Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Freiburg (BWB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 19 R 3502/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Für den Leistungsfall "volle Erwerbsminderung" ist erforderlich und zugleich ausreichend, dass ein Versicherter auf Grund eines konkreten Ereignisses in seinem Leben, gegen dessen Nachteile er durch die Rentenversicherung geschützt werden soll, nicht mehr in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt auch nur teilweise durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu bestreiten.
2. Sinkt das quantitative Restleistungsvermögen von unter sechs Stunden auf unter drei Stunden arbeitstäglich ist, liegt bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes kein neuer Leistungsfall vor ("konkrete Betrachtungsweise").
2. Sinkt das quantitative Restleistungsvermögen von unter sechs Stunden auf unter drei Stunden arbeitstäglich ist, liegt bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes kein neuer Leistungsfall vor ("konkrete Betrachtungsweise").
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab November 2010 an die Klägerin.
Die 1954 geborene Klägerin ist seit dem 16.07.2009 anerkannt schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 40. Sie war zuletzt im Oktober 1994 als Küchenhilfe versicherungspflichtig beschäftigt und verfügte im Anschluss daran bis Februar 2006 über keinerlei eigenen Einkünfte. Seit März 2006 steht die Klägerin im durchgängigen Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Nachdem die Klägerin im Anschluss an ihren Verlust des letzten Arbeitsplatzes erstmals bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente beantragt hatte und dieser Antrag durch die Beklagte abgelehnt worden war, gewährte die Beklagte der Klägerin im Wege eines gerichtlichen Vergleiches eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme, die vom 14.11.1997 bis 12.12.1997 in der Z.-Klinik in B. durchgeführt wurde. Die Klägerin wurde hieraus als erwerbsfähig für Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem zeitlichen Umfang von täglich sechs Stunden und mehr entlassen.
Am 03.01.2007 stellte die Klägerin bei der Beklagten erneut einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, da sie wegen verschiedener Erkrankungen keinerlei Tätigkeiten mehr verrichten könne. Diesen Antrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 25.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2007 ab, da die Klägerin weder erwerbsgemindert sei noch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente erfüllt seien. Die gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) erforderliche 3/5-Belegung setze den Eintritt eines Leistungsfalles spätestens Ende November 1996 voraus. Die Klägerin erhob daraufhin am 21.08.2007 erneut eine Klage zum Sozialgericht Freiburg, die unter dem Aktenzeichen S 6 R 4471/07 geführt wurde. Im gerichtlichen Verfahren wurde unter anderem Beweis erhoben durch Einholung eines fachpsychiatrischen Gutachtens, das am 31.10.2008 durch Dr. Dipl.-Psych. S., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in F., erstellt wurde. Der Sachverständige kam dabei zu dem Ergebnis, dass sich die psychische Erkrankung der Klägerin in den letzten Jahren deutlich verschlechtert und chronifiziert habe. Ausgehend von den Diagnosen einer differenzierten Somatisierungsstörung, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sowie einer mittelgradigen depressiven Episode mit somatischem Syndrom schätzte Dr. Dipl.-Psych. S. das quantitative Restleistungsvermögen der Klägerin auf maximal vier Stunden täglich für körperlich leichte Tätigkeiten ein. Mit einer grundlegenden Besserung der Beschwerden sei nicht zu rechnen. Diese aktuell bestehenden Beschwerden bestünden in diesem Ausmaß vermutlich seit einigen Jahren, ohne dass es möglich sei, einen genauen Zeitpunkt anzugeben.
Im Wesentlichen auf dieses Gutachten gestützt wies die 6. Kammer des Sozialgerichts Freiburg durch Urteil vom 13.07.2009 die Klage ab. Die Klägerin sei zwar auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch unter sechs Stunden täglich leistungsfähig. Der Leistungsfall sei jedoch nicht bis spätestens Ende November 1996 nachgewiesen, zumal die Kammer davon ausgehe, dass der Leistungsfall erst deutlich später eingetreten sei. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente seien damit nicht erfüllt. Die am 11.09.2009 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegte Berufung wurde unter dem Aktenzeichen L 9 R 4385/09 durch Beschluss vom 30.09.2010 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Eintritt der Erwerbsminderung spätestens Ende November 1996 nicht nachgewiesen sei. Die seitens der Klägerin im Berufungsverfahren geltend gemachte weitere Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes sei daher ohne Bedeutung.
Am 25.10.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Nachdem dieser Antrag durch Bescheid vom 29.11.2010 abgelehnt worden war, erhob die Klägerin mit Schreiben vom 14.12.2010 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass im Oktober 2010 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wieder erfüllt seien. Die Klägerin sei nunmehr voll erwerbsgemindert, da ihr quantitatives Restleistungsvermögen inzwischen unter drei Stunden täglich liege. Im Widerspruchsverfahren veranlasste die Beklagte eine Begutachtung der Klägerin durch Dr. C. (Internist bei der ärztlichen Untersuchungsstelle der Beklagten). Dr. C. kam in seinem Gutachten vom 16.06.2011 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin unter anderem unter einer undifferenzierten Somatisierungsstörung, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sowie einer mittelgradigen depressiven Episode mit somatischem Syndrom leide. Dabei handele es sich im Vergleich zur Begutachtung durch Dr. Dipl.-Psych. S. im Jahre 2008 im Prinzip um ein identisches, im Detail der Symptomatik eher noch gravierenderes Beschwerdebild, das chronifiziert und mit einer regelmäßigen Erwerbsarbeit nicht vereinbar sei. Die Klägerin sei mittlerweile unter drei Stunden täglich leistungsfähig für körperlich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Eine Besserungsaussicht ihres Restleistungsvermögens bestehe angesichts des über Jahre zunehmenden Verlaufes nicht.
Gleichwohl wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 14.09.2011 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass das Restleistungsvermögen der Klägerin zwar spätestens seit August 2008 nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich und spätestens seit erneutem Rentenantrag am 25.10.2010 nur noch unter drei Stunden täglich betrage. Da auf Grund der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes aber dem Grunde nach bereits seit August 2008 eine volle Erwerbsminderung bestanden habe, zu diesem Zeitpunkt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt seien, bestehe kein Rentenanspruch der Klägerin. Die am 10.11.2011 zum Sozialgericht Freiburg erhobene Klage wurde unter dem Aktenzeichen S 22 R 5893/11 durch Gerichtsbescheid vom 15.02.2012 wegen Versäumens der Klagefrist als unzulässig abgewiesen.
