Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
12
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 12 SB 134/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Die am 00.00.00 geborene Klägerin stellte am 19.09.2012 einen Antrag beim Beklagten auf Feststellung eines GdB. Hierbei gab sie an, sie leide zum einen seit einer Impfung unter Gelenkbeschwerden im Arm, zum anderen unter Beeinträchtigungen des rechten Fußes sowie einem Augenleiden. Dem Antrag beigefügt war ein augenärztlicher Befundbericht des Dr. T. vom AugenCentrum Aachen, wonach am 24.05.2012 der korrigierte Visus beidseits 0,8 betrug. Aus augenärztlicher Sicht bestehe keine Einschränkung zur PC-Arbeit. Des Weiteren lagen dem Antrag ein fachchirurgisches Gutachten des Dr. T. vom 17.10.2000, ein fachradiologisches Gutachten der Frau Dr. I., verschiedene Arztberichte der Radiologischen Gemeinschaftspraxis im Kapuzinerkarree aus den Jahren 2011und 2012 sowie ein Arztbericht des Neurologen Prof. Dr. H. bei. Der ärztliche Dienst des Beklagten wertete die Unterlagen aus und kam zu der Einschätzung, für das Funktionssystem der Wirbelsäule komme ein GdB von 10 in Betracht. Die übrigen Beeinträchtigungen bedingten keinen eigenen GdB.
Mit Bescheid vom 08.10.2012 lehnte der Beklagte die Feststellung eines GdB ab.
Hiergegen legte die Klägerin am 06.11.2012 Widerspruch ein, den sie im Nachgang damit begründete, der Beklagte habe zu Unrecht Bewegungseinschränkungen im rechten Sprunggelenk sowie die infolge Impfreaktion eingetretene Bewegungseinschränkung und wiederkehrende Schmerzsymptomatik im Bereich der linken oberen Gliedmaße nicht berücksichtigt.
Der Beklagte holte einen Befundbericht des Internisten Dr. K. ein und werte diesen durch seinen ärztlichen Dienst aus. Dieser kam zu der Einschätzung es könne neben der Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule auch die Funktionsstörungen der linken oberen Gliedmaße und der rechten unteren Gliedmaße mit einem GdB von jeweils 10 berücksichtigt werden. Der Gesamt-GdB sei weiterhin mit 10 zu bewerten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2013 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 15.02.2013 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe den Sachverhalt medizinisch nicht hinreichend aufgeklärt. Durch eine Impfung sei der linke Arm sehr druckempfindlich. Die vor der Impfung vorhandene Kraft fehle. Insgesamt werde sie durch die Folgen der Impfung in ihrer täglichen Arbeit beeinträchtigt. Auch leide sie unter Migräne, was sie ebenfalls auf die Impfung zurückführe, ebenso wie den seitdem verstärkt auftretenden allergischen Reaktionen. Es lägen daneben auch degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule vor. Die daraus resultierenden Einschränkungen seien mit einem GdB von 10 nicht hinreichend berücksichtigt. Durch einen 1998 erlittenen Wegeunfall sei eine Bewegungseinschränkungen im rechten Fußgelenk verblieben. Hierdurch sei es u.a. zu Fehlbelastungen gekommen. Sie habe des Weiteren Neurodermitis an den Händen. Diese seien rau und rissig wegen des Kontakts mit Papier. Sie müsse in ihrem Beruf als Diplom-Rechtspflegerin regelmäßig Akten bearbeiten. Schließlich sei das Augenleiden zu Unrecht nicht hinreichend erfasst. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien insgesamt mit einem GdB von 50 zu bewerten.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten des Hautarztes Dr. O., des Internisten Dr. K., des Neurologen Prof. Dr. H., des HNO-Arztes Dr. C., des Orthopäden Dr. C., des AugenCentrums Aachen und der Frauenärztin Dr. L ...
Die Klägerin hat sodann einen Arztbericht über eine transthorakale Echokardiographie vom 10.07.2013 zu den Akten gereicht.
Das Gericht hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines internistisch-arbeitsmedizinischen Gutachtens des Dr. Q., welches dieser – aufgrund Untersuchung vom 31.07.2013 – gegenüber dem Gericht am 16.08.2013 erstattet hat. Auf Antrag der Klägerin hat das Gericht sodann ein fachorthopädisches Gutachten des Dr. I. eingeholt, welches dieser – aufgrund Untersuchung am 13.12.2013 – gegenüber dem Gericht am 07.01.2014 erstattet hat.
Zu den Gutachten hat die ärztliche Beraterin des Beklagten unter dem 15.01.2014 eine versorgungsärztliche Stellungnahme abgegeben und ausgeführt, aus welchen Gründen dem Gutachten des Dr. I., welches einen Gesamt-GdB von 20 befürwortet habe, nicht zu folgen sei.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.03.2014 hat die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 08.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.01.2013 zu verurteilen, bei ihr ab Antragstellung einen GdB von mindestens 50 anzuerkennen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und nimmt insbesondere Bezug auf die Ausführungen seines ärztlichen Beraters im vorliegenden Verfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG nicht beschwert, da die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind. Der Klägerin steht derzeit kein höherer GdB als 10 zu. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 6 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX) hat der Beklagte zu Recht keinen Feststellungsbescheid erlassen.
Nach § 2 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion oder geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach 10er Graden abgestuft dargestellt. Bei dem Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.
Die Bemessung des Gesamt-GdB hat dabei in mehreren Schritten zu erfolgen und ist tatrichterliche Aufgabe (Bundessozialgericht - BSG - Beschluss vom 09.12.2010 – B 9 SB 35/10 B = juris Rn. 5 m.w.N.; Landessozialgericht – LSG – Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).
Zunächst sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinn von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX und die daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. Sodann sind diese den in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. Schließlich ist unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen in einer Gesamtschau der Gesamt-GdB zu bilden (BSG Urteil vom 30.09.2009 – B 9 SB 4/08 R = juris Rn. 18 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).
Nach Teil A Ziffer 3 der Anlage zu § 2 der aufgrund § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (BGBl. I 2008, S. 2412 - Versorgungsmedizin-Verordnung) vom 10.12.2008 (Versorgungsmedizinische Grundsätze), die wegen § 69 Abs. 1, Satz 4 SGB IX auch im Schwerbehindertenrecht zur Anwendung kommt, sind zur Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung rechnerische Methoden, insbesondere eine Addition der Einzelgrade der Behinderung, nicht zulässig. Vielmehr ist bei der Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad der Behinderung bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Grad der Behinderung 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Hierbei ist gemäß Teil A Ziffer 3 lit. d) ee) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu beachten, dass leichtere Gesundheitsstörungen mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 nicht zu einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung führen, selbst wenn mehrere dieser leichteren Behinderungen kumulativ nebeneinander vorliegen. Auch bei Leiden mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine Zunahme des Gesamtausmaßes der Behinderung zu schließen.
Schließlich sind bei der Festlegung des Gesamt-GdB zudem die Auswirkungen im konkreten Fall mit denjenigen zu vergleichen, für die in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen feste GdB-Werte angegeben sind (BSG Urteil vom 02.12.2010 –B 9 SB 4/10 R = juris Rn. 25; vgl. auch Teil A Ziffer 3 lit. b) Versorgungsmedizinische Grundsätze).
