L 5 R 3974/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 1271/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 3974/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20.08.2012 und der Rentenbescheid der Beklagten vom 10.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.02.2012 und der Bescheid vom 22.03.2012 abgeändert und die Beklagte ihrem Teilanerkenntnis vom 06.09.2013 entsprechend verurteilt, die Altersrente der Klägerin ab dem 01.01.2005 unter Berücksichtigung einer weiteren Anrechnungszeit gem. § 28a FRG i.V.m. § 252 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI infolge des Rentenbezugs für den Zeitraum vom 07.04.1986 bis 14.08.1993 neu zu berechnen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte ihrer außergerichtlichen Kosten beider Instanzen zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Neuberechnung ihrer Altersrente für Frauen unter Zuordnung der Beschäftigungszeit vom 05.10.1978 bis 02.07.1986 zu einem anderen Wirtschaftsbereich sowie unter Berücksichtigung des Bezugs einer russischen Altersrente in der Zeit vom 01.07.1987 bis 21.06.1990.

Die 1938 in N. (ehemalige U.) geborene Klägerin zog am 10.12.1995 als Spätaussiedlerin in die Bundesrepublik Deutschland (Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 Bundesvertriebenengesetz, Bl. 47, 90 der Verwaltungsakte (VA)).

Ausweislich der Eintragungen im Arbeitsbuch (Bl. 179 ff., 212 ff. VA), war sie vom 08.09.1978 bis 02.07.1986 und vom 22.04.1987 bis 30.06.1987 beim "T. Werk für die Herstellung von Signalmitteln", das später in die Firma "S." umbenannt wurde, beschäftigt. Sie war dort zunächst bis zum 05.10.1978 als Arbeiterin in der "Abteilung Nr. 6" eingesetzt und sodann bis zum 02.07.1986 in der "Abteilung Nr. 4". Nach ihren eigenen Angaben im Fragebogen zur Herstellung von Versicherungsunterlagen nach dem Fremdrentengesetz (FRG) vom 16.07.1997 lag der Haupterwerbszweck des Betriebs auf dem Gebiet des Maschinenbaus (Bl. 5 VA). Nach einer Bescheinigung der Firma "S." vom 19.08.2003 (Bl. 682 VA) war sie bis zum 02.07.1986 als Arbeiterin der "Abteilung Nr. 4" ganztägig "beim technologischen Prozess der Abstimmung und Herstellung von pyrotechnischen Zusammensetzungen" tätig. Vom 22.04. bis 30.06.1987 war sie befristet als Montagearbeiterin von Maschinenteilen und Werkstücken wiederum in der "Abteilung Nr. 6" eingesetzt.

Nach dem Vortrag der Klägerin hatte sie in der "Abteilung Nr. 4" insbesondere mit weißen gesundheitsschädlichen Materialien umzugehen, weshalb diese Tätigkeit als "schädliche Arbeit" eingestuft gewesen sei, die nach einer gewissen Zeit der Ausübung zu einer Altersrente berechtigt habe. Ausweislich des Arbeitsbuchs erfolgte die Beendigung dieser Tätigkeit zum 02.07.1986 "aufgrund des Eintritts in den Altersruhestand". Ab dem 07.04.1986 bis zu ihrer Ausreise am 10.12.1995 bezog sie sodann eine staatliche Altersrente (s. Bl. 24 VA).

Seit dem 01.11.1998 erhält die Klägerin von der Beklagten eine Altersrente für Frauen. Diese Rente wurde mit Bescheid vom 28.10.2010 ab dem 01.01.2006 neu festgestellt. Auf den Widerspruch der damaligen Bevollmächtigten der Klägerin erging der streitgegenständliche Rentenbescheid vom 10.10.2011 (Bl. 538 ff. VA), mit dem die Rente ab dem 01.01.2005 neu festgestellt wurde. Der Berechnung der Altersrente liegt für die Zeit vom 05.10.1978 bis 02.07.1986 der Wirtschaftsbereich Nr. 6 (Maschinen- und Fahrzeugbau) zugrunde. Die Zeit des Bezugs einer r. Altersrente ist nicht berücksichtigt.

