L 8 SB 1030/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 SB 3780/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 1030/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 31.01.2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob dem Kläger gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Neu-)Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) ab 10.11.2009 zusteht (GdB 50 statt 30).

Der Kläger, geboren 1950 in Tunesien, ist deutscher Staatsangehöriger (verheiratet, fünf Kinder). Zuletzt war er arbeitslos.

Das Versorgungsamt S. stellte mit Bescheid vom 01.03.2004 (Blatt 11/12 der Beklagtenakte; zur versorgungsärztlichen Stellungnahme vgl. Blatt 9/10 der Beklagtenakte) in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesversorgungsamtes B.-W. vom 18.5.2004 (Blatt 18/19 der Beklagtenakte, zur versorgungsärztlichen Stellungnahme vgl. Blatt 16 der Beklagtenakte; zugrundeliegende Funktionsstörungen: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB von 10), Knorpelschäden an beiden Kniegelenken (Teil-GdB von 10)) einen GdB von 20 seit 01.12.2003 fest.

Am 10.11.2009 beantragte der Kläger beim Landratsamt B. (LRA) die höhere (Neu-)Feststellung seines GdB (Blatt 20/21 der Beklagtenakte). Zu diesem Antrag verwies er auf einen kaputten Knorpel im Knie, eine Arthrose im Knie, die Entfernung des Meniskus (3 x operiert), "Kreuzprobleme" sowie Schwindel und Kopfschmerzen (Hypophyse).

Das LRA erhob Beweis durch Einholung einer Auskunft des behandelnden Neurologen und Psychiaters Dr. G ... Dieser teilte in seiner Stellungnahme vom 16.11.2009 (Blatt 30 der Beklagtenakte) mit, der Kläger sei bei ihm seit 2007 zu regelmäßigen Verlaufskontrollen bei einem Hypophysentumor. Im Februar 2009 habe der Kläger über eine Panikattacke berichtet; weitere Attacken bzw. Behandlungsbedürftigkeit seien nicht bekannt. Dr. G. legte Berichte - des Arztes für Neurologie S. vom 18.02.2008 (Blatt 25/27 der Beklagtenakte), - des Arztes für Radiologie H. vom 08.07.2009 (Blatt 27 der Beklagtenakte) und - der Ärztin für Innere Medizin Dr. G. vom 28.09.2009 (Blatt 28/29 der Beklagtenakte) vor. Das LRA holte des Weiteren eine Auskunft des behandelnden Orthopäden ein. Der Arzt für Orthopädie Dr. M. führte in seiner Auskunft vom 06.12.2009 (Blatt 33 der Beklagtenakte) eine Lumbalgie an, die medikamentös und konservativ behandelt werde. Im MRT der LWS sei ein insgesamt altersentsprechender unauffälliger Befund erhoben worden. Es bestehe wegen einer Pangonarthrose eine Einschränkung der Gehstrecke auf ca. 200 m, ebenso eine Degeneration des Innenmeniskus, der geglättet worden sei. Dr. M. legte Berichte - des Radiologie-Zentrums S. vom 13.07.2013 und 01.12.2009 (Blatt 34, 36 der Beklagtenakte) sowie - des Pathologen Dr. O. vom 06.10.2009 (Blatt 35 der Beklagtenakte) vor.

Auf Grundlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 07.01.2010 (Blatt 38/39 der Beklagtenakte), der die Funktionsstörungen mit einem Gesamt-GdB von 20 bewertete (zugrundeliegende Funktionsbeeinträchtigungen: Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB von 10), Gebrauchseinschränkungen beider Beine bei degenerativen Gelenkveränderungen (Teil-GdB von 10), Gewebserkrankung des Gehirns (Teil-GdB von 10)) lehnte das LRA die Feststellung eines höheren GdB ab (Bescheid vom 13.01.2010, Blatt 40/41 der Beklagtenakte).

Auf den Widerspruch des Klägers vom 08.02.2010 (Blatt 42 der Beklagtenakte), mit dem der Kläger einen GdB von 50 begehrte, holte das LRA eine Auskunft des Facharztes für Orthopädie/Sportmedizin Dr. S. (Blatt 45 der Beklagtenakte) ein. Dr. S. gab in seiner Auskunft vom 26.02.2010 an, den Kläger zuletzt am 18.06.2009 wegen Kniebeschwerden behandelt zu haben. Die Kniegelenksbeweglichkeit sei schmerzhaft eingeschränkt gewesen (0/0/140). Von Seiten der Wirbelsäule sei die letzte Behandlung im April 2005 erfolgt; die Beschwerden seien nach vier Wochen nahezu abgeklungen gewesen.

In seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 26.03.2010 (Blatt 46 der Beklagtenakte) hielt Dr. H. an der bisherigen Einschätzung des GdB fest. Der Beklagte wies daraufhin durch das Regierungspräsidium S. – Landesversorgungsamt – den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 25.5.2010, Blatt 49/51 der Beklagtenakte). Der Gesundheitszustand des Klägers habe sich nicht wesentlich verändert. Die Bewertung der festgestellten Gesundheitsstörungen mit einem Einzel-GdB von zehn und die Bildung eines Gesamt-GdB von 20 seien rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat am 23.6.2010 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben. Der GdB sei zu niedrig bemessen. Er hat die bereits aktenkundigen Berichte von Dr. M. vom 06.12.2009 (Blatt 9 der SG-Akte = Blatt 33 der Beklagtenakte), Dr. H. vom 17.06.2008 (Blatt 10 der SG-Akte), Dr. G. vom 07.01.2008 (Blatt 11 der SG-Akte) und des Neurochirurgen S. vom 18.02.2008 (Blatt 12 der SG-Akte = Blatt 25/26 der Beklagtenakte) vorgelegt. Außerdem hat er ein Attest der Allgemeinmedizinerin Dr. S. vom 13.07.2010 (Blatt 23 der SG-Akte) vorgelegt. Darin ist von einer arteriellen Hypertonie mit Dauermedikation sowie eine BPH (Vergrößerung der Prostata) berichtet.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 24, 25/26 und 27/31 der SG-Akte Bezug genommen. Der Neurologe und Psychiater Dr. G. hat dem SG mit Schreiben vom 19.07.2010 mitgeteilt, den Kläger seit November 2009 einmalig am 04.06.2010 wegen belastungsinduzierten Druckschmerzen im rechten Fußrücken behandelt und dabei keinen relevanten neurologischen Befund erhoben zu haben. Der Orthopäde Dr. A. hat ausgeführt (Schreiben vom 19.07.2010), es bestehe eine Pangonarthrose rechts mehr als links, eine Außenbandinsuffizienz beider OSG, ein chronisches HWS-, BWS- und LWS-Syndrom mit Wurzelreizsymptomatik sowie ein chronisches Impingementsyndrom beider Schultergelenke mit Einschränkung der Abduktion auf 90 Grad. Im Hinblick auf die Wirbelsäule sein ein GdB von 30 bis 40, im Hinblick auf die Kniegelenke ein GdB von 30 und im Hinblick auf die Schulter ein GdB von 20 anzusetzen. Der Orthopäde Dr. M. hat unter dem Datum des 05.09.2010 dem SG geschrieben, es bestehe eine leichtgradige Wirbelsäulenerkrankung und eine schwere Knorpelschädigung der Knie mit Bewegungseinschränkungen, anhaltenden Reizerscheinungen und einer nicht vollständig kompensierbaren Lockerung des Kniebandapparates. Alleine die Knieschäden bedingten einen GdB von 50.

