3 – also auch die hier begehrte Hinterbliebenenrente – nur, wenn der Tod infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist. Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Dem Tod durch einen Versicherungsfall steht der Tod von Versicherten gleich, deren Erwerbsfähigkeit durch die Folgen einer Berufskrankheit nach den Nummern 4101 bis 4104 der Anlage 1 der BKV um 50 v. H. oder mehr gemindert war (§ 63 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Dies gilt nicht, wenn offenkundig ist, dass der Tod mit der Berufskrankheit nicht in ursächlichem Zusammenhang steht (§ 63 Abs. 2 Satz 2, 1. Teil SGB VII).

Beim Versicherten kommt als Versicherungsfall lediglich eine Berufskrankheit in Betracht. Bei Berufskrankheiten ist nach § 9 SGB VII zwischen "Listen-Berufskrank-heiten" und "Wie-Berufskrankheiten" zu unterscheiden. Eine Listen-BK nach § 9 Abs. 1 SGB VII setzt voraus, dass die Krankheit als Berufskrankheit in einem Tatbestand der BKV erfasst ist und diesen erfüllt. Hingegen ist eine Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII als Versicherungsfall anzuerkennen, wenn die Krankheit nicht in der BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht erfüllt, aber nach neuen Erkenntnissen der Wissenschaft die Voraussetzungen für ihre Bezeichnung als Berufskrankheit in der Anlage zur BKV durch den Verordnungsgeber gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII vorliegen. Das Gesetz definiert für die Berufskrankheiten also zwei Arten von Versicherungsfällen. Jeder dieser Versicherungsfälle kann im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zum Tod des Versicherten führen und Leistungen an Hinterbliebene auslösen (BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 – 2 U 5/08 R –, recherchiert bei juris).

Die Klägerin hat wegen des Todes ihres verstorbenen Ehemannes im Hinblick auf eine BK 4104 ebenfalls weder einen Anspruch auf Renten- noch auf Hinterbliebenenleistungen; denn der Versicherungsfall einer BK 4104 hat nicht vorgelegen. Ebenso hat kein Versicherungsfall einer Wie BK vorgelegen, desgleichen auch nicht der Versicherungsfall einer Art "Gesamt BK" aufgrund einer Gesamtbetrachtung oder Kombination von mehreren Listen-Berufskrankheiten.

Aus § 9 Abs. 1 SGB VII lassen sich für eine Listen BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer – grundsätzlich – versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen o. ä. auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; BSG, Urteile vom 2. April 2009 – B 2 U 9/08 R –, vom 12. Januar 2010 – B 2 U 5/08 R –, jeweils recherchiert bei juris). Von den in der Anlage zur BKV bezeichneten Listen-Berufskrankheiten könnte im Falle des Versicherten - der als Bau- und Möbeltischler gearbeitet hat, berufsbedingt (in unterschiedlichem Ausmaß) im Wesentlichen Phenolen, Asbest und weiteren Toxinen ausgesetzt war und an einer Mehrfachtumorerkrankung gelitten hat mit einem Hypopharynxkarzinom (Plattenepithelkarzinom im Sinus piriformis rechts) mit Halslymphknotenmetastase rechts sowie einem großen Weichteilsarkom des Halses, das letztlich zum Tode geführt hat – zudem ein Versicherungsfall nach der BK 4104 in Betracht kommen, beim Versicherten in der Variante des Kehlkopfkrebses.

Das Sozialgericht hat im angefochtenen Urteil zutreffend die einzelnen Varianten der BK 4104 dargestellt und unter ausführlicher Begründung dargelegt, dass – ungeach¬tet der Frage, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt seien (laut beratendem Arzt der Beklagten, Dr. U , vom 11. April 2008 hätten nur 0,6 Asbestfaserjahre gesichert werden können) – die Anerkennung einer BK 4104 beim verstorbenen Ehemann der Klägerin allein schon wegen der Lokalisation des Tumors nicht in Betracht komme. Dieser Auffassung stimmt der Senat zu und verweist auch insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Gründe im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts.