Die damalige Bevollmächtigte der Klägerin erklärte nach Erlass des Bescheids vom 10.10.2011, der Widerspruch habe sich damit "positiv erledigt" (Bl. 528 VA). Die Klägerin jedoch erhob am 09.11.2011 "Widerspruch" (Schreiben vom 07.11.2011, Bl. 531 ff. VA). Mit dem Rentenbescheid sei sie nicht einverstanden, weil sie bei "S." im "Bereich 04" gearbeitet habe und am Anfang zur Probe einen Monat im "Bereich 06". Es habe sich im "Bereich 04" nicht um Maschinen- und Fahrzeugbau gehandelt. Auf die Anfrage der Beklagten, was genau die Klägerin bei "S." gearbeitet habe und was dort hergestellt worden sei, teilte die Klägerin mit, dass sie nicht wisse, was in diesem Bereich für Signalmittel hergestellt worden seien. Jedenfalls sei die Arbeit schädlich und der Verdienst gut gewesen, außerdem habe die Möglichkeit bestanden ab 45 Jahren in Rente zu gehen (Bl. 599 f. VA). Die Beklagte wies die Klägerin sodann darauf hin, dass der Wirtschaftsbereich Nr. 06 höher bewertet werde als der Wirtschaftsbereich Nr. 04 (Bl. 630 VA). Gleichwohl blieb die Klägerin bei ihrem Begehren.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.02.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Er sei unzulässig, da die angefochtenen Feststellungen bereits getroffen worden und daher bestandskräftig seien. Es werde aber nun eine Prüfung nach § 44 SGB X erfolgen.

Am 12.03.2012 hat die Klägerin beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Zur Begründung hat sie ihr vorgerichtliches Vorbringen wiederholt und beantragt, die Altersrente für Frauen neu zu berechnen, wobei für die Zeit vom 05.10.1978 bis 02.07.1986 statt dem Wirtschaftsbereich Nr. 6 der Wirtschaftsbereich Nr. 4 und für die Zeit vom 01.07.1987 bis zum 21.06.1990 der Bezug der r. Altersrente als rentenrechtlich relevante Zeit berücksichtigt werden sollen.

Mit Bescheid vom 22.03.2012 wurde auch der Überprüfungsantrag der Klägerin, den die Beklagte im Widerspruchsschreiben vom 07.11.2011 sah, abgelehnt. Der Wirtschaftsbereich sei von der Klägerin selbst bereits bei Rentenantragstellung so benannt worden. Im Übrigen würde die von der Klägerin begehrte Änderung des Wirtschaftsbereiches sogar zu einer Verringerung der Rente führen.