Die Klägerin leidet zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung unter
(1.) einer Funktionsstörung der rechten unteren Gliedmaße (2.) einer Funktionsstörung der oberen Gliedmaße (3.) einer Funktionsstörung der Wirbelsäule (4.) einer Migräne/Kopfschmerzen (5.) einer Hauterkrankung (6.) einer allergischen Disposition (7.) einer Sehbeeinträchtigung (8.) einem Zustand nach Zeckenbiss (9.) einem Herzgeräusch
Das Vorliegen dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen steht nach Auffassung der Kammer aufgrund der im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten Befund- und Arztberichte sowie den Gutachten des Dr. Q. und des Dr. I. fest.
Die Gutachten beruhen auf umfangreichen Untersuchungen, die von erfahrenen medizinischen Gutachtern unter Einsatz von diversen Hilfsmitteln durchgeführt worden sind. Die Kammer hat keinen Anlass an der Richtigkeit und Vollständigkeit der in dem Gutachten erhobenen medizinischen Befunde und gestellten Diagnosen zu zweifeln. Die Beteiligten haben auch keine substantiierten Einwände gegen die medizinischen Feststellungen erhoben. Lediglich die sozialmedizinische Bewertung ist bis zum Schluss umstritten geblieben.
Für das Funktionssystem der unteren Extremitäten ist der GdB gemäß Teil B Ziffer 18.14 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit 10 zu bewerten. Es sind bei der Klägerin leichte funktionelle Einschränkungen im Bereich des rechten Sprunggelenks objektiviert. Die Klägerin hatte im Jahr 1998 einen Unfall erlitten und sich in diesem Rahmen eine offene Luxation des rechten oberen Sprunggelenks zugezogen. Im Anschluss fand eine operative Reposition der Sprunggelenksluxation statt. Im Rahmen einer Begutachtung durch den Chirurgen Dr. T. und die Radiologin Dr. I. wurde im Jahr 2000 festgestellt, dass als Folge des Unfalls eine endgradige Bewegungseinschränkung des rechten oberen Sprunggelenks mit einem Beuge- und einem Streckdefizit von jeweils 10° festzustellen war. Die Klägerin hat gegenüber den Gutachtern angegeben, sie sei bis zum heutigen Tage nicht beschwerdefrei. Bei längerem Gehen mit Zusatzlasten habe sie Schmerzen im Bereich des rechten oberen Sprunggelenks. Auch schwelle es nach längerem Sitzen an. Im Rahmen der Untersuchung durch Dr. Q. fand sich ebenfalls eine leichtgradige Bewegungseinschränkung im Bereich des rechten Sprunggelenks, wobei er die Beweglichkeit als tendenziell besser als im Jahr 2000 beschreibt. Er ermittelt die Beweglichkeit nach Neutral-Null mit (Heben/Senken) rechts 10°/0°/40° und links 10°/0°/50°. Dr. I. ermittelt die Beweglichkeit mit rechts 15°/0°/45° und links 10°/0°/40°. Auch er beschreibt damit lediglich leichte Bewegungseinschränkungen. Der Zehen- und der Hackenstand sind der Klägerin möglich. Auch der Hocksitz kann von der Klägerin ausgeführt werden. Unter Berücksichtigung der geklagten gelegentlichen Beschwerden steht zur Überzeugung der Kammer– in Übereinstimmung mit beiden Gutachtern – fest, dass der GdB für die Sprunggelenksbeschwerden höchstens mit 10 zu bewerten ist Weitere Beeinträchtigungen im Bereich der unteren Extremitäten, die geeignet wären, den GdB zu erhöhen sind nicht objektiviert. Hüft- und Kniegelenke werden - mit Ausnahme einer druckschmerzhaften Narbe am rechten Knie - von den Gutachtern als unauffällig beschrieben. Auch die von der Klägerin im Rahmen der Untersuchungen gezeigten sonstigen Funktionstests machen deutlich, dass ein höherer GdB als 10 für die unteren Extremitäten keinesfalls in Betracht kommt.
Für das Funktionssystem der oberen Extremitäten ist der GdB der Klägerin ebenfalls mit 10 zu bewerten.
Die Klägerin hat gegenüber beiden Gutachtern angegeben, es sei bei ihr sei nach einer Impfung eine schmerzhafte Schwellung der linken oberen Gliedmaße und einer Schwellung der regionalen Lymphknoten gekommen. Die Rötung und Schwellung habe sich zurückgebildet, es sei aber eine anhaltende schmerzhafte Missempfindung im Bereich der linken oberen Gliedmaße zurückgeblieben. Solange der Arm locker und entspannt nach unten hänge und nicht belastet werde habe sie keine Beschwerden. Werde die linke Hand mechanisch belastet (etwa durch Heben und Tragen selbst geringer Lasten), langes Verharren in Zwangshaltungen (wie beim Bedienen einer Computertastatur) oder lokalem Druck, so verspüre sie brennende und stechende Schmerzen im linken Oberarm. In Ruhe klängen diese ab. Sie habe versucht, dies abzuklären. Allerdings wurde aber weder dermatologisch noch neurologisch eine Ursache gefunden worden. Auch zwischenzeitlich erfolgte kernspinntomographische Untersuchungen haben keine Ursache aufzeigen können. Es fanden sich 2011 zwar degenerative Bandscheibenveränderungen mit Bandscheibenvorwölbungen. Eine auffällige Einengung des Wirbelkanals mit Irritationen des Rückenmarks konnten nicht nachgewiesen werden, lediglich eine Einengung des Nervenwurzelkanal C5 links sowie 2011 einen Reizzustand im linken Handgelenk unklarer Ursache. Eine Kernspinntomographie der linken Schulter im Jahr 2012 zeigte keinen gravierenden Befund im Schultergelenk. Im Rahmen der Untersuchung durch Dr. Q. ermittelte dieser die Beweglichkeit des Schultergelenks (vorwärts/rückwärts) rechts mit 160°/0°/40° und links mit 130°/0°/30° sowie (seitwärts/körperwärts) rechts mit 170°/0°/30° und links mit 140°/0°/20°. Ähnliche Werte – allerdings bei passiver Prüfung - konnte auch der Gutachter Dr. I. ermitteln. Er gibt die Beweglichkeit (Beugen/Strecken) mit rechts 180°/0°/40° und links mit 170°/0°/30° sowie (Abspreizen/Heranführen) mit rechts 180°/0°/40° und links mit 160°/0°/30° an. Hierbei beschreibt er einen Druckschmerz über dem linken Oberarmkopf. Die Beweglichkeit beschreibt er als endgradig schmerzhaft. Diese Befunde stimmen weitgehend mit den Feststellungen des behandelnden Orthopäden in seinem Befundbericht überein und lassen sich durch die in den bildgebenden Verfahren gewonnenen Erkenntnisse erklären. Soweit der behandelnden Internist Dr. K. in seinem Befundbericht eine Einschränkung der Abduktion bis zur Horizontalen, mithin von 90° beschreibt, handelt es sich, wie die durchgeführten Untersuchungen gezeigt haben, offensichtlich nicht um einen Dauerzustand. Die objektivierte Beweglichkeit des linken Schultergelenks ist besser. Betrachtete man die reinen Messwerte der Beweglichkeit nach der Neutral-Null-Methode so käme für die Schulter die Feststellung eines GdB nicht in Betracht, wäre ein solcher nach Teil B Ziffer 18.13 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze doch erst bei einer Einschränkung der Armhebung bis zu 120° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit in Betracht. Die objektivierten Werte der Klägerin sind deutlich besser. Allerdings verkennt auch die Kammer nicht, dass bei der Klägerin seit einiger Zeit zu Missempfindung und auch Schmerzen im Bereich der Schulter kommt, deren Ursache bislang allerdings noch nicht gefunden worden ist. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist für das Funktionssystem der oberen Extremitäten ein GdB von 10 in Ansatz zu bringen. Die Sichtweise des Gutachters Dr. I., der hier einen GdB von 20 vorschlägt teilt die Kammer nicht. Die sozialmedizinische Beurteilung durch Dr. I. verlässt den Boden der Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Es ist Dr. I. zwar zuzustimmen, dass die Beurteilung eines GdB auch auf orthopädischem Gebiet nicht allein auf die Beweglichkeitsmessungen zu beschränken sind. Es geht aber um die objektivierten Auswirkungen, wobei gemäß Teil A Ziffer 2 lit. b) der GdB unabhängig vom ausgeübten Beruf zu beurteilen ist – ein besonderes berufliches Betroffensein ist im Schwerbehindertenrecht unbeachtlich. Dr. I. führt in seinem Gutachten aus, dass das Ausmaß der geklagten Beschwerden und Funktionsstörungen im Bereich der oberen Gliedmaße nicht durch objektive Befunde plausibel begründen lässt. Es ließen sich lediglich leichte Funktionsstörungen, wie eine minimale Schwäche des Faustschlusses links mit einer diskreten Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks, objektivieren. Da er der Klägerin die geklagten Beschwerde aber glaube, auch wenn er sie nicht erklären könne, halte er einen GdB von 20 für angemessen. Diese Sichtweise teilt die Kammer nicht. Selbst wenn man die geklagten Beschwerden der Klägerin zugrunde legt, wäre eine GdB von 20 für die oberen Extremitäten nicht zutreffend. Dies zeigt ein Vergleich mit der Beeinträchtigung für die die Versorgungsmedizinischen Grundsätze tatsächlich einen GdB von 20 vorsehen. Dies ist dann der Fall, wenn ein Arm dauerhaft nicht über 90° angehoben werden kann. Dies ist bei der Klägerin – wie oben dargelegt – nicht der Fall und wird von ihr- bislang – auch nicht so dargestellt. Die Klägerin beschreibt vielmehr insbesondere eine Druckschmerzhaftigkeit und Probleme bei der Arbeit und beim Tragen. Dass dies die Klägerin einschränkt – gerade im Zusammenhang mit ihrer Arbeit – verkennt auch die Kammer nicht, allerdings keinesfalls nicht in einem Maße, das vergleichbar wäre mit der oben beschriebenen Einschränkung der Beweglichkeit. Auch unter Berücksichtigung der leichten Faustschlussschwäche kommt ein höherer GdB als 10 nicht in Betracht.
Für das Funktionssystem der Wirbelsäule ist der GdB – in Übereinstimmung mit beiden Gutachern – gemäß Teil B Ziffer 18.9 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit höchstens 10 zu bewerten. Die Klägerin hat gegenüber dem Gutachter Dr. Q. angegeben, sie habe derzeit keine erheblichen Probleme im Bereich der Wirbelsäule. Früher habe die Halswirbelsäule Probleme gemacht. Eine 2011 durchgeführte Kernspinntomographie zeigt degenerative Veränderungen im Sinne von Osteochondrosen und Bandscheibenvorwölbungen C5 bis C7. Hier zeigte sich eine mäßiggradige Enge im Bereich der Nervenwurzel C5. Im Rahmen der Untersuchung ermittelte Dr. Q. die Beweglichkeit der Halswirbelsäule im Vorneigen/Rückneigen mit 60°/0°/50°, Seitenneigen rechts/links 30°/0°/30° und Drehen rechts/links mit 90°/0°/80°. Für die Brust- und Wirbelsäule ermittelte er eine Seitneigung von 30°/0°/30°, eine Drehung von 50°/0/°50°, eine Rückwärtsneigung von 30°. Der Finger-Boden-Abstand wurde mit 0 cm ermittelt. Es zeigte sich somit eine geringfügige Bewegungseinschränkung im Bereich der Halswirbelsäule bei der Seitenneigung des Kopfes. Ein entsprechendes Bild zeigte sich auch bei der Untersuchung durch Dr. I ... Der Finger-Boden-Abstand wurde dort mit 5 cm ermittelt. Das Maß nach Schober mit 10/16 cm und das Maß nach Ott mit 30/32 cm. Über den Dornfortsätzen der Halswirbelsäule zeigte sich hier ein mäßiger Druck- und Klopfschmerz. Auch war die an der Wirbelsäule gelegene Muskulatur deutlich verspannt und in der Nackenregion druckempfindlich. Dr. I. ermittelt eine Kinn-Sternum-Abstand von 5/18 cm (30°/0°/20°), eine Seitenneigung der Halswirbelsäule von 30°/0°/30°, eine Drehung von 70°/0°/70°. Insgesamt wurden damit höchstens leichtgradige Beeinträchtigungen der Wirbelsäule objektiviert, welche einen GdB von höchstens 10 nach sich ziehen.
Für das Funktionssystem Kopf und Gesicht ist für die von der Klägerin beschrieben Kopfschmerzen/Migräne gemäß Teil B Ziffer 2.3 ein GdB von 10 festzustellen (vgl. zur Migräne die Leitlinie "Therapie der Migräne" der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Stand: Sept. 2012, abrufbar unter: http://www.awmf.org/uploads/tx szleitlinien/030-057l S1 Migr%C3%A4ne Therapie 2012 1.pdf). Gegenüber ihrer Frauenärztin Frau Dr. L., hat die Klägerin "nur wenige Male" unter anderem über "leichte vegetative Beschwerden" geklagte hat. Frau Dr. L. hat in diesem Zusammenhang eine stressbedingte Migräne sowie Kopfschmerzen durch Verspannung diagnostiziert. Eine fachneurologisch gesicherte Diagnose einer Migräne liegt nicht vor. Gegenüber dem Gutachter Dr. Q. hat die Klägerin geschildert, sie habe seit der Jugend Migräneattacken, im Durchschnitt einmal pro Monat, öfter im Zusammenhang mit der Regelblutung. Sie habe dann Beschwerden im ganzen Kopfbereich mit Sehstörungen und Übelkeit. Sie lege sich dann in einen abgedunkelten Raum und nehme Aspirin ein. Spezielle Migränemedikamente (Triptane; vgl. hierzu die oben genannte Leitlinie der DGN) hätten ihr nicht geholfen. In den letzten Jahren vor der Impfung seien die Migräneattacken weniger geworden, seit der Impfung leide sie zumindest einmal im Monat über zwei bis drei Tage darunter. Selbst wenn man – auch ohne Vorliegen einer fachneurologischen Bestätigung – bei der Klägerin vom Vorliegen einer echten Migräne ausgeht, so ist hier – unter Berücksichtigung von Häufigkeit, Dauer und Verlauf sowie der möglichen Selbstmedikation mit Aspirin – ein höherer GdB als 10 nicht in Ansatz zu bringen.