Eine andere rechtliche Einordnung ist auch nicht im Hinblick auf den im Berufungsverfahren von Klägerseite wiederholend vorgetragenen Einwand geboten, der Hypo¬pharynx definiere sich als äußerer Kehlkopf, diese medizinische Definition im Rahmen der menschlichen Anatomie sei bindend und nicht einer freien Interpretation zugänglich, so dass die Krebserkrankung des Versicherten sehr wohl unter die BK 4104 zu fassen sei. Diese Schlussfolgerung der Klägerin trifft nicht zu.

Die BK 4104 ist definiert als "Lungenkrebs oder Kehlkopfkrebs" in Verbindung mit bestimmten (dort im Einzelnen festgeschriebenen) Asbeststaubauswirkungen. Nach der Kommentierung bei Mehrtens, Brandenburg, Die Berufskrankheitenverord¬nung (BKV), Kommentar, Loseblattsammlung, Lieferungsstand 02/13, wird für den asbestverursachten Lungenkrebs ausdrücklich als Synonym angegeben "Bronchialkarzinom" und für den asbestverursachten Kehlkopfkrebs im Sinne von BK 4104 als Synonym "Larynxkarzinom gemäß der TNM-Klassifikation der UICC". Die Abkürzungen der TNM-Klassifikation stehen für T = Tumor, N = Nodes = Lymphknoten, M = Metastasen. Die TNM-Klassifikation wurde in den Jahren 1943 bis 1952 von Pierre Denoix entwickelt und wird seit 1950 von der Union Internationale Contre le Cancer (UICC) weitergeführt (vgl. Wikipedia, TNM-Klassifikation). Insofern hat das Sozialgericht zutreffend ausgeführt, der Hypopharynx und der Larynx seien aneinander grenzende anatomische Regionen, die sich jedoch deutlich voneinander unterschieden. Während sich im Hypopharynx Speise- und Luftwege trennten, liege der Larynx nur im Bereich der Luftwege. Der Begriff Kehlkopfkrebs im Sinne der BK 4104 beziehe sich lediglich auf Tumorlokalisationen im Bereich des inneren Kehlkopfes, der so genannten Atemstraße. Beim verstorbenen Ehemann der Klägerin sei der Tumor demgegenüber in der Schleimhaut der seitlich äußeren Wand des Kehlkopfes und des Hypopharynx, der so genannten Schluckstraße, entstanden. Diese Differenzierung zwischen Larynx und Hypopharynx deckt sich auch mit den Ausführungen bei Pschyrembel (Klinisches Wörterbuch, 264. Aufl.) zu den Stichworten Larynx, Hypopharynx, Hypopharynxkarzinom. Eine weitere Bestätigung findet sich auch in den Ausführungen beider im gerichtlichen Verfahren herangezogenen medizinischen Sachverständigen. Prof. Dr. B hat in seinem Gutachten vom 16. November 2009 ausdrücklich darauf abgestellt, dass der Hypopharynx anatonmisch nicht Teil des Kehlkopfes sei, so dass eine Anerkennung eines sich im Sinus piriformis entwickelnden Karzinoms nicht nach der Nr. 4104 BKV erfolgen könne. Ebenfalls eine deutliche Differenzierung nimmt Prof. Dr. K vor, der in seinem Gutachten vom 27. Februar 2013 unter Hinweis auf die entsprechenden ICD 10 Codes ausgeführt hat, der Larynx umfasse die anatomischen Lokalisationen Glottis, Supraglottis, Subglottis, Kehlkopfknorpel (Code 32), während der Hypopharynx die anatomischen Lokalisationen Hypopharynx und Sinus piriformis umfasse (Code 13 und 12).