Mit Gerichtsbescheid vom 20.08.2012 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, weder aus der Zuordnung des Wirtschaftsbereichs für die Zeit vom 05.10.1978 bis 02.07.1986 noch aus der Berücksichtigung des r. Altersrentenbezugs in der Lücke des Versicherungsverlaufs vom 01.07.1987 bis 21.06.1990 lasse sich ein Anspruch der Klägerin auf höhere Altersrente für Frauen herleiten. Gemäß § 22 Abs. 1 S.3 bis 6 FRG richte sich die Bestimmung des maßgeblichen Wirtschaftsbereichs danach, welchem Bereich der Betrieb, in dem der Versicherte seine Beschäftigung ausgeübt hat, zuzuordnen wäre, wenn der Betrieb im Beitrittsgebiet gelegen hätte. Sei eine Zuordnung zu einem oder zu mehreren Bereichen nicht möglich, so erfolge die Zuordnung zu dem Bereich mit den für das jeweilige Jahr niedrigsten Durchschnittsverdiensten. Im streitigen Zeitraum 05.10.1978 bis 02.07.1986 sei die Klägerin in der "Abteilung Nr. 4" der Firma "S." tätig gewesen. Dort sei sie offenbar, auch wenn sie keine näheren Angaben dazu machen könne, mit der Signalmittelproduktion beschäftigt gewesen. Wofür diese verwendet würden, habe sie nicht angeben können. Die Firma "S." habe aber weitere Abteilungen unterhalten, so z.B. die "Abteilung Nr. 6", in der Maschinenteile und Werkstücke zu montieren gewesen seien. Dort habe die Klägerin den Probemonat und die befristete Tätigkeit ausgeübt. Die Zuordnung der "Abteilung Nr. 6" zum Wirtschaftsbereich Nr. 06, also zum Maschinen- und Fahrzeugbau, rüge die Klägerin nicht. Die Montage von Maschinenteilen und Werkstücken spreche in der Tat für die Zuordnung der "Abteilung 6" zum Wirtschaftsbereich Nr. 06. Nicht nachvollziehbar sei, weshalb die "Abteilung 4" nach Ansicht der Klägerin dem Wirtschaftsbereich Nr. 04 zugeordnet werden solle. Sie selbst habe im Erörterungstermin angegeben, dass es sich jedenfalls nicht um Baumaterialien gehandelt habe, mit denen sie dort hantiert habe. Es dränge sich der Verdacht auf, dass die Klägerin diese Zuordnung nur deshalb wünsche, weil sie - auch nach eingehender Erörterung - möglicherweise immer noch nicht verstanden habe, dass die Nummerierung der Wirtschaftsbereiche nichts mit der Nummerierung der Abteilungen bei der Firma "S." zu tun habe. Bezogen auf die Qualifikationsgruppe 5 ergäben sich für die streitigen Kalenderjahre aus den Tabellen der Anlage 14 des SGB VI die folgenden (noch nicht um ein Fünftel erhöhten) Werte:

Jahre Tabelle 04 Tabelle 06 (Baumaterialienindustrie) (Maschinen- und Fahrzeugbau) 1978 18.155 18.764 1979 19.769 20.411 1980 20.582 21.241 1981 20.810 21.632 1982 21.403 22.257 1983 21.847 22.830 1984 22.539 23.609 1985 23.335 24.659 1986 23.498 24.864

Die Werte der Tabelle 06 lägen danach durchgehend höher als die der Tabelle 04. Der Klägerin sei im Erörterungstermin am Beispiel des Kalenderjahres 1979 unter Darlegung der einzelnen Rechenschritte vorgerechnet worden, dass bei der Zuordnung in den Wirtschaftsbereich 04 statt der bisher für das Jahre 1979 im Bescheid berücksichtigen 24.493,20 DM (Bl. 546 VA) nur noch 23.722,80 DM stehen blieben und ihre Rente daher allenfalls niedriger ausfiele. Die Klägerin habe hierauf geantwortet, das könne sie nicht akzeptieren. Mit der begehrten Zuordnung lasse sich eine Rentensteigerung nicht herbeiführen. Es sei auch nicht ersichtlich, wie der Bezug der russische Altersrente in der Zeit vom 01.07.1987 bis 21.06.1990 zu einer Erhöhung der deutschen Altersrente für Frauen führen solle.

Am 19.09.2012 hat die Klägerin gegen das ihr am 22.08.2012 zugestellte Urteil beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und zur Begründung vortragen lassen, sie sei am 05.10.1978 von der Abteilung 6 in die Abteilung 4 versetzt worden und dort als Arbeiterin mit gesundheitsschädlicher Arbeit befasst gewesen. Sie habe als Arbeiterin der Abteilung Nr. 4 ganztägig "beim technologischen Prozess der Abstimmung und Herstellung von pyrotechnischen Zusammensetzungen" gearbeitet. Nach ihrer Erinnerung habe sie einen weißen trockenen Stoff aus 50kg Säcken in andere Gefäße umgefüllt. Diese seien dann in Kästen aufgestellt worden. Der Stoff habe alles ausgetrocknet – Mund, Atemwege, Haut. Ein Mundschutz sei nicht zur Verfügung gestellt worden. Pro Tag habe sie einen Liter Milch von der Firma erhalten. Deutsche Arbeiterinnen seien häufig für solche Arbeiten eingesetzt worden. Die Zuordnung zum Wirtschaftsbereich Nr. 6 sei nicht nachvollziehbar. Die Klägerin strebe nicht die Anerkennung des Wirtschaftsbereichs Nr. 4 an, sondern wende sich gegen die Einordnung in den Wirtschaftsbereich Nr. 6. Es sei eher von chemischen Prozessen auszugehen, so dass der Wirtschaftsbereich der chemischen Industrie anzusetzen sei. Ihr sei bewusst, dass ihre Änderungswünsche zu einer Feststellung einer ggf. niedrigeren Rente führen könnten.