Die bei der Klägerin bestehende Hautveränderung bedingt gemäß Teil B Ziffer 17.1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ebenfalls höchstens einen GdB von 10. Die Kammer stützt sich bei dieser Feststellung auf die Ausführungen des Hautarztes Dr. O. in seinem Befundbericht vom 03.05.2013 sowie des Gutachters Dr. Q. anlässlich der Begutachtung der Klägerin. Der Dermatologe hat – neben einer Hautwunde am Kinn im Februar 2012 – über einen längeren Zeitraum ein Handekzem beschrieben, welches jeweils mit Glucocorticoiden (Ecural® Fettcreme 50 g und Advantan® Milch 50g) behandelt wurde. Dr. O. beschreibt, es sei von einer verminderten Belastbarkeit der Hände in Bezug auf hautbelastende Feuchtarbeiten auszugehen. Auch er schätzt den GdB insoweit auf 10 ein. Die Klägerin gab gegenüber dem Gutachter Dr. Q. an, es komme bei der Arbeit und bei Papierkontakt zum Aufspringen der Fingerkuppen und der Fingerbasis. Es werde eine Hautsalbe benutzt. Bei der Untersuchung konnten weder Dr. Q. noch Dr. I. einen wesentlichen pathologischen Befund im Bereich der Haut erheben. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände – seltene Besuche beim Hautarzt, Einschätzung des behandelnden Dermatologen, keine pathologischen Befunde zum Zeitpunkt der Untersuchung, Möglichkeit den Kontakt mit Papier durch das Tragen von Handschuhen zu verringern – kommt auch insoweit höchstens ein GdB von 10 in Betracht. Soweit die Klägerin angibt, bei ihr sei ein Verdacht auf eine Allergie auf Chlorhexidin geäußert worden, so begründet dies keinen eigenen GdB. Das Meiden von Chlorhexidin-haltigen Desinfektionsmittel stellt keine Beeinträchtigung dar, die zu Zuerkennung eines GdB rechtfertigen würde. Die früher bei der Klägerin nach eigenen Angaben vorhandene Pollenallergie hat sich – so die Klägerin gegenüber dem Gutachter Dr. Q. – zwischenzeitlich gebessert. Auch insoweit kommt die Zuerkennung eines GdB von mindestens 10 nicht in Betracht.
Bei der Klägerin besteht ein korrigierter Visus beidseits von 0,8. Gesichtsfeldausfälle sind nicht objektiviert, so dass mit den behandelnden Augenärzten und den Gutachtern Dr. Q. und Dr. I. gemäß Teil B Ziffer 4.3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze kein GdB für das Funktionssystem Augen in Ansatz zu bringen ist.
Die bloße Tatsache, dass die Klägerin im Juni 2013 von einer Zecke gebissen wurde bedingt keinen GdB. Folgeschäden sind nicht objektiviert und waren im Übrigen – nach entsprechender antibiotischer Therapie – auch nicht zu erwarten. Der von der Klägerin vorgelegte Bericht über eine transthorakale Echokardiographie ergibt keinen Hinweis auf eine Herzerkrankung, insbesondere nicht auf einen Herzklappenfehler. Für das Funktionssystem Herz und Kreislauf ist somit gemäß Teil B Ziffer 9 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht vom Vorliegen eines GdB auszugehen.
Auf der Grundlage der genannten Einzel-GdB-Werte ist bei der Klägerin für den streitbefangenen Zeitraum nach § 69 Abs. 3 SGB IX in Verbindung mit Teil A Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ein Gesamt-GdB von 10 zu bilden.
§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX schreibt vor, bei Vorliegen mehrerer Teilhabebeeinträchtigungen den Grad der Behinderungen nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzusetzen. Der maßgebliche Gesamt-GdB ergibt sich dabei aus der Zusammenschau aller Funktionsbeeinträchtigungen. Er ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung der Sachverständigengutachten sowie der versorgungsmedizinischen Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung nach natürlicher, wirklichkeitsorientierter und funktionaler Betrachtungsweise festzustellen (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 42 unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 9/97 R = juris Rn. 10 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen, sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen (BSG Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 4/10 R = juris).
Im vorliegenden Fall sind bei der Klägerin bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigung allesamt als lediglich leichtgradig zu bewerten und bedingen höchstens einen GdB von 10. Bei dieser Sachlage kommt die Feststellung eines höheren Gesamt-GdB als 10 nicht in Betracht. Soweit die Klägerin – anwaltlich vertreten – unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde und Gutachten (einschließlich des Gutachtens nach § 109 SGG, welches – freilich zu Unrecht - einen Gesamt-GdB von 20 in Vorschlag gebracht hat) hier die die Feststellung eines GdB von insgesamt 50 begehrt, kann die Kammer dies nicht im Ansatz nachvollziehen. Sie erscheint völlig losgelöst von den objektivierten Fakten und damit abwegig. Die Beeinträchtigungen lassen sich schon nicht gemäß Teil A Nr. 3 lit. b) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit einem einzelnen Gesundheitsschaden vergleichen ließ, für den die Versorgungsmedizinischen Grundsätze einen festen GdB-Wert von 20 angeben (vgl. hierzu auch LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 - L 13 SB 127/11 = juris Rn. 49 ff. unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG und den hierzu vertretenen Meinungsstand in der Literatur). Noch viel weniger kommt eine Vergleichbarkeit mit Menschen, mit Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen, wie z. B. die Versteifung großer Teile der Wirbelsäule, dem Verlust von vier Fingern (einschließlich des Daumens), dem Verlust eines Armes im Unterarm – allesamt Beeinträchtigungen, die nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten sind – in Betracht. Eine vergleichbare Einschränkung der Beweglichkeit und Mobilität und damit der gesellschaftlichen Teilhabe ist bei der Klägerin nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Die am 00.00.00 geborene Klägerin stellte am 19.09.2012 einen Antrag beim Beklagten auf Feststellung eines GdB. Hierbei gab sie an, sie leide zum einen seit einer Impfung unter Gelenkbeschwerden im Arm, zum anderen unter Beeinträchtigungen des rechten Fußes sowie einem Augenleiden. Dem Antrag beigefügt war ein augenärztlicher Befundbericht des Dr. T. vom AugenCentrum Aachen, wonach am 24.05.2012 der korrigierte Visus beidseits 0,8 betrug. Aus augenärztlicher Sicht bestehe keine Einschränkung zur PC-Arbeit. Des Weiteren lagen dem Antrag ein fachchirurgisches Gutachten des Dr. T. vom 17.10.2000, ein fachradiologisches Gutachten der Frau Dr. I., verschiedene Arztberichte der Radiologischen Gemeinschaftspraxis im Kapuzinerkarree aus den Jahren 2011und 2012 sowie ein Arztbericht des Neurologen Prof. Dr. H. bei. Der ärztliche Dienst des Beklagten wertete die Unterlagen aus und kam zu der Einschätzung, für das Funktionssystem der Wirbelsäule komme ein GdB von 10 in Betracht. Die übrigen Beeinträchtigungen bedingten keinen eigenen GdB.
