L 9 KR 114/12

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 18 KR 172/08
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 114/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Auch über die Frage, ob eine Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 KVLG wegen einer hauptberuflich selbständigen Erwerbstätigkeit außerhalb der Land- und Forstwirtschaft ausgeschlossen ist, ist im Wege einer vorausschauenden Betrachtungsweise zu entscheiden.
2. Eine Krankenkasse ist nicht befugt, über Versicherungspflicht in der sozialen Pflegeversicherung zu entscheiden.
1. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 17. Februar 2012 geändert. Der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 31. Juli 2008 in der Fassung der Bescheide vom 16. Januar 2009, 03. Juli 2009 und 15. Januar 2010 wird aufgehoben, soweit darin die Versicherungspflicht der Klägerin in der sozialen Pflegeversicherung in der Zeit vom 01. April 2007 bis 31. Januar 2010 festgestellt wird und für diesen Zeitraum Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung festgesetzt werden. 2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. 3. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin für das Gerichtsverfahren zu einem Zehntel zu erstatten. 4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Versicherungspflicht der Klägerin in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung in der Zeit vom 1. April 2007 bis zum 31. Januar 2010.

Die 1960 geborene Klägerin gründete im Jahr 2005 gemeinsam mit ihrem Ehemann die S-Gärtnerei GbR (im Folgenden: GbR). Mit Wirkung zum 1. April 2007 pachtete die GbR 1,54 ha landwirtschaftliche Nutzflächen, darunter auch dem Gartenbau dienende Gewächshäuser. Daneben sind beide Eheleute Geschäftsführer und Gesellschafter der G Immobilienverwaltung GbR. Bei beiden Gesellschaften hält die Klägerin jeweils 90 % der Gesellschaftsanteile, jeweils 10 % ihr Ehemann.

Mit Bescheid vom 2. Juli 2007 stellte die Gartenbau-Berufsgenossenschaft, eine Rechtsvorgängerin der Beklagten, den Beginn ihrer Zuständigkeit für die GbR mit Wirkung zum 1. April 2007 fest. Auf einem entsprechendem Vordruck der Krankenkasse für den Gartenbau (KK-Gartenbau) und der Pflegekasse für den Gartenbau (PK-Gartenbau) – zweier weiterer Rechtsvorgängerinnen der Beklagten – gab die Klägerin unter dem 30. August 2007 an, dass sie nach dem zuletzt erlassenen Steuerbescheid und voraussichtlich Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft (Gartenbau) i.H.v. 2.000 Euro monatlich erziele. Der für die gärtnerische Tätigkeit anfallende wöchentliche Arbeitsaufwand betrage für den Unternehmer 20 Stunden und für seine Arbeitnehmer 210 Stunden. Angaben zu ihren Einkünften aus Gewerbebetrieb bzw. selbständiger Tätigkeit lägen der KK-Gartenbau vor. Diese Tätigkeiten erforderten für den Unternehmer einen wöchentlichen Arbeitsaufwand von 20 Stunden und mehr.

Nach Anhörung stellten die KK-Gartenbau und die PK-Gartenbau gemeinsam mit Bescheid vom 2. April 2008 fest, dass für die Klägerin als gärtnerische Unternehmerin seit dem 1. April 2007 Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen/gärtnerischen Krankenversicherung und damit gleichzeitig in der gesetzlichen Pflegeversicherung bestehe. Die Beitragspflicht beginne am 1. April 2008. Der monatliche Beitrag betrage zur Krankenkasse 170 Euro und zur Pflegekasse 18,36 Euro.