Die Klägerin stellte daraufhin bei der Beklagten am 19.03.2012 einen Überprüfungsantrag hinsichtlich des ablehnenden Rentenbescheides vom 29.11.2010. Zur Begründung führte sie aus, dass zwischen dem Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI und dem Eintritt der vollen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB VI unterschieden werden müsse, so dass mit Absinken des Restleistungsvermögens der Klägerin von unter sechsstündig auf unter dreistündig von einem neuen Leistungsfall auszugehen sei. Der Rentenanspruch entstehe kraft Gesetzes, wobei die einzelnen Entstehungstatbestände gesondert zu prüfen seien. Die volle Erwerbsminderung der Klägerin im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI sei erst im Jahre 2010 eingetreten, so dass auf diesen Zeitpunkt bezüglich des Leistungsfalles abzustellen sei. Im Zeitpunkt des Eintritts der teilweisen Erwerbsminderung 2008 habe die Beklagte im Übrigen nicht geprüft, ob der Teilzeitarbeitsmarkt tatsächlich verschlossen gewesen sei.
Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag durch Bescheid vom 18.04.2012 ab. Sie vertrat die Ansicht, dass es unerheblich sei, dass die volle Erwerbsminderungsrente 2008 wegen dem verschlossenen Arbeitsmarkt vorgelegen habe. Da der Eintritt der Leistungsminderung, der zur vollen Erwerbsminderung geführt habe, im Dezember 2008 zu verorten sei, sei die volle Erwerbsminderung bereits zu diesem Zeitpunkt eingetreten. Eine weitere Verschlechterung des Restleistungsvermögens führe zu keinem geänderten Leistungsfall. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 14.06.2012 zurück.
Am 16.07.2012 hat die Klägerin zum Sozialgericht Freiburg Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass ihr ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.11.2010 zukomme. Die Beklagte sei medizinisch von einer teilweisen Erwerbsminderung spätestens im August 2008 ausgegangen. Nur wegen der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes unterstelle die Beklagte ein "Durchschlagen" dieser teilweisen Erwerbsminderung in eine volle Erwerbsminderung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien jedoch die Begriffe "Leistungsfall" und "Versicherungsfall" zu unterscheiden, wobei mit dem Begriff "Versicherungsfall" nur Ereignisse im Leben des Versicherten umschrieben würden. Der Eintritt der vollen Erwerbsminderung sei daher im Vergleich zum Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung ein neuer Versicherungsfall, da das Restleistungsvermögen des Versicherten nochmals gesunken sei. Durch die Rechtsprechung des BSG könne sich der Versicherungsfall der teilweisen Erwerbsminderung bei konkreter Betrachtungsweise zwar zu einem Leistungsfall der vollen Erwerbsminderungsrente ausdehnen, hierdurch werde der Versicherungsfall der teilweisen Erwerbsminderung aber gerade nicht zum Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung. Es sei zu beachten, dass das Gesetz ausdrücklich zwischen teilweiser und voller Erwerbsminderung unterscheide. Da somit zwischen den beiden Tatbeständen des § 43 Abs. 1 SGB VI einerseits und des § 43 Abs. 2 SGB VI andererseits zu trennen sei, sei entscheidend, ob materiell-rechtlich die "volle Erwerbsminderung" des § 43 Abs. 2 SGB VI schon im August 2008 eingetreten sei. Da eben dies nicht der Fall gewesen sei, sei auf den Eintritt der vollen Erwerbsminderung 2010 abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, so dass ein Rentenanspruch ab dem 01.11.2010 bestehe. Im Übrigen könne die sogenannte Arbeitsmarktrente als bloße Fiktion bzw. als Richterrecht wegen des Vorbehalts des Gesetzes nicht zum Ausschluss des gesetzlich vorgesehenen Anspruchs nach § 43 Abs. 2 SGB VI führen.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2012 zu verurteilen, ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 29.11.2010 ab dem 01.11.2010 eine Rente in gesetzlicher Höhe wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass der Anspruch auf Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente auf einer konkreten Betrachtungsweise beruhe, die sich aus § 43 Abs. 3 SGB VI ergebe. Danach sei die Arbeitsmarktlage bei einem Restleistungsvermögen von mindestens sechs Stunden nicht zu berücksichtigen. Die Arbeitsmarktlage sei dagegen - nach abstrakter Betrachtung - bei teilweise erwerbsgeminderten Versicherten zu beachten, was sich auch aus § 102 Abs. 2 S. 5 SGB VI ergebe. Aus diesem Grund werde in der Gesetzesbegründung zu § 43 SGB VI ausgeführt, dass ein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente nicht alleine vom Gesundheitszustand des Versicherten abhängig gemacht werde (sogenannte abstrakte Betrachtungsweise) sondern auch davon, ob er noch in der Lage sei, bei der konkreten Situation des Teilzeitarbeitsmarktes die ihm verbliebende Erwerbsfähigkeit zur Erzielung eines Erwerbseinkommens einzusetzen. Versicherte, die zwischen drei und sechs Stunden täglich arbeiten könnten, erhielten danach eine volle Erwerbsminderungsrente. Nach § 40 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) entstünden Sozialleistungsansprüche, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen würden. Dies sei im Falle der Klägerin spätestens im August 2008 der Fall gewesen, da zu diesem Zeitpunkt arbeitsmarktbedingt eine volle Erwerbsminderung vorgelegen habe. Unter Berücksichtigung der Regelung des § 40 SGB I sei der Leistungsfall für eine volle Erwerbsminderungsrente daher bereits spätestens im August 2008 eingetreten Einen nochmaligen Leistungsfall einer vollen Erwerbsminderungsrente könne es nicht gebe. Unerheblich sei insbesondere, ob der Leistungsfall aus medizinischen Gründen oder arbeitsmarktbedingt eingetreten sei.
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten im Gerichts- und Verwaltungsverfahren sowie wegen der Ergebnisse der Beweisaufnahme im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten über die Klägerin und der beigezogenen Gerichtsakten zum Vorverfahren mit dem Aktenzeichen S 6 R 4471/07 verwiesen. Durch Verfügung vom 08.03.2013 hat das Gericht die Beteiligten hingewiesen, dass die Akte des Verfahrens mit dem Aktenzeichen S 6 R 4471/07 beigezogen und bei der Entscheidung berücksichtigt wird.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Überprüfungsbescheid der Beklagten vom 18.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2012 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 29.11.2010, da ihr kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen (voller) Erwerbsminderung ab dem 01.11.2010 zukommt.
