L 22 R 388/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 1 R 2904/09
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 22 R 388/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. März 2012 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander Kosten auch des Berufungsverfahrens nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten für eine Hörgeräteversorgung im Rahmen der Teilhabe am Arbeitsleben.

Der 1947 geborene Kläger beantragte mit Schreiben vom 15. März 2009 (Zugang bei der Beklagten am 16.03.2009) die Kostenübernahme für die Anschaffung eines Hörgeräts als Leistung zur Teilnahme am Arbeitsleben. Diesem Schreiben legte er verschiedene Unterlagen bei, unter anderem den Befundbericht der behandelnden HNO-Ärzte vom 12. Februar 2009, eine Arbeitgeberbescheinigung vom 5. März 2009 und die Rechnung über die erfolgte Hörgeräteversorgung vom 12. März 2009 über einen Gesamtzahlbetrag von 1.367,38 EUR, abzüglich eines Kassenanteils von 491,86 EUR abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung von 10,00 Euro und einem Eigenanteil von 885,52 EUR sowie den an die Beigeladene gerichteten Kostenvoranschlag vom 4. März 2009. Die Summe von 885,52 EUR ist vom Kläger an den Hörgeräteakustiker am 30. März 2009 überwiesen worden.

Mit Bescheid vom 6. April 2009 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, der Kläger habe eine Leistung in Anspruch genommen, ohne vorher einen Antrag auf die Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben gestellt zu haben. Seinen Widerspruch vom 14. April 2009 begründete der Kläger damit, dass er Ende Februar bei der Beklagten in der Wallstraße vorgesprochen habe. Dort sei ihm gesagt worden, dass ein formloser Antrag mit Arbeitgeberbescheinigung und Kostenvoranschlag ausreiche. Aufgrund dieser Auskunft und, weil er noch in der Erprobung verschiedener Hörgeräte gewesen sei, habe er sich unwissentlich darauf verlassen, dass das Hörgerät übernommen werde. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 2009 zurück. Nach § 13 Abs 1 SGB VI habe der Rentenversicherungsträger nach pflichtgemäßem Ermessen über die Erbringung, Beginn, Umfang und Durchführung der Leistungen zu entscheiden. Durch den Vorgriff der bereits gekauften Hörhilfe habe der Kläger der Beklagten die Möglichkeit genommen, in eine hinreichend genaue Prüfung einzutreten, ob und welche Leistungen der beruflichen Rehabilitation in Form einer Übernahme der Kosten einer Hörhilfe unter den Gesichtspunkten der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit am geeignetsten gewesen seien.

Der Kläger verfolgt sein Begehren mit der am 16. Juni 2009 erhobenen Klage weiter. Er habe zunächst telefonisch bei der Beklagten angefragt, unter welchen Voraussetzungen eine Kostenerstattung für die Anschaffung einer Hörhilfe möglich gewesen sei. Darauf seien ihm seitens der Beklagten die erforderlichen Antragsformulare zugesandt worden. Er habe im Rahmen einer Beratung in der Beratungsstelle der Beklagten am 27. Januar 2009 mündlich einen Kostenerstattungsantrag gestellt. Die Beraterin der Beklagten habe ihm gesagt, dass eine förmliche Antragstellung nicht erforderlich sei. Er berufe sich nunmehr auf den durch die Auskünfte erlangten Vertrauensschutz. Während des Beratungsgesprächs sei ihm ein Merkblatt überreicht worden. Darin heiße es: "Es hängt von den Umständen des Einzelfalles ab, ob und in welcher Höhe die Kosten für die berufsspezifisch benötigte Hörhilfe von der Deutschen Rentenversicherung Bund übernommen werden. Eine verbindliche Entscheidung hierzu kann deshalb nur im Rahmen eines Antragsverfahrens getroffen werden. Insofern empfehlen wir Ihnen, zunächst formlos einen Antrag auf Kostenübernahme zu stellen. Bitte fügen Sie diesem Antrag ein Audiogramm (Ausdruck Hörprobe) sowie Stellenbeschreibung ihres Arbeitsplatzes bei. Soweit bereits ein Kostenvoranschlag für das Hörgerät vorliegt, sollte dieser den Unterlagen beigefügt werden Sollte es hierüber hinaus notwendig sein, die entsprechenden Formvordrucke auszufüllen, werden Ihnen diese durch die entsprechende Sachbearbeitung zugeschickt."