Im Widerspruchsverfahren brachte die Klägerin vor, sie erziele aus der G Immobilienverwaltung GbR regelmäßiges Einkommen über 4.800 Euro jährlich. Zwar ergebe sich aus der Einnahmen-Überschussrechnung für das Jahr 2007 ein steuerlicher Verlust von 14.179,81 Euro. Dieser könne jedoch nicht zugrunde gelegt werden, weil zum einen als Kosten die Abschreibungen auf das Anlagevermögen i.H.v. 6.915 Euro abzuziehen und zum anderen ausstehende Mieteinnahmen aus dem Jahr 2007 i.H.v. 33.250 Euro zuzuschlagen seien. Unter Berücksichtigung der von ihr gehaltenen Gesellschaftsanteile an der GbR ergebe sich für sie ein zu versteuernder Gewinn in Höhe von 23.387,67 Euro. Dem gegenüber sei von dem in der Gärtnerei erwirtschafteten steuerlichen Gewinn i.H.v. 10.774,61 Euro nach den steuerlichen Unterlagen für das Jahr 2007 ein Betrag von 8.000 Euro für die Auflösung einer Ansparabschreibung abzuziehen, so dass ein jährlicher Gewinn von 2.774,61 Euro verbleibe.

Den Widerspruch wies die KK-Gartenbau zurück, weil nach den ihr vorliegenden Unterlagen (betriebswirtschaftliche Auswertung des Jahres 2007) der wirtschaftliche Schwerpunkt auf den Einnahmen aus der Tätigkeit als gärtnerische Unternehmerin liege. Während die Klägerin im Prüffragebogen vom 30. August 2007 angegeben habe, dass sie aus dem Gartenbau monatliche Einnahmen von ca. 2.000 Euro erziele, weise die betriebswirtschaftliche Auswertung bezüglich der G Immobilienverwaltung GbR Minuseinkünfte aus. Auch vom zeitlichen Aufwand her überwiege die Tätigkeit in der Gärtnerei, weil die Klägerin nach eigenen Angaben sowohl im gärtnerischen Unternehmen als auch in der G Immobilienverwaltung GbR wöchentlich ca. 20 Stunden tätig sei, im gärtnerischen Unternehmen jedoch zusätzlich Arbeitnehmer wöchentlich 210 Arbeitsstunden leisteten (Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2008).

Während des Klageverfahrens hat die KK-Gartenbau weitere Bescheide zur Beitragshöhe erlassen: Bescheid vom mit Wirkung ab KV-Beitrag PV-Beitrag 16. Januar 2009 1. Januar 2009 187 Euro 21,06 Euro 3. Juli 2009 1. Juli 2009 178 Euro 20,04 Euro 15. Januar 2010 1. Januar 2010 178 Euro 20,47 Euro

Die Klägerin hat im gerichtlichen Verfahren neben einer betriebswirtschaftlichen Auswertung für das Jahr 2008 und einer Steuerberechnung für das Jahr 2009 auch – mit Schriftsatz vom 7. Juli 2010 – die die Eheleute betreffenden Einkommensteuerbescheide für das Jahr 2007 (vom 14. Oktober 2008 und 19. Februar 2009) und 2008 (vom 29. Juli 2009) sowie – mit der Berufung – für das Jahr 2009 eingereicht. Demzufolge hatte die Klägerin folgende Einkünfte: Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft Einkünfte aus Gewerbebetrieb 2007 2.047 Euro 30.235 Euro 2008 11.650 Euro 23.590 Euro 2009 -19.338 Euro - 356 Euro

Mit gemeinsamem Bescheid vom 26. Mai 2010 stellten die KK-Gartenbau und die PK-Gartenbau fest, dass die Mitgliedschaft der Klägerin als gärtnerische Unternehmerin wegen Aufgabe der Unternehmertätigkeit mit Ablauf des 31. Januar 2010 ende.

Das Sozialgericht hat die Klage, welche auf die Aufhebung der o.g. Bescheide und die Feststellung gerichtet war, dass in der Zeit vom 1. April 2007 bis 31. Januar 2010 keine Pflichtmitgliedschaft in der landwirtschaftlichen bzw. gärtnerischen Kranken- und Pflegeversicherung bestanden habe, mit Gerichtsbescheid vom 17. Februar 2012 zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die zusätzlich beigezogenen Einkommenssteuerbescheide für die Jahre 2007 und 2008 gäben keinen Anlass zu einer abweichenden Beurteilung der Versicherungspflicht bzw. Hauptberuflichkeit, da nach ihnen gleichfalls die wirtschaftliche Bedeutung der außerhalb Land- und Forstwirtschaft bzw. des Gartenbaues in der G Immobilienverwaltung GbR ausgeübte Tätigkeit der Klägerin mit Einkünften von minus 12.762 Euro in 2007 (gegenüber 2.047 Euro) bzw. von 9.995 Euro in 2008 (gegenüber 11.650 Euro) letztere mitnichten, geschweige denn deutlich übersteige. Hinsichtlich der klägerseits geltend gemachten Hineinrechnung nicht erzielter Mieteinnahmen bzw. Herausrechnung steuerlich vorgenommener Abschreibungen sowie hinsichtlich der Beitragshöhe werde gemäß § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) analog auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Schriftsatz vom 4. Juni 2009 verwiesen.

