L 15 SO 23/14 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 95 SO 2929/13 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 23/14 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 20. Dezember 2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 20. Dezember 2013, mit dem dieses es abgelehnt hat, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung von Kosten der Unterkunft und Heizung (KdUH) in Höhe von insgesamt 1.280,00 Euro monatlich mindestens ab dem Zeitpunkt der Entscheidung zu gewähren und ausstehende Mietrückstände (die, soweit bekannt, zuletzt, d.h. im Dezember 2013, 6.080,23 Euro betrugen) zu übernehmen, ist statthaft und zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt (§§ 172 und 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG -). Sie ist jedoch nicht begründet.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Notwendigkeit einer vorläufigen Regelung (Anordnungsgrund) und der geltend gemachte Anspruch (Anordnungsanspruch) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2, 294 Zivilprozessordnung - ZPO -).

Der Senat sieht allerdings entgegen der Auffassung des Sozialgerichts einen Anordnungsgrund, also eine Eilbedürftigkeit, als gegeben an, da die (fristlose) Kündigung der Wohnung auf Grund der Mietrückstände bereits erfolgt ist und damit der Verlust der Wohnung konkret droht, auch wenn er noch abgewendet werden könnte.

Der Antragsteller hat aber, wie das Sozialgericht zutreffend angenommen hat, einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Als Anspruchsgrundlagen kommen vorliegend § 35 Abs. 1 Satz 1 und § 36 Abs. 1 Satz 1 und 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) in Betracht. Nach der zuerst genannten Vorschrift werden Leistungen für die Unterkunft in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, allerdings nicht, sofern sie den nach der Besonderheit des Einzelfalls angemessenen Umfang übersteigen, wie sich aus § 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII ergibt. Gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB XII können Schulden nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht.

Die jetzige Miete in Höhe von 1280,00 Euro einschließlich Heizkosten ist, auch unter Berücksichtigung der besonderen Lage des Antragstellers auf Grund seiner schweren Behinderung, nicht angemessen. Es gibt im Land Berlin Mietangebote für rollstuhlgerechte Wohnungen, die kostenmäßig weit unter der der jetzigen Wohnung des Antragstellers liegen. Das Sozialgericht hatte bereits darauf hingewiesen, dass sich bei einer Recherche im Internet rollstuhlgerechte Wohnungen mit einer Warmmiete von weniger als 800,00 Euro finden ließen. Auch für den jetzigen Zeitpunkt finden sich entsprechende Angebote im Internet, einmal bei Immobilien Scout 24, aber auch über die Homepage der Senatsverwaltung für Gesundheit und Soziales, Bereich Soziales, Stichwort Menschen mit Behinderungen, dort Stichwort Wohnen. Dort fanden sich z.B. am 3. März 2014 eine rollstuhlgerechte Wohnung nach DIN 18025, zwei Zimmer, 66 m², Bruttowarmmiete 677,23 Euro in Neukölln und eine rollstuhlgerechte Zweizimmerwohnung nach DIN 18025 von 73,17 m² in Pankow für eine Bruttowarmmiete von 612,80 Euro. Bei Immobilien Scout 24 fanden sich am 3. März 2014 eine rollstuhlgerechte Wohnung in Tiergarten, zwei Zimmer, 76,93 m², für eine Bruttowarmmiete von 604,58 Euro und eine rollstuhlgerechte Wohnung in Hellersdorf, drei Zimmer, 104,17 m², für 773,30 Euro Bruttowarmmiete. Es wäre dem Antragsteller damit durchaus möglich, eine preiswertere Wohnung zu finden.

Auch bzgl. des Antrags, die Mietschulden zu übernehmen, ist ein Anordnungsanspruch nicht gegeben.

Die Entscheidung gemäß § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB XII steht im pflichtgemäßen Ermessen des Trägers der Sozialhilfe. Die Übernahme von Schulden muss allerdings "gerechtfertigt" sein. Dieses Tatbestandsmerkmal unterliegt als unbestimmter Rechtsbegriff der vollen gerichtlichen Überprüfung (Streichsbier in Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, 4. Auflage, § 36 Rn. 5). Ist eine Leistung nicht gerechtfertigt, bedarf es auch keiner Ermessensausübung.

Bei der Entscheidung, ob Mietschulden zu übernehmen sind, ist von Bedeutung, ob die Unterkunft auf Dauer, also nicht nur vorübergehend, erhalten werden kann. Nicht gerechtfertigt ist grundsätzlich eine Leistung zur Sicherung einer nicht kostenangemessenen Unterkunft (vgl. Berlit in LPK-SGB XII, 9. Auflage, § 36 Rn. 12 m.w.N.). Die von dem Antragsteller zurzeit bewohnte Wohnung ist auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls, insbesondere der schweren Behinderung des Antragstellers, wie oben erläutert, nicht angemessen. Der Antragsgegner kann also die jetzige Bruttowarmmiete, wie begehrt, nicht übernehmen. Da jedoch der Vermieter in dem Schreiben vom 20. August 2013 mitgeteilt hat, dass eine Fortsetzung des Mietverhältnisses nur unter der Bedingung erfolgen kann, dass "das Amt", also der Antragsgegner, die gesamte Miete übernimmt, ist eine Fortführung des Mietverhältnisses nicht möglich und eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Übernahme der Mietschulden kommt nicht in Betracht.

Bei dieser Sachlage spielt es auch keine Rolle, dass, wie der Antragsteller vorgetragen hat, er die 420,00 Euro, die der vereinbarte Anteil seiner Schwester an der Mietzahlung sein sollten, für Taxifahrten zu behinderungsbedingten Behandlungen ausgegeben hat, denn sein Vermieter wird das Mietverhältnis nur fortsetzen, wenn der Antragsgegner die volle Mietzahlung übernimmt. Im Übrigen hätte der Antragsteller bei dieser Sachlage nicht die für die Miete vorgesehenen Gelder für die Taxifahrten ausgeben dürfen, sondern hätte sich darum bemühen müssen, die Gelder für die Taxifahrten zu erhalten, ggfs. durch einen diesbezüglichen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung.

Der Antragsteller wird sich eine neue Wohnung suchen müssen. Dies scheint er auch schon selbst erkannt zu haben, da er bereits ein Wohnungsgesuch bei dem Antragsgegner eingereicht hat. Nicht nachvollziehen kann der Senat die Äußerung des Antragsgegners, eine Umzugsnotwendigkeit sei für ihn nicht erkennbar. Selbstverständlich ist eine Umzugsnotwendigkeit gegeben, da die jetzige Wohnung zu teuer ist und der Antragsteller offensichtlich auch unter Hilfe seiner Schwester diese nicht wird halten können.

Die Kostenentscheidung folgt aus analoger Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG.

Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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