Anspruchsgrundlage für die Gewährung eine Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 SGB VI. Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit geleistet und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Nach § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit geleistet und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Darüber hinaus haben nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit Versicherte, die teilweise erwerbsgemindert sind, jedoch keinen Teilzeitarbeitsplatz innehaben, einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BSG, Urt. v. 08.09.2005 – B 13 RJ 10/04 R, SozR 4-2600 § 101 Nr. 2 und BSG, Urt. v. 10.12.2003 – B 5 RJ 64/02 R, SozR 4-2600 § 44 Nr. 1). Es ist nämlich auch nach Inkrafttreten des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) nicht davon auszugehen, dass Teilzeitstellen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt schlechthin in genügender Anzahl zur Verfügung stehen. In einem solchen Fall schlägt eine teilweise Erwerbsminderung auf die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung durch.
Voll erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI ist teilweise erwerbsgemindert, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach der Vorschrift des § 43 Abs. 3 SGB VI schließlich nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Berücksichtigung der jeweiligen Arbeitsmarktlage mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.
Die Klägerin ist spätestens seit August 2008 teilweise erwerbsgemindert. Dies ist ebenso unstreitig wie der Umstand, dass im August 2008 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nicht erfüllt waren. Zur weiteren Begründung verweist die Kammer auf das überzeugende Gutachten von Dr. Dipl.-Psych. S. vom 31.10.2008. Die Kammer ist darüber hinaus davon überzeugt, dass unter Berücksichtigung dieses Gutachtens die Klägerin nicht den Nachweis erbracht hat, spätestens im November 1996 bereits teilweise erwerbsgemindert gewesen zu sein. Insofern verweist die Kammer auf die zutreffenden Ausführungen der 6. Kammer des Sozialgerichts Freiburg im Urteil vom 13.07.2009 (S 6 R 4471/07) sowie des 9. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg im Beschluss vom 30.09.2010 (L 9 R 4385/09), denen sich die Kammer nach eigener Prüfung anschließt.
Die Klägerin hätte somit ab August 2008 dem Grunde nach wegen der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung - sogenannte Arbeitsmarktrente. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Kammer keine Zweifel, dass der Teilzeitarbeitsmarkt für die Klägerin beim Eintritt ihrer gesundheitlich bedingten teilweisen Erwerbsminderung auch tatsächlich verschlossen war. So ist dem Versicherten der Arbeitsmarkt dann verschlossen, wenn ihm weder der Rentenversicherungsträger noch das zuständige Arbeitsamt innerhalb eines Jahres seit Stellung des Rentenantrages einen für ihn in Betracht kommenden Arbeitsplatz anbieten können (Gürtner in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 80. EL 2013, § 43 SGB VI, Rdn. 31 m.w.N.). Die Klägerin beantragte bereits Mitte der 1990er-Jahre erstmals bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Seit 1994 hat sie keinen Arbeitsplatz mehr inne. Bei Eintritt ihrer gesundheitlich bedingten teilweisen Erwerbsminderung hatte die Klägerin mithin über viele Jahre hinweg keinen (Teilzeit-)Arbeitsplatz mehr inne, so dass von einer Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes auszugehen ist. Überdies ist nach jüngerer Rechtsprechung des BSG zur Feststellung der Erwerbsminderung eines zwischen drei und sechs Stunden einsatzfähigen Versicherten bei rückwirkender Prüfung der Arbeitsmarktlage der Nachweis solcher konkreter Vermittlungsbemühungen nicht mehr erforderlich. Bei der sogenannten arbeitsmarktabhängigen Erwerbsminderung wird die Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarkts vielmehr bei jeder quantitativen Leistungseinschränkung berücksichtigt (vgl. nur BSG, Urt. v. 08.09.2005 - Az. B 13 RJ 10/04 R, Rdn. 18 m.w.N).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann die Klage unabhängig von der - wohl zu bejahenden - Frage, ob eine weitere Verschlechterung des quantitativen Restleistungsvermögens der Klägerin auf unter drei Stunden täglich nach 2008 eingetreten ist, keinen Erfolg haben. Selbst wenn sich das quantitative Restleistungsvermögen der Klägerin nach August 2008 auf unter drei Stunden arbeitstäglich verringert haben sollte und selbst wenn zu diesem Zeitpunkt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente erfüllt gewesen sein sollten, kann der Klägerin mangels Eintritts eines neuen Leistungsfalles kein Anspruch auf die Gewährung einer (vollen) Erwerbsminderungsrente zukommen. Der Leistungsfall für die Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente ist vielmehr bereits spätestens im August 2008 eingetreten. Im Einzelnen:
Der Begriff der "Minderung der Erwerbsfähigkeit" in § 101 Abs. 1 SGB VI ist im Gesetz nicht definiert. Übereinstimmend in Rechtsprechung und Literatur versteht man jedoch unter Erwerbsfähigkeit die Fähigkeit des Versicherten, sich unter Ausnutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich ihm nach seinen gesamten Kenntnissen und körperlichen und geistigen Fähigkeiten im ganzen Bereich des wirtschaftlichen Lebens bieten, einen Erwerb zu verschaffen. Der Begriff beinhaltet in der gesetzlichen Rentenversicherung die Beeinträchtigung des beruflichen Leistungsvermögens und die Fähigkeit des Versicherten zum Erwerb von Einkünften durch eine Beschäftigung oder Tätigkeit. Hierbei sind aber nicht ausschließlich Kriterien zu beachten, die mit dem Gesundheitszustand des Versicherten in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Ist der Versicherte aus medizinischer Sicht nur teilweise erwerbsgemindert, kommt wie im vorliegenden Fall gleichwohl eine Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage in Betracht. Anders als im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung, das grundsätzlich eine abstrakte Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit für einen Anspruch auf Verletztenrente beinhaltet und dabei ausschließlich auf die gesundheitlich bedingten Funktionsbeeinträchtigungen auf Grund eines Versicherungsfalls abstellt, sieht die gesetzliche Rentenversicherung die konkrete Betrachtungsweise vor, bei der neben den bei dem Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen unter anderem auch die Arbeitsmarktlage und die konkrete Beschäftigungssituation zu berücksichtigen sind. Das gesundheitliche Leistungsvermögen eines Versicherten ist somit nur eine für das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 101 Abs. 1 SGB VI zu fordernde Tatsache (vgl. zum Ganzen nur: Bayerisches LSG, Urt. v. 28.06.2006 - Az. L 13 R 157/05, Rdn. 28 nach Juris m.w.N.).
Entgegen dem Wortlaut des § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI liegt also volle Erwerbsminderung nicht erst vor, wenn das berufliche Leistungsvermögen auf weniger als drei Stunden täglich abgesunken ist, sondern bereits dann, wenn das Leistungsvermögen auf unter sechs Stunden abgesunken ist und - wie vorliegend für die Klägerin - der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 80. EL 2013, § 43 SGB VI, Rdn. 31 m.w.N.).
