Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 22 SO 57/13
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 44/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 22. November 2013 aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse.
Gründe:
I.
Die Beschwerde des Klägers richtet sich gegen das ihm auferlegte Ordnungsgeld.
Der Kläger wendet sich mit seiner am 27. März 2013 vor dem Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage gegen die Herabsetzung der ihm und seiner Ehefrau bewilligten laufenden Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) ab dem 1. Mai 2012. Das Sozialgericht hat mit Verfügung vom 22. Juli 2013 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten auf Mittwoch, den 14. August 2013, 10.00 Uhr, bestimmt und das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet. Die Terminsladung ist dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am 26. Juli 2013 zugestellt worden. Das Ladungsschreiben enthält den Hinweis, dass der Kläger persönlich zum Termin erscheinen müsse. Falls er ohne genügende Entschuldigung der Aufforderung nicht Folge leiste, könnten ihm die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten und ein Ordnungsgeld bis zu 1.000,00 EUR auferlegt werden.
Gemäß der Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung vom 14. August 2013 hat die Vorsitzende die Rechtssache um 10.10 Uhr aufgerufen. Der Kläger ist zum Termin nicht erschienen, für die Beklagte ist ein Sitzungsvertreter erschienen. Das Sozialgericht hat in der Sitzung angekündigt, über die Verhängung eines Ordnungsgeldes solle außerhalb des Erörterungstermins entschieden werden. Mit Beschluss vom 22. November 2013 hat das Sozialgericht gegen den Kläger ein Ordnungsgeld in Höhe von 50,00 EUR festgesetzt. Rechtsgrundlage sei § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 141 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO). Der Kläger sei zum Erörterungstermin nicht erschienen. Eine Entschuldigung liege nicht vor.
Der Kläger hat mit seinem am 5. Dezember 2013 beim Sozialgericht eingegangenen Schreiben Beschwerde gegen den ihm an demselben Tag zugestellten Ordnungsgeldbeschluss eingelegt, woraufhin die Akten dem zuständigen Landessozialgericht Sachsen-Anhalt zugeleitet worden sind. Zur Begründung seines Rechtsmittels verweist der Kläger auf seinen Aufenthalt in Russland am Tag der nichtöffentlichen Sitzung vor dem Sozialgericht. Als Anlage hat er den Computerausdruck seiner Buchungsbestätigung für eine Flugreise von B.-T. nach St. P. vom 11. Juli 2013 (Abflug ... Uhr) bis zum September 2013 vorgelegt.
Auf die Aufforderung des Berichterstatters hat der Kläger Kopien seines Reisepasses übersandt, denen eine Einreise in die R. F. am 12 Juli 2013 und eine Ausreise am 17. September 2013 zu entnehmen sind.
II.
Die zulässige Beschwerde ist zulässig. Das Rechtsmittel ist insbesondere nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft, da eine Beschwerde nach § 172 Abs. 2 und Abs. 3 SGG nicht ausgeschlossen ist.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Der Beschluss des Sozialgerichts vom 22. November 2013 verletzt den Kläger unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers im Beschwerdeverfahren in seinen Rechten.
Nach § 202 Satz 1 SGG sind das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und die ZPO entsprechend anzuwenden, soweit das SGG keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der Verfahrensarten dies nicht ausschließen. Nach § 141 Abs. 1 Satz 1 ZPO soll das Gericht das persönliche Erscheinen beider Parteien (hier: Beteiligten) anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Bleibt der Beteiligte im Termin aus, kann nach § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO gegen ihn ein Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienen Zeugen festgesetzt werden. Der Beteiligte ist nach § 141 Abs. 3 Satz 3 ZPO auf die Folgen des Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen. Einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, werden - ohne dass es eines Antrags bedarf - nach § 380 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt.
Die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen einen Beteiligten setzt nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes - im Gegensatz zu der für Zeugen geltenden Regelung - zwingend eine Ermessensausübung voraus (vgl. z.B. Greger in: Zöller, ZPO Kommentar, 29. Aufl. 2012, § 141 RdNr. 12). Das Sozialgericht hat in der Begründung des angefochtenen Beschlusses keine Ausführungen gemacht, aus denen sich erkennen ließe, dass eine Ermessensausübung erfolgt ist. Die Beschwerde hat bereits aus diesem Grund Erfolg. Eine Ermessensreduzierung auf Null scheidet im vorliegenden Fall aus. Der Kläger hielt sich während des gesamten Zeitraums vom Zugang der Ladung bis zum Terminstag nicht in Deutschland auf. Vor dem Hintergrund dieses Zeitraums von 20 Tagen zwischen der Abreise des Klägers und dem Termin sieht der Senat auch keine offenkundige Verletzung der Pflicht, für eine anderweitige Vertretung in der Rechtssache Sorge zu tragen. Die Ausführungen des Sozialgerichts in der formlos übersandten Niederschrift über die nicht-öffentliche Sitzung lassen für einen nicht rechtskundigen Beteiligten auch nicht zwingend den Rückschluss zu, dass eine nachträgliche Entschuldigung möglich und geboten gewesen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 111 RdNr. 6c).
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Staatskasse.
Gründe:
I.
Die Beschwerde des Klägers richtet sich gegen das ihm auferlegte Ordnungsgeld.