Der Beklagte hat unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. W. vom 30.12.2010 (Blatt 37/38 der SG-Akte) vergleichsweise angeboten, den GdB seit 10.11.2009 mit 30 festzustellen (zugrundeliegende Funktionsbeeinträchtigungen: Funktionsbehinderung beider Kniegelenke (Teil-GdB von 30), Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB von 10), Gewebserkrankung des Gehirns (Teil-GdB von 10)). Der Kläger hat unter Vorlage eines Berichts von Dr. D. vom 20.07.2010 (Blatt 41 der SG-Akte) über eine Hallux valgus-Fehlstellung im Großzehengrundgelenk die Annahme des Vergleichs abgelehnt (Blatt 40 der SG-Akte).

Das SG hat daraufhin Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens bei Dr. D ... Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 50 bis 65 der SG-Akte Bezug genommen. Der Facharzt für Chirurgie, Unfallchirurgie und Orthopädie Dr. D. hat in seinem Gutachten vom 14.03.2011 ausgeführt, es bestünden - beidseitigs ganz endgradig eingeschränkte Seiten-Neig-Beweglichkeit der Halswirbelsäule, - allenfalls ganz endgradig eingeschränkte Rück-Neig-Beweglichkeit der Brustwirbelsäule, - etwa 20 %ige Entfaltbarkeitshemmung der Lendenwirbelsäule bei kernspintomographisch dokumentierten altersentsprechenden Verschleißerscheinungen, - vermehrte Verschleißerscheinungen der Rotatorenmanschetten mit daraus resultierender endgradig eingeschränkter Setwärtsanhebung und Vorwärtsanhebung in den Schultergelenken, - kompensierte vordere Instabilität im rechten Knieglenk sowie deutliche arthrotische Veränderungen im rechten Kniegelenk mit daraus resultierender Beugeeinschränkung von 30 Grad sowie eine - ausgeprägte Senk-/Spreizfußbildung beidseits, Hallux valgus-Bildung beidseits rechts deutlicher als links mit daraus resultierender statischer Minderbelastbarkeit des rechten Fußes. Die Bewegungseinschränkungen der Wirbelsäule seien jeweils endgradig und mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Die endgradige Bewegungseinschränkung der Schultern sei ebenfalls mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Die ausgeprägten Knorpelschäden des Kniegelenks seien mit einem Teil-GdB von 20 für das rechte Kniegelenk zu bewerten; am linken Kniegelenk seien GdB-pflichtige Funktionseinschränkungen nicht festzustellen. Die ausgeprägte Senk-/Spreizfußbildung unter Berücksichtigung der Hallux valgus-Bildung rechts sei mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Unter Berücksichtigung der Gewebeerkrankung des Gehirns mit einem Teil-GdB von 10 hat Dr. D. den Gesamt-GdB auf 30 geschätzt.

Der Kläger hat ausgeführt (Blatt 69/71 der SG-Akte), das Gutachten sei nicht nachvollziehbar, sein Zustand habe sich nicht gebessert. Mit Schreiben vom 26.07.2011 (Blatt 76/78 der SG-Akte) hat der Beklagte unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 21.07.2011 den GdB wie folgt bewertet: - Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks (Teil-GdB von 20), - Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB von 10), - Funktionsbehinderung beider Schultergelenke (Teil-GdB von 10), - Funktionsstörung durch rechtsseitige Fußfehlform (Teil-GdB von 10), - Gewebserkrankung des Gehirns (Teil-GdB von 10), Gesamt-GdB 30. Mit Schreiben vom 03.08.2011 hat der Beklagte Ziffer 1 Vergleichsangebots vom 03.01.2011 als Teilanerkenntnis formuliert (Blatt 82 der SG-Akte). Der Kläger hat das Teilanerkenntnis zur teilweisen Erledigung des Rechtsstreits (Blatt 84 der SG-Akte) angenommen.

Mit Gerichtsbescheid vom 31.01.2012 hat das SG den Beklagten "anerkenntnisgemäß unter Abänderung des Bescheides des Landratsamtes B. vom 13.1.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.5.2010 verpflichtet, bei dem Kläger einen Grad der Behinderung von 30 ab 10.11.2009 festzustellen." Im Übrigen hat das SG die Klage abgewiesen und den Beklagten verurteilt, ein Achtel der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. Entsprechend dem Anerkenntnis sei der Beklagte zu verurteilen gewesen; soweit der Kläger darüber hinaus die Feststellung eines GdB von mindestens 50 begehre, sei die Klage nicht begründet. Die auf orthopädischem Fachgebiet bestehenden Gesundheitsstörungen seien vom Sachverständigen Dr. D. zutreffend ermittelt und sozialmedizinisch bewertet worden. Allein die Funktionsbeeinträchtigung des rechten Kniegelenks rechtfertige einen Einzel-GdB von 20, während die übrigen Gesundheitsstörungen entweder keine Behinderung darstellten oder mit einem Einzel-GdB von 10 angemessen bewertet worden seien, aber nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führten.

Mit Bescheid vom 24.02.2012 (Blatt 57/58 der Beklagtenakte) hat das LRA das Anerkenntnis/den Gerichtsbescheid ausgeführt und ab 10.11.2009 einen GdB von 30 festgestellt.