Dementsprechend ist für den Leistungsfall "volle Erwerbsminderung" erforderlich und zugleich ausreichend, dass ein Versicherter auf Grund eines konkreten Ereignisses in seinem Leben, gegen dessen Nachteile er durch die Rentenversicherung geschützt werden soll, nicht mehr in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt auch nur teilweise durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Eben dies war vorliegend spätestens im August 2008 der Fall, da das quantitative Restleistungsvermögen der Klägerin auf unter sechs Stunden gesunken war und zugleich der Teilzeitarbeitsmarkt für sie verschlossen war. Unter Berücksichtigung der beiden überzeugenden Gutachten von Dr. Dipl.-Psych. S. vom 31.10.2008 sowie von Dr. C. vom 16.06.2011, die übereinstimmend von einer chronischen, sich stetig verschlechternden Erkrankung der Klägerin ausgehen, ist die Kammer davon überzeugt, dass sich das quantitative Restleistungsvermögen der Klägerin nach August 2008 zu keinem Zeitpunkt auf mindestens sechs Stunden täglich erhöht hat. Bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise war die Klägerin mithin spätestens seit August 2008 durchgängig voll erwerbsgemindert. Solange aber eine einmal eingetretene Erwerbsminderung fortbesteht, kann kein neuer Leistungsfall der Erwerbsminderung eintreten. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es dabei gerade nicht darauf an, worauf die (volle) Erwerbsminderung letztendlich beruht, ob also allein gesundheitliche Gründe ausschlaggebend sind oder ob die (volle) Erwerbsminderung erst unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage - wie ausdrücklich in § 102 Abs. 2 S. 5 SGB VI genannt - eingetreten ist (so bereits BSG, Urt. v. 29.11.1990 - Az. 5/4a RJ 41/87, Rdn. 27 f. nach Juris unter Verwendung der Terminologie "Versicherungsfall" statt "Leistungsfall").
Dass sich das quantitative Restleistungsvermögen nach August 2008 womöglich weiter auf nunmehr unter drei Stunden täglich verringert hat, kann somit gerade keinen neuen Leistungsfall für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung begründen; die Klägerin ist spätestens seit August 2008 durchgängig voll erwerbsgemindert (ebenso in einer vergleichbaren Konstellation: LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.06.2010 - Az. L 21 R 1203/07; a.A. SG Freiburg, Urt. v. 26.06.2009 - Az. S 6 R 5786/07 [nicht veröffentlicht]).
Die Kammer verkennt an dieser Stelle nicht, dass die sogenannte Arbeitsmarktrente und die "klassische" Erwerbsminderungsrente nach § 43 Abs. 2 SGB VI unterschiedliche Voraussetzungen und unter Umständen auch unterschiedliche Rechtsfolgen aufweisen. So ist die Arbeitsmarktrente nach § 102 Abs. 2 S. 5 SGB VI zwingend zu befristen, selbst wenn - wie vorliegend bei der Klägerin - keine Aussicht auf eine Besserung des quantitativen Restleistungsvermögens besteht. Dadurch kann es gemäß § 101 Abs. 1 SGB VI auch zu einem divergierenden Leistungsbeginn dieser beiden Renten kommen. Eben dies bedingt aber keinen unterschiedlichen Leistungsfall für diese beide Renten. Denn der Leistungsfall allein beinhaltet lediglich den Eintritt der (vollen) Erwerbsminderung und begründet für sich genommen - etwa ohne das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen - keinen Anspruch auf die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Daher erscheint es denkbar, dass ein einheitlicher Leistungsfall unter Umständen sowohl die sogenannte Arbeitsmarktrente als auch die "klassische" Erwerbsminderungsrente nach § 43 Abs. 2 SGB VI zur Folge haben kann. Entscheidend ist, dass es sich bei diesen beiden Renten letztendlich um ein einheitliches Recht des Versicherten handelt, das - anders als etwa eine Rente wegen Berufsunfähigkeit - das identische Versicherungsrisiko abdeckt. Dieses einheitliche Versicherungsrisiko ist in dem Umstand begründet, dass ein Versicherter nicht mehr in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt auch nur teilweise durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit selbst zu bestreiten.
Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt dieses Ergebnis auch nicht gegen den in § 31 SGB I verankerten Vorbehalt des Gesetzes. So verbietet es § 31 SGB I nicht, auf allgemeine und nicht kodifizierte Rechtsgrundsätze zurückzugreifen (Seewald in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 80. EL 2013, § 31 SGB I, Rdn. 10). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Große Senat des BSG die sogenannte Arbeitsmarktrente bereits durch Beschlüsse vom 11.12.1969 und 10.12.1976 (BSGE 30, 167 = SozR Nr 79 zu § 1246 RVO = BB 1970, 535; BSGE 43, 75 = SozR 2200 § 1246 Nr 13 = NJW 1977, 2134) begründet und seither unverändert fortgeführt hat. Das Rechtsinstitut der Arbeitsmarktrente ist somit seit über 40 Jahren in den sozialgerichtlichen Rechtsprechung und in der sozialrechtlichen Literatur allgemein anerkannt. Als Gewohnheitsrecht stellt die Arbeitsmarktrente somit eine auf gleichem Rang wie das Gesetz stehende Rechtsquelle dar. Überdies ist das Rechtsinstitut der Arbeitsmarktrente auch vom Gesetzgeber selbst adaptiert worden. Nach dessen Willen (vgl. BT-Drucks. 14/4230 S. 25 zu Nr. 10) sollte nämlich die konkrete Betrachtungsweise wegen der ungünstigen Arbeitsmarktsituation auch nach dem 31.12.2000 beibehalten werden. Dies ergibt sich auch aus § 102 Abs. 2 S. 3 SGB VI, der auf Renten "unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage" abstellt (so auch Gürtner a.a.O., § 43 SGB VI, Rdn. 30). Indem somit der Gesetzgeber selbst das Rechtsinstitut der Arbeitsmarktrente aufgegriffen und legitimiert hat, kann dessen Anwendung, die sich im vorliegenden Einzelfall tatsächlich ausnahmsweise zu Lasten der Klägerin auswirkt, nicht gegen § 31 SGB I verstoßen.
Die Entscheidung der Beklagten ist somit rechtmäßig und die Klage war folglich abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und folgt dem Ergebnis des Rechtsstreites in der Hauptsache.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung ab November 2010 an die Klägerin.