Mit Schriftsatz vom 06.09.2013 hat die Beklagte die Berücksichtigung einer weiteren Anrechnungszeit gem. § 28a FRG i.V.m. § 252 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI infolge Rentenbezugs für den Zeitraum vom 07.04.1986 bis 14.08.1993 anerkannt und erklärt, dass hieraus die Altersrente der Klägerin ab dem 01.01.2005 neu berechnet werde. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis nicht angenommen.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 20.08.2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Rentenbescheids vom 10.10.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.02.2012 und des Bescheids vom 22.03.2012 zu verurteilen, die Altersrente der Klägerin ab dem 01.01.2005 neu zu berechnen und dabei 1. die Zeit des Bezugs der r. Altersrente vom 01.07.1987 bis zum 21.06.1990 als rentenrechtlich relevante Zeit und 2. für die Zeit vom 05.10.1978 bis 02.07.1986 nicht den Wirtschaftsbereich Nr. 6, sondern den Wirtschaftsbereich für die chemische Industrie, hilfsweise den einschlägigen Wirtschaftsbereich zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung über das Teilanerkenntnis hinaus zurückzuweisen.

Zur Begründung hat die Beklagte vorgetragen, es käme nach den Ausführungen der Klägerin nur der Ansatz des niedrigsten Wirtschaftsbereichs gem. § 22 FRG in Frage. Die von der Klägerin begehrten Wirtschaftsbereiche führten durchweg zu niedrigeren Entgeltpunkten und damit sogar zu einer erheblichen Verringerung des bisherigen Zahlbetrags der Rente. Den von der Bevollmächtigten der Klägerin zur Diskussion gestellten Wirtschaftsbereich "Chemie" habe die Klägerin im Erörterungstermin vom 28.08.2013 ebenfalls als "unzutreffend" abgelehnt. Im Übrigen bestünde hierfür auch kein beweiskräftiger Anhalt.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte sowie statthafte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist zulässig und begründet, soweit die Beklagte ein Teilanerkenntnis abgegeben hat, wonach sie die Berücksichtigung einer weiteren Anrechnungszeit gem. § 28a FRG i.V.m. § 252 Abs. 1 Nr. 4 SGB VI infolge Rentenbezugs für den Zeitraum vom 07.04.1986 bis 14.08.1993 anerkennt und hieraus die Altersrente der Klägerin ab dem 01.01.2005 neu berechnet. Da die Klägerin das Teilanerkenntnis nicht angenommen hat, war die Beklagte insoweit entsprechend ihrem Anerkenntnis zu verurteilen.

Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Das Klagebegehren ist bereits unzulässig, soweit für die Zeit vom 05.10.1978 bis 02.07.1986 der Ansatz des Wirtschaftsbereichs Nr. 2 für die chemische Industrie oder ein anderer Wirtschaftsbereich, der zu einem niedrigeren Rentenzahlbetrag führen würde, begehrt wird. Die Klägerin wird durch die von der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden vorgenommene Einstufung in den Wirtschaftsbereich Nr. 6 nicht beschwert. Im Übrigen ist das Klagebegehren unbegründet, da Wirtschaftsbereiche, die zu einem höheren Rentenzahlbetrag führen könnten, nicht einschlägig sind.