Das Sozialgericht Berlin hat die Klage mit Urteil vom 29. März 2012 abgewiesen. Es hat seine Entscheidung damit begründet, dass ein Anspruch des Klägers bereits deshalb ausscheide, weil die Beklagte keine Entscheidung hinsichtlich des ihr eingeräumten Ermessens habe treffen können. Der Kläger habe sich bereits vor seinem bei der Beklagten am 16. März 2009 eingegangenen Antrag das Hörgerät selbst beschafft. Einem Erstattungsanspruch stehe eine Selbstbeschaffung entgegen, wenn diese vor der Entscheidung der Beklagten durch Bescheid erfolgt sei (Bundessozialgericht, Urteil vom 21.08.2008, B 13 R 33/07 R). Mit der Übergabe der Rechnung und des Hörgerätes durch den Hörgeräteakustiker am 12. März 2009 sei ein den Kläger und den Hörgeräteakustiker bindendes Verpflichtungsgeschäft erfolgt, das eine Selbstbeschaffung durch unbedingtes Rechtsgeschäft darstelle. Soweit der Kläger vortrage, er habe einen formlosen Antrag bereits vor der Hörgeräteversorgung gestellt, habe er den ihm obliegenden Nachweis nicht erbracht. Zudem habe der Kläger nach seinem eigenen Vortrag die notwendigen Zeitabläufe nicht eingehalten, denn den Kostenvoranschlag und die Arbeitgeberbescheinigung habe er erst nach dem bindenden Kaufvertrag der Beklagten zur Entscheidung eingereicht. Er habe gewusst, dass er zur Vorlage der Arbeitgeberbescheinigung und des Kostenvoranschlages verpflichtet gewesen sei. Ein Anspruch auf Kostenerstattung nach § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX scheide aus, weil ein Fall der Nichterbringung einer unaufschiebbaren Leistung mangels besonderer Eilbedürftigkeit nicht vorgelegen habe. Die Beklagte habe es auch nicht unterlassen, innerhalb der ihr gesetzlich eingeräumten Fristen eine Entscheidung zu treffen, und eine Fristsetzung durch den Kläger sei nicht erfolgt.

Gegen das am 12. April 2012 zugestellte Urteil wendet sich der Kläger mit seiner Berufung vom 2. Mai 2012 (Zugang am 08.05.2012). Diese begründet er damit, dass das Sozialgericht rechtliches Gehör des Klägers verletzt habe und gegen das Willkürverbot verstoße. Das Sozialgericht habe unstreitigen Vortrag der Beteiligten zulasten des Klägers unberücksichtigt gelassen und stelle unrealistische und nicht erfüllbare Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast des Klägers. Dies gelte insbesondere, soweit das Sozialgericht verlangt habe, dass der Kläger seine mündliche Antragstellung durch Vorlage schriftlicher Unterlagen darlegen und beweisen solle. Die Beklagte habe die vom Kläger dargelegte formlose mündliche Antragstellung nicht bestritten. Es bleibe völlig offen, welche Beweismittel das Sozialgericht für den Nachweis der formlosen Antragstellung verlange. Wegen der Aushändigung des Merkblattes sei es ausgeschlossen, dass sich die Beklagte auf das Erfordernis einer formellen Antragstellung berufe. Sofern das Sozialgericht dies missachte, handele es willkürlich. Der Kläger habe sich ausschließlich an die Anweisungen der Beklagten und an das von ihr überreichte Merkblatt gehalten. Ihm könne die fehlende Einhaltung verfahrensrechtlicher Vorschriften nicht vorgeworfen werden. Die Vorgaben der Beklagten müssten deshalb dahingehend ausgelegt werden, dass die Beklagte selbst das Verfahren nach § 9 Abs 2 SGB IX gewählt und auf eine Frist zur Entscheidung nach § 15 SGB IX verzichtet habe, so dass die Anspruchsgrundlagen für die Zahlungsforderung des Klägers erfüllt seien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 29. März 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 6. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2009 aufzuheben, die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Kosten für eine Hörhilfe i.H.v. 857,52 EUR zu erstatten.

Die Beklagte und die Beigeladene beantragen jeweils,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie halten die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend. Eine formlose Antragstellung am 27. Januar 2009 sei nicht belegt. Bewiesen sei nach dem umfangreichen Vortrag des Klägers lediglich, dass er am 27. Januar 2009 einen Termin zur Beratung wahrgenommen habe und ihm hierbei ein Merkblatt nebst weiterer Unterlagen ausgehändigt worden seien.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 124 Abs 2, 155 Abs 3, 4 SGG erklärt.