Mit Bescheid vom 08.10.2012 lehnte der Beklagte die Feststellung eines GdB ab.
Hiergegen legte die Klägerin am 06.11.2012 Widerspruch ein, den sie im Nachgang damit begründete, der Beklagte habe zu Unrecht Bewegungseinschränkungen im rechten Sprunggelenk sowie die infolge Impfreaktion eingetretene Bewegungseinschränkung und wiederkehrende Schmerzsymptomatik im Bereich der linken oberen Gliedmaße nicht berücksichtigt.
Der Beklagte holte einen Befundbericht des Internisten Dr. K. ein und werte diesen durch seinen ärztlichen Dienst aus. Dieser kam zu der Einschätzung es könne neben der Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule auch die Funktionsstörungen der linken oberen Gliedmaße und der rechten unteren Gliedmaße mit einem GdB von jeweils 10 berücksichtigt werden. Der Gesamt-GdB sei weiterhin mit 10 zu bewerten.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.01.2013 wies die Bezirksregierung Münster den Widerspruch als unbegründet zurück.
Am 15.02.2013 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie hat die Auffassung vertreten, der Beklagte habe den Sachverhalt medizinisch nicht hinreichend aufgeklärt. Durch eine Impfung sei der linke Arm sehr druckempfindlich. Die vor der Impfung vorhandene Kraft fehle. Insgesamt werde sie durch die Folgen der Impfung in ihrer täglichen Arbeit beeinträchtigt. Auch leide sie unter Migräne, was sie ebenfalls auf die Impfung zurückführe, ebenso wie den seitdem verstärkt auftretenden allergischen Reaktionen. Es lägen daneben auch degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule vor. Die daraus resultierenden Einschränkungen seien mit einem GdB von 10 nicht hinreichend berücksichtigt. Durch einen 1998 erlittenen Wegeunfall sei eine Bewegungseinschränkungen im rechten Fußgelenk verblieben. Hierdurch sei es u.a. zu Fehlbelastungen gekommen. Sie habe des Weiteren Neurodermitis an den Händen. Diese seien rau und rissig wegen des Kontakts mit Papier. Sie müsse in ihrem Beruf als Diplom-Rechtspflegerin regelmäßig Akten bearbeiten. Schließlich sei das Augenleiden zu Unrecht nicht hinreichend erfasst. Die gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien insgesamt mit einem GdB von 50 zu bewerten.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung von Befundberichten des Hautarztes Dr. O., des Internisten Dr. K., des Neurologen Prof. Dr. H., des HNO-Arztes Dr. C., des Orthopäden Dr. C., des AugenCentrums Aachen und der Frauenärztin Dr. L ...
Die Klägerin hat sodann einen Arztbericht über eine transthorakale Echokardiographie vom 10.07.2013 zu den Akten gereicht.
Das Gericht hat weiter Beweis erhoben durch Einholung eines internistisch-arbeitsmedizinischen Gutachtens des Dr. Q., welches dieser – aufgrund Untersuchung vom 31.07.2013 – gegenüber dem Gericht am 16.08.2013 erstattet hat. Auf Antrag der Klägerin hat das Gericht sodann ein fachorthopädisches Gutachten des Dr. I. eingeholt, welches dieser – aufgrund Untersuchung am 13.12.2013 – gegenüber dem Gericht am 07.01.2014 erstattet hat.
Zu den Gutachten hat die ärztliche Beraterin des Beklagten unter dem 15.01.2014 eine versorgungsärztliche Stellungnahme abgegeben und ausgeführt, aus welchen Gründen dem Gutachten des Dr. I., welches einen Gesamt-GdB von 20 befürwortet habe, nicht zu folgen sei.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25.03.2014 hat die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 08.10.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.01.2013 zu verurteilen, bei ihr ab Antragstellung einen GdB von mindestens 50 anzuerkennen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren und nimmt insbesondere Bezug auf die Ausführungen seines ärztlichen Beraters im vorliegenden Verfahren.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Die Klägerin ist durch die angefochtenen Bescheide im Sinne des § 54 Abs. 2 SGG nicht beschwert, da die angefochtenen Bescheide rechtmäßig sind. Der Klägerin steht derzeit kein höherer GdB als 10 zu. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 6 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuches - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen – (SGB IX) hat der Beklagte zu Recht keinen Feststellungsbescheid erlassen.
Nach § 2 SGB IX sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion oder geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher ihre Teilhabe am Leben der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als Grad der Behinderung nach 10er Graden abgestuft dargestellt. Bei dem Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.
Die Bemessung des Gesamt-GdB hat dabei in mehreren Schritten zu erfolgen und ist tatrichterliche Aufgabe (Bundessozialgericht - BSG - Beschluss vom 09.12.2010 – B 9 SB 35/10 B = juris Rn. 5 m.w.N.; Landessozialgericht – LSG – Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).
Zunächst sind unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens die einzelnen, nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinn von regelwidrigen, von der Norm abweichenden Zuständen gemäß § 2 Abs. 1 SGB IX und die daraus ableitenden Teilhabebeeinträchtigungen festzustellen. Sodann sind diese den in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. Schließlich ist unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen in einer Gesamtschau der Gesamt-GdB zu bilden (BSG Urteil vom 30.09.2009 – B 9 SB 4/08 R = juris Rn. 18 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 32).
Nach Teil A Ziffer 3 der Anlage zu § 2 der aufgrund § 30 Abs. 17 Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erlassenen Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (BGBl. I 2008, S. 2412 - Versorgungsmedizin-Verordnung) vom 10.12.2008 (Versorgungsmedizinische Grundsätze), die wegen § 69 Abs. 1, Satz 4 SGB IX auch im Schwerbehindertenrecht zur Anwendung kommt, sind zur Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung rechnerische Methoden, insbesondere eine Addition der Einzelgrade der Behinderung, nicht zulässig. Vielmehr ist bei der Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzelgrad der Behinderung bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten Grad der Behinderung 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Hierbei ist gemäß Teil A Ziffer 3 lit. d) ee) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu beachten, dass leichtere Gesundheitsstörungen mit einem Einzelgrad der Behinderung von 10 nicht zu einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung führen, selbst wenn mehrere dieser leichteren Behinderungen kumulativ nebeneinander vorliegen. Auch bei Leiden mit einem Einzelgrad der Behinderung von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine Zunahme des Gesamtausmaßes der Behinderung zu schließen.