Die 1954 geborene Klägerin ist seit dem 16.07.2009 anerkannt schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 40. Sie war zuletzt im Oktober 1994 als Küchenhilfe versicherungspflichtig beschäftigt und verfügte im Anschluss daran bis Februar 2006 über keinerlei eigenen Einkünfte. Seit März 2006 steht die Klägerin im durchgängigen Bezug von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Nachdem die Klägerin im Anschluss an ihren Verlust des letzten Arbeitsplatzes erstmals bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente beantragt hatte und dieser Antrag durch die Beklagte abgelehnt worden war, gewährte die Beklagte der Klägerin im Wege eines gerichtlichen Vergleiches eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme, die vom 14.11.1997 bis 12.12.1997 in der Z.-Klinik in B. durchgeführt wurde. Die Klägerin wurde hieraus als erwerbsfähig für Tätigkeiten unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem zeitlichen Umfang von täglich sechs Stunden und mehr entlassen.
Am 03.01.2007 stellte die Klägerin bei der Beklagten erneut einen Antrag auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, da sie wegen verschiedener Erkrankungen keinerlei Tätigkeiten mehr verrichten könne. Diesen Antrag lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 25.01.2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24.07.2007 ab, da die Klägerin weder erwerbsgemindert sei noch die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente erfüllt seien. Die gemäß § 43 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) erforderliche 3/5-Belegung setze den Eintritt eines Leistungsfalles spätestens Ende November 1996 voraus. Die Klägerin erhob daraufhin am 21.08.2007 erneut eine Klage zum Sozialgericht Freiburg, die unter dem Aktenzeichen S 6 R 4471/07 geführt wurde. Im gerichtlichen Verfahren wurde unter anderem Beweis erhoben durch Einholung eines fachpsychiatrischen Gutachtens, das am 31.10.2008 durch Dr. Dipl.-Psych. S., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie in F., erstellt wurde. Der Sachverständige kam dabei zu dem Ergebnis, dass sich die psychische Erkrankung der Klägerin in den letzten Jahren deutlich verschlechtert und chronifiziert habe. Ausgehend von den Diagnosen einer differenzierten Somatisierungsstörung, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sowie einer mittelgradigen depressiven Episode mit somatischem Syndrom schätzte Dr. Dipl.-Psych. S. das quantitative Restleistungsvermögen der Klägerin auf maximal vier Stunden täglich für körperlich leichte Tätigkeiten ein. Mit einer grundlegenden Besserung der Beschwerden sei nicht zu rechnen. Diese aktuell bestehenden Beschwerden bestünden in diesem Ausmaß vermutlich seit einigen Jahren, ohne dass es möglich sei, einen genauen Zeitpunkt anzugeben.
Im Wesentlichen auf dieses Gutachten gestützt wies die 6. Kammer des Sozialgerichts Freiburg durch Urteil vom 13.07.2009 die Klage ab. Die Klägerin sei zwar auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch unter sechs Stunden täglich leistungsfähig. Der Leistungsfall sei jedoch nicht bis spätestens Ende November 1996 nachgewiesen, zumal die Kammer davon ausgehe, dass der Leistungsfall erst deutlich später eingetreten sei. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente seien damit nicht erfüllt. Die am 11.09.2009 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegte Berufung wurde unter dem Aktenzeichen L 9 R 4385/09 durch Beschluss vom 30.09.2010 mit der Begründung zurückgewiesen, dass der Eintritt der Erwerbsminderung spätestens Ende November 1996 nicht nachgewiesen sei. Die seitens der Klägerin im Berufungsverfahren geltend gemachte weitere Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes sei daher ohne Bedeutung.
Am 25.10.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten erneut die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Nachdem dieser Antrag durch Bescheid vom 29.11.2010 abgelehnt worden war, erhob die Klägerin mit Schreiben vom 14.12.2010 Widerspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass im Oktober 2010 die besonderen versicherungsrechtlichen Voraussetzungen wieder erfüllt seien. Die Klägerin sei nunmehr voll erwerbsgemindert, da ihr quantitatives Restleistungsvermögen inzwischen unter drei Stunden täglich liege. Im Widerspruchsverfahren veranlasste die Beklagte eine Begutachtung der Klägerin durch Dr. C. (Internist bei der ärztlichen Untersuchungsstelle der Beklagten). Dr. C. kam in seinem Gutachten vom 16.06.2011 zu dem Ergebnis, dass die Klägerin unter anderem unter einer undifferenzierten Somatisierungsstörung, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung sowie einer mittelgradigen depressiven Episode mit somatischem Syndrom leide. Dabei handele es sich im Vergleich zur Begutachtung durch Dr. Dipl.-Psych. S. im Jahre 2008 im Prinzip um ein identisches, im Detail der Symptomatik eher noch gravierenderes Beschwerdebild, das chronifiziert und mit einer regelmäßigen Erwerbsarbeit nicht vereinbar sei. Die Klägerin sei mittlerweile unter drei Stunden täglich leistungsfähig für körperlich leichte Arbeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes. Eine Besserungsaussicht ihres Restleistungsvermögens bestehe angesichts des über Jahre zunehmenden Verlaufes nicht.
Gleichwohl wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 14.09.2011 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass das Restleistungsvermögen der Klägerin zwar spätestens seit August 2008 nur noch drei bis unter sechs Stunden täglich und spätestens seit erneutem Rentenantrag am 25.10.2010 nur noch unter drei Stunden täglich betrage. Da auf Grund der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes aber dem Grunde nach bereits seit August 2008 eine volle Erwerbsminderung bestanden habe, zu diesem Zeitpunkt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen jedoch nicht erfüllt seien, bestehe kein Rentenanspruch der Klägerin. Die am 10.11.2011 zum Sozialgericht Freiburg erhobene Klage wurde unter dem Aktenzeichen S 22 R 5893/11 durch Gerichtsbescheid vom 15.02.2012 wegen Versäumens der Klagefrist als unzulässig abgewiesen.
Die Klägerin stellte daraufhin bei der Beklagten am 19.03.2012 einen Überprüfungsantrag hinsichtlich des ablehnenden Rentenbescheides vom 29.11.2010. Zur Begründung führte sie aus, dass zwischen dem Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 SGB VI und dem Eintritt der vollen Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB VI unterschieden werden müsse, so dass mit Absinken des Restleistungsvermögens der Klägerin von unter sechsstündig auf unter dreistündig von einem neuen Leistungsfall auszugehen sei. Der Rentenanspruch entstehe kraft Gesetzes, wobei die einzelnen Entstehungstatbestände gesondert zu prüfen seien. Die volle Erwerbsminderung der Klägerin im Sinne des § 43 Abs. 2 SGB VI sei erst im Jahre 2010 eingetreten, so dass auf diesen Zeitpunkt bezüglich des Leistungsfalles abzustellen sei. Im Zeitpunkt des Eintritts der teilweisen Erwerbsminderung 2008 habe die Beklagte im Übrigen nicht geprüft, ob der Teilzeitarbeitsmarkt tatsächlich verschlossen gewesen sei.
