Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 8 EG 171/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 EG 55/12
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Sofern eine ausländische Klägerin ihr Aufenthaltsrecht über eine Person mit uneingeschränktem Arbeitsmarktzugang ableitet, gilt die uneingeschränkte Arbeitserlaubnis über §§ 36 Abs. 2, 29 Abs. 5 AufenthG auch für die Klägerin.
2. Eine insoweit fehlerhafte Eintragung der Ausländerbehörde im Pass der Klägerin ist im Hinblick auf die kraft Gesetzes eingetretene Rechtsfolge unschädlich.
2. Eine insoweit fehlerhafte Eintragung der Ausländerbehörde im Pass der Klägerin ist im Hinblick auf die kraft Gesetzes eingetretene Rechtsfolge unschädlich.
I. Die Berufung des Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 18.10.2012 wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch darüber, ob der Klägerin für den dritten bis zwölften Lebensmonat ihres Sohnes (geb. 19.01.2011) Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) zusteht.
Die Klägerin, guineische Staatsangehörige, reiste am 22.04.2010 nach Deutschland ein. Nach ihrer Einreise erhielt die Klägerin zunächst eine Duldung, seit dem 21.02.2011 ist sie aufgrund des Familiennachzugs zu ihrem in Deutschland geborenen Kind im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), gültig bis 19.03.2012. Ihr Sohn erhielt ebenfalls am 21.02.2011 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 33 AufenthG mit dem Zusatz "Erwerbstätigkeit gestattet". Die Aufenthaltserlaubnis der Klägerin enthielt den Zusatz "Unselbstständige Beschäftigung nur mit Genehmigung der Ausländerbehörde gestattet. Selbstständige Tätigkeit nicht gestattet.". Die Klägerin war bislang nicht erwerbstätig. Seit dem 05.03.2012 besitzt sie eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthG.
Am 23.02.2011 beantragte die Klägerin Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 08.03.2011 ab, da die Klägerin nicht freizügigkeitsberechtigt und nicht im Besitz einer Niederlassungs- oder Aufenthaltserlaubnis sei.
Mit Schreiben vom 19.07.2011 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Ablehnungsbescheides vom 08.03.2011. Mit Bescheid vom 28.07.2011 lehnte der Beklagte auch diesen Antrag ab, da nach dem erteilten Aufenthaltstitel die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht uneingeschränkt gestattet sei. Im hiergegen eingelegten Widerspruch trug die Klägerin vor, sie sei sehr wohl im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige. Ihr sei am 21.02.2011 auf der Rechtsgrundlage des § 36 Abs. 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs zu ihrem Sohn erteilt worden. Die Aufenthaltserlaubnis des Kindes nach § 33 AufenthG gestatte die Erwerbstätigkeit. In § 36 Abs. 2 AufenthG werde unter anderem der Nachzug von Eltern zu ihren in Deutschland lebenden Kindern geregelt. Gemäß § 29 Abs. 5 Ziffer 1 AufenthG berechtige die Aufenthaltserlaubnis des Kindes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Da die Aufenthaltserlaubnis des Kindes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige, gelte dies nach § 29 Abs. 5 Ziffer 1 AufenthG auch für die Klägerin. Dass im Pass der Klägerin eine falsche Nebenbestimmung eingetragen sei, ändere nichts daran, denn die unbeschränkte Beschäftigungserlaubnis bestehe kraft Gesetzes. Der entsprechende (hier falsche) Vermerk in der Aufenthaltserlaubnis habe gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 Aufenthaltsgesetz nur deklaratorische Wirkung. Im Übrigen ergebe sich der Anspruch auch aus Art. 14 Absatz 1b der Richtlinie 2003/86/EG (Familienzusammenführungsrichtlinie). Ferner machte die Prozessbevollmächtigte noch erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des § 1 Abs. 7 BEEG geltend.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.10.2011 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Vorliegend habe der Aufenthaltstitel vom 21.02.2011 den Zusatz "Unselbstständige Erwerbstätigkeit nur mit Genehmigung der Ausländerbehörde gestattet" enthalten. Die Elterngeldstellen könnten aber nur Elterngeld auf der Grundlage der tatsächlich vorliegenden Aufenthaltstitel gewähren, auch wenn gesetzlich die Voraussetzungen für einen elterngeldberechtigenden Aufenthaltstitel mit entsprechenden Nebenbestimmungen vorlägen.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage zum Sozialgericht München, in der im Wesentlichen die bisherige Argumentation wiederholt und vertieft wurde. Im Laufe des sozialgerichtlichen Verfahrens legte die Klägerin einen geänderten Aufenthaltstitel vor. Die Ausländerbehörde der Landeshauptstadt B-Stadt habe den Fehler inzwischen eingesehen und ein neues Zusatzblatt zum Aufenthaltstitel ausgestellt. Nun sei entsprechend der Gesetzeslage vermerkt, dass der Klägerin die Erwerbstätigkeit gestattet sei. Eine unrichtige Eintragung ändere aber nichts an der kraft Gesetzes bestehenden Erlaubnis. Im Gegensatz zur Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 30.09.2010, B 10 EG 9/09, bestehe vorliegend die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit ab dem 21.02.2011 kraft Gesetzes. Mit Schreiben vom 10.10.2012 bestätigte die Landeshauptstadt B-Stadt gegenüber dem Sozialgericht, dass die Klägerin kraft Gesetzes gemäß § 29 Abs. 5 Nr. 1 AufenthG seit dem 21.02.2011 im Besitz einer Arbeitserlaubnis (Erwerbstätigkeit gestattet) sei. Die Arbeitserlaubnis werde über das Kind vom Stammberechtigten (Vater des Kindes) abgeleitet. Der Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, in den Fällen von § 36 AufenthG müsse grundsätzlich eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit durch die Ausländerbehörde genehmigt werden. Die anspruchsberechtigende Nebenbestimmung habe damit konstitutiven Charakter. Daran ändere auch die rückwirkende Korrektur der Ausländerbehörde nichts. Ergänzend wurde auf die vorläufigen Anwendungshinweise zur Durchführung des Zuwanderungsgesetzes verwiesen. Unter 4.2.2.3 sei ausgeführt, dass bei der Aufenthaltserlaubnis stets eine Nebenbestimmung über die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit zu treffen sei. Diese Nebenbestimmung sei in den im Gesetz geregelten Fällen (Aufenthaltstitel nach § 9 Abs. 1, § 22 S. 3, § 25 Abs. 1 und 2, § 28 Abs. 5, § 31 Abs. 1, § 37 Abs. 1 und § 38 Abs. 4 AufenthG) lediglich deklaratorisch, in den übrigen Fällen und damit auch bei der Aufenthaltserlaubnis nach § 36 AufenthG konstitutiv.