Die in der ehemaligen S. zurückgelegten Beschäftigungszeiten sind als Beitragszeiten nach Maßgabe des FRG in die bundesdeutsche gesetzliche Rentenversicherung zu übernehmen. Der Personenkreis des § 1 FRG, zu dem die Klägerin gehört, hat nach Maßgabe der §§ 15, 16 FRG einen Anspruch darauf, dass bei der Berechnung der ihr zuerkannten Altersrente auch die von ihr in der früheren Sowjetunion zurückgelegten Versicherungs- und Beitragszeiten berücksichtigt werden. Dabei sind nach § 22 Abs. 1 S. 1 FRG Entgeltpunkte in Anwendung von § 256b Abs. 1 S. 1 Halbs.1, Satz 2 und 9 SGB VI zu ermitteln. Die Ermittlung der Entgeltpunkte für die jeweiligen Jahre nach § 256b Abs. 1 Satz 1 SGB VI erfolgt an Hand von Durchschnittsverdiensten in einem ersten Schritt nach Einstufung der Beschäftigung in eine der in Anlage 13 zum SGB VI genannten Qualifikationsgruppen und in einem zweiten Schritt nach Zuordnung der Beschäftigung zu einem der in Anlage 14 zum SGB VI genannten Bereiche. Der Gesetzgeber unterscheidet in der Anlage 14 zum SGB VI insgesamt 23 Wirtschaftsbereiche. Aus den einzelnen Wirtschaftsbereichen ergeben sich die je nach Qualifikationsgruppe zu berücksichtigenden Arbeitsentgelte. Grundlage für die Gliederung der Wirtschaftsbereiche ist die Wirtschaftsstruktur der ehemaligen DDR. Einzelheiten der Zuordnung einer ausgeübten Beschäftigung zu einem der in Anlage 14 zum SGB VI genannten Wirtschaftsbereiche sind in § 22 Abs. 1 Satz 3 bis 6 FRG geregelt. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 FRG richtet sich die Bestimmung des maßgeblichen Bereichs grundsätzlich danach, welchem Bereich der Betrieb, in dem der Versicherte seine Beschäftigung ausgeübt hat, zuzuordnen wäre, wenn der Betrieb im Beitrittsgebiet gelegen hätte. Ist der (Beschäftigungs-)Betrieb Teil einer größeren Unternehmenseinheit gewesen, ist diese für die Bestimmung des Bereichs maßgeblich (§ 22 Abs. 1 Satz 4 FRG). Wurde in einer größeren Unternehmenseinheit eine einheitliche Dienstleistung erbracht oder ein einheitliches Warensortiment produziert, ist dies für die Bestimmung des Wirtschaftsbereichs maßgebend. Wurden hingegen in einer Unternehmenseinheit unterschiedliche Waren produziert oder unterschiedliche Dienstleistungen erbracht, ist der Hauptzweck des Unternehmenszusammenschlusses für die Wirtschaftsbereichszuordnung maßgebend (Dankelmann in juris-PK SGB VI § 256b Rn. 99). Entsprechend diesem Hauptzweck erfolgt dann auch die Zuordnung der einzelnen Betriebe oder Betriebsteile einer solchen größeren Unternehmenseinheit, unabhängig davon, ob diese Betriebe oder Betriebsteile Aufgaben der Produktion, der Verwaltung oder des Verkaufs wahrgenommen haben (Dankelmann in juris-PK SGB VI § 256b Rn. 99). Kommen mehrere Bereiche für die Zuordnung in Betracht, so ist von diesen der Bereich mit den niedrigeren Arbeitsentgelten maßgebend (§ 22 Abs. 1 Satz 5 FRG). Ist eine Zuordnung überhaupt nicht möglich – weil z.B. der wirtschaftliche Schwerpunkt des Betriebes nicht (mehr) feststellbar ist – ist der Bereich mit den niedrigsten Arbeitsentgelten entscheidend (§ 22 Abs. 1 Satz 6 FRG). Die für die Zuordnung der ausgeübten Tätigkeit zu einem der in Anlage 14 zum SGB VI genannten Wirtschaftsbereiche maßgebenden tatsächlichen Umstände sind im Wege der Glaubhaftmachung nachzuweisen (Polster in Kasseler Komm., SGB VI § 256b Rn. 32; Dankelmann in juris-PK, SGB VI § 256b Rn. 102).