Die Beklagte lehnte den Überprüfungsantrag durch Bescheid vom 18.04.2012 ab. Sie vertrat die Ansicht, dass es unerheblich sei, dass die volle Erwerbsminderungsrente 2008 wegen dem verschlossenen Arbeitsmarkt vorgelegen habe. Da der Eintritt der Leistungsminderung, der zur vollen Erwerbsminderung geführt habe, im Dezember 2008 zu verorten sei, sei die volle Erwerbsminderung bereits zu diesem Zeitpunkt eingetreten. Eine weitere Verschlechterung des Restleistungsvermögens führe zu keinem geänderten Leistungsfall. Den hiergegen erhobenen Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 14.06.2012 zurück.
Am 16.07.2012 hat die Klägerin zum Sozialgericht Freiburg Klage erhoben. Sie ist der Auffassung, dass ihr ein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.11.2010 zukomme. Die Beklagte sei medizinisch von einer teilweisen Erwerbsminderung spätestens im August 2008 ausgegangen. Nur wegen der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes unterstelle die Beklagte ein "Durchschlagen" dieser teilweisen Erwerbsminderung in eine volle Erwerbsminderung. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) seien jedoch die Begriffe "Leistungsfall" und "Versicherungsfall" zu unterscheiden, wobei mit dem Begriff "Versicherungsfall" nur Ereignisse im Leben des Versicherten umschrieben würden. Der Eintritt der vollen Erwerbsminderung sei daher im Vergleich zum Eintritt der teilweisen Erwerbsminderung ein neuer Versicherungsfall, da das Restleistungsvermögen des Versicherten nochmals gesunken sei. Durch die Rechtsprechung des BSG könne sich der Versicherungsfall der teilweisen Erwerbsminderung bei konkreter Betrachtungsweise zwar zu einem Leistungsfall der vollen Erwerbsminderungsrente ausdehnen, hierdurch werde der Versicherungsfall der teilweisen Erwerbsminderung aber gerade nicht zum Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung. Es sei zu beachten, dass das Gesetz ausdrücklich zwischen teilweiser und voller Erwerbsminderung unterscheide. Da somit zwischen den beiden Tatbeständen des § 43 Abs. 1 SGB VI einerseits und des § 43 Abs. 2 SGB VI andererseits zu trennen sei, sei entscheidend, ob materiell-rechtlich die "volle Erwerbsminderung" des § 43 Abs. 2 SGB VI schon im August 2008 eingetreten sei. Da eben dies nicht der Fall gewesen sei, sei auf den Eintritt der vollen Erwerbsminderung 2010 abzustellen. Zu diesem Zeitpunkt seien die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt, so dass ein Rentenanspruch ab dem 01.11.2010 bestehe. Im Übrigen könne die sogenannte Arbeitsmarktrente als bloße Fiktion bzw. als Richterrecht wegen des Vorbehalts des Gesetzes nicht zum Ausschluss des gesetzlich vorgesehenen Anspruchs nach § 43 Abs. 2 SGB VI führen.
Die Klägerin beantragt, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2012 zu verurteilen, ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 29.11.2010 ab dem 01.11.2010 eine Rente in gesetzlicher Höhe wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie ist der Ansicht, dass der Anspruch auf Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente auf einer konkreten Betrachtungsweise beruhe, die sich aus § 43 Abs. 3 SGB VI ergebe. Danach sei die Arbeitsmarktlage bei einem Restleistungsvermögen von mindestens sechs Stunden nicht zu berücksichtigen. Die Arbeitsmarktlage sei dagegen - nach abstrakter Betrachtung - bei teilweise erwerbsgeminderten Versicherten zu beachten, was sich auch aus § 102 Abs. 2 S. 5 SGB VI ergebe. Aus diesem Grund werde in der Gesetzesbegründung zu § 43 SGB VI ausgeführt, dass ein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente nicht alleine vom Gesundheitszustand des Versicherten abhängig gemacht werde (sogenannte abstrakte Betrachtungsweise) sondern auch davon, ob er noch in der Lage sei, bei der konkreten Situation des Teilzeitarbeitsmarktes die ihm verbliebende Erwerbsfähigkeit zur Erzielung eines Erwerbseinkommens einzusetzen. Versicherte, die zwischen drei und sechs Stunden täglich arbeiten könnten, erhielten danach eine volle Erwerbsminderungsrente. Nach § 40 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) entstünden Sozialleistungsansprüche, sobald ihre im Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes bestimmten Voraussetzungen vorliegen würden. Dies sei im Falle der Klägerin spätestens im August 2008 der Fall gewesen, da zu diesem Zeitpunkt arbeitsmarktbedingt eine volle Erwerbsminderung vorgelegen habe. Unter Berücksichtigung der Regelung des § 40 SGB I sei der Leistungsfall für eine volle Erwerbsminderungsrente daher bereits spätestens im August 2008 eingetreten Einen nochmaligen Leistungsfall einer vollen Erwerbsminderungsrente könne es nicht gebe. Unerheblich sei insbesondere, ob der Leistungsfall aus medizinischen Gründen oder arbeitsmarktbedingt eingetreten sei.
Wegen des übrigen Vorbringens der Beteiligten im Gerichts- und Verwaltungsverfahren sowie wegen der Ergebnisse der Beweisaufnahme im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten, der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten über die Klägerin und der beigezogenen Gerichtsakten zum Vorverfahren mit dem Aktenzeichen S 6 R 4471/07 verwiesen. Durch Verfügung vom 08.03.2013 hat das Gericht die Beteiligten hingewiesen, dass die Akte des Verfahrens mit dem Aktenzeichen S 6 R 4471/07 beigezogen und bei der Entscheidung berücksichtigt wird.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Überprüfungsbescheid der Beklagten vom 18.04.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2012 ist rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 29.11.2010, da ihr kein Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen (voller) Erwerbsminderung ab dem 01.11.2010 zukommt.
Anspruchsgrundlage für die Gewährung eine Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 SGB VI. Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit geleistet und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben. Nach § 43 Abs. 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze einen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie teilweise erwerbsgemindert sind, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit geleistet und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Darüber hinaus haben nach der ständigen Rechtsprechung der Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit Versicherte, die teilweise erwerbsgemindert sind, jedoch keinen Teilzeitarbeitsplatz innehaben, einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung bei Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BSG, Urt. v. 08.09.2005 – B 13 RJ 10/04 R, SozR 4-2600 § 101 Nr. 2 und BSG, Urt. v. 10.12.2003 – B 5 RJ 64/02 R, SozR 4-2600 § 44 Nr. 1). Es ist nämlich auch nach Inkrafttreten des Teilzeit- und Befristungsgesetzes (TzBfG) nicht davon auszugehen, dass Teilzeitstellen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt schlechthin in genügender Anzahl zur Verfügung stehen. In einem solchen Fall schlägt eine teilweise Erwerbsminderung auf die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung durch.