Das SG hat der Klage mit Gerichtsbescheid vom 18.10.2012 hinsichtlich des dritten bis zwölften Lebensmonats stattgegeben. Bei Erlass des Bescheid vom 08.03.2011 habe der Beklagte das Recht unrichtig angewandt, indem er den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Elterngeld vollumfänglich mit der Begründung abgelehnt habe, ein Anspruch bestehe dem Grunde nach nicht, weil die Klägerin nicht freizügigkeitsberechtigt und nicht im Besitz einer Niederlassungs- oder Aufenthaltserlaubnis sei. Der Klägerin stehe zwar für die ersten beiden Lebensmonate (19.01.2011 bis 18.03.2011) kein Elterngeld zu, da die Klägerin erst ab dem 21.02.2011 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen sei, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigte. Ein Anspruch auf Elterngeld entstehe nach Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen erst mit Beginn des nächsten Lebensmonats des Kindes. Für den Zeitraum vom 19.03.2011 bis 18.01.2012 seien die Voraussetzungen des § 1 Abs. 7 BEEG jedoch erfüllt. Indem § 1 Abs. 7 Nr. 2 Halbsatz 1 BEEG verlange, dass der nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer oder die nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin eine Aufenthaltserlaubnis besitze, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige oder berechtigt habe, bringe die Vorschrift zum Ausdruck, dass die betreffende Aufenthaltserlaubnis selbst zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen oder berechtigt haben müsse. Nicht ausreichend hingegen sei ein materiellrechtlicher Anspruch auf einen entsprechenden Aufenthaltstitel. Aus § 4 Abs. 2 AufenthG ergebe sich, dass die Erwerbsberechtigung sich entweder unmittelbar aus dem Gesetz aus der Art des Aufenthaltstitels selbst oder aus einer diesem ausdrücklich beigefügten Nebenbestimmung ergeben müsse. Aus der gesetzlichen Formulierung im Aufenthaltsgesetz "berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit" ergebe sich, dass der Ausländer mit einem dazu erteilten Aufenthaltstitel kraft Gesetzes berechtigt sei, sowohl eine selbstständige als auch eine nichtselbstständige Beschäftigung auszuüben. Soweit die Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit kraft Gesetzes bestehe, hätten Zusätze in den jeweiligen Aufenthaltstitel (zum Beispiel "Erwerbstätigkeit gestattet") damit nur deklaratorische Wirkung, das heißt die Erlaubnis werde nicht erst durch den jeweiligen Zusatz geschaffen. Anders als bei konstitutiv wirkenden Nebenbestimmungen zu Aufenthaltstiteln, welche die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit erst entstehen lassen, lasse eine fehlerhafte Eintragung der Ausländerbehörde auf einem Aufenthaltstitel, der kraft Gesetzes zur Erwerbstätigkeit berechtige, die gesetzlich angeordnete Wirkung auch nicht etwa entfallen. Denn eine kraft Gesetzes angeordnete Rechtsfolge, die keiner zwischengeschalteten Verwaltungsentscheidung mehr bedürfe, sei einer Außerkraftsetzung durch Verwaltungsakt nicht zugänglich. Der Ausländer sei dann trotz fehlerhafter (deklaratorischer) Nebenbestimmung im Besitz der Berechtigung zur Erwerbstätigkeit. Die Klägerin als guineische Staatsangehörige gehöre zu den nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern. Die ihr am 21.02.2011 nach § 36 Abs. 2 AufenthG erteilte Aufenthaltserlaubnis berechtige sie für sich genommen bereits kraft Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Die Klägerin habe mithin zur Ausübung einer Beschäftigung keiner ausdrücklichen Erlaubnis nach § 4 Absatz 1 S. 1 2. HS AufenthG mehr bedurft. Die fehlerhafte deklaratorische Nebenbestimmung auf ihrem Aufenthaltstitel sei insoweit unschädlich. § 29 AufenthG regle ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf die Grundvoraussetzungen für den Familiennachzug eines Ausländers nach den §§ 30, 32 und 36 AufenthG (BT-Drucksache 15/420 zu Art. 1 § 29). Gemäß § 29 Abs. 5 Nr. 1 AufenthG berechtige die Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, soweit der Ausländer, zu dem der Familiennachzug (nach den §§ 30, 33 oder 36) stattfinde, zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt sei. Bei der Aufenthaltserlaubnis, die gemäß § 36 Abs. 2 AufenthG erteilt werde, handele es sich somit um einen Aufenthaltstitel, der nach § 29 Abs. 5 AufenthG kraft Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige, soweit der Ausländer, zu dem der Zuzug stattfinde, zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt sei. Dies ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 29 Abs. 5 AufenthG als auch aus den Gesetzesmaterialien. Von dieser Rechtsauffassung gehe ausweislich der schriftlichen Bestätigung vom 10.10.2012 auch die zuständige Ausländerbehörde aus. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergebe sich auch aus den Ausführungshinweisen des Bundes zum Zuwanderungsgesetz, dass Nebenbestimmungen zu den zum Zwecke des Familiennachzugs zu Ausländern erteilten Aufenthaltstitel (§§ 30, 32, 36 AufenthG) nur deklaratorische Wirkung hätten, da sich unmittelbar aus § 29 Abs. 5 AufenthG ein abgeleitetes Arbeitsmarktzugangsrecht ergebe. Unter 4.2.1.2 der Ausführungshinweise werde lediglich zwischen einschränkungsloser und vom Stammrecht abgeleiteter Berechtigung zu Erwerbstätigkeit kraft Gesetzes unterschieden wie folgt: "Die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit ergibt sich in den Fällen des § 9 Abs. 1, § 42 Abs. 3, § 25 Abs. 1 und 2, § 28 Abs. 5, § 31 Abs. 1, § 37 Abs. 1 und § 38 Abs. 4 ohne Einschränkungen. Sie bezieht sich nicht nur auf Beschäftigungen, sondern auch auf selbstständige Tätigkeiten und beruhe direkt auf dem AufenthG. Unberührt bleiben spezifische Zulassung ... (hier nicht einschlägig). § 29 Abs. 5 eröffnet dem Ausländer, der im Rahmen des Familiennachzugs eine Aufenthaltserlaubnis erhält, ein abgeleitetes Arbeitsmarktzugangsrecht (Nr. 29.5). In den übrigen Fällen muss die Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit einzelfallbezogen entschieden werden." Da dem Sohn der Klägerin Erwerbstätigkeit seit dem 21.02.2011 gestattet sei, sei die Klägerin somit ab diesem Zeitpunkt kraft Gesetzes (§ 29 Abs. 5 AufenthG) im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, die sie zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige. Die fehlerhafte Eintragung der Ausländerbehörde im Pass sei im Hinblick auf die kraft Gesetzes eingetretene Rechtsfolge unschädlich. Die Klägerin sei damit im Zeitraum vom 19.03.2011 bis 18.01.2012 dem Grunde nach elterngeldberechtigt, § 1 BEEG. Da die Klägerin auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfülle, stünde ihr ein Anspruch auf Elterngeld in Höhe von 300 EUR monatlich zu.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht. Er verbleibt bei seiner Auffassung, dass § 29 Abs. 5 AufenthG nicht entsprechend für Aufenthaltserlaubnisse nach § 36 AufenthG gelte. Es müsse in dieser Konstellation des Familiennachzugs grundsätzlich eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit durch die Ausländerbehörde (konstitutiv) genehmigt werden, so dass sich die Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit nur aus der Nebenbestimmung zur Aufenthaltserlaubnis ergebe. Eine solche anspruchsberechtigende Nebenbestimmung habe trotz rückwirkender Korrektur der Ausländerbehörde im möglichen Bezugszeitraum des Elterngeldes nicht vorgelegen.
Die Prozessbevollmächtigte des Beklagten beantragt,
auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 18.10.2012 insoweit aufgehoben, als der Klage stattgegeben wurde und die Klage auch insoweit abgewiesen.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin stellt den Antrag,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtakten beider Instanzen sowie die beigezogenen Beklagtenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 151 Abs. 1 SGG) ist unbegründet. Da allein der Beklagte Berufung eingelegt hat, ist streitgegenständlich in der Berufung nur der Anspruch auf Elterngeld für den dritten bis zwölften Lebensmonat des Kindes. Hierzu hat das SG zutreffend erkannt, dass für diese Lebensmonate die Voraussetzungen für den Bezug von Elterngeld bei der Klägerin vorliegen.
Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Ablehnungsentscheidung ist ausgehend von § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X zu beurteilen. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt (1. Alternative) oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist (2. Alternative), und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Die Voraussetzungen der ersten Alternative, um die es hier allein geht, liegen vor. Der Beklagte hat bei Erlass des Ablehnungsbescheides vom 08.03.2011 das Recht unrichtig angewandt, da die Klägerin zu diesem Zeitpunkt im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war, die ihr eine Erwerbstätigkeit gestattete. Das SG hat zu Recht einen Anspruch auf § 44 Abs. 1 SGB X gestützt, denn Elterngeld ist eine Sozialleistung nach § 11 SGB I iVm § 25 Abs. 2 SGB I. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG, denen sich der Senat anschließt, wird verwiesen, § 153 Abs. 2 SGG.