Dem Senat haben außer den Prozessakten die Verwaltungsvorgänge der Beklagten vorgelegen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Schriftsätze und den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat kann gemäß §§ 124 Abs 2, 155 Abs 3, 4 SGG ohne mündliche Verhandlung durch den Berichterstatter entscheiden, da die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben.

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 6. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2009 ist im Ergebnis rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte oder die Beigeladene die geforderten weiteren Kosten der Anschaffung einer Hörhilfe übernehmen und dem Kläger 857,52 EUR zahlen. Keine der denkbaren Anspruchsgrundlagen ist erfüllt.

Der Kläger hat keinen Erstattungsanspruch nach § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX, denn er hat die Hörgeräteversorgung bereits, ohne einen Bescheid der Beklagten abzuwarten oder anzumahnen, verbindlich selbst vorgenommen. § 15 Abs 1 SGB IX regelt in seinen ersten vier Sätzen: "1Kann über den Antrag auf Leistungen zur Teilhabe nicht innerhalb der in § 14 Abs. 2 genannten Fristen entschieden werden, teilt der Rehabilitationsträger dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig mit. 2Erfolgt die Mitteilung nicht oder liegt ein zureichender Grund nicht vor, können Leistungsberechtigte dem Rehabilitationsträger eine angemessene Frist setzen und dabei erklären, dass sie sich nach Ablauf der Frist die erforderliche Leistung selbst beschaffen. 3Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der Aufwendungen verpflichtet. 4Die Erstattungspflicht besteht auch, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat." Nach diesen gesetzlichen Vorgaben ist ein Erstattungsanspruch nach erfolgter Selbstbeschaffung der Leistung nur begründet, wenn der Berechtigte entweder den Ablauf einer von ihm gesetzten Frist abgewartet hat, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Sofern also kein Fall unaufschiebbarer Leistungserbringung vorliegt, muss der Berechtigte demnach einen Ablehnungsbescheid abwarten oder eine angemessene Frist zur Erfüllung des Versorgungsanspruchs setzen. Keine dieser Varianten ist im Falle des Klägers gegeben.

Eine Unaufschiebbarkeit der Leistung bestand nicht. Es sind keinerlei Umstände ersichtlich, die ein Zuwarten des Klägers bis zur Entscheidung des zuständigen Rehabilitationsträgers innerhalb angemessener Frist hätten unzumutbar erscheinen lassen.

Einen Ablehnungsbescheid haben die Beklagte und die Beigeladene nicht vor der Selbstbeschaffung der Hörhilfe durch den Kläger erlassen. "Selbst verschafft" ist eine Hilfsmittel-Leistung zwar nicht schon mit deren Auswahl (BSG, Urteil vom 24.01.2013, B 3 KR 5/12 R, RdNr 44). Die Auswahl ist dem Hilfsmittelbewilligungsverfahren notwendig vorgeschaltet und scheidet deshalb mit Ausnahme von Fällen der Vorfestlegung als Anknüpfungspunkt für den Zeitpunkt der Hilfsmittelbeschaffung aus (BSG ebd). Anspruchshindernd ist vielmehr erst ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft im Verhältnis zwischen Versichertem und Leistungserbringer (BSG ebd mwN). Ein solches unbedingtes Verpflichtungsgeschäft hat der Kläger mit dem abschließenden Kaufvertrag mit dem Hörgeräteakustiker spätestens am 12. März 2009 geschlossen. Dies ergibt sich aus der Rechnung vom 12. März 2009, die zugleich die Erfüllung der Verpflichtung des Hörgeräteakustikers ("aufgrund erbrachter Leistung") angibt. Damit sind die Partner der Hörgeräteversorgung, Akustiker und Kläger, deutlich über die bloße Auswahlentscheidung unter Vorbehalt der Entscheidung des Sozialleistungsträgers hinausgegangen. Der Kläger hat der Beigeladenen gegenüber sogar angegeben, die Hörhilfe bereits am 4. März 2009 erhalten zu haben. Seine Zahlungsverpflichtung hat der Kläger ebenfalls vor einer Entscheidung der Beklagten oder der Beigeladenen erfüllt, nämlich bereits am 30. März 2009, bevor die Beklagten am 6. April 2009 und die Beigeladene am 8. April 2009 ihre Entscheidungen trafen und dem Kläger sodann mitteilten. Auch daraus erschließt sich die Verbindlichkeit der Kauferklärung des Klägers gegenüber dem Akustiker. Im Sinne von § 14 Abs 1, 2 SGB IX ist die Beklagte zuständiger Träger der Teilhabeleistungen geworden, weil bei ihr der Antrag spätestens am 16. März 2009 vorlag, bei der Beigeladenen dagegen erst am 27. März 2009. Spätestens nach Ablauf des 14. Tages nach dem 16. März 2009 war daher die Beklagte mangels Abgabe des Vorgangs zuständig geworden, so dass eine nach § 14 SGB IX geklärte Zuständigkeit der Beklagten spätestens mit Ablauf des 30. März bestand. Sollte der Kläger den Antrag bei der Beklagten bereits im Februar 2009 gestellt haben, hätte dies hinsichtlich der Zuständigkeit der Beklagten keine Änderung der rechtlichen Situation zur Folge. Insoweit kommt es auf einen früheren Zeitpunkt der Antragstellung nicht an.