Gegen diesen ihr am 23. Februar 2012 zustellten Gerichtsbescheid richtet sich die Berufung der Klägerin vom 22. März 2012, zu deren Begründung sie vorträgt: dass ihre Einkünfte außerhalb der Land- und Forstwirtschaft diejenigen aus Land- und Forstwirtschaft überstiegen, belegten die Einkommensteuerbescheide für die Jahr 2007 bis 2009.

Die Klägerin beantragt,

1. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Cottbus vom 17. Februar 2012 und den Bescheid der Beklagten vom 02. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Juli 2008, beide in der Fassung der Bescheide vom 16. Januar 2009, 03. Juli 2009, 15. Januar 2010 und 26. Mai 2010, aufzuheben,

2. festzustellen, dass sie in der Zeit vom 01. April 2007 bis zum 31. Januar 2010 nicht der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Kranken- und Pflegeversicherung unterlegen hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Mit Beschluss vom 21. November 2013 haben die Berufsrichter des Senats den Rechtsstreit gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dem Berichterstatter übertragen, damit dieser zusammen mit den ehrenamtlichen Richtern entscheide.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung hat nur teilweise Erfolg. Das Sozialgericht hätte die Klage nicht insgesamt abweisen dürfen. Zwar unterlag die Klägerin in der Zeit vom 1. April 2007 bis zum 31. Januar 2010 der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung sowie der sozialen Pflegeversicherung. Die KK-Gartenbau hätte jedoch den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 2. April 2008 nicht auch hinsichtlich der Versicherungspflicht und der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung zurückweisen dürfen. Aus demselben Grund sind die Beitragsbescheide der KK-Gartenbau vom 16. Januar 2009, 3. Juli 2009 und 15. Januar 2010 rechtswidrig, soweit sie die Höhe der Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung festsetzen.

I. Der Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2008 und die Beitragsbescheide vom 16. Januar 2009, 3. Juli 2009 und 15. Januar 2010 sind teilweise rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren subjektiven Rechten. Soweit darin die KK-Gartenbau Regelungen auch für den Bereich der sozialen Pflegeversicherung (Sozialgesetzbuch XI – SGB XI) traf, war sie sachlich unzuständig.

Soweit gesetzlich nichts anderes geregelt ist, ist jede Behörde für den Erlass von ihren Aufgabenbereich betreffenden Bescheiden selbst zuständig. Eine solche anderweitige – mit Wirkung zum 1. Juli 2008 eingeführte – Regelung enthalten § 46 Abs. 2 Sätze 3 und 4 SGB XI. Danach können Krankenkassen und Pflegekassen für Mitglieder, die ihre Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen. Das Mitglied ist darauf hinzuweisen, dass der Bescheid über den Beitrag zur Pflegeversicherung im Namen der Pflegekasse ergeht.