Gegen den seinem Bevollmächtigten am 09.02.2012 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 08.03.2012 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Der Auffassung des SG könne nicht gefolgt werden. Angesichts der Diskrepanzen von bis zu 20 im GdB bei den Einschätzungen des Gutachters und der Stellungnahme der behandelnden Ärzte der Beklagten, sei eine einseitige Zugrundelegung des Gutachtens zur Begründung der Auffassung des Gerichts nicht geeignet, die Entscheidung nachvollziehbar zu machen. Die Einschätzung eines GdB von 30 für die Knie durch den Versorgungsarzt decke sich mit den Einschätzungen des Orthopäden Dr. A., der ihn Anfang 2010 behandelt habe. Der Orthopäde Dr. M., bei dem er ab Mitte 2009 in Behandlung sei, gehe von einem GdB von 50, allein die Gebrauchseinschränkung der Kniegelenke betreffend, aus. Dr. M. habe seine Auffassung auch begründet, denn dieser habe ausgeführt, dass aufgrund der schweren Knorpelschädigung die Bewegungseinschränkung bei ihm der GdB insoweit mit 20-40 % einzuschätzen sei. Arthroskopisch sei kein vorderes Kreuzband mehr zu finden, weshalb eine Lockerung des Kniebandapparates vorliege, die nicht vollständig kompensiert werden könne. Diese Instabilität begründe alleine einen GdB von 20. Außerdem bestünden die Behinderungen beidseits mit schweren Knorpelschäden mit anhaltenden Reizerscheinungen. Auch sei er am 14.02.2012 am rechten Knie erneut arthroskopiert worden. Es sei eine Resektion eines freien Gelenkkörpers und eine Abrasionsarthoplastik retropatellar erfolgt. Trotz dieser Operation sei keine Besserung eingetreten. Unstreitig liege beim ihm auch eine ausgeprägte Senk-/Spreizfußbildung beidseits vor, ebenfalls eine Hallux valgus-Bildung beiderseits, rechts deutlicher ausgeprägt. Hieraus folge nicht nur eine statische Minderbelastbarkeit des rechten Fußes sondern auch eine deutliche Funktionsstörung in Form von ungleichen Belastungsmöglichkeiten und extremer Unsicherheit aufgrund der statischen Auswirkungen, weshalb hier ebenfalls ein GdB von 20 anzusetzen sei. Bezüglich des Schulterbereichs seien die Ausführungen des Gutachters Dr. D. angesichts der Ausführungen des Zeugen Dr. A. schlicht falsch. Die Bewegungseinschränkung der Schulter gebe Dr. A. mit 90 Grad an. Angesichts dieser Tatsache, der Dauer der Behandlung und der Mitteilung, dass eine chronische Erkrankung vorliege, sei nicht nachvollziehbar, wie das SG behaupten könne, diese Erkrankung sei für mehr als sechs Monats nicht nachgewiesen. Gleiches gelte letztlich auch für die Wirbelsäule, bezüglich derer Dr. A. auf einen GdB von 30 bis 40 komme, während der Gutachter lediglich 10 ansetze, was angesichts der Erkrankung nicht nachvollziehbar sei. Zur Einstufung der Gewebserkrankung des Gehirns nehme der Gutachter keine Stellung, das Gericht setze einen GdB von 10 an. Insoweit könne allein die Tatsache, dass lediglich alle neun Monate eine Kontrolle erfolge, eine derartige Bewertung nicht rechtfertigen. Tatsache sei, dass er regelmäßig unter Kopfschmerzattacken leide, die ihre Ursache in dem Tumor hätten, weswegen insoweit ein GdB von 20 anzusetzen sei. Was den Bluthochdruck angehe, nochmals darauf hingewiesen, dass aufgrund der Hypertonie er durchgehend in Behandlung sei. Es liege eine mittelschwere Form vor, da eine ständige Medikation erforderlich sei und der diastolische Blutdruck trotzdem mehrfach über 100 mmHg gelegen habe. Zusammenfassend sei bei sachgerechter Wertung der Gesamt-GdB auf 50 festzustellen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 31.01.2012 abzuändern und die Beklagte unter Abänderung des Bescheids des Landratsamts B. vom 13.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 25.05.2010 in der Fassung des Bescheids des Landratsamts B. vom 24.02.2012 zu verurteilen, bei ihm seit 10.11.2009 einen GdB von 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Wie Dr. D. aufgrund eigener ambulanter Untersuchung ausgeführt habe, seien die von ihm ermittelten Funktionsparameter im Kniegelenksbereich rechts allenfalls mit einem GdB von 20 zu bewerten. Dies habe auch die versorgungsärztliche Sachverständige in der Stellungnahme vom 21.07.2011 in Kenntnis der vom Gutachter erhobenen objektiven Befunde bestätigt; insoweit sei die versorgungsärztliche Stellungnahme Dr. W. vom 30.12.2010 überholt. Die Auffassung von Dr. M. finde in Übereinstimmung mit dem SG in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen (VG) keine Grundlage, da selbst der Verlust eines Beines im Unterschenkel bei genügender Funktionstüchtigkeit des Stumpfes und der Gelenke einen GdB von 50 begründe und die objektive Befundlage hiermit nicht vergleichbar sei. Des Weiteren sei der genannte Hallux valgus unter der Bezeichnung Funktionsstörung durch rechtsseitige Fußfehlform berücksichtigt. Eine stärkere Beeinträchtigung, die beispielsweise dem Verlust aller Zehen an einem Fuß gleichkäme, werde nicht erreicht, so dass der Teil-GdB mit 10 korrekt bewertet sei. Da überdies die eingeschränkte Abduktionsfähigkeit der Arme bis maximal 90 Grad einen GdB von 20 rechtfertige und die Blutdruckwerte des Klägers auf keine daraus resultierende relevante Beeinträchtigung hindeuteten, sei die Berufung im Ergebnis nicht begründet.

Der Kläger hat (Blatt 29/30 der Senatsakte) ausgeführt, es sei nicht nachvollziehbar, dass der Beklagte die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. - trotz Verschlechterung der Situation - als überholt ansehe. Bezüglich der Blutdruckwerte hat der Kläger mitgeteilt, dass er zwischenzeitlich bei Dr. M. regelmäßig in Behandlung sei.

Der Senat hat Dr. M. als sachverständigen Zeugen schriftlich befragt und Berichte des K.-O.-Krankenhauses beigezogen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses dieser Beweisaufnahme wird auf Blatt 35/38 und 39/41 der Senatsakte Bezug genommen. Das K.-O.-Krankenhaus hat einen Bericht vom 14.02.2012 und einen Operationsbericht (Arthroskopie des rechten Kniegelenks, Abrasionsarthroskopie retropatellas, resektion eines freien Gelenkkörpers) vom 14.02.2012 vorgelegt. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. M. hat in seiner Auskunft vom 19.09.2012 mitgeteilt, der Kläger befinde sich bei ihm in regelmäßiger Behandlung (fünf- bis sechs Mal im Quartal). Der Kläger klage über Kopfschmerzen, Herzrasen rezidivierend mit bekannter Hypertonie, Rückenschmerzen und Atemwegsinfektionen. Der Blutdruck sei gut eingestellt (124/78 mmHg, Puls 89/Min.). Beim EKG sei ein Sinus-Rhythmus, Herzfrequenz von 78, ein tiefes S und eine T-Negativfierung in dritten Ableitungen festgestellt worden. Die Laborwerte seien unauffällig bis auf einen leicht erhöhten Cholesterinwert. Als Diagnosen hat Dr. M. eine arterielle Hypertonie, eine chronische Lumbalgie, eine Adipositas sowie Atemweginfektion angegeben. Die Motorik der LWS sei funktionell eingeschränkt. Der Kläger habe Schmerzen bei Beugung sowie Tragen von Lasten und bei monotonen Arbeiten. Nachts könne er nicht lange liegen und werde von den Schmerzen wach, müsse seine Position ändern. Er könne auch ohne Schmerzmitteleinnahme nicht lange laufen und stehen. Die Funktionsbehinderung liege bei 40 bis 50%.