Wie das Sozialgericht ebenfalls zutreffend festgestellt hat, kommt auch die Anerkennung der Krebserkrankung des Versicherten als Wie BK nicht in Betracht, da die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 SGB VII im Hinblick auf die in Rede stehende Erkrankung des verstorbenen Ehemannes der Klägerin nicht erfüllt seien. Auch auf die diesbezüglichen überzeugenden Ausführungen, die u. a. auf das Gutachten von Prof. Dr. B gestützt sind, nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug und macht sie sich zu eigen.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 12. Januar 2010 – B 2 U 5/08 R –, recherchiert bei juris) für die Entscheidung, ob der Tod eines Versicherten infolge eines Versicherungsfalls eingetreten ist, auf den Zeitpunkt abzustellen ist, zu dem der Versicherte verstorben ist. Weiter heißt es im vorgenannten Urteil vom 12. Januar 2010 ausdrücklich, der Senat habe zwar im Zusammenhang mit Ansprüchen von Versicherten entschieden, neue wissenschaftliche Erkenntnisse müssten sich im Zeitpunkt der Erkrankung des Versicherten noch nicht bis zur Aufnahme in die BK-Liste verdichtet haben. Es reiche aus, wenn dies im Zeitpunkt der Entscheidung über den Anspruch geschehen sei. Dies sei aber auf die Rechte der Hinterbliebenen eines Versicherten nicht übertragbar, weil sie aus dessen letzter Rechtsstellung abgeleitet seien. Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 SGB VII müsse der Tod des Versicherten "infolge eines Versicherungsfalls eingetreten" sein. Der Todestag des Versicherten sei der späteste Zeitpunkt, an dem er einen Versicherungsfall erlitten haben könne.

Der Ehemann der Klägerin ist am. 2006 nicht infolge des Versicherungsfalls einer Wie BK verstorben. Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Versicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Diese "Öffnungsklausel" des § 9 Abs. 2 SGB VII soll nur die Regelungslücken in der BKV schließen, die sich aus den zeitlichen Abständen zwischen den Änderungen der BKV ergeben. Die Regelung ist aber keine allgemeine Härteklausel, für deren Anwendung es genügen würde, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtliche wesentliche Ursache einer nicht in der BK Liste bezeichneten Krankheit sind. Vielmehr soll die Anerkennung einer Wie BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der Berufskrankheiten erfüllt sind, der Verordnungsgeber aber noch nicht tätig geworden ist. Der Versicherungsfall der Wie BK lässt sich zwar nachträglich feststellen, er ist aber objektiv zu dem Zeitpunkt eingetreten, zu dem die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 SGB VII gegeben sind (BSG, Urteil vom 12. Januar 2010 – B 2 U 5/08 R – m.w.N. aus Rechtsprechung und Bundestagsdrucksachen). Im vorliegenden Fall kommt es also entscheidend darauf an, ob es spätestens am 11. Mai 2006 wissenschaftliche Erkenntnisse gab, nach denen die Erkrankung in Form eines Hypopharynxkarzinoms/Weichteilsarkoms als eindeutig asbestbedingt hätte angesehen werden können und in die Liste der Berufskrankheiten aufzunehmen gewesen wäre. Das ist weder nach den Feststellungen des Sozialgerichts, gestützt auf die diesbezüglichen Ausführungen von Prof. Dr. B , noch nach den Angaben von Prof. Dr. K in seinem Gutachten vom 27. Februar 2013 der Fall.