Eine angemessene Frist zur Leistung mit Selbstbeschaffungsankündigung hat der Kläger der Beklagten nicht gesetzt. Eine solche Frist war angesichts der vom Kläger selbst dargestellten Abläufe nicht entbehrlich. Denn er schildert selbst, dass er sich bei dem Gespräch am 27. Februar 2009 noch in der Erprobung verschiedener Hörgeräte befand, also auch aus seiner Sicht eine Entscheidung der Beklagten innerhalb von zwei bis drei oder mehr Wochen nicht im Raume stand. Selbst nach dem Vortrag des Klägers lag deshalb – bei unterstellter Antragstellung am 27. Februar 2009 – ein unangemessenes Zögern der Beklagten, das überhaupt eine Nachfristsetzung erlaubt hätte, schon nicht vor.

Ein Anspruch aufgrund § 15 Abs 1 Satz 4 SGB IX scheidet daher unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt aus.

Dies gilt auch für einen Erstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V. Ist die Beklagte alleinig zuständiger Rehabilitationsträger wegen § 14 Abs 1, 2 SGB IX geworden, wäre sie zur Leistung auch im Umfange der Vorschriften zur Hilfsmittelversorgung nach §§ 27, 33 SGB V verpflichtet gewesen, denn die Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers nach § 14 Abs 2 S 1 SGB IX schließt im Außenverhältnis zum Versicherten die Zuständigkeiten aller anderen Träger aus (st. Rspr., BSG, Urteil vom 24.01.2013, B 3 KR 5/12 R, RdNr 26 mwN). Nach § 13 Abs 3 Satz 1 Fall 2 SGB V gilt: "Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war." Der Erstattungsanspruch ist demgemäß – sofern kein Fall von Unaufschiebbarkeit vorliegt – gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung besteht, die selbst beschaffte Leistung notwendig ist und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (BSG, Urteil vom 17.12.2009, B 3 KR 20/08 R RdNr 10 mwN). Ein Fall von Unaufschiebbarkeit lag nicht vor. Eine rechtswidrige Leistungsablehnung vor der Selbstbeschaffung erfolgte mangels Entscheidung der Beklagten vor der Versorgung mit dem Hörgerät nicht. Damit fehlt es auch an der erforderlichen Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung. Es lag ebenso wenig ein Fall unangemessenen Zögerns, das einer rechtswidrigen Ablehnung gleichkäme vor, dafür hätte es zumindest einer entsprechenden Aufforderung der Beklagten seitens des Klägers zu zügigerer Entscheidung bedurft.

Ansprüche auf originäre Kostentragung bestanden für den Kläger nicht, weil weder nach § 9 Abs 2 SGB IX noch nach § 13 Abs 2 SGB V entsprechende Wahlerklärungen des Klägers abgegeben worden waren, die einen Verzicht auf die Sachleistung und eine Umstellung des Verfahrens auf Geldleistung beinhaltet haben könnten und vor der Selbstbeschaffung der Leistung abgegeben worden sein müssten. Dass der Kläger am 27. Februar 2009 einen entsprechenden Antrag auf Erbringung von Geld- statt Sachleistung gestellt hätte, wird selbst von ihm nicht vorgetragen. Er ist auch nicht aus Vertrauensschutzgründen so zu stellen, weil ein entsprechendes schutzwürdiges Vertrauen seitens der Beklagten oder der Beigeladenen nicht vermittelt wurde.