Voll erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein. Nach § 43 Abs. 1 S. 2 SGB VI ist teilweise erwerbsgemindert, wer wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Erwerbsgemindert ist nach der Vorschrift des § 43 Abs. 3 SGB VI schließlich nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ohne Berücksichtigung der jeweiligen Arbeitsmarktlage mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann.
Die Klägerin ist spätestens seit August 2008 teilweise erwerbsgemindert. Dies ist ebenso unstreitig wie der Umstand, dass im August 2008 die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente nicht erfüllt waren. Zur weiteren Begründung verweist die Kammer auf das überzeugende Gutachten von Dr. Dipl.-Psych. S. vom 31.10.2008. Die Kammer ist darüber hinaus davon überzeugt, dass unter Berücksichtigung dieses Gutachtens die Klägerin nicht den Nachweis erbracht hat, spätestens im November 1996 bereits teilweise erwerbsgemindert gewesen zu sein. Insofern verweist die Kammer auf die zutreffenden Ausführungen der 6. Kammer des Sozialgerichts Freiburg im Urteil vom 13.07.2009 (S 6 R 4471/07) sowie des 9. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg im Beschluss vom 30.09.2010 (L 9 R 4385/09), denen sich die Kammer nach eigener Prüfung anschließt.
Die Klägerin hätte somit ab August 2008 dem Grunde nach wegen der Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung - sogenannte Arbeitsmarktrente. Entgegen der Auffassung der Klägerin hat die Kammer keine Zweifel, dass der Teilzeitarbeitsmarkt für die Klägerin beim Eintritt ihrer gesundheitlich bedingten teilweisen Erwerbsminderung auch tatsächlich verschlossen war. So ist dem Versicherten der Arbeitsmarkt dann verschlossen, wenn ihm weder der Rentenversicherungsträger noch das zuständige Arbeitsamt innerhalb eines Jahres seit Stellung des Rentenantrages einen für ihn in Betracht kommenden Arbeitsplatz anbieten können (Gürtner in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 80. EL 2013, § 43 SGB VI, Rdn. 31 m.w.N.). Die Klägerin beantragte bereits Mitte der 1990er-Jahre erstmals bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Seit 1994 hat sie keinen Arbeitsplatz mehr inne. Bei Eintritt ihrer gesundheitlich bedingten teilweisen Erwerbsminderung hatte die Klägerin mithin über viele Jahre hinweg keinen (Teilzeit-)Arbeitsplatz mehr inne, so dass von einer Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes auszugehen ist. Überdies ist nach jüngerer Rechtsprechung des BSG zur Feststellung der Erwerbsminderung eines zwischen drei und sechs Stunden einsatzfähigen Versicherten bei rückwirkender Prüfung der Arbeitsmarktlage der Nachweis solcher konkreter Vermittlungsbemühungen nicht mehr erforderlich. Bei der sogenannten arbeitsmarktabhängigen Erwerbsminderung wird die Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarkts vielmehr bei jeder quantitativen Leistungseinschränkung berücksichtigt (vgl. nur BSG, Urt. v. 08.09.2005 - Az. B 13 RJ 10/04 R, Rdn. 18 m.w.N).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann die Klage unabhängig von der - wohl zu bejahenden - Frage, ob eine weitere Verschlechterung des quantitativen Restleistungsvermögens der Klägerin auf unter drei Stunden täglich nach 2008 eingetreten ist, keinen Erfolg haben. Selbst wenn sich das quantitative Restleistungsvermögen der Klägerin nach August 2008 auf unter drei Stunden arbeitstäglich verringert haben sollte und selbst wenn zu diesem Zeitpunkt die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente erfüllt gewesen sein sollten, kann der Klägerin mangels Eintritts eines neuen Leistungsfalles kein Anspruch auf die Gewährung einer (vollen) Erwerbsminderungsrente zukommen. Der Leistungsfall für die Gewährung einer vollen Erwerbsminderungsrente ist vielmehr bereits spätestens im August 2008 eingetreten. Im Einzelnen:
Der Begriff der "Minderung der Erwerbsfähigkeit" in § 101 Abs. 1 SGB VI ist im Gesetz nicht definiert. Übereinstimmend in Rechtsprechung und Literatur versteht man jedoch unter Erwerbsfähigkeit die Fähigkeit des Versicherten, sich unter Ausnutzung der Arbeitsgelegenheiten, die sich ihm nach seinen gesamten Kenntnissen und körperlichen und geistigen Fähigkeiten im ganzen Bereich des wirtschaftlichen Lebens bieten, einen Erwerb zu verschaffen. Der Begriff beinhaltet in der gesetzlichen Rentenversicherung die Beeinträchtigung des beruflichen Leistungsvermögens und die Fähigkeit des Versicherten zum Erwerb von Einkünften durch eine Beschäftigung oder Tätigkeit. Hierbei sind aber nicht ausschließlich Kriterien zu beachten, die mit dem Gesundheitszustand des Versicherten in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Ist der Versicherte aus medizinischer Sicht nur teilweise erwerbsgemindert, kommt wie im vorliegenden Fall gleichwohl eine Rente wegen voller Erwerbsminderung unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage in Betracht. Anders als im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung, das grundsätzlich eine abstrakte Bewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit für einen Anspruch auf Verletztenrente beinhaltet und dabei ausschließlich auf die gesundheitlich bedingten Funktionsbeeinträchtigungen auf Grund eines Versicherungsfalls abstellt, sieht die gesetzliche Rentenversicherung die konkrete Betrachtungsweise vor, bei der neben den bei dem Versicherten vorliegenden Gesundheitsstörungen unter anderem auch die Arbeitsmarktlage und die konkrete Beschäftigungssituation zu berücksichtigen sind. Das gesundheitliche Leistungsvermögen eines Versicherten ist somit nur eine für das Vorliegen des Tatbestandsmerkmals der Minderung der Erwerbsfähigkeit im Sinne des § 101 Abs. 1 SGB VI zu fordernde Tatsache (vgl. zum Ganzen nur: Bayerisches LSG, Urt. v. 28.06.2006 - Az. L 13 R 157/05, Rdn. 28 nach Juris m.w.N.).
Entgegen dem Wortlaut des § 43 Abs. 2 S. 2 SGB VI liegt also volle Erwerbsminderung nicht erst vor, wenn das berufliche Leistungsvermögen auf weniger als drei Stunden täglich abgesunken ist, sondern bereits dann, wenn das Leistungsvermögen auf unter sechs Stunden abgesunken ist und - wie vorliegend für die Klägerin - der Teilzeitarbeitsmarkt verschlossen ist (vgl. Gürtner in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 80. EL 2013, § 43 SGB VI, Rdn. 31 m.w.N.).