Der Beklagte hat unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 15.11.201 (Blatt 42/44 der Senatsakte) ausgeführt, es sei ein Bluthochdruck, eine hypertensive Herzerkrankung mit einem Teil-GdB von 20 ab 06/2012 festzustellen; der Gesamt-GdB betrage weiterhin 30.

Hierzu hat der Kläger (Blatt 46/47 der Senatsakte) mitgeteilt, der Beklagte setze sich nicht einmal ansatzweise mit seinen Ausführungen auseinander. Seine gesundheitliche Situation habe sich bezüglich des rechten Knies auch nach der Operation vom 14.02.2012 nicht verbessert, insbesondere die Beugefähigkeit des Kniegelenks sei massiv eingeschränkt, das Knie schwelle immer an und er sei auf die Einnahme von Schmerzmitteln angewiesen. Auch die Neufeststellung bezüglich Bluthochdruck, Herzerkrankung stehe im Gegensatz zu den Ausführungen der behandelnden Ärzte und sei nicht nachvollziehbar.

Der Senat hat daraufhin Beweis erhoben durch schriftliche Befragung des behandelnden Orthopäden Dr. W. als sachverständigen Zeugen (dazu vgl. Blatt 51/54 der Senatsakte). Der Facharzt für Chirurgie/Visceralchirurgie Dr. W. hat in seiner Auskunft vom 19.05.2013 mitgeteilt, er habe im Januar 2012 eine Pangonarthrose und Chondromalazie des rechten Kniegelenkes festgestellt. Diese schwere Gonarthrose mit Chondromalazie sei mit einem GdB von 20 zu bewerten.

Der Beklagte hat nunmehr unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. R. vom 13.08.2013 (Blatt 58/60 der Senatsakte) den GdB wie folgt bewertet: - Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks (Teil-GdB von 20), - Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB von 10), - Funktionsbehinderung beider Schultergelenke (Teil-GdB von 10), - Funktionsstörung durch rechtsseitige Fußfehlform (Teil-GdB von 10), - Gewebserkrankung des Gehirns (Teil-GdB von 10), - Bluthochdruck, hypertensive Herzerkrankung (Teil-GdB von 20), Gesamt-GdB 30.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 62, 63 der Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt hatten und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet.

Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist die Frage, ob dem Kläger ab dem Datum der Antragstellung (10.11.2009) ein Anspruch auf Feststellung eines höheren Gesamt-GdB als 30 (50 statt 30) zusteht.

Der Beklagte hat die Feststellung eines GdB von 30 ab 10.11.2009 mit Teilanerkenntnis vom 03.08.2011 (Blatt 82 der SG-Akte) anerkannt; der Kläger hat das Teilanerkenntnis angenommen. Die Annahme des Teilanerkenntnisses hat den Rechtsstreit insoweit beendet (§ 101 Abs. 2 SGG). Ist aber der Rechtsstreit insoweit erledigt, hat es einer Verurteilung des Beklagten daher nicht mehr bedurft, zumal das angenommene Anerkenntnis selbst schon einen Vollstreckungstitel darstellt (§ 199 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Da der Beklagte den Gerichtsbescheid nicht angefochten hat, ist die Verurteilung insoweit rechtskräftig geworden.

Der Ausführungsbescheid des LRA vom 24.02.2012 ist mangels eigenen Regelungsgehalts kein ersetzender Verwaltungsakt im Sinne von § 96 SGG (Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl., § 31 Rn. 30). Der formal in Ausführung des Gerichtsbescheids ergangene Ausführungsbescheid wird von der Berufung des Klägers gegen den diesen Sachverhalt regelnden Gerichtsbescheid erfasst, ohne dass es hierzu einer Klage nach §§ 153 Abs. 1, 96 SGG bedürfte, über die der Senat gesondert zu befinden hätte (vgl. Leitherer in Meyer Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 10. Aufl., § 96 Rn. 7 und 4b, jeweils m.w.N.). Zur Klarstellung wurde der Antrag des Klägers entsprechend sachdienlich verstanden.

Zwar ist gegenüber dem der GdB-Feststellung zuletzt zugrundeliegenden Bescheid vom 01.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 18.05.2004 eine wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB X eingetreten, als der GdB nunmehr seit 10.11.2009 (Tag der Antragstellung, Blatt 20/21 der Beklagtenakte) mit 30 festzustellen war, weshalb der angefochtene Bescheid vom 13.01.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.05.2010 zunächst rechtswidrig war. Nachdem der Beklagte dieser Änderung aber durch das angenommene und ausgeführte Anerkenntnis ausreichend Rechnung getragen hat, ist der angefochtene Bescheid nicht weiter zu beanstanden. Auch der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist daher in dem vom Kläger angefochtenen Umfang nicht zu beanstanden.

Maßgebliche Rechtsgrundlagen für die GdB-Bewertung sind die Vorschriften des SGB IX. Danach sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist (§ 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gemäß § 69 Abs. 1 Satz 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der aufgrund des § 30 Abs. 16 des BVG erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Seit 01.01.2009 ist an die Stelle der im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten AHP, die im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewendet wurden, die Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) getreten. Damit hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales von der Ermächtigung nach § 30 Abs. 16 BVG zum Erlass einer Rechtsverordnung Gebrauch gemacht und die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG aufgestellt. Nach § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX gelten diese Maßstäbe auch für die Feststellung des GdB. Anders als die AHP, die aus Gründen der Gleichbehandlung in allen Verfahren hinsichtlich der Feststellung des GdB anzuwenden waren und dadurch rechtsnormähnliche Wirkungen entfalteten, ist die VersMedV als Rechtsverordnung verbindlich für Verwaltung und Gerichte. Sie ist indes, wie jede untergesetzliche Rechtsnorm, auf inhaltliche Verstöße gegen höherrangige Rechtsnormen - insbesondere § 69 SGB IX - zu überprüfen (BSG, Urteil vom 23.4.2009 - B 9 SB 3/08 R - RdNr 27, 30 mwN). Sowohl die AHP als auch die VersMedV (nebst Anlage) sind im Lichte der rechtlichen Vorgaben des § 69 SGB IX auszulegen und - bei Verstößen dagegen - nicht anzuwenden (BSG, Urteil vom 30.09.2009 SozR 4-3250 § 69 Nr. 10 RdNr. 19 und vom 23.4.2009, aaO, RdNr. 30).In den VG ist ebenso wie in den AHP (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R - SozR 3-3100 § 30 Nr. 22) der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben. Dadurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht (ständige Rechtsprechung des Senats).