Hieran gemessen erweist sich der Widerspruchsbescheid vom 31. Juli 2008 in zweifacher Hinsicht als fehlerhaft. Zum einen hätte die KK-Gartenbau nicht über die Versicherungspflicht der Klägerin in der sozialen Pflegeversicherung entscheiden dürfen, da § 46 Abs. 2 Satz 3 SGB XI dies allenfalls für die Festsetzung der Beitragshöhe gestattet. Zum anderen mangels es an jeglichem Hinweis, dass der Widerspruchsbescheid im Namen der Pflegekasse ergeht. Ein solcher Hinweis ist nicht bereits darin enthalten, dass die Krankenkasse tatsächlich über die Beiträge zur Pflegeversicherung entschieden hat (vgl. BSG, Urteil vom 07. März 2007 – B 12 KR 33/06 R –, juris). Andernfalls hätte es der gesetzlichen Neuregelung durch § 46 Abs. 2 Sätze 3 und 4 SGB XI nicht bedurft. Wegen des fehlenden Hinweises nach § 46 Abs. 2 Satz 4 SGB XI sind auch die Bescheide der KK-Gartenbau vom 16. Januar 2009, 3. Juli 2009 und 15. Januar 2010 hinsichtlich der Beitragshöhe in der Pflegeversicherung fehlerhaft. In allen diesen Fällen führt die sachliche Unzuständigkeit der Krankenkasse zur Rechtswidrigkeit der genannten Bescheide. § 42 Satz 1 Sozialgesetzbuch X ("Die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 40 nichtig ist, kann nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.") ist auf Verstöße gegen die sachliche Zuständigkeit nicht entsprechend anwendbar (BSG, Urteil vom 11. Dezember 1987 – 12 RK 22/86 –, juris).

Die Beklagte wird daher über den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid der PK-Gartenbau vom 2. April 2008 hinsichtlich der Pflegeversicherung noch zu entscheiden haben.

II. Die Klägerin unterlag im streitigen Zeitraum der Versicherungspflicht in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung.

1. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Zweites Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte (KVLG 1989) sind in der Krankenversicherung der Landwirte Unternehmer der Land- und Forstwirtschaft einschließlich des Wein- und Gartenbaus sowie der Teichwirtschaft und der Fischzucht (landwirtschaftliche Unternehmer) versicherungspflichtig, deren Unternehmen, unabhängig vom jeweiligen Unternehmer, auf Bodenbewirtschaftung beruht und die Mindestgröße erreicht. Die Klägerin bewirtschaftete im Bereich Gartenbau Flächen, die die geforderte Mindestgröße erreichen und übersteigen, sie ist daher Unternehmer des Gartenbaus i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVLG 1989.

2. Dass die Klägerin neben ihrem Gartenbauunternehmen noch anderweitig selbständig tätig war, hatte keinen Einfluss auf die Versicherungspflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVLG 1989.

a. Allerdings ist gemäß § 2 Abs. 4a KVLG 1989 nicht nach Absatz 1 Nr. 1 versicherungspflichtig, wer außerhalb der Land- und Forstwirtschaft hauptberuflich selbständig erwerbstätig ist. Eine nähere Eingrenzung dieses Ausschlusstatbestandes ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 12/5700, S 95) zu dieser mit Wirkung zum 1. Januar 1995 eingeführten Regelung. Danach sollte der bereits gemäß § 5 Abs. 5 Sozialgesetzbuch V (SGB V) für das Zusammentreffen von abhängiger Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit maßgebliche Grundsatz, dass sich die Versicherungspflicht nach dem Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit richtet, auch für die Krankenversicherung der Landwirte (KVdL) insbesondere beim Zusammentreffen von landwirtschaftlicher Unternehmertätigkeit und anderer selbstständiger Tätigkeit ausschlaggebend sein. Hauptberuflich sollte eine selbstständige Tätigkeit dann sein, wenn sie von der wirtschaftlichen Bedeutung und dem zeitlichen Aufwand her die übrigen Erwerbstätigkeiten zusammen deutlich übersteigt oder den Mittelpunkt der Erwerbstätigkeit darstellt (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juni 2012 – B 12 KR 18/10 R –, juris).