Seit dem AufenthG muss nach dessen § 4 Abs. 2 Satz 2 jeder Aufenthaltstitel erkennen lassen, ob die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erlaubt ist. § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bestimmt, dass ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt, sofern es nach diesem Gesetz bestimmt ist oder der Aufenthaltstitel die Ausübung der Erwerbstätigkeit ausdrücklich erlaubt. Nachdem in der Aufenthaltserlaubnis der Klägerin vom 21.02.2011 fälschlicherweise der Eintrag "Erwerbstätigkeit nicht gestattet" aufgenommen war, hängt der Anspruch auf Elterngeld damit davon ab, ob der Zusatz konstitutiv oder rein deklaratorischer Natur war. Für den dritten bis zwölften Lebensmonat hat das SG aber zutreffend entschieden, dass die Nebenbestimmung zur Erwerbstätigkeit in der der Klägerin nach § 36 Abs. 2 AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnis lediglich deklaratorische Natur ist. Denn die Klägerin hat zwar eine Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG erhalten, jedoch sind die Grundvoraussetzungen für den Familiennachzug zu einem Ausländer nach den §§ 30, 32 und 36 AufenthG in § 29 AufenthG geregelt (vergleiche Gesetzesmaterialien BT-Drucksache 15/420, Seite 81). Soweit der Beklagte in der Berufung darauf verweist, dass § 29 Abs. 5 AufenthG nicht auf den Familiennachzug nach § 36 Abs. 2 AufenthG anwendbar sei, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Denn systematisch ist das Regelwerk des Familiennachzugs so aufgebaut, dass zunächst die Grundvoraussetzungen der §§ 5 und 27 AufenthG gelten und beim Familiennachzug zu Ausländern in § 29 weitere Grundvoraussetzungen aufgestellt sind. Zuzug, Verfestigung und Verselbständigung für Ehegatten, Kinder und sonstige Familienangehörige sind dann jeweils getrennt behandelt (§§ 30 und 31, §§ 32, 34 und 35 sowie 36), wobei das in Deutschland geborene Kind eine eigenständige Regelung erfährt, § 33 AufenthG (vgl. hierzu Renner/Bergmann/ Dienelt, Ausländerrecht, Rdnr. 4 zu § 29 AufenthG). § 29 Abs. 5 AufenthG regelt, inwieweit Familienangehörige, die zu Ausländern nachziehen, eine Erwerbstätigkeit ausüben dürfen. Nachziehende Familienangehörige werden dabei so gestellt wie der Ausländer, zu dem sie nachziehen. Das bedeutet: Hat der Ausländer, zu dem der Nachzug erfolgt, einen unbeschränkten Arbeitsmarktzugang, gilt dies auch für die nachziehenden Familienangehörigen. Nachdem die Klägerin ihr Aufenthaltsrecht über ihren Sohn ableitet, der eine uneingeschränkte Arbeitserlaubnis besitzt, gilt diese uneingeschränkte Arbeitserlaubnis über §§ 36 Abs. 2, 29 Abs. 5 AufenthG zugleich für die Klägerin. Diese Auffassung wird unterstützt von den Gesetzesmaterialien zu § 4, wonach § 4 S. 1 AufenthG festlegt, dass ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt, wenn es gesetzlich vorgesehen ist und hierzu in der Klammeraufzählung auch § 29 Abs. 5 AufenthG genannt wird (BT-Drs. 15/420, S. 69). Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass im Fall von § 29 Abs. 5 AufenthG die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit lediglich deklaratorisch zu vermerken ist (BT-Drs., aaO.). Hiervon geht ersichtlich auch die Ausländerbehörde aus, indem sie mit Schreiben vom 10.10.2012 bestätigt, dass der Klägerin bereits ab dem 21.02.2011 nach § 29 Abs. 5 AufenthG Erwerbstätigkeit gestattet war. Insoweit ist die fehlerhafte Eintragung der Ausländerbehörde im Pass der Klägerin im Hinblick auf die kraft Gesetzes eingetretene Rechtsfolge unschädlich. Die Klägerin ist damit im Zeitraum vom 19.03.2011 bis 18.01.2012 dem Grunde nach elterngeldberechtigt.
Nachdem die Klägerin auch die übrigen Grundvoraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 BEEG erfüllt, da sie im noch streitgegenständlichen Zeitraum (19.03.2011 bis 18.01.2012) ihren Wohnsitz in Deutschland hatte, mit ihrem Kind in einem Haushalt lebte und dieses selbst betreute sowie keine elterngeldschädliche Erwerbstätigkeit ausübte, steht der Klägerin im Zeitraum dritter bis zwölfter Lebensmonat ein Anspruch auf Elterngeld in Höhe des Grundbetrages von monatlich 300 EUR zu. Die Berufung des Beklagten ist daher zurückzuweisen.
Die Revision ist nicht zuzulassen, § 160 SGG.
II. Der Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten noch darüber, ob der Klägerin für den dritten bis zwölften Lebensmonat ihres Sohnes (geb. 19.01.2011) Elterngeld nach dem Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG) zusteht.