Schließlich sind bei der Festlegung des Gesamt-GdB zudem die Auswirkungen im konkreten Fall mit denjenigen zu vergleichen, für die in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen feste GdB-Werte angegeben sind (BSG Urteil vom 02.12.2010 –B 9 SB 4/10 R = juris Rn. 25; vgl. auch Teil A Ziffer 3 lit. b) Versorgungsmedizinische Grundsätze).
Die Klägerin leidet zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung unter
(1.) einer Funktionsstörung der rechten unteren Gliedmaße (2.) einer Funktionsstörung der oberen Gliedmaße (3.) einer Funktionsstörung der Wirbelsäule (4.) einer Migräne/Kopfschmerzen (5.) einer Hauterkrankung (6.) einer allergischen Disposition (7.) einer Sehbeeinträchtigung (8.) einem Zustand nach Zeckenbiss (9.) einem Herzgeräusch
Das Vorliegen dieser Gesundheitsbeeinträchtigungen steht nach Auffassung der Kammer aufgrund der im Verwaltungs- und Klageverfahren eingeholten Befund- und Arztberichte sowie den Gutachten des Dr. Q. und des Dr. I. fest.
Die Gutachten beruhen auf umfangreichen Untersuchungen, die von erfahrenen medizinischen Gutachtern unter Einsatz von diversen Hilfsmitteln durchgeführt worden sind. Die Kammer hat keinen Anlass an der Richtigkeit und Vollständigkeit der in dem Gutachten erhobenen medizinischen Befunde und gestellten Diagnosen zu zweifeln. Die Beteiligten haben auch keine substantiierten Einwände gegen die medizinischen Feststellungen erhoben. Lediglich die sozialmedizinische Bewertung ist bis zum Schluss umstritten geblieben.
Für das Funktionssystem der unteren Extremitäten ist der GdB gemäß Teil B Ziffer 18.14 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit 10 zu bewerten. Es sind bei der Klägerin leichte funktionelle Einschränkungen im Bereich des rechten Sprunggelenks objektiviert. Die Klägerin hatte im Jahr 1998 einen Unfall erlitten und sich in diesem Rahmen eine offene Luxation des rechten oberen Sprunggelenks zugezogen. Im Anschluss fand eine operative Reposition der Sprunggelenksluxation statt. Im Rahmen einer Begutachtung durch den Chirurgen Dr. T. und die Radiologin Dr. I. wurde im Jahr 2000 festgestellt, dass als Folge des Unfalls eine endgradige Bewegungseinschränkung des rechten oberen Sprunggelenks mit einem Beuge- und einem Streckdefizit von jeweils 10° festzustellen war. Die Klägerin hat gegenüber den Gutachtern angegeben, sie sei bis zum heutigen Tage nicht beschwerdefrei. Bei längerem Gehen mit Zusatzlasten habe sie Schmerzen im Bereich des rechten oberen Sprunggelenks. Auch schwelle es nach längerem Sitzen an. Im Rahmen der Untersuchung durch Dr. Q. fand sich ebenfalls eine leichtgradige Bewegungseinschränkung im Bereich des rechten Sprunggelenks, wobei er die Beweglichkeit als tendenziell besser als im Jahr 2000 beschreibt. Er ermittelt die Beweglichkeit nach Neutral-Null mit (Heben/Senken) rechts 10°/0°/40° und links 10°/0°/50°. Dr. I. ermittelt die Beweglichkeit mit rechts 15°/0°/45° und links 10°/0°/40°. Auch er beschreibt damit lediglich leichte Bewegungseinschränkungen. Der Zehen- und der Hackenstand sind der Klägerin möglich. Auch der Hocksitz kann von der Klägerin ausgeführt werden. Unter Berücksichtigung der geklagten gelegentlichen Beschwerden steht zur Überzeugung der Kammer– in Übereinstimmung mit beiden Gutachtern – fest, dass der GdB für die Sprunggelenksbeschwerden höchstens mit 10 zu bewerten ist Weitere Beeinträchtigungen im Bereich der unteren Extremitäten, die geeignet wären, den GdB zu erhöhen sind nicht objektiviert. Hüft- und Kniegelenke werden - mit Ausnahme einer druckschmerzhaften Narbe am rechten Knie - von den Gutachtern als unauffällig beschrieben. Auch die von der Klägerin im Rahmen der Untersuchungen gezeigten sonstigen Funktionstests machen deutlich, dass ein höherer GdB als 10 für die unteren Extremitäten keinesfalls in Betracht kommt.
Für das Funktionssystem der oberen Extremitäten ist der GdB der Klägerin ebenfalls mit 10 zu bewerten.
Die Klägerin hat gegenüber beiden Gutachtern angegeben, es sei bei ihr sei nach einer Impfung eine schmerzhafte Schwellung der linken oberen Gliedmaße und einer Schwellung der regionalen Lymphknoten gekommen. Die Rötung und Schwellung habe sich zurückgebildet, es sei aber eine anhaltende schmerzhafte Missempfindung im Bereich der linken oberen Gliedmaße zurückgeblieben. Solange der Arm locker und entspannt nach unten hänge und nicht belastet werde habe sie keine Beschwerden. Werde die linke Hand mechanisch belastet (etwa durch Heben und Tragen selbst geringer Lasten), langes Verharren in Zwangshaltungen (wie beim Bedienen einer Computertastatur) oder lokalem Druck, so verspüre sie brennende und stechende Schmerzen im linken Oberarm. In Ruhe klängen diese ab. Sie habe versucht, dies abzuklären. Allerdings wurde aber weder dermatologisch noch neurologisch eine Ursache gefunden worden. Auch zwischenzeitlich erfolgte kernspinntomographische Untersuchungen haben keine Ursache aufzeigen können. Es fanden sich 2011 zwar degenerative Bandscheibenveränderungen mit Bandscheibenvorwölbungen. Eine auffällige Einengung des Wirbelkanals mit Irritationen des Rückenmarks konnten nicht nachgewiesen werden, lediglich eine Einengung des Nervenwurzelkanal C5 links sowie 2011 einen Reizzustand im linken Handgelenk unklarer Ursache. Eine Kernspinntomographie der linken Schulter im Jahr 2012 zeigte keinen gravierenden Befund im Schultergelenk. Im Rahmen der Untersuchung durch Dr. Q. ermittelte dieser die Beweglichkeit des Schultergelenks (vorwärts/rückwärts) rechts mit 160°/0°/40° und links mit 130°/0°/30° sowie (seitwärts/körperwärts) rechts mit 170°/0°/30° und links mit 140°/0°/20°. Ähnliche Werte – allerdings bei passiver Prüfung - konnte auch der Gutachter Dr. I. ermitteln. Er gibt die Beweglichkeit (Beugen/Strecken) mit rechts 180°/0°/40° und links mit 170°/0°/30° sowie (Abspreizen/Heranführen) mit rechts 180°/0°/40° und links mit 160°/0°/30° an. Hierbei beschreibt er einen Druckschmerz über dem linken Oberarmkopf. Die Beweglichkeit beschreibt er als endgradig schmerzhaft. Diese Befunde stimmen weitgehend mit den Feststellungen des behandelnden Orthopäden in seinem Befundbericht überein und lassen sich durch die in den bildgebenden Verfahren gewonnenen Erkenntnisse erklären. Soweit der behandelnden Internist Dr. K. in seinem Befundbericht eine Einschränkung der Abduktion bis zur Horizontalen, mithin von 90° beschreibt, handelt es sich, wie die durchgeführten Untersuchungen gezeigt haben, offensichtlich nicht um einen Dauerzustand. Die objektivierte Beweglichkeit des linken Schultergelenks ist besser. Betrachtete man die reinen Messwerte der Beweglichkeit nach der Neutral-Null-Methode so käme für die Schulter die Feststellung eines GdB nicht in Betracht, wäre ein solcher nach Teil B Ziffer 18.13 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze doch erst bei einer Einschränkung der Armhebung bis zu 120° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit in Betracht. Die objektivierten Werte der Klägerin sind deutlich besser. Allerdings verkennt auch die Kammer nicht, dass bei der Klägerin seit einiger Zeit zu Missempfindung und auch Schmerzen im Bereich der Schulter kommt, deren Ursache bislang allerdings noch nicht gefunden worden ist. Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist für das Funktionssystem der oberen Extremitäten ein GdB von 10 in Ansatz zu bringen. Die Sichtweise des Gutachters Dr. I., der hier einen GdB von 20 vorschlägt teilt die Kammer nicht. Die sozialmedizinische Beurteilung durch Dr. I. verlässt den Boden der Versorgungsmedizinischen Grundsätze. Es ist Dr. I. zwar zuzustimmen, dass die Beurteilung eines GdB auch auf orthopädischem Gebiet nicht allein auf die Beweglichkeitsmessungen zu beschränken sind. Es geht aber um die objektivierten Auswirkungen, wobei gemäß Teil A Ziffer 2 lit. b) der GdB unabhängig vom ausgeübten Beruf zu beurteilen ist – ein besonderes berufliches Betroffensein ist im Schwerbehindertenrecht unbeachtlich. Dr. I. führt in seinem Gutachten aus, dass das Ausmaß der geklagten Beschwerden und Funktionsstörungen im Bereich der oberen Gliedmaße nicht durch objektive Befunde plausibel begründen lässt. Es ließen sich lediglich leichte Funktionsstörungen, wie eine minimale Schwäche des Faustschlusses links mit einer diskreten Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenks, objektivieren. Da er der Klägerin die geklagten Beschwerde aber glaube, auch wenn er sie nicht erklären könne, halte er einen GdB von 20 für angemessen. Diese Sichtweise teilt die Kammer nicht. Selbst wenn man die geklagten Beschwerden der Klägerin zugrunde legt, wäre eine GdB von 20 für die oberen Extremitäten nicht zutreffend. Dies zeigt ein Vergleich mit der Beeinträchtigung für die die Versorgungsmedizinischen Grundsätze tatsächlich einen GdB von 20 vorsehen. Dies ist dann der Fall, wenn ein Arm dauerhaft nicht über 90° angehoben werden kann. Dies ist bei der Klägerin – wie oben dargelegt – nicht der Fall und wird von ihr- bislang – auch nicht so dargestellt. Die Klägerin beschreibt vielmehr insbesondere eine Druckschmerzhaftigkeit und Probleme bei der Arbeit und beim Tragen. Dass dies die Klägerin einschränkt – gerade im Zusammenhang mit ihrer Arbeit – verkennt auch die Kammer nicht, allerdings keinesfalls nicht in einem Maße, das vergleichbar wäre mit der oben beschriebenen Einschränkung der Beweglichkeit. Auch unter Berücksichtigung der leichten Faustschlussschwäche kommt ein höherer GdB als 10 nicht in Betracht.
Für das Funktionssystem der Wirbelsäule ist der GdB – in Übereinstimmung mit beiden Gutachern – gemäß Teil B Ziffer 18.9 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit höchstens 10 zu bewerten. Die Klägerin hat gegenüber dem Gutachter Dr. Q. angegeben, sie habe derzeit keine erheblichen Probleme im Bereich der Wirbelsäule. Früher habe die Halswirbelsäule Probleme gemacht. Eine 2011 durchgeführte Kernspinntomographie zeigt degenerative Veränderungen im Sinne von Osteochondrosen und Bandscheibenvorwölbungen C5 bis C7. Hier zeigte sich eine mäßiggradige Enge im Bereich der Nervenwurzel C5. Im Rahmen der Untersuchung ermittelte Dr. Q. die Beweglichkeit der Halswirbelsäule im Vorneigen/Rückneigen mit 60°/0°/50°, Seitenneigen rechts/links 30°/0°/30° und Drehen rechts/links mit 90°/0°/80°. Für die Brust- und Wirbelsäule ermittelte er eine Seitneigung von 30°/0°/30°, eine Drehung von 50°/0/°50°, eine Rückwärtsneigung von 30°. Der Finger-Boden-Abstand wurde mit 0 cm ermittelt. Es zeigte sich somit eine geringfügige Bewegungseinschränkung im Bereich der Halswirbelsäule bei der Seitenneigung des Kopfes. Ein entsprechendes Bild zeigte sich auch bei der Untersuchung durch Dr. I ... Der Finger-Boden-Abstand wurde dort mit 5 cm ermittelt. Das Maß nach Schober mit 10/16 cm und das Maß nach Ott mit 30/32 cm. Über den Dornfortsätzen der Halswirbelsäule zeigte sich hier ein mäßiger Druck- und Klopfschmerz. Auch war die an der Wirbelsäule gelegene Muskulatur deutlich verspannt und in der Nackenregion druckempfindlich. Dr. I. ermittelt eine Kinn-Sternum-Abstand von 5/18 cm (30°/0°/20°), eine Seitenneigung der Halswirbelsäule von 30°/0°/30°, eine Drehung von 70°/0°/70°. Insgesamt wurden damit höchstens leichtgradige Beeinträchtigungen der Wirbelsäule objektiviert, welche einen GdB von höchstens 10 nach sich ziehen.
Für das Funktionssystem Kopf und Gesicht ist für die von der Klägerin beschrieben Kopfschmerzen/Migräne gemäß Teil B Ziffer 2.3 ein GdB von 10 festzustellen (vgl. zur Migräne die Leitlinie "Therapie der Migräne" der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, Stand: Sept. 2012, abrufbar unter: http://www.awmf.org/uploads/tx szleitlinien/030-057l S1 Migr%C3%A4ne Therapie 2012 1.pdf). Gegenüber ihrer Frauenärztin Frau Dr. L., hat die Klägerin "nur wenige Male" unter anderem über "leichte vegetative Beschwerden" geklagte hat. Frau Dr. L. hat in diesem Zusammenhang eine stressbedingte Migräne sowie Kopfschmerzen durch Verspannung diagnostiziert. Eine fachneurologisch gesicherte Diagnose einer Migräne liegt nicht vor. Gegenüber dem Gutachter Dr. Q. hat die Klägerin geschildert, sie habe seit der Jugend Migräneattacken, im Durchschnitt einmal pro Monat, öfter im Zusammenhang mit der Regelblutung. Sie habe dann Beschwerden im ganzen Kopfbereich mit Sehstörungen und Übelkeit. Sie lege sich dann in einen abgedunkelten Raum und nehme Aspirin ein. Spezielle Migränemedikamente (Triptane; vgl. hierzu die oben genannte Leitlinie der DGN) hätten ihr nicht geholfen. In den letzten Jahren vor der Impfung seien die Migräneattacken weniger geworden, seit der Impfung leide sie zumindest einmal im Monat über zwei bis drei Tage darunter. Selbst wenn man – auch ohne Vorliegen einer fachneurologischen Bestätigung – bei der Klägerin vom Vorliegen einer echten Migräne ausgeht, so ist hier – unter Berücksichtigung von Häufigkeit, Dauer und Verlauf sowie der möglichen Selbstmedikation mit Aspirin – ein höherer GdB als 10 nicht in Ansatz zu bringen.