Der Kläger wendet sich mit seiner am 27. März 2013 vor dem Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage gegen die Herabsetzung der ihm und seiner Ehefrau bewilligten laufenden Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe - SGB XII) ab dem 1. Mai 2012. Das Sozialgericht hat mit Verfügung vom 22. Juli 2013 einen Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit den Beteiligten auf Mittwoch, den 14. August 2013, 10.00 Uhr, bestimmt und das persönliche Erscheinen des Klägers angeordnet. Die Terminsladung ist dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am 26. Juli 2013 zugestellt worden. Das Ladungsschreiben enthält den Hinweis, dass der Kläger persönlich zum Termin erscheinen müsse. Falls er ohne genügende Entschuldigung der Aufforderung nicht Folge leiste, könnten ihm die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten und ein Ordnungsgeld bis zu 1.000,00 EUR auferlegt werden.
Gemäß der Niederschrift über die nichtöffentliche Sitzung vom 14. August 2013 hat die Vorsitzende die Rechtssache um 10.10 Uhr aufgerufen. Der Kläger ist zum Termin nicht erschienen, für die Beklagte ist ein Sitzungsvertreter erschienen. Das Sozialgericht hat in der Sitzung angekündigt, über die Verhängung eines Ordnungsgeldes solle außerhalb des Erörterungstermins entschieden werden. Mit Beschluss vom 22. November 2013 hat das Sozialgericht gegen den Kläger ein Ordnungsgeld in Höhe von 50,00 EUR festgesetzt. Rechtsgrundlage sei § 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 141 Abs. 3 Zivilprozessordnung (ZPO). Der Kläger sei zum Erörterungstermin nicht erschienen. Eine Entschuldigung liege nicht vor.
Der Kläger hat mit seinem am 5. Dezember 2013 beim Sozialgericht eingegangenen Schreiben Beschwerde gegen den ihm an demselben Tag zugestellten Ordnungsgeldbeschluss eingelegt, woraufhin die Akten dem zuständigen Landessozialgericht Sachsen-Anhalt zugeleitet worden sind. Zur Begründung seines Rechtsmittels verweist der Kläger auf seinen Aufenthalt in Russland am Tag der nichtöffentlichen Sitzung vor dem Sozialgericht. Als Anlage hat er den Computerausdruck seiner Buchungsbestätigung für eine Flugreise von B.-T. nach St. P. vom 11. Juli 2013 (Abflug ... Uhr) bis zum September 2013 vorgelegt.
Auf die Aufforderung des Berichterstatters hat der Kläger Kopien seines Reisepasses übersandt, denen eine Einreise in die R. F. am 12 Juli 2013 und eine Ausreise am 17. September 2013 zu entnehmen sind.
II.
Die zulässige Beschwerde ist zulässig. Das Rechtsmittel ist insbesondere nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft, da eine Beschwerde nach § 172 Abs. 2 und Abs. 3 SGG nicht ausgeschlossen ist.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Der Beschluss des Sozialgerichts vom 22. November 2013 verletzt den Kläger unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers im Beschwerdeverfahren in seinen Rechten.
Nach § 202 Satz 1 SGG sind das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) und die ZPO entsprechend anzuwenden, soweit das SGG keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der Verfahrensarten dies nicht ausschließen. Nach § 141 Abs. 1 Satz 1 ZPO soll das Gericht das persönliche Erscheinen beider Parteien (hier: Beteiligten) anordnen, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Bleibt der Beteiligte im Termin aus, kann nach § 141 Abs. 3 Satz 1 ZPO gegen ihn ein Ordnungsgeld wie gegen einen im Vernehmungstermin nicht erschienen Zeugen festgesetzt werden. Der Beteiligte ist nach § 141 Abs. 3 Satz 3 ZPO auf die Folgen des Ausbleibens in der Ladung hinzuweisen. Einem ordnungsgemäß geladenen Zeugen, der nicht erscheint, werden - ohne dass es eines Antrags bedarf - nach § 380 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO die durch das Ausbleiben verursachten Kosten auferlegt.
Die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen einen Beteiligten setzt nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes - im Gegensatz zu der für Zeugen geltenden Regelung - zwingend eine Ermessensausübung voraus (vgl. z.B. Greger in: Zöller, ZPO Kommentar, 29. Aufl. 2012, § 141 RdNr. 12). Das Sozialgericht hat in der Begründung des angefochtenen Beschlusses keine Ausführungen gemacht, aus denen sich erkennen ließe, dass eine Ermessensausübung erfolgt ist. Die Beschwerde hat bereits aus diesem Grund Erfolg. Eine Ermessensreduzierung auf Null scheidet im vorliegenden Fall aus. Der Kläger hielt sich während des gesamten Zeitraums vom Zugang der Ladung bis zum Terminstag nicht in Deutschland auf. Vor dem Hintergrund dieses Zeitraums von 20 Tagen zwischen der Abreise des Klägers und dem Termin sieht der Senat auch keine offenkundige Verletzung der Pflicht, für eine anderweitige Vertretung in der Rechtssache Sorge zu tragen. Die Ausführungen des Sozialgerichts in der formlos übersandten Niederschrift über die nicht-öffentliche Sitzung lassen für einen nicht rechtskundigen Beteiligten auch nicht zwingend den Rückschluss zu, dass eine nachträgliche Entschuldigung möglich und geboten gewesen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 Abs. 1 SGG (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG Kommentar, 10. Aufl. 2012, § 111 RdNr. 6c).
Dieser Beschluss ist mit der Beschwerde nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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