Die Klägerin, guineische Staatsangehörige, reiste am 22.04.2010 nach Deutschland ein. Nach ihrer Einreise erhielt die Klägerin zunächst eine Duldung, seit dem 21.02.2011 ist sie aufgrund des Familiennachzugs zu ihrem in Deutschland geborenen Kind im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), gültig bis 19.03.2012. Ihr Sohn erhielt ebenfalls am 21.02.2011 eine Aufenthaltserlaubnis nach § 33 AufenthG mit dem Zusatz "Erwerbstätigkeit gestattet". Die Aufenthaltserlaubnis der Klägerin enthielt den Zusatz "Unselbstständige Beschäftigung nur mit Genehmigung der Ausländerbehörde gestattet. Selbstständige Tätigkeit nicht gestattet.". Die Klägerin war bislang nicht erwerbstätig. Seit dem 05.03.2012 besitzt sie eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 AufenthG.
Am 23.02.2011 beantragte die Klägerin Elterngeld für den ersten bis zwölften Lebensmonat. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 08.03.2011 ab, da die Klägerin nicht freizügigkeitsberechtigt und nicht im Besitz einer Niederlassungs- oder Aufenthaltserlaubnis sei.
Mit Schreiben vom 19.07.2011 beantragte die Klägerin die Überprüfung des Ablehnungsbescheides vom 08.03.2011. Mit Bescheid vom 28.07.2011 lehnte der Beklagte auch diesen Antrag ab, da nach dem erteilten Aufenthaltstitel die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht uneingeschränkt gestattet sei. Im hiergegen eingelegten Widerspruch trug die Klägerin vor, sie sei sehr wohl im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige. Ihr sei am 21.02.2011 auf der Rechtsgrundlage des § 36 Abs. 2 AufenthG eine Aufenthaltserlaubnis zum Zwecke des Familiennachzugs zu ihrem Sohn erteilt worden. Die Aufenthaltserlaubnis des Kindes nach § 33 AufenthG gestatte die Erwerbstätigkeit. In § 36 Abs. 2 AufenthG werde unter anderem der Nachzug von Eltern zu ihren in Deutschland lebenden Kindern geregelt. Gemäß § 29 Abs. 5 Ziffer 1 AufenthG berechtige die Aufenthaltserlaubnis des Kindes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Da die Aufenthaltserlaubnis des Kindes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige, gelte dies nach § 29 Abs. 5 Ziffer 1 AufenthG auch für die Klägerin. Dass im Pass der Klägerin eine falsche Nebenbestimmung eingetragen sei, ändere nichts daran, denn die unbeschränkte Beschäftigungserlaubnis bestehe kraft Gesetzes. Der entsprechende (hier falsche) Vermerk in der Aufenthaltserlaubnis habe gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 Aufenthaltsgesetz nur deklaratorische Wirkung. Im Übrigen ergebe sich der Anspruch auch aus Art. 14 Absatz 1b der Richtlinie 2003/86/EG (Familienzusammenführungsrichtlinie). Ferner machte die Prozessbevollmächtigte noch erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des § 1 Abs. 7 BEEG geltend.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.10.2011 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Vorliegend habe der Aufenthaltstitel vom 21.02.2011 den Zusatz "Unselbstständige Erwerbstätigkeit nur mit Genehmigung der Ausländerbehörde gestattet" enthalten. Die Elterngeldstellen könnten aber nur Elterngeld auf der Grundlage der tatsächlich vorliegenden Aufenthaltstitel gewähren, auch wenn gesetzlich die Voraussetzungen für einen elterngeldberechtigenden Aufenthaltstitel mit entsprechenden Nebenbestimmungen vorlägen.
Hiergegen wandte sich die Klägerin mit ihrer Klage zum Sozialgericht München, in der im Wesentlichen die bisherige Argumentation wiederholt und vertieft wurde. Im Laufe des sozialgerichtlichen Verfahrens legte die Klägerin einen geänderten Aufenthaltstitel vor. Die Ausländerbehörde der Landeshauptstadt B-Stadt habe den Fehler inzwischen eingesehen und ein neues Zusatzblatt zum Aufenthaltstitel ausgestellt. Nun sei entsprechend der Gesetzeslage vermerkt, dass der Klägerin die Erwerbstätigkeit gestattet sei. Eine unrichtige Eintragung ändere aber nichts an der kraft Gesetzes bestehenden Erlaubnis. Im Gegensatz zur Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 30.09.2010, B 10 EG 9/09, bestehe vorliegend die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit ab dem 21.02.2011 kraft Gesetzes. Mit Schreiben vom 10.10.2012 bestätigte die Landeshauptstadt B-Stadt gegenüber dem Sozialgericht, dass die Klägerin kraft Gesetzes gemäß § 29 Abs. 5 Nr. 1 AufenthG seit dem 21.02.2011 im Besitz einer Arbeitserlaubnis (Erwerbstätigkeit gestattet) sei. Die Arbeitserlaubnis werde über das Kind vom Stammberechtigten (Vater des Kindes) abgeleitet. Der Beklagte vertrat demgegenüber die Auffassung, in den Fällen von § 36 AufenthG müsse grundsätzlich eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit durch die Ausländerbehörde genehmigt werden. Die anspruchsberechtigende Nebenbestimmung habe damit konstitutiven Charakter. Daran ändere auch die rückwirkende Korrektur der Ausländerbehörde nichts. Ergänzend wurde auf die vorläufigen Anwendungshinweise zur Durchführung des Zuwanderungsgesetzes verwiesen. Unter 4.2.2.3 sei ausgeführt, dass bei der Aufenthaltserlaubnis stets eine Nebenbestimmung über die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit zu treffen sei. Diese Nebenbestimmung sei in den im Gesetz geregelten Fällen (Aufenthaltstitel nach § 9 Abs. 1, § 22 S. 3, § 25 Abs. 1 und 2, § 28 Abs. 5, § 31 Abs. 1, § 37 Abs. 1 und § 38 Abs. 4 AufenthG) lediglich deklaratorisch, in den übrigen Fällen und damit auch bei der Aufenthaltserlaubnis nach § 36 AufenthG konstitutiv.