Die Bewertung des GdB erfolgt weder nach Erkrankungen noch nach medizinischen Fachrichtungen getrennt. Vielmehr ist der Bildung der Teil-GdB grds. eine Bewertung der Behinderungen/Funktionsbeeinträchtigungen in den von A Nr. 2 Buchst. e) VG benannten Funktionssystemen zugrundezulegen. Insoweit erfolgt eine zusammenfassende ("integrierende") Bewertung der im Funktionssystem bestehenden Behinderungen. Das hat der Beklagte – auch - bei seinen letzten Bewertungen der Teil-GdB nicht berücksichtigt. So gehören zum Funktionssystem der Beine sowohl die Behinderungen des rechten Kniegelenks als auch die Funktionsstörungen durch die rechtsseitige Fußfehlform. Jedoch folgt hieraus nicht, dass dem Kläger insgesamt ein höherer GdB zuzuerkennen wäre. Vielmehr ergibt sich aus der vom SG und auch vom Senat durchgeführten Beweisaufnahme, dass die Voraussetzungen für die Feststellung eines Gesamt-GdB von mehr als 30 nicht nachgewiesen sind und eine bisher noch nicht berücksichtigte wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht eingetreten ist.

Der Kläger ist auf orthopädischem Fachgebiet hinsichtlich des Funktionssystems (dazu vgl. A NR. 2 Buchst. e) VG) des Rumpfes, der Arme und der Beine behindert. Im Funktionssystem des Rumpfes - zu dem der Senat die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt - besteht eine Behinderung der Wirbelsäule. Dr. M. hat diese (Blatt 9 der SG-Akte) als Lumbalgie bei im MRT der LWS insgesamt unauffälligem altersentsprechenden Befund (Bericht vom 06.12.2012) beschrieben. Gegenüber dem SG hat er (Blatt 37/31 der SG-Akte) angegeben, das MRT habe lediglich geringe degenerative Veränderungen der LWS gezeigt und die Erkrankung der Wirbelsäule als leichtgradig bezeichnet. Dr. A. hat gegenüber dem SG (Blatt 25/26 der SG-Akte) dies als chronisches HWS-, BWS- und LWS-Syndrom bezeichnet. Er hat insoweit ein Wirbelsäulenschmerzsyndrom in drei Etagen mit chronischer Wurzelreizsymptomatik beschrieben; Bewegungsausmaße hat er nicht mitgeteilt. Dr. W. hat dem Senat mitgeteilt (Blatt 51/54 der Senatsakte), er habe nur eine Pangonarthrose mit Chondromalazie des rechten Kniegelenks als nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung festgestellt. Von Wirbelsäulenbeschwerden hat er nichts berichtet. Dr. S. hat im Verwaltungsverfahren (Blatt 45 der Beklagtenakte) am 26.02.2010 nur von vorübergehenden Beschwerden der Wirbelsäule im Jahr 2005 berichten können. Dr. M. hat gegenüber dem Senat (Blatt 3)/41 der Senatsakte) Rückenschmerzen, eine schmerzhaft eingeschränkte Bewegung sowie eine funktionell eingeschränkte Motorik der LWS angegeben. Dr. D. hat bei seiner Untersuchung des Klägers folgende Bewegungsmaße festgehalten (Blatt 63 der SG-Akte): HWS: Vorneigung/Rückneigung: 50/0/45 Seitneigung rechts/links: 35/0/35 Drehen rechts/links: 60/0/60 BWS und LWS: Vor-/Rückneigen: 130o Hüfteinbeugung bei Rumpfbeuge: 75 o Seitneigen rechts/links: 30/30 o Drehen im Sitzen rechts/links: 35/30 o Schober: 10/14 cm Ott: 30/32 cm FBA: 9 cm FBA auf U-Liege: 0 cm Liege-Jugulum-Abstand: 16 cm Dr. D. hat damit endgradige Bewegungseinschränkungen in allen drei Bereichen der Wirbelsäule dargestellt; dagegen hat Dr. M. ausdrücklich nur von der Betroffenheit eines Wirbelsäulenabschnitts gesprochen (Blatt 28 der SG-Akte). Das Lasègue-Zeichen war beidseits negativ (Blatt 53 der SG-Akte = Seite 4 des Gutachtens); Hinweise auf ein motorisches oder sensibles Nervenwurzelreizsyndrom konnte Dr. D. nicht finden (Blatt 53 der SG-Akzte = Seite 4 des Gutachtens). Zwar liegen damit in drei Wirbelsäulenabschnitten Funktionsbeeinträchtigungen vor, die jedoch nur jeweils leichtgradig sind. Insoweit hat auch keiner der behandelnden Ärzte schwerere Befunde mitteilen können (s.o.). Ein GdB von 20 setzt nach B Nr. 18.9 VG mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt, ein GdB von 30 schwere funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt bzw mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten voraus. Nach der Rechtsprechung des Senats rechtfertigt die Verteilung auf zwei Wirbelsäulenabschnitte mit jeweils nur mittelgradigen Auswirkungen bzw. mit mittelgradiger und schwerer Betroffenheit je Wirbelsäulenabschnitt rechtfertigt beide Male nur den GdB 30, was ebenso für den vergleichbaren, aber nicht gesondert geregelten Fall der Betroffenheit von drei Wirbelsäulenabschnitten gelten muss, in denen jeweils nur mittelgradige Auswirkungen bestehen (Senatsurteil vom 24.01.2014 – L 8 SB 2497/11 – juris RdNr. 44). Damit kann auch bei Betroffenheit von drei Wirbelsäulenabschnitten ein GdB von 20 erst erreicht werden, wenn es sich – zumindest in einem Wirbelsäulenabschnitt – um mittelgradige funktionelle Auswirkungen handelt. Solche liegen beim Kläger aber nicht vor. Weder lassen sich aus den Bewegungsausmaßen solche mittelgradigen Funktionseinschränkungen ableiten (dazu s.o.), noch liegen häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilitäten mittleren Grades oder häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome vor. Dr. A., der den Kläger nach dessen eigenen Angaben bis 2010 behandelt hat und auch Dr. M., bei dem der Kläger seit Mitte 2009 in Behandlung ist, und auch nicht Dr. W., konnten solche mittelgradigen funktionellen Auswirkungen, insbesondere liegen häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung bzw. häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome, nicht vor, auch nur im Ansatz mitteilen. Daher sind die Behinderungen im Funktionssystem des Rumpfes mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten.