Insofern ist nicht ansatzweise nachvollziehbar, wie daraus, dass der Kläger annahm, einen formlosen Antrag gestellt zu haben, der Schluss hätte gezogen werden können, dass bereits aus einem formlosen Antrag ein Anspruch auf die Leistung selbst folgen können soll. Ein Antrag als solcher begründet allenfalls einen Anspruch eine Bescheidung dieses Antrags, nicht aber ein bestimmtes inhaltliches Ergebnis, insbesondere nicht eine volle Stattgabe. Auch nach dem Vortrag des Klägers lagen diverse Unterlagen, die zur sachgerechten Entscheidung über seinen Antrag erforderlich waren, bis zur Selbstbeschaffung der Beklagten nicht vor.

Eine Zusicherung der Leistung war dem Kläger auch nach seinem Vortrag am 27. Februar 2009 nicht erteilt worden, schon gar nicht in der nach § 34 Abs 1 Satz 1 SGB X erforderlichen Schriftform. Den von ihm aufgestellten Vortrag als wahr unterstellt, folgte aus den Hinweisen der Beklagten anlässlich des Gesprächs am 27. Februar 2009 und dem überreichten Merkblatt lediglich, dass für die Einleitung der Bearbeitung der formlose Antrag genüge, weitere Unterlagen waren nachzureichen. Dass eine abschließende inhaltliche Entscheidung durch formlose Antragstellung entbehrlich werde, ist selbst nach dem Vortrag des Klägers zum Inhalt des Gesprächs am 27. Februar 2009 durch die Mitarbeiterin der Beklagten nicht geäußert worden. Aus dem von ihm vorgelegten Merkblatt ergibt sich vielmehr, dass eine abschließende Entscheidung nötig ist. Insofern ist es unerheblich, dass die Begründung des Bescheides insoweit fehlerhaft ist, als sie das Erfordernis eines Antrages als Leistungsvoraussetzung aufstellt. Aus § 115 Abs 4 SGB VI folgt das Gegenteil. Danach können Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und zur Teilhabe am Arbeitsleben auch von Amts wegen erbracht werden. Eine Zustimmung des Versicherten zur bewilligten Leistung genügt. Der Begründungsfehler vermag indes keinen Leistungsanspruch auszulösen, weil er weder die materiellen Leistungsvoraussetzungen ersetzt oder gar Vertrauen schaffen konnte.

Der Kläger kann auch keinen Vertrauensschutz mit der Folge eines materiellen Leistungsanspruchs daraus ableiten, dass er meint, sich an die Vorgaben des Merkblattes gehalten zu haben. Aus dem Merkblatt selbst folgt ein materieller Anspruch gerade nicht, denn es ersetzt nicht die im Merkblatt als notwendig postulierte verbindliche Entscheidung des jeweiligen Einzelfalls, welche noch nicht ergangen war. Das Merkblatt enthält auch keinen Hinweis darauf, dass es zulässig sein könnte, die Hörhilfe vor einer verbindlichen Entscheidung des Rentenversicherungsträgers verbindlich anzuschaffen. Die verbindliche Entscheidung wird auch nach dem Merkblatt gerade dem Rentenversicherungsträger vorbehalten und nicht dem Versicherten erlaubt. Insofern ist es unbeachtlich, dass das Merkblatt im Sinne der gesetzlichen Ausgestaltung des Rechts der Teilhabeleistungen sehr unsauber statt von Sachleistungen von Kostenübernahme und entgegen § 115 Abs 4 SGB VI von einem notwendigen Antragsverfahren spricht. Auch nach dem Merkblatt bleibt die verbindliche Entscheidung über das Ob und den Umfang der Leistung dem Leistungsträger vorbehalten, so dass eine verbindliche Entscheidung des Versicherten in dessen Risiko fällt, solange der Sozialleistungsträger nicht abschließend entschieden hat. Die eigene Einschätzung des Klägers, er habe sich ausschließlich an die Vorgaben der Beklagten gehalten, erweist sich daher als unzutreffend und vermag einen über Vertrauensschutzgesichtspunkte begründeten Leistungsanspruch nicht zu konstituieren. Noch weniger lässt sich darauf eine Fiktion des Verzichts auf eine Fristsetzung nach § 15 SGB IX durch die Beklagte stützen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen hierfür (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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