Das SG hat der Klage mit Gerichtsbescheid vom 18.10.2012 hinsichtlich des dritten bis zwölften Lebensmonats stattgegeben. Bei Erlass des Bescheid vom 08.03.2011 habe der Beklagte das Recht unrichtig angewandt, indem er den Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Elterngeld vollumfänglich mit der Begründung abgelehnt habe, ein Anspruch bestehe dem Grunde nach nicht, weil die Klägerin nicht freizügigkeitsberechtigt und nicht im Besitz einer Niederlassungs- oder Aufenthaltserlaubnis sei. Der Klägerin stehe zwar für die ersten beiden Lebensmonate (19.01.2011 bis 18.03.2011) kein Elterngeld zu, da die Klägerin erst ab dem 21.02.2011 im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gewesen sei, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigte. Ein Anspruch auf Elterngeld entstehe nach Erfüllung aller Anspruchsvoraussetzungen erst mit Beginn des nächsten Lebensmonats des Kindes. Für den Zeitraum vom 19.03.2011 bis 18.01.2012 seien die Voraussetzungen des § 1 Abs. 7 BEEG jedoch erfüllt. Indem § 1 Abs. 7 Nr. 2 Halbsatz 1 BEEG verlange, dass der nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländer oder die nicht freizügigkeitsberechtigte Ausländerin eine Aufenthaltserlaubnis besitze, die zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige oder berechtigt habe, bringe die Vorschrift zum Ausdruck, dass die betreffende Aufenthaltserlaubnis selbst zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigen oder berechtigt haben müsse. Nicht ausreichend hingegen sei ein materiellrechtlicher Anspruch auf einen entsprechenden Aufenthaltstitel. Aus § 4 Abs. 2 AufenthG ergebe sich, dass die Erwerbsberechtigung sich entweder unmittelbar aus dem Gesetz aus der Art des Aufenthaltstitels selbst oder aus einer diesem ausdrücklich beigefügten Nebenbestimmung ergeben müsse. Aus der gesetzlichen Formulierung im Aufenthaltsgesetz "berechtigt zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit" ergebe sich, dass der Ausländer mit einem dazu erteilten Aufenthaltstitel kraft Gesetzes berechtigt sei, sowohl eine selbstständige als auch eine nichtselbstständige Beschäftigung auszuüben. Soweit die Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit kraft Gesetzes bestehe, hätten Zusätze in den jeweiligen Aufenthaltstitel (zum Beispiel "Erwerbstätigkeit gestattet") damit nur deklaratorische Wirkung, das heißt die Erlaubnis werde nicht erst durch den jeweiligen Zusatz geschaffen. Anders als bei konstitutiv wirkenden Nebenbestimmungen zu Aufenthaltstiteln, welche die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit erst entstehen lassen, lasse eine fehlerhafte Eintragung der Ausländerbehörde auf einem Aufenthaltstitel, der kraft Gesetzes zur Erwerbstätigkeit berechtige, die gesetzlich angeordnete Wirkung auch nicht etwa entfallen. Denn eine kraft Gesetzes angeordnete Rechtsfolge, die keiner zwischengeschalteten Verwaltungsentscheidung mehr bedürfe, sei einer Außerkraftsetzung durch Verwaltungsakt nicht zugänglich. Der Ausländer sei dann trotz fehlerhafter (deklaratorischer) Nebenbestimmung im Besitz der Berechtigung zur Erwerbstätigkeit. Die Klägerin als guineische Staatsangehörige gehöre zu den nicht freizügigkeitsberechtigten Ausländern. Die ihr am 21.02.2011 nach § 36 Abs. 2 AufenthG erteilte Aufenthaltserlaubnis berechtige sie für sich genommen bereits kraft Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit. Die Klägerin habe mithin zur Ausübung einer Beschäftigung keiner ausdrücklichen Erlaubnis nach § 4 Absatz 1 S. 1 2. HS AufenthG mehr bedurft. Die fehlerhafte deklaratorische Nebenbestimmung auf ihrem Aufenthaltstitel sei insoweit unschädlich. § 29 AufenthG regle ausweislich der Begründung zum Gesetzentwurf die Grundvoraussetzungen für den Familiennachzug eines Ausländers nach den §§ 30, 32 und 36 AufenthG (BT-Drucksache 15/420 zu Art. 1 § 29). Gemäß § 29 Abs. 5 Nr. 1 AufenthG berechtige die Aufenthaltserlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit, soweit der Ausländer, zu dem der Familiennachzug (nach den §§ 30, 33 oder 36) stattfinde, zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt sei. Bei der Aufenthaltserlaubnis, die gemäß § 36 Abs. 2 AufenthG erteilt werde, handele es sich somit um einen Aufenthaltstitel, der nach § 29 Abs. 5 AufenthG kraft Gesetzes zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige, soweit der Ausländer, zu dem der Zuzug stattfinde, zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt sei. Dies ergebe sich sowohl aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 29 Abs. 5 AufenthG als auch aus den Gesetzesmaterialien. Von dieser Rechtsauffassung gehe ausweislich der schriftlichen Bestätigung vom 