Die bei der Klägerin bestehende Hautveränderung bedingt gemäß Teil B Ziffer 17.1 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ebenfalls höchstens einen GdB von 10. Die Kammer stützt sich bei dieser Feststellung auf die Ausführungen des Hautarztes Dr. O. in seinem Befundbericht vom 03.05.2013 sowie des Gutachters Dr. Q. anlässlich der Begutachtung der Klägerin. Der Dermatologe hat – neben einer Hautwunde am Kinn im Februar 2012 – über einen längeren Zeitraum ein Handekzem beschrieben, welches jeweils mit Glucocorticoiden (Ecural® Fettcreme 50 g und Advantan® Milch 50g) behandelt wurde. Dr. O. beschreibt, es sei von einer verminderten Belastbarkeit der Hände in Bezug auf hautbelastende Feuchtarbeiten auszugehen. Auch er schätzt den GdB insoweit auf 10 ein. Die Klägerin gab gegenüber dem Gutachter Dr. Q. an, es komme bei der Arbeit und bei Papierkontakt zum Aufspringen der Fingerkuppen und der Fingerbasis. Es werde eine Hautsalbe benutzt. Bei der Untersuchung konnten weder Dr. Q. noch Dr. I. einen wesentlichen pathologischen Befund im Bereich der Haut erheben. Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände – seltene Besuche beim Hautarzt, Einschätzung des behandelnden Dermatologen, keine pathologischen Befunde zum Zeitpunkt der Untersuchung, Möglichkeit den Kontakt mit Papier durch das Tragen von Handschuhen zu verringern – kommt auch insoweit höchstens ein GdB von 10 in Betracht. Soweit die Klägerin angibt, bei ihr sei ein Verdacht auf eine Allergie auf Chlorhexidin geäußert worden, so begründet dies keinen eigenen GdB. Das Meiden von Chlorhexidin-haltigen Desinfektionsmittel stellt keine Beeinträchtigung dar, die zu Zuerkennung eines GdB rechtfertigen würde. Die früher bei der Klägerin nach eigenen Angaben vorhandene Pollenallergie hat sich – so die Klägerin gegenüber dem Gutachter Dr. Q. – zwischenzeitlich gebessert. Auch insoweit kommt die Zuerkennung eines GdB von mindestens 10 nicht in Betracht.
Bei der Klägerin besteht ein korrigierter Visus beidseits von 0,8. Gesichtsfeldausfälle sind nicht objektiviert, so dass mit den behandelnden Augenärzten und den Gutachtern Dr. Q. und Dr. I. gemäß Teil B Ziffer 4.3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze kein GdB für das Funktionssystem Augen in Ansatz zu bringen ist.
Die bloße Tatsache, dass die Klägerin im Juni 2013 von einer Zecke gebissen wurde bedingt keinen GdB. Folgeschäden sind nicht objektiviert und waren im Übrigen – nach entsprechender antibiotischer Therapie – auch nicht zu erwarten. Der von der Klägerin vorgelegte Bericht über eine transthorakale Echokardiographie ergibt keinen Hinweis auf eine Herzerkrankung, insbesondere nicht auf einen Herzklappenfehler. Für das Funktionssystem Herz und Kreislauf ist somit gemäß Teil B Ziffer 9 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze nicht vom Vorliegen eines GdB auszugehen.
Auf der Grundlage der genannten Einzel-GdB-Werte ist bei der Klägerin für den streitbefangenen Zeitraum nach § 69 Abs. 3 SGB IX in Verbindung mit Teil A Nr. 3 der Versorgungsmedizinischen Grundsätze ein Gesamt-GdB von 10 zu bilden.
§ 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX schreibt vor, bei Vorliegen mehrerer Teilhabebeeinträchtigungen den Grad der Behinderungen nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festzusetzen. Der maßgebliche Gesamt-GdB ergibt sich dabei aus der Zusammenschau aller Funktionsbeeinträchtigungen. Er ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung der Sachverständigengutachten sowie der versorgungsmedizinischen Grundsätze in freier richterlicher Beweiswürdigung nach natürlicher, wirklichkeitsorientierter und funktionaler Betrachtungsweise festzustellen (LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 – L 13 SB 127/11 = juris Rn. 42 unter Bezugnahme auf BSG Urteil vom 11.03.1998 - B 9 SB 9/97 R = juris Rn. 10 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, ob die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen, sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinander stehen (BSG Urteil vom 02.12.2010 - B 9 SB 4/10 R = juris).
Im vorliegenden Fall sind bei der Klägerin bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigung allesamt als lediglich leichtgradig zu bewerten und bedingen höchstens einen GdB von 10. Bei dieser Sachlage kommt die Feststellung eines höheren Gesamt-GdB als 10 nicht in Betracht. Soweit die Klägerin – anwaltlich vertreten – unter Berücksichtigung der vorliegenden Befunde und Gutachten (einschließlich des Gutachtens nach § 109 SGG, welches – freilich zu Unrecht - einen Gesamt-GdB von 20 in Vorschlag gebracht hat) hier die die Feststellung eines GdB von insgesamt 50 begehrt, kann die Kammer dies nicht im Ansatz nachvollziehen. Sie erscheint völlig losgelöst von den objektivierten Fakten und damit abwegig. Die Beeinträchtigungen lassen sich schon nicht gemäß Teil A Nr. 3 lit. b) der Versorgungsmedizinischen Grundsätze mit einem einzelnen Gesundheitsschaden vergleichen ließ, für den die Versorgungsmedizinischen Grundsätze einen festen GdB-Wert von 20 angeben (vgl. hierzu auch LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 29.06.2012 - L 13 SB 127/11 = juris Rn. 49 ff. unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BSG und den hierzu vertretenen Meinungsstand in der Literatur). Noch viel weniger kommt eine Vergleichbarkeit mit Menschen, mit Wirbelsäulenschäden mit besonders schweren Auswirkungen, wie z. B. die Versteifung großer Teile der Wirbelsäule, dem Verlust von vier Fingern (einschließlich des Daumens), dem Verlust eines Armes im Unterarm – allesamt Beeinträchtigungen, die nach den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen mit einem Einzel-GdB von 50 zu bewerten sind – in Betracht. Eine vergleichbare Einschränkung der Beweglichkeit und Mobilität und damit der gesellschaftlichen Teilhabe ist bei der Klägerin nicht gegeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
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