Unter Zugrundelegung dieser rechtlichen Kriterien kommen vorliegend vier Wirtschaftsbereiche in Betracht: der von der Beklagten angesetzte Wirtschaftsbereich für Maschinen- und Fahrzeugbau (Nr. 6), der Wirtschaftsbereich für die chemische Industrie (Nr. 2), der Wirtschaftsbereich für Baumaterialienindustrie (Nr. 4) und der Wirtschaftsbereich für sonstige produzierende Bereiche (Nr. 12). Alle übrigen Wirtschaftsbereiche sind ersichtlich nicht einschlägig (Energie- und Brennstoffindustrie, Metallurgie, Wasserwirtschaft, Elektrotechnik/Elektronik/Gerätebau, Leichtindustrie, Textilindustrie, Lebensmittelindustrie, Bauwirtschaft, produzierendes Handwerk, Land- und Fortwirtschaft, Verkehr, Post- und Fernmeldewesen, Handel, Bildung/Gesundheitsweisen/Kultur/Sozialwesen, Wissenschaft/Hoch- und Fachschulwesen, staatliche Verwaltung und gesellschaftliche Organisationen, sonstige nichtproduzierende Bereiche, landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften, Produktionsgenossenschaften des Handwerks).

Für den von der Beklagten angesetzten Wirtschaftsbereich Nr. 6 für Maschinen- und Fahrzeugbau spricht die eigene Einschätzung der Klägerin im Fragebogen zur Herstellung von Versicherungsunterlagen nach dem FRG vom 16.07.1997, wonach der Haupterwerbszweck des Betriebs "T. Werk für die Herstellung von Signalmitteln" auf dem Gebiet des Maschinenbaus lag. Zudem war die Klägerin auch schon vor dem streitgegenständlichen Zeitraum in demselben Betrieb tätig; auch diese Zeit (vom 08.09.1978 bis 04.10.1978) wurde – von der Klägerin unbeanstandet – dem Wirtschaftsbereich Nr. 6 zugeordnet. Ein und derselbe Betrieb kann aber grundsätzlich nicht mehreren Wirtschaftsbereichen zugeordnet werden. Wurden in einer Unternehmenseinheit unterschiedliche Waren produziert oder unterschiedliche Dienstleistungen er-bracht, ist vielmehr der Hauptzweck des Betriebes maßgebend (vgl. Dankelmann in juris-PK a.a.O.).

Für eine Zuordnung zum Wirtschaftsbereich der chemischen Industrie (Nr. 2) sprechen dagegen der Name der Firma als "Werk für die Herstellung von Signalmitteln" und die Bescheinigung des Betriebes, wonach die Klägerin in einem Bereich arbeitete, in dem technologische Prozesse der Abstimmung und Herstellung von pyrotechnischen Zusammensetzungen abliefen. Betriebe zur Herstellung von pyrotechnischen Erzeugnissen sind dem Bereich der Industrie chemischer und chemisch-technischer Spezialerzeugnisse und damit dem Wirtschaftsbereich der chemischen Industrie zuzuordnen (Dankelmann in juris-PK SGB VI § 256b SGB VI Rn. 121).

Für den Wirtschaftsbereich Nr. 4 (Baumaterialindustrie) spricht dagegen allein der Umstand, dass die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Nach Klarstellung gegenüber dem Senat handelte es sich jedoch um ein Missverständnis. Tatsächlich sind keine (sonstigen) Anhaltspunkte ersichtlich, die für eine Einordnung in diesen Wirtschaftsbereich sprechen.

Schließlich bliebe noch der Wirtschaftsbereich Nr. 12 für sonstige produzierende Bereiche, der seinem Wortlaut nach ebenfalls einschlägig sein könnte.

Kommen demnach mehrere Bereiche für die Zuordnung in Betracht, wäre von diesen der Bereich mit den niedrigeren Arbeitsentgelten maßgebend (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 5 FRG). Ist eine Zuordnung dagegen überhaupt nicht möglich – weil z.B. der wirtschaftliche Schwerpunkt des Betriebes nicht (mehr) feststellbar ist – ist der Bereich mit den niedrigsten Arbeitsentgelten entscheidend (§ 22 Abs. 1 Satz 6 FRG).