Die Funktionsbehinderung beider Schultergelenke, in der Sache ein chronisches Impingementsyndrom (vgl. die Auskunft von Dr. A. an das SG, Blatt 25/26 der SG-Akte), ist dem Funktionssystem der Arme zuzuordnen. Dr. A., der den Kläger nach dessen eigenen Angaben bis 2010 behandelt hat, hat hinsichtlich beider Schultern eine Einschränkung der Abduktion auf 90 Grad beschrieben; Dr. S., Dr. M. und Dr. W. haben zur Symptomatik der Schulter keine Angaben gemacht. Dagegen hat Dr. D. zwar von einer Einschränkung der Abduktion und der Elevation berichtet (Blatt 54 der SG-Akte = Seite 5 des Gutachtens), bei seiner Untersuchung des Klägers aber folgende Bewegungsausmaße erhoben: Schultergelenke: rechts links Arm seitwärts/körperwärts: 110/0/25 110/0/25 Arm rückwärts/vorwärts: 40/0/130 40/0/130 Arm auswärts/einwärts drehen, Oberarm anliegend: 50/0/90 50/0/90 Arm auswärts/einwärts drehen, Oberarm anliegend: 70/0/50 70/0/50 Die Muskulatur im Bereich beider Schultergürtel, der Oberarme und der Unterarme sowie der Hände war regelrecht kräftig ausgeprägt. Dr. D. hat insoweit angegeben, die Schulteruntersuchung habe positive Impingement-Tests als Hinweis auf eine vermehrte Degeneration der Rotatorenmanschetten ergeben (Blatt 54 der SG-Akte = Seite 5 des Gutachtens). Gemäß der verbindlichen Vorgaben (dazu s.o.) von B Nr. 18.13 VG sind Bewegungseinschränkung des Schultergelenks (einschließlich Schultergürtel) bei Armhebung nur bis zu 120° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit mit einem GdB von 10, bei Armhebung nur bis zu 90° mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit mit einem GdB von 20 zu bewerten. Angesichts der Untersuchungsbefunde von Dr. D. konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass eine Einschränkung der Armhebung bis 90° vorliegt. Die Befundung durch Dr. A. im Jahr 2009 konnte der Senat nicht nachvollziehen. Da jedoch Zweifel an der Befunderhebung durch Dr. D. nicht vorliegen, bedurfte es auch keiner weiteren Beweisaufnahme. Soweit der Kläger angibt, eine Besserung sei nicht eingetreten, so folgen daraus keine Zweifel an der Begutachtung durch Dr. D ... Zwar weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass es sich bei dem Impingement-Syndrom um eine chronische Krankheit handele. Doch bedeutet dies nicht, dass die einmal erreichten Funktionseinschränkungen in Form von Beweglichkeitsminderungen dauerhaft nachgewiesen werden könnten. Der Senat hat bei seiner Bewertung des Teil-GdB die Ausführungen von Dr. A. in seine Überlegungen eingestellt und diese kritisch im Vergleich zu den Ausführungen von Dr. D. betrachtet. Jedoch konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die von Dr. A. angegebene Abduktions-Einschränkung auf 90° i.S. von § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX überdauernd nachgewiesen werden konnte. Außerdem hat der Senat Zweifel an der Aussagekraft der ärztlichen Beurteilungen von Dr. A., der nicht hinreichend zwischen subjektiven Beschwerdeangaben des Patienten und den erhobenen medizinischen Befunden unterscheidet, wie sich für den Senat u.a. an dessen Beurteilung einer schweren Wirbelsäulenerkrankung mit "chronischer Wurzelreizsymptomatik" bei völlig unauffälligem MRT-Befund für eine Nervenwurzelbedrängung gezeigt hat. Damit war der Teil-GdB für das Funktionssystem der Arme mit 10 ausreichend bewertet. Die von Dr. W. für Januar 2013 beschriebenen Schmerzen der linken Schulter in Folge eines Treppensturzes (Blatt 51 der SG-Akte) bedingen keinen höheren Teil-GdB.