Dementsprechend ist für den Leistungsfall "volle Erwerbsminderung" erforderlich und zugleich ausreichend, dass ein Versicherter auf Grund eines konkreten Ereignisses in seinem Leben, gegen dessen Nachteile er durch die Rentenversicherung geschützt werden soll, nicht mehr in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt auch nur teilweise durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Eben dies war vorliegend spätestens im August 2008 der Fall, da das quantitative Restleistungsvermögen der Klägerin auf unter sechs Stunden gesunken war und zugleich der Teilzeitarbeitsmarkt für sie verschlossen war. Unter Berücksichtigung der beiden überzeugenden Gutachten von Dr. Dipl.-Psych. S. vom 31.10.2008 sowie von Dr. C. vom 16.06.2011, die übereinstimmend von einer chronischen, sich stetig verschlechternden Erkrankung der Klägerin ausgehen, ist die Kammer davon überzeugt, dass sich das quantitative Restleistungsvermögen der Klägerin nach August 2008 zu keinem Zeitpunkt auf mindestens sechs Stunden täglich erhöht hat. Bei der gebotenen konkreten Betrachtungsweise war die Klägerin mithin spätestens seit August 2008 durchgängig voll erwerbsgemindert. Solange aber eine einmal eingetretene Erwerbsminderung fortbesteht, kann kein neuer Leistungsfall der Erwerbsminderung eintreten. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es dabei gerade nicht darauf an, worauf die (volle) Erwerbsminderung letztendlich beruht, ob also allein gesundheitliche Gründe ausschlaggebend sind oder ob die (volle) Erwerbsminderung erst unter Berücksichtigung der Arbeitsmarktlage - wie ausdrücklich in § 102 Abs. 2 S. 5 SGB VI genannt - eingetreten ist (so bereits BSG, Urt. v. 29.11.1990 - Az. 5/4a RJ 41/87, Rdn. 27 f. nach Juris unter Verwendung der Terminologie "Versicherungsfall" statt "Leistungsfall").
Dass sich das quantitative Restleistungsvermögen nach August 2008 womöglich weiter auf nunmehr unter drei Stunden täglich verringert hat, kann somit gerade keinen neuen Leistungsfall für die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung begründen; die Klägerin ist spätestens seit August 2008 durchgängig voll erwerbsgemindert (ebenso in einer vergleichbaren Konstellation: LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 10.06.2010 - Az. L 21 R 1203/07; a.A. SG Freiburg, Urt. v. 26.06.2009 - Az. S 6 R 5786/07 [nicht veröffentlicht]).
Die Kammer verkennt an dieser Stelle nicht, dass die sogenannte Arbeitsmarktrente und die "klassische" Erwerbsminderungsrente nach § 43 Abs. 2 SGB VI unterschiedliche Voraussetzungen und unter Umständen auch unterschiedliche Rechtsfolgen aufweisen. So ist die Arbeitsmarktrente nach § 102 Abs. 2 S. 5 SGB VI zwingend zu befristen, selbst wenn - wie vorliegend bei der Klägerin - keine Aussicht auf eine Besserung des quantitativen Restleistungsvermögens besteht. Dadurch kann es gemäß § 101 Abs. 1 SGB VI auch zu einem divergierenden Leistungsbeginn dieser beiden Renten kommen. Eben dies bedingt aber keinen unterschiedlichen Leistungsfall für diese beide Renten. Denn der Leistungsfall allein beinhaltet lediglich den Eintritt der (vollen) Erwerbsminderung und begründet für sich genommen - etwa ohne das Vorliegen der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen - keinen Anspruch auf die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente. Daher erscheint es denkbar, dass ein einheitlicher Leistungsfall unter Umständen sowohl die sogenannte Arbeitsmarktrente als auch die "klassische" Erwerbsminderungsrente nach § 43 Abs. 2 SGB VI zur Folge haben kann. Entscheidend ist, dass es sich bei diesen beiden Renten letztendlich um ein einheitliches Recht des Versicherten handelt, das - anders als etwa eine Rente wegen Berufsunfähigkeit - das identische Versicherungsrisiko abdeckt. Dieses einheitliche Versicherungsrisiko ist in dem Umstand begründet, dass ein Versicherter nicht mehr in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt auch nur teilweise durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit selbst zu bestreiten.
Entgegen der Auffassung der Klägerin verstößt dieses Ergebnis auch nicht gegen den in § 31 SGB I verankerten Vorbehalt des Gesetzes. So verbietet es § 31 SGB I nicht, auf allgemeine und nicht kodifizierte Rechtsgrundsätze zurückzugreifen (Seewald in: Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 80. EL 2013, § 31 SGB I, Rdn. 10). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Große Senat des BSG die sogenannte Arbeitsmarktrente bereits durch Beschlüsse vom 11.12.1969 und 10.12.1976 (BSGE 30, 167 = SozR Nr 79 zu § 1246 RVO = BB 1970, 535; BSGE 43, 75 = SozR 2200 § 1246 Nr 13 = NJW 1977, 2134) begründet und seither unverändert fortgeführt hat. Das Rechtsinstitut der Arbeitsmarktrente ist somit seit über 40 Jahren in den sozialgerichtlichen Rechtsprechung und in der sozialrechtlichen Literatur allgemein anerkannt. Als Gewohnheitsrecht stellt die Arbeitsmarktrente somit eine auf gleichem Rang wie das Gesetz stehende Rechtsquelle dar. Überdies ist das Rechtsinstitut der Arbeitsmarktrente auch vom Gesetzgeber selbst adaptiert worden. Nach dessen Willen (vgl. BT-Drucks. 14/4230 S. 25 zu Nr. 10) sollte nämlich die konkrete Betrachtungsweise wegen der ungünstigen Arbeitsmarktsituation auch nach dem 31.12.2000 beibehalten werden. Dies ergibt sich auch aus § 102 Abs. 2 S. 3 SGB VI, der auf Renten "unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage" abstellt (so auch Gürtner a.a.O., § 43 SGB VI, Rdn. 30). Indem somit der Gesetzgeber selbst das Rechtsinstitut der Arbeitsmarktrente aufgegriffen und legitimiert hat, kann dessen Anwendung, die sich im vorliegenden Einzelfall tatsächlich ausnahmsweise zu Lasten der Klägerin auswirkt, nicht gegen § 31 SGB I verstoßen.
Die Entscheidung der Beklagten ist somit rechtmäßig und die Klage war folglich abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG) und folgt dem Ergebnis des Rechtsstreites in der Hauptsache.
Rechtskraft
Aus
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