Prof. Dr. K hat unter dem Kapitel "B) Hypopharynxkarzinom und Risikofaktoren" ausgeführt, in der europäischen Bevölkerung liege die Hauptursache für Tumore des Larynx und des Hypopharynx im Konsum von Alkohol und Nikotin, wobei ein zusätzlicher synergetischer Effekt beschrieben sei. Daneben sei eine Assoziation zum humanen Papillomavirus beschrieben. In einer 2006 durchgeführten Studie sei für das Larynxkarzinom ein leicht erhöhtes Risiko durch Formaldehydexposition beschrieben, das letztlich nicht statistisch signifikant gewesen sei. Ein erhöhtes Risiko für das Hypopharynxkarzinom sei nicht beschrieben worden. Unter Bezug auf eine 2012 also lange nach dem Tod des Versicherten veröffentlichte Studie hinsichtlich eines Zusammenhangs zwischen beruflicher Exposition zu Holzstäuben und verschiedenen Tumorerkrankungen sei von der WHO (World Health Organisation) / IARC (International Agency on Cancer Research) eine aktuelle Zusammenstellung der Krebsrisiken durch verschiedene Holzstäube veröffentlicht und im Einzelnen auch auf die Entstehung von Larynx- und Hypopharynxkarzinom untersucht worden. Für das Pharynx- wie auch für das Larynxkarzinom habe zusammenfassend kein klar erhöhtes Risiko für die Karzinomentstehung gesehen werden können. Im Hinblick auf eine neue Stellungnahme der IARC von 2012, die neue Studienergebnisse mit einbeziehe, werde Asbest in der Entitäten spezifischen Liste der IARC für das Pharynx¬karzinom als Risiko mit limitierter Evidenz angegeben. Zur Frage nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft nach § 9 Abs. 2 SGB VII, insbesondere mit Blick auf BK 4103 und 4104, heißt es im Gutachten von Prof. Dr. K zusammenfassend, der verstorbene Ehemann der Klägerin habe im Rahmen seiner Tätigkeit als Möbeltischler zu einer Personengruppe gehört, die aufgrund ihrer Arbeit besonderen Einflüssen ausgesetzt sei. Angesichts der dargelegten Assoziationen der beruflichen Gefahrenstoffexposition sei nach den aktuellen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft für die Entstehung des Weichteilsarkoms und des Hypopharynxkarzinoms eine Mit-Ursache insbesondere in der Exposition von Phenolen und Asbest zu sehen. Unter Berücksichtigung einer nicht weiter quantifizierbaren Multi-Toxin-Exposition sei der Stellenwert der einzelnen Toxine wie Asbest und Phenol als Ko Faktoren bei der Kanzerogenese im vorliegenden Fall als höher einzustufen, als die Analyse der Einzelfaktoren abbilde. Der Zusammenhang von Tätigkeit und Erkrankung an Hypopharynxkarzinom und Weichteilsarkom sei im Falle von Herrn D als möglich und wahrscheinlich zu werten. Die aktuellste Stellungnahme der IARC sei in der Publikation von Cogliano et al. von 2011 veröffentlicht. Auch die IARC Monographie 100C, in der u. a. die Assoziationen von Asbest und Hypopharynxkarzinom aktuell bewertet worden seien, sei im Jahr 2012 beschließend publiziert worden. Somit sei davon auszugehen, dass die Erkenntnisse bei der letzten Prüfung der BKV noch nicht vorgelegen hätten und auch in den ersten Gutachten zum Fall D nicht hätten berücksichtigt werden können.

Ungeachtet dessen, dass sich danach bis heute die erforderliche hinreichende Wahrscheinlichkeit – wie von der Beklagten in ihrem Schriftsatz vom 28. März 2013 zutreffend ausgeführt – wohl nicht bejahen ließe, haben neue wissenschaftlich medizi-nische Erkenntnisse, aufgrund derer mit einer das Krankheitsbild des Versicherten erfassenden Aufnahme in die Berufskrankheiten-Liste auf Anraten des Medizinischen Sachverständigenbeirats zu rechnen gewesen wäre, spätestens zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Todes von M D nicht vorgelegen. Am 11. Mai 2006, dem Todestag des Versicherten, galt noch die BKV in der Fassung der Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV ÄndV) vom 5. Sep-tember 2002 (BGBl. I S. 3541). Aber auch durch die erst nach dem Tode des Versicherten erfolgte Änderung der BKV vom 11. Juni 2009 (2. Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung, BGBl. I S. 1273) ist eine dem Anliegen der Klägerin entsprechende Aufnahme eines Krankheitsbildes in die Liste der Berufskrankheiten nicht vorgenommen worden. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass neuere Erkenntnisse der Wissenschaft über Kausalzusammenhänge zwischen einer solchen Erkrankung und berufsbedingten Verursachung, die sich bereits zur sog. "BK Reife" verdichtet gehabt hätten (vgl. BSG, Urteil vom 13. Februar 2013 – B 2 U 33/11 R –, recherchiert bei juris) und deshalb als Wie BK einzustufen gewesen wären, auf jeden Fall bis zur Änderung der BKV im Jahre 2009 nicht vorgelegen haben.