Das Funktionssystem der Beine ist durch eine Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks sowie eine Funktionsstörung durch rechtsseitige Fußfehlform beeinträchtigt. Während Dr. A. (Blatt 25/26 der SG-Akte) eine Pangonarthrose rechts mehr als links in schwerer Ausprägung dargestellt hat, hat - entgegen den Angaben des Klägers - Dr. W. eine Betroffenheit des linken Kniegelenks nicht beschreiben können (Blatt 27/28 der SG-Akte bzw. Blatt 51/52 der Senatsakte). Dr. M. hat dem SG (a.a.O.) berichtet, dass am rechten Knie arthroskopisch kein vorderes Kreuzband mehr zu finden sei und eine nur unvollständig kompensierte Lockerung des Kniebandapparates bestehe (dagegen beschreibt der Bericht vom 14.01.2012, Blatt 37 der Senatsakte, ein intaktes vorderes und hinteres Kreuzband). Soweit er dann aber schwere Knorpelschäden an beiden Knien mit anhaltenden Reizerscheinungen in seine GdB-Bewertung einstellt, fehlen von ihm mitgeteilte Befunde. Aus den vorgelegten Berichten betreffend die Knie (Bericht Dr. O., Blatt 30 der SG-Akte = Blatt 35 der Beklagtenakte, Bericht Radiologie-Zentrum vom 13.07.2009, Blatt 31 der SG-Akte = Blatt 34 der Beklagtenakte) aber auch der Auskunft von Dr. S. im Verwaltungsverfahren (Blatt 45 der Beklagtenakte), in der er nur von Schmerzen am rechten Kniegelenk bei bekannter Gonarthrose spricht, wird ebenfalls nur eine Betroffenheit des rechten Kniegelenks deutlich. Soweit Dr. A. – nach Röntgenuntersuchung des rechten Kniegelenks – in seinem Bericht vom 26.05.2003 (Blatt 4 der Beklagtenakte) eine beidseitige Gonarthrose diagnostiziert hat - in seinem Bericht vom 13.01.2004 (Blatt 8 der Beklagtenakte) hat er lediglich im rechten Kniegelenk eine Pangonarthrose mitgeteilt – hat er hierzu erhobene Befunde nicht mitgeteilt. Auch soweit der Arbeitsamtsgutachter (Blatt 5 der Beklagtenakte) eine Abnutzung "der Kniegelenke" mit Beschwerden beschreibt, fehlen entsprechende Befunde. Dr. S. (Bericht vom 26.05.2003, Blatt 15 der Beklagtenakte) hat in den Diagnosen eine Kreuzbandruptur rechtes Kniegelenk sowie eine Chondromalazie I. Grades angegeben, und ausgeführt: "Von Seiten seines Kniegelenke besteht die deutliche Gonarthrose mit den o.g. Befunden." Dabei lässt sich aus seiner Formulierung nicht ableiten, ob ein ("seines") oder beide Knie ("Kniegelenke") betroffen sind. Dr. M. hat sich gegenüber dem Beklagten (Auskunft vom 06.12.2009, Blatt 33 der Beklagtenakte) lediglich zum rechten Knie geäußert. Dr. D. hat bei seiner Untersuchung des Klägers nur eine Gonarthrose im rechten Kniegelenk feststellen können; lediglich eine geringe Umfangsvermehrung im rechten Kniegelenk bei diskreter Muskelminderung der rechtsseitigen körperfernen Oberschenkelmuskulatur konnte er berichten (Blatt 55 der SG-Akte = Seite 6 des Gutachtens). Im linken Kniegelenk war bei der Untersuchung eine freie Beweglichkeit gegenüber einer rechts um 30 Grad eingeschränkten Beugefähigkeit festzustellen (a.a.O.). Insoweit hat Dr. D. Beugemaße von rechts 0/0/100 und links von 0/0/130 gemessen. Mit diesen einseitigen Bewegungseinschränkungen des rechten Kniegelenks ist unter Berücksichtigung der im Februar 2012 diagnostizierten Chondromalazie Grad III rechts (Bericht des K.-O.-Krankenhauses vom 14.02.2012, Blatt 37 der Senatsakte) nach den Vorgaben von B Nr. 18.14 VG bei Bewegungseinschränkung im Kniegelenk geringen Grades (z. B. Streckung/Beugung bis 0-0-90) ein Teil-GdB von 20, wie von Dr. D. vorgeschlagen und angesichts rezidivierender Ergussbildungen mit Reizerscheinungen, nicht zu niedrig bemessen. Soweit der Kläger mit seiner Berufung vorbringt, Dr. M. habe wegen der schweren Knorpelschäden einen Teil-GdB für die Knie von 20 bis 40, alleine für die Instabilität einen Teil-GdB von 20, und wegen der Gebrauchseinschränkungen beider Beine einen Teil-GdB von 50 angegeben, so kann der Senat dem angesichts der verbindlichen Vorgaben der VG (dazu s.o.) nicht folgen. Keiner der Ärzte konnte Befunde für Bewegungseinschränkungen darlegen, die den Senat von einem höheren Teil-GdB als 20 überzeugen konnten. Dabei hat der Senat auch berücksichtigt, dass Dr. W. (a.a.O.) eine prothetische Versorgung des rechten Knies erwogen hat und der Kläger eine Besserung auch nach der Arthroskopie vom 14.02.2012 angegeben hat. Dr. W. hat nach dieser Arthroskopie und in Kenntnis des weiteren Verlaufs einen Teil-GdB von 20 für ausreichend erachtet. Dem schließt sich der Senat an.

Ein höherer Teil-GdB folgt auch nicht aus der von Dr. M. angegebenen Bandinstabilität. Nach B Nr. 18.14 VG begründet die Lockerung des Kniebandapparates muskulär kompensierbar einen GdB von 10, unvollständig kompensierbar, Gangunsicherheit einen GdB von 20. Dr. W. hat hinsichtlich des rechten Knies gegenüber dem Senat (Blatt 51/52 der Senatsakte) zwar ein Knacken beim Durchbewegen angegeben, doch ausdrücklich mitgeteilt "stabile Bandführung". Bei der Arthroskopie am 14.02.2012 fand der Operateur ein intaktes vorderes und hinteres Kreuzband (Bericht vom 14.02.2012). Auch Dr. D. konnte keine augenfällige Beinachsen-Fehlstellung feststellen (Blatt 55 der SG-Akte = Seite 6 des Gutachtens). Damit konnte der Senat letztlich zu keinem Zeitpunkt eine Lockerung des Kniebandapparates feststellen. Die Angaben von Dr. M. überzeugen nicht.

Auch aufgrund der Funktionsstörung durch rechtsseitige Fußfehlform aufgrund einer ausgeprägten Senk-/Spreizfußnildung, Hallux valgus-Bildung mit daraus resultierender statischer Minderbelastbarkeit des rechten Fußes (vgl. das Gutachten von Dr. D., Blatt 59 der SG-Akte = Seite 10 des Gutachtens) ist der Teil-GdB von 20 für das Funktionssystem der unteren Extremitäten nicht zu erhöhen. Nach B Nr. 18.14 VG ist bei "anderen Fußdeformitäten" ohne wesentliche statische Auswirkungen (z. B. Senk-Spreizfuß, Hohlfuß, Knickfuß, auch posttraumatisch) ein GdB von 0 und bei statischer Auswirkung je nach Funktionsstörung geringen/stärkeren Grades ein GdB von 10/20 vorgesehen. Zwar weist der Kläger eine statische Minderbelastbarkeit des rechten Fußes auf, doch war der Kläger bei der Untersuchung durch Dr. D. in der Lage, den Fersenstand, den Fersengang und den Einbeinstand durchzuführen; lediglich der Zehenstand rechts und das Einbeinhüpfen rechts waren wegen Schmerzen im Großzehen-Grundgelenk nicht möglich (Blatt 55 der SG-Akte = Seite 6 des Gutachtens). Auch war auf ebenem Boden ein unauffälliges Barfuß-Gangbild zu erheben (a.a.O.). Daraus konnte der Senat aber gerade keine stärkeren Funktionsstörungen ableiten.

Dass der Versorgungsarzt Dr. W. in seinen Ausführungen vom 30.12.2010 (Blatt 37/38 der SG-Akte) einen Teil-GdB von 30 für Funktionsbehinderungen beider Kniegelenke angenommen hat, steht der Einschätzung des Senats nicht entgegen. Denn die Bewertung von Teil-GdB erwächst weder in Bestandskraft - was bei einer lediglich im Gerichtsverfahren vorgelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme sowieso nicht der Fall ist - noch bindet diese den Senat. Auch wenn der Senat auf Basis des widerspruchsfreien, schlüssigen und daher überzeugenden Gutachtens von Dr. D. bei der Einschätzung der Teil-GdB von den Ansätzen der behandelnden Ärzte und der Versorgungsärzte des Beklagten abweicht, ist der Senat nicht gehalten, eine weitergehende Beweisaufnahme durchzuführen. Anspruch auf ein Obergutachten besteht nicht. Der Senat konnte vielmehr auf Grundlage der schlüssigen Darlegungen des Gutachters entscheiden.