Vorliegend kann offen bleiben, ob einer der genannten Wirtschaftsbereiche als nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht anzusehen ist oder ob die vorgenannten Regelungen greifen. Denn jeder der genannten, alternativ zu Nr. 6 in Betracht kommenden Wirtschaftsbereiche hätte einen niedrigeren Rentenzahlbetrag zur Folge. Durch die Zuordnung zu dem (im Vergleich zu den Wirtschaftsbereichen Nr. 2, 4 und 12) höher bewerteten Wirtschaftsbereich Nr. 6 ist die Klägerin mithin nicht beschwert. Dies hat das SG in Bezug auf den Wirtschaftsbereich Nr. 4 in seinem Urteil bereits ausführlich dargelegt. Der Senat nimmt insoweit auf die Ausführungen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Der Wechsel in den Wirtschaftsbereich Nr. 2 (chemische Industrie) würde ebenfalls zu einer Reduzierung von Entgeltpunkten und damit zu einem niedrigeren Rentenzahlbetrag führen. Dies ergibt sich aus den in Anlage 14 zum SGB VI aufgeführten jeweiligen Werten der beiden Wirtschaftsbereiche für die streitgegenständlichen Jahre (Qualifikationsgruppe 5, vor Erhöhung um ein Fünftel):

Jahr Chemische Industrie (Nr. 2) in DM Maschinen- und Fahrzeugbau (Nr. 6) in DM Differenz 1978 18.764 18.764 0 1979 20.459 20.411 +48 1980 21.289 21.241 +48 1981 21.535 21.632 -97 1982 22.062 22.257 -195 1983 22.609 22.830 -221 1984 23.310 23.609 -229 1985 24.379 24.659 -280 1986 24.541 24.864 -323

Die sich in den Jahren 1979 und 1980 ergebende positive Differenz wird von den negativen Differenzen in den folgenden Jahren bei Weitem aufgewogen, so dass insgesamt ein geringerer Rentenzahlbetrag herauskommen würde. Dies gilt auch, sofern der ebenfalls in Betracht kommende Wirtschaftsbereich Nr. 12 für sonstige produzierende Bereiche zum Ansatz käme (Qualifikationsgruppe 5, vor Erhöhung um ein Fünftel):

Jahr Sonstige produzierende Bereiche (Nr. 12) in DM Maschinen- und Fahrzeugbau (Nr. 6) in DM Differenz 1978 16.781 18.764 -1.983 1979 17.712 20.411 -2.699 1980 18.908 21.241 -2.333 1981 19.499 21.632 -2.133 1982 20.226 22.257 -2.031 1983 20.917 22.830 -1.913 1984 21.579 23.609 -2.030 1985 22.121 24.659 -2.538 1986 22.336 24.864 -2.528

Damit ist die Klägerin mit dem von der Beklagten angesetzten Wirtschaftsbereich Nr. 6 für die Zeit vom 05.10.1978 bis 02.07.1986 im Vergleich zu den ansonsten in Betracht kommenden Wirtschaftsbereichen am günstigsten gestellt. Insoweit fehlt es ihr an einer Beschwer.

Soweit in dem Antrag der Klägerin auch das Begehren zu sehen ist, einen Wirtschaftsbereich an-zusetzen, der zu einem höheren Rentenzahlbetrag führt, ist zwar ein zulässiges Klagebegehren gegeben. Dieses Begehren ist indes unbegründet, da andere als die genannten Wirtschaftsbereiche nicht in Betracht kommen (s.o.).

Bei der Einordnung in den Wirtschaftsbereich kann schließlich auch nicht berücksichtigt werden, ob und inwiefern die Arbeit gesundheitsschädlich war. Dies spielt für die Zuordnung zu einem Wirtschaftsbereich und für die Höhe der Rente keine Rolle.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das anteilige Obsiegen der Klägerin.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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