L 3 AS 440/11 B ER

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 5 AS 729/11 ER
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AS 440/11 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
In die Kostengrundentscheidung nach § 193 Abs. 1 Satz 3 SGG ist auch auch das prozessuale Verhalten der Beteiligten mit einzustellen. Hierbei kann berücksichtigt werden, dass der Antragsgegner unverzüglich auf die neuen Erkenntnislagen im Beschwerdeverfahren und im parallel laufenden Berufungsverfahren reagiert hat, wohingegen der Erfolg der Antragstellerin im Wesentlichen auf den Ermittlungen und Bemühungen des Gerichts und des Antragsgegners, nicht aber auf dem Verfahrensbeitrag ihres Bevollmächtigten
zurückgegangen ist.
Die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Nach § 193 Abs. 1 Satz 3 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) entscheidet das Gericht (vgl. § 155 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGG), wenn das Verfahren anders als durch Urteil, hier durch übereinstimmende Erledigungserklärung, beendet worden ist, auf Antrag durch Beschluss, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Das Gericht entscheidet nach billigem Ermessen. Es ist hierbei nicht an den Ausgang des Rechtsstreites gebunden. Jedoch hat das Gericht neben möglichen anderen Gesichtspunkten auch das Ergebnis des Rechtsstreites und den Sach- und Streitstand zu berücksichtigen (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz [10. Aufl., 2012], § 193 Rdnr. 12, m. w. N.). Ferner kann berücksichtigt werden, wer Anlass für die Klageerhebung gegeben oder unnötige Kosten verursacht hat (vgl. Leitherer, a. a. O., Rdnr. 12b, m. w. N.).

Billigem Ermessen entspricht es im vorliegenden Fall, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin nicht für erstattungsfähig zu erklären. Zwar war die Antragstellerin mit ihrem Begehren, einen Bildungsgutschein für die Umschulung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin zu erhalten, im Ergebnis erfolgreich. Allerdings ist auch in die Entscheidung auch das prozessuale Verhalten der Beteiligten mit einzustellen (vgl. Leitherer, a. a. O. § 193 Rdnr. 12b, m. w. N.). Vorliegend hat der Antragsgegner unverzüglich auf die neuen Erkenntnislagen im Beschwerdeverfahren und im parallel laufenden Berufungsverfahren (Az. L 3 AS 438/11) reagiert (vgl. Leitherer, a. a. O. § 193 Rdnr. 12c, m. w. N.), wohingegen der Erfolg der Antragstellerin im Wesentlichen auf den Ermittlungen und Bemühungen des Gerichts und des Antragsgegners, nicht aber auf dem Verfahrensbeitrag ihres Bevollmächtigten zurückgeht. Zudem ist bei einem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu berücksichtigen, dass gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen ist und es nicht ausreicht, die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes oder eines sonstigen behördlichen Handelns zu rügen.

Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Anspruch auf Erteilung des begehrten Bildungsgutscheines ist § 16 Abs. 1 Satz 2 des Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) in der vom 1. August 2009 bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung i. V. m. §§ 77 ff. des Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) in der bis zum 31. März 2012 geltenden Fassung. Der Antragsgegner hatte den Antrag der Antragstellerin mit Bescheid vom 12. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. November 2010 unter Verweis auf ein psychologisches Gutachten vom 8. Juli 2010 abgelehnt. In dem Gutachten ist eingeschätzt worden, dass der Antragstellerin die Umschulung zur Gesundheits- und Krankenpflegerin nicht möglich sei, zumal sie bereits drei Mal vergeblich versucht habe, eine Ausbildung zur Altenpflegerin abzuschließen.