10.10.2012 auch die zuständige Ausländerbehörde aus. Entgegen der Auffassung der Beklagten ergebe sich auch aus den Ausführungshinweisen des Bundes zum Zuwanderungsgesetz, dass Nebenbestimmungen zu den zum Zwecke des Familiennachzugs zu Ausländern erteilten Aufenthaltstitel (§§ 30, 32, 36 AufenthG) nur deklaratorische Wirkung hätten, da sich unmittelbar aus § 29 Abs. 5 AufenthG ein abgeleitetes Arbeitsmarktzugangsrecht ergebe. Unter 4.2.1.2 der Ausführungshinweise werde lediglich zwischen einschränkungsloser und vom Stammrecht abgeleiteter Berechtigung zu Erwerbstätigkeit kraft Gesetzes unterschieden wie folgt: "Die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit ergibt sich in den Fällen des § 9 Abs. 1, § 42 Abs. 3, § 25 Abs. 1 und 2, § 28 Abs. 5, § 31 Abs. 1, § 37 Abs. 1 und § 38 Abs. 4 ohne Einschränkungen. Sie bezieht sich nicht nur auf Beschäftigungen, sondern auch auf selbstständige Tätigkeiten und beruhe direkt auf dem AufenthG. Unberührt bleiben spezifische Zulassung ... (hier nicht einschlägig). § 29 Abs. 5 eröffnet dem Ausländer, der im Rahmen des Familiennachzugs eine Aufenthaltserlaubnis erhält, ein abgeleitetes Arbeitsmarktzugangsrecht (Nr. 29.5). In den übrigen Fällen muss die Erlaubnis zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit einzelfallbezogen entschieden werden." Da dem Sohn der Klägerin Erwerbstätigkeit seit dem 21.02.2011 gestattet sei, sei die Klägerin somit ab diesem Zeitpunkt kraft Gesetzes (§ 29 Abs. 5 AufenthG) im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis, die sie zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtige. Die fehlerhafte Eintragung der Ausländerbehörde im Pass sei im Hinblick auf die kraft Gesetzes eingetretene Rechtsfolge unschädlich. Die Klägerin sei damit im Zeitraum vom 19.03.2011 bis 18.01.2012 dem Grunde nach elterngeldberechtigt, § 1 BEEG. Da die Klägerin auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen erfülle, stünde ihr ein Anspruch auf Elterngeld in Höhe von 300 EUR monatlich zu.
Hiergegen wendet sich der Beklagte mit seiner Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht. Er verbleibt bei seiner Auffassung, dass § 29 Abs. 5 AufenthG nicht entsprechend für Aufenthaltserlaubnisse nach § 36 AufenthG gelte. Es müsse in dieser Konstellation des Familiennachzugs grundsätzlich eine Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit durch die Ausländerbehörde (konstitutiv) genehmigt werden, so dass sich die Berechtigung zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit nur aus der Nebenbestimmung zur Aufenthaltserlaubnis ergebe. Eine solche anspruchsberechtigende Nebenbestimmung habe trotz rückwirkender Korrektur der Ausländerbehörde im möglichen Bezugszeitraum des Elterngeldes nicht vorgelegen.
Die Prozessbevollmächtigte des Beklagten beantragt,
auf die Berufung des Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 18.10.2012 insoweit aufgehoben, als der Klage stattgegeben wurde und die Klage auch insoweit abgewiesen.
Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin stellt den Antrag,
die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
Die Klägerin hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird auf die Gerichtakten beider Instanzen sowie die beigezogenen Beklagtenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Beklagten (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 151 Abs. 1 SGG) ist unbegründet. Da allein der Beklagte Berufung eingelegt hat, ist streitgegenständlich in der Berufung nur der Anspruch auf Elterngeld für den dritten bis zwölften Lebensmonat des Kindes. Hierzu hat das SG zutreffend erkannt, dass für diese Lebensmonate die Voraussetzungen für den Bezug von Elterngeld bei der Klägerin vorliegen.
Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Ablehnungsentscheidung ist ausgehend von § 44 Abs. 1 S. 1 SGB X zu beurteilen. Nach dieser Vorschrift ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt (1. Alternative) oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist (2. Alternative), und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Die Voraussetzungen der ersten Alternative, um die es hier allein geht, liegen vor. Der Beklagte hat bei Erlass des Ablehnungsbescheides vom 08.03.2011 das Recht unrichtig angewandt, da die Klägerin zu diesem Zeitpunkt im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis war, die ihr eine Erwerbstätigkeit gestattete. Das SG hat zu Recht einen Anspruch auf § 44 Abs. 1 SGB X gestützt, denn Elterngeld ist eine Sozialleistung nach § 11 SGB I iVm § 25 Abs. 2 SGB I. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG, denen sich der Senat anschließt, wird verwiesen, § 153 Abs. 2 SGG.