Die hierbei maßgeblichen tatsächlichen Verhältnisse sind in einer vorausschauenden Betrachtungsweise zu beurteilen. Denn Entscheidungen über die Versicherungspflicht sind ihrer Natur nach gegenwartsorientiert und zugleich – durch ihre Dauerwirkung – zukunftsbezogen (BSG, Urteil vom 29. April 1997 - 10/4 RK 3/96 -, juris). Daher kann über Versicherungspflicht (und auch Versicherungsfreiheit) – zumindest dann, wenn sie von einer abhängigen Beschäftigung, selbständigen Tätigkeit oder der Höhe von Arbeitsentgelt/-einkommen abhängt – nur prospektiv bei Aufnahme einer Beschäftigung oder Tätigkeit entschieden werden (Peters NZS 2008, 173). Im Interesse der Versicherten können wegen der vielfältigen Folgen einer Versicherungspflicht Entwicklungen über längere Zeiträume nicht abgewartet werden (BSG, Urteil vom 29. April 1997 – 10/4 RK 3/96 –, juris). Der Versicherungspflichtige, aber auch der zuständige Sozialversicherungsträger müssen möglichst frühzeitig wissen, ob Versicherungspflicht/-freiheit besteht oder nicht. Falls der Versicherte Leistungen in Anspruch nehmen will, muss im Zeitpunkt der Leistungserbringung feststehen, ob sie innerhalb oder außerhalb des Systems der gesetzlichen Krankenversicherung erfolgt. Die Entscheidungen zum Versicherungsstatus müssen sich daher regelmäßig nach den Umständen richten, die beim zeitlichen Beginn der zu prüfenden Versicherungspflicht vorliegen (BSG, Urteil vom 29. April 1997 – 10/4 RK 3/96 –, juris). Die solchermaßen auf einer Prognose beruhende Entscheidung über den versicherungsrechtlichen Status wird nicht durch eine rückblickende Betrachtung in Frage gestellt. Erweist sich eine – richtige – Prognose im Nachhinein als unzutreffend, so bleibt sie für die Vergangenheit gleichwohl maßgebend (BSG, Urteil vom 27. Juli 2011 – B 12 R 15/09 R –, juris, sowie – für die Einkommensprognose nach dem BErzGG – Urteil vom 30. August 2007 – B 10 EG 6/06 R –, juris). Wesentliche Änderungen der Verhältnisse rechtfertigen allenfalls eine rechtliche Änderung für die Zukunft (Peters, a.a.O., und in: Kasseler Kommentar zur Sozialversicherungsrecht - KK -, § 5 SGB V, Rd. 22). Diese Betrachtungsweise ist auch für die Pflichtversicherung in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung heranzuziehen. Für die auf ein bestimmtes Kalenderjahr bezogene Prognose ist von dem letzten bekannten Jahreseinkommen auszugehen (vgl. Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28. Februar 2013 – L 22 LW 10/11 –, juris).

b. Nach diesem Maßstab war die Klägerin nicht außerhalb der Land- und Forstwirtschaft hauptberuflich selbständig erwerbstätig. Grundlage für die Beurteilung können ausschließlich diejenigen Tatsachen sein, die der KK-Gartenbau Anfang April 2008 bekannt waren. Diese ergaben sich aus der Selbstauskunft der Klägerin vom 30. August 2007 sowie den von den Steuerberatern der Eheleute für das Jahr 2007 erstellten Gewinnermittlungsberichten nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (EStG) bezüglich der GbR und der G Immobilienverwaltung GbR. Daraus ergab sich für letztere ein steuerlicher Verlust i.H.v. 14.179,81 Euro und für die GbR ein steuerlicher Gewinn von 10.774,61 Euro. In Anbetracht des zeitlich gleich hohen Aufwands der Klägerin für beide Unternehmen (je 20 Stunden wöchentlich nach ihren Angaben) führt dies zur zutreffenden Annahme der KK-Gartenbau, dass die wirtschaftliche Bedeutung der G Immobilienverwaltung GbR diejenige des gärtnerischen Unternehmens nicht übertrifft, eine hauptberuflich selbständige Erwerbstätigkeit außerhalb der Land- und Forstwirtschaft somit nicht gegeben ist.

c. Alle weiteren im Verfahren vorgetragenen Umstände sind ohne Bedeutung.

aa. Dies gilt zunächst für die von den Angestellten der GbR erbrachten Leistungen. Soweit die KK-Gartenbau ihr Ergebnis auch hierauf gestützt hat, ist dies mit der Rechtsprechung des BSG unvereinbar. Denn die Kriterien, auf die bei der Prüfung einer hauptberuflich selbständigen Erwerbstätigkeit abzustellen ist, beziehen sich von vornherein allein auf die Person des Versicherten: Er muss sowohl das Arbeitsentgelt als auch das Arbeitseinkommen selbst erwirtschaften und auch die zu vergleichende Arbeitszeit selbst aufwenden (BSG, Urteil vom 29. September 1997 – 10 RK 2/97 –, juris).