Soweit die Klägerin wie auch Prof. Dr. K darauf abstellen, maßgeblich sei zu berücksichtigen, dass beim Versicherten eine Mehrfachbelastung mit einer Reihe von krebserregenden Substanzen, denen er beruflich bedingt ausgesetzt gewesen sei, zum Tode geführt habe, so greift dieser Ansatz ebenfalls nicht durch. Prof. Dr. K selbst hat insoweit ausgeführt, eine Multi-Toxin-Exposition erschwere eine allgemeine mono¬faktorielle Klassifizierung, wie sie für die Einordnung in die Berufskrankheiten-Liste erforderlich sei. Im Falle des verstorbenen Herrn D sei diese Multi-Toxin-Expo¬sition aber unbedingt zu berücksichtigen. In der Zusammenfassung könne sowohl das Weichteilsarkom durch die Exposition von Phenolen wie auch das Hypopharynx¬karzinom durch die Exposition von Asbest und weiteren Toxinen als Quasi-Berufs¬krankheit eingeordnet werden. Daraus leitet die Klägerin eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die (Mit-)Ursächlichkeit berufsbedingter Schadstoffexpositionen ab und beruft sich insoweit auf die Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts.

Der seinerzeit zuständige 1. Senat des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts hatte in seinem - von der Klägerin ausdrücklich in Bezug genommenen - Urteil vom 13. September 2007 – L 1 U 44/03 – (in: Breithaupt Sammlung von Entscheidungen aus dem Sozialrecht 2008, S. 308) versucht, das Problem der Synkanzero¬genese in einem vergleichbaren Ausgangsfall (Schweißer, Lungenkrebs, mehrere Noxen) so zu lösen, dass es eine neue kombinierte Berufskrankheit aus mehreren Listen Berufskrankheiten gebildet hatte. Das Bundessozialgericht ist einem solchen Vorgehen in dem sich anschließenden Revisionsverfahren (Urteil vom 12. Januar 2010 – B 2 U 5/08 R –, recherchiert bei juris) aber ausdrücklich entgegengetreten und hat klargestellt, dass es dem Bundesrecht widerspreche, wenn die Verwaltung oder die Gerichte Tatbestände mehrerer Listen-Berufskrankheiten zu einer neuen Gesamt-Berufskrankheit verbänden. Zur Bezeichnung einer neuen (Listen-)Berufs¬krankheit sei nur die Bundesregierung als Verordnungsgeberin ermächtigt (§ 9 Abs. 1 SGB VII) und neben diesem Listenprinzip gebe es nur die sog. Öffnungsklausel unter den eingeschränkten Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 SGB VII, die hier – wie oben ausgeführt – nicht zu bejahen sind (vgl. auch Spellbrink, Anerkennung von Berufskrankheiten: Wege zu mehr Einzelfallgerechtigkeit im Recht der Berufskrankheiten unter "Keine Lösung des Problems durch kreative Neuschöpfungen der Rechtsprechung", Soziale Sicherheit 12/2013, S. 431, 433 ff.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 und 4 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG durch den Senat zuzulassen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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