Im Funktionssystem des Gehirns einschließlich Psyche besteht eine Behinderung wegen einer Gewebserkrankung des Gehirns (hormoninaktives Hypophysenadenom/ Hypophysentumor). Diese Behinderung ist mit einem Teil-GdB von 10 ausreichend und zutreffend bewertet. Gemäß B Nr. 3.3 VG ist der GdB bei Hirntumoren vor allem von der Art und Dignität und von der Ausdehnung und Lokalisation mit ihren Auswirkungen abhängig. Nach der Entfernung gutartiger Tumoren (z.B. Meningeom, Neurinom) richtet sich der GdB allein nach dem verbliebenen Schaden. Bei Tumoren wie Oligodendrogliom, Ependymom, Astrozytom II, ist der GdB, wenn eine vollständige Tumorentfernung nicht gesichert ist, nicht niedriger als 50 anzusetzen. Bei malignen Tumoren (z.B. Astrozytom III, Glioblastom, Medulloblastom) ist der GdB mit wenigstens 80 zu bewerten. Das Abwarten einer Heilungsbewährung (von fünf Jahren) kommt in der Regel nur nach der Entfernung eines malignen Kleinhirntumors des Kindesalters (z. B. Medulloblastom) in Betracht. Der GdB beträgt während dieser Zeit (im Frühstadium) bei geringer Leistungsbeeinträchtigung 50. Vorliegend handelt es sich um einen zwar bestehenden, aber gutartigen, inaktiven Tumor, der lediglich im Rahmen einer neunmonatigen Verlaufskontrolle beobachtet wird und der wohl zu gelegentlichen Kopfschmerzattacken führt. Der insoweit befragte behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. G. konnte (Blatt 24 der SG-Akte) lediglich über einen belastungsinduzierten Druckschmerz im Bereich des Fußrückens berichten, während er sich im Verwaltungsverfahren (Blatt 30 der Beklagtenakte) noch zu dem Hypophysentumor äußerte. Die damals beschriebene einmalige Panikattacke vor einer Autoreise bedingt keinen GdB (auch nicht nach B Nr. 3.7 VG). Die Kopfschmerzen, von denen der Kläger gegenüber Dr. G. (Blatt 29 der Beklagtenakte) noch angegeben hatte, "gelegentlich habe er etwas Kopfschmerzen, ansonsten gehe es ihm gut" bedingen weder für sich als auch im Hinblick auf das Hypophysenadenom einen höheren Teil-GdB als 10. Anderes – auch nicht sonstige Folgewirkungen des gutartigen Hypopphysentumors - ergibt sich auch nicht aus den vom Kläger vorgelegten Berichten von Dr. H. vom 17.06.2008 (Blatt 10 der SG-Akte) und vom 08.07.2009 (Blatt 27 der Beklagtenakte) sowie von Dr. G. vom 07.01.2008 (Blatt 11 der SG-Akte). Dagegen berichtet der Neurologe S. am 18.02.2008 (Blatt 12 der SG-Akte = Blatt 25/26 der Beklagtenakte) von gelegentlichen Kopfschmerzen und Schwindelerscheinungen. Des Weiteren konnten die untersuchenden Ärzte Dr. H. und Dr. G. (a.a.O.) keine signifikante Größenzunahme bei glatt begrenztem Hypophysentumor (maximaler Schrägdurchmesser ca. 24 mm) bei unauffälligen Hypophysenparametern und ansonsten völlig unauffälligem Neurocranium beschreiben. Hieraus lässt sich aber keine Behinderung ableiten, die vor dem Maßstab der zu B Nr. 3.3 VG genannten Vorgaben (s.o.) einen Teil-GdB von mehr als 10 rechtfertigte.

Im Funktionssystem Herz-Kreislauf liegt eine Behinderung hinsichtlich des Bluthochdrucks und einer hypertensiven Herzerkrankung vor. Diese sowohl von Dr. S. (Blatt 23 der SG-Akte) als auch von Dr. M. (Blatt 39/41 der Senatsakte) beschriebenen Erkrankungen sind mit einem Teil-GdB von 20 zutreffend und angemessen bewertet. Dr. M. konnte insoweit einen gut eingestellten Bluthochdruck darstellen. Der Kardiologe Dr. G. (Blatt 41 der Senatsakte) hat keine Hinweise auf eine relevante KHK (coronare Herzerkrankung), aber eine Belastbarkeit im EKG von 160 Watt (Abbruch wegen Erschöpfung) dargestellt. Damit konnte der Senat angesichts der Maßgaben von B Nr. 9.1 und 9.3 VG einen höheren GdB als 20 nicht annehmen. Auch wenn ein diastolischer Blutdruck mehrfach über 100 mmHg trotz Behandlung vorliegen sollte, eröffnet dies lediglich den GdB-Rahmen von 20 bis 40 (vgl. B Nr. 9.3 VG) und ist je nach Leistungsbeeinträchtigung zu bewerten. Da der Kläger aber noch 160 Watt im EKG zu leisten im Stande ist, erscheint bei einem gut eingestellten Bluthochdruck eine GdB-Bemessung am unteren Rand des GdB-Rahmens ausreichend.

Weitere Funktionsbeeinträchtigungen, die einen Teil-GdB von mindestens 10 bedingen, liegen bei dem Kläger nicht vor. Die von Dr. S. attestierte Prostatavergrößerung konnte nicht weiter festgestellt werden.

Nach Überzeugung des Senats ist auch die Feststellung des Gesamt-GdB von 30 zutreffend. Denn nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Das ist beim Kläger nicht der Fall.

Unter Beachtung der gegenseitigen Auswirkungen ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Gesamt-GdB von 30, gebildet aus Teil-GdB-Werten von - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems des Rumpfes (Wirbelsäule), - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems der Arme (Schultererkrankung), - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems der Beine (rechtes Knie, rechter Fuß), - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems des Gehirn einschließlich Psyche (Hypophysentumor), - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems des Herz-/Kreislauf-Systems, mit 30 ausreichend bemessen ist.

Damit war zwar im Verhältnis zu dem bis dahin maßgeblichen Bescheid vom 01.03.2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18.05.2004 eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 SGB X eingetreten, doch hat der Beklagte mit dem ausgeführten, angenommenen Anerkenntnis der Änderung vollumfänglich Rechnung getragen, sodass ein Anspruch auf weitergehende höhere Neufeststellung des GdB nicht besteht. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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