Im Klageverfahren (Az. S 5 AS 4629/10) hat der Antragstellerbevollmächtigte vorgetragen, dass bei der Beurteilung auch die Zeugnisse und Praktikumsbescheinigungen zu berücksichtigen seien. Diese stammen aus dem Jahr 2000 sowie den Jahren 2004 bis 2006. Es ist nicht in Ansätzen zu erkennen, inwiefern diese aus deutlich zurückliegenden Zeiten stammenden Unterlagen die Einschätzungen in dem damals aktuellen psychologischen Gutachten vom 8. Juli 2010 hätten in Frage stellen können. Eine qualifizierte Auseinandersetzung mit dem Gutachten ist durch den Antragstellerbevollmächtigte, der aus anderen sozialgerichtlichen Verfahren mit medizinischen Gutachten vertraut ist, nicht erfolgt.

In der Antragsschrift (Az. S 5 AS 729/11 ER) hat der Antragstellerbevollmächtigte zum Stand der Berufsausbildung der Antragstellerin vorgetragen und mitgeteilt, dass ihr Wille, einen Beruf als Gesundheits- und Krankenpflegerin zu ergreifen, stark ausgeprägt sei. Auf die Anspruchsvoraussetzungen für den begehrten Bildungsgutschein ist überhaupt nicht eingegangen worden.

Nachdem die Klage und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung erfolglos geblieben sind, hat der Antragstellerbevollmächtigte in der Berufungs- und Beschwerdebegründung vom 10. August 2011 erstmals vorgetragen, dass die Gründe für den Abbruch der ersten und zweiten Ausbildung zur Altenpflegerin nicht in der Sphäre der Antragstellerin, sondern der jeweiligen Ausbildungsbetriebe gelegen habe. In Bezug auf das psychologische Gutachten vom 8. Juli 2010 ist gerügt worden, dass die Tests nicht berufsspezifisch gewesen seien. Auch habe sich der Gesundheitszustand der Antragstellerin gebessert. Der Gutachterin ist vorgehalten worden, dass sie vom Antragsgegner wirtschaftlich abhängig sei. Sie werde sich kaum den subtil an sie herangetragenen Wünschen der zuständigen Teamleitung verschließen können. Ausführungen dazu, ob die Antragstellerin trotz der aktenkundigen und von ihr dem Grunde nach nicht bestrittenen gesundheitlichen Einschränkungen nunmehr in der Lage gewesen ist, den gesundheitlichen Anforderungen, die der Beruf einer Gesundheits- und Krankenpflegerin stellt, gerecht zu werden, sind in diesem und den nachfolgenden Schriftsätzen nicht enthalten. Eine Klärung des damaligen Gesundheitszustandes der Antragstellerin hat letztlich erst durch die vom Gericht eingeholten Befundberichte der behandelnden Ärzte herbeigeführt werden können.

In dem im Berufungsverfahren durchgeführten Erörterungstermin vom 18. August 2011 hat der Antragsgegner erklärt, dass dem Grunde nach die Bereitschaft bestehe, einen Bildungsgutschein zu erteilen. Der Antragstellerin ist daraufhin unter anderem aufgegeben worden, umgehend eine Finanzierungszusage für das dritte Ausbildungsjahr vorzulegen. Diesbezüglich hat der Antragstellerbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 24. August 2011 eine Stellungnahme der Bildungseinrichtung sowie einen Vertrag zwischen dieser und dem Praktikums-/Ausbildungsbetrieb vorgelegt. Danach ist die Zusage von der Vorlage eines Bildungsgutscheines abhängig gewesen. Trotz des Hinweises des Antragsgegners in zwei Schriftsätzen, dass diese Unterlagen nicht ausreichen würden, sondern eine verbindliche Finanzierungszusage erforderlich sei, ist von Antragstellerseite eine entsprechende Zusage nicht vorgelegt worden. Erst nachdem sich das Gericht selbst an den Ausbildungsbetrieb gewandt und Unterlagen über die Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres angefordert hat, hat das Beschwerdeverfahren, ebenso wie das Berufungsverfahren, durch Einvernehmen der Beteiligten beendet werden können.

Vor dem Hintergrund dieser Prozessgeschichte erscheint es nicht ermessensgerecht, dem Antragsgegner die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen, auch nicht einen teil dieser Kosten.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 177 SGG).

Dr. Scheer Vorsitzender Richter am LSG
Rechtskraft
Aus
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