Seit dem AufenthG muss nach dessen § 4 Abs. 2 Satz 2 jeder Aufenthaltstitel erkennen lassen, ob die Ausübung einer Erwerbstätigkeit erlaubt ist. § 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG bestimmt, dass ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt, sofern es nach diesem Gesetz bestimmt ist oder der Aufenthaltstitel die Ausübung der Erwerbstätigkeit ausdrücklich erlaubt. Nachdem in der Aufenthaltserlaubnis der Klägerin vom 21.02.2011 fälschlicherweise der Eintrag "Erwerbstätigkeit nicht gestattet" aufgenommen war, hängt der Anspruch auf Elterngeld damit davon ab, ob der Zusatz konstitutiv oder rein deklaratorischer Natur war. Für den dritten bis zwölften Lebensmonat hat das SG aber zutreffend entschieden, dass die Nebenbestimmung zur Erwerbstätigkeit in der der Klägerin nach § 36 Abs. 2 AufenthG erteilten Aufenthaltserlaubnis lediglich deklaratorische Natur ist. Denn die Klägerin hat zwar eine Aufenthaltserlaubnis nach § 36 Abs. 2 AufenthG erhalten, jedoch sind die Grundvoraussetzungen für den Familiennachzug zu einem Ausländer nach den §§ 30, 32 und 36 AufenthG in § 29 AufenthG geregelt (vergleiche Gesetzesmaterialien BT-Drucksache 15/420, Seite 81). Soweit der Beklagte in der Berufung darauf verweist, dass § 29 Abs. 5 AufenthG nicht auf den Familiennachzug nach § 36 Abs. 2 AufenthG anwendbar sei, teilt der Senat diese Auffassung nicht. Denn systematisch ist das Regelwerk des Familiennachzugs so aufgebaut, dass zunächst die Grundvoraussetzungen der §§ 5 und 27 AufenthG gelten und beim Familiennachzug zu Ausländern in § 29 weitere Grundvoraussetzungen aufgestellt sind. Zuzug, Verfestigung und Verselbständigung für Ehegatten, Kinder und sonstige Familienangehörige sind dann jeweils getrennt behandelt (§§ 30 und 31, §§ 32, 34 und 35 sowie 36), wobei das in Deutschland geborene Kind eine eigenständige Regelung erfährt, § 33 AufenthG (vgl. hierzu Renner/Bergmann/ Dienelt, Ausländerrecht, Rdnr. 4 zu § 29 AufenthG). § 29 Abs. 5 AufenthG regelt, inwieweit Familienangehörige, die zu Ausländern nachziehen, eine Erwerbstätigkeit ausüben dürfen. Nachziehende Familienangehörige werden dabei so gestellt wie der Ausländer, zu dem sie nachziehen. Das bedeutet: Hat der Ausländer, zu dem der Nachzug erfolgt, einen unbeschränkten Arbeitsmarktzugang, gilt dies auch für die nachziehenden Familienangehörigen. Nachdem die Klägerin ihr Aufenthaltsrecht über ihren Sohn ableitet, der eine uneingeschränkte Arbeitserlaubnis besitzt, gilt diese uneingeschränkte Arbeitserlaubnis über §§ 36 Abs. 2, 29 Abs. 5 AufenthG zugleich für die Klägerin. Diese Auffassung wird unterstützt von den Gesetzesmaterialien zu § 4, wonach § 4 S. 1 AufenthG festlegt, dass ein Aufenthaltstitel zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit berechtigt, wenn es gesetzlich vorgesehen ist und hierzu in der Klammeraufzählung auch § 29 Abs. 5 AufenthG genannt wird (BT-Drs. 15/420, S. 69). Der Gesetzesbegründung ist zu entnehmen, dass im Fall von § 29 Abs. 5 AufenthG die Berechtigung zur Erwerbstätigkeit lediglich deklaratorisch zu vermerken ist (BT-Drs., aaO.). Hiervon geht ersichtlich auch die Ausländerbehörde aus, indem sie mit Schreiben vom 10.10.2012 bestätigt, dass der Klägerin bereits ab dem 21.02.2011 nach § 29 Abs. 5 AufenthG Erwerbstätigkeit gestattet war. Insoweit ist die fehlerhafte Eintragung der Ausländerbehörde im Pass der Klägerin im Hinblick auf die kraft Gesetzes eingetretene Rechtsfolge unschädlich. Die Klägerin ist damit im Zeitraum vom 19.03.2011 bis 18.01.2012 dem Grunde nach elterngeldberechtigt.
Nachdem die Klägerin auch die übrigen Grundvoraussetzungen gemäß § 1 Abs. 1 BEEG erfüllt, da sie im noch streitgegenständlichen Zeitraum (19.03.2011 bis 18.01.2012) ihren Wohnsitz in Deutschland hatte, mit ihrem Kind in einem Haushalt lebte und dieses selbst betreute sowie keine elterngeldschädliche Erwerbstätigkeit ausübte, steht der Klägerin im Zeitraum dritter bis zwölfter Lebensmonat ein Anspruch auf Elterngeld in Höhe des Grundbetrages von monatlich 300 EUR zu. Die Berufung des Beklagten ist daher zurückzuweisen.
Die Revision ist nicht zuzulassen, § 160 SGG.
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