bb. Die aus Sicht der Klägerin erforderlichen Korrekturen der in den o.g. Berichten enthaltenen steuerlichen Ergebnisse sind unzulässig. Grundlage für die Beurteilung der insoweit maßgeblichen Einnahmen ist § 15 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch IV (SGB IV). Danach ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Der "aus einer selbständigen Tätigkeit" in diesem Sinne erwirtschafteter Gewinn ist sozialversicherungsrechtlich beschränkt auf den aus der Verwertung der eigenen Arbeitskraft erzielte Gewinn (BSG, Urteil vom 27. Januar 1999 – B 4 RA 17/98 R –, juris; KK-Seewald, § 15 SGB IV, Rd. 4), d.h. aus den in § 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG genannten Einkunftsarten (Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit). Diese Vorschrift (in ihrer bis zum 13. Dezember 2010 geltenden, hier anzuwendenden Fassung) benennt mit § 4 bis 7k EStG zugleich die allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften i.S.v. § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV.

In diesem durch § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV vorgegebenen Rahmen bewegen sich die auf der Basis von § 4 Abs. 3 EStG vorgenommenen Gewinnermittlungen in den beiden o.g. Berichten für das Jahr 2007. Die steuerrechtliche Richtigkeit dieser Gewinnermittlungen hat die Klägerin nicht angegriffen. Ihre Auffassung, von den in den Berichten festgestellten steuerlichen Ergebnissen bzw. den zugrunde liegenden Vorschriften des Einkommensteuerrechts sei für die Zwecke des Sozialversicherungsrechts abzuweichen (etwa durch die Berücksichtigung von nicht erzielten Einnahmen oder aufgelösten Ansparabschreibungen), findet im geltenden Recht keinerlei Stütze. So läuft etwa der Vortrag, der in der GbR erzielte Gewinn sei wegen der Auflösung einer Ansparabschreibung um 8.000 Euro zu verringern, weil in dieser Höhe ein Gewinn "nicht wirklich erfolgt" sei, darauf hinaus, die Regelungen des § 7g EStG, welche eine Erhöhung des Gewinns bzw. der Betriebseinnahmen bei Auflösung der Ansparabschreibung bzw. des Investitionskostenabzugs vorsehen (vgl. § 7g Abs. 3 bis 6 EStG in der bis zum 17. August 2007 geltenden Fassung bzw. § 7g Abs. 2 EStG in der ab dem 18. August 2007 geltenden Fassung), nicht anzuwenden. Dies ist indes wegen § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ausgeschlossen.

cc. Die grundsätzlich berücksichtigungsfähigen Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2007 und 2008 hat die Klägerin zu spät vorgelegt. Aus diesen hätte sich – ein weiterhin gleich hoher zeitlicher Arbeitsaufwand für beide Unternehmen unterstellt – ableiten lassen, dass der Schwerpunkt der beruflichen Tätigkeit der Klägerin außerhalb der Land- und Forstwirtschaft liegt, weil dort das höhere Arbeitseinkommen erzielt wurde. Diesen Umstand hätte die Beklagte nach dem oben Gesagten mit Wirkung für die Zukunft berücksichtigen müssen. Hätte die Klägerseite daher den ersten das Jahr 2007 betreffenden Einkommensteuerbescheid vom 14. Oktober 2008 unverzüglich bei der Beklagten eingereicht, hätte diese die Versicherungspflicht der Klägerin nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 KVLG 1989 mit Wirkung für die Zukunft beenden müssen.

III. Die Versicherungspflicht der Klägerin in der sozialen Pflegeversicherung ergibt sich aus § 20 Abs. 1 SGB XI. Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind die versicherungspflichtigen Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung versicherungspflichtig in der sozialen Pflegeversicherung. Hierzu zählen nach Satz 2 Nr. 3, 1. Alternative dieser Vorschrift Landwirte, die nach § 2 KVLG 1989 versicherungspflichtig sind.

IV. Fehler bei de Beitragshöhe sind weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits.

Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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