Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 3810/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 5210/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. November 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbsminderung ab 1. Dezember 2010.
Die am 1960 geborene Klägerin absolvierte von September 1975 bis Februar 1978 im Beitrittsgebiet eine Ausbildung zur Facharbeiterin für Textiltechnik. Sie war anschließend bis 1991 als Näherin und Datenerfasserin versicherungspflichtig beschäftigt, danach bis 1995 selbstständig tätig und vom 20. November 1995 bis 19. November 1996 im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als Gärtnereihilfe mit Qualifizierung zur Zierpflanzengärtnerin erneut versicherungspflichtig beschäftigt. Danach war sie arbeitslos und erhielt Leistungen wegen Arbeitslosigkeit.
Anträge der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder verminderter Erwerbsfähigkeit vom 19. Dezember 1997, 22. September 1999, 26. September 2002 und 8. Januar 2008 blieben erfolglos. Den Rentenantrag vom 8. Januar 2008 lehnte die damals zuständige Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland nach Einholung des Gutachtens des Arztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. A. vom 26. Mai 2008 mit Bescheid vom 9. Juni 2008 und Widerspruchsbescheid vom 20. November 2008 ab. Die dagegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Karlsruhe (SG) mit Gerichtsbescheid vom 21. September 2009 ab (S 17 R 5651/08). Das SG hatte die Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. vom 27. Juli 2009 und des Arztes für Orthopädie und Rheumatologie Privatdozent Dr. Ro. vom 31. Juli 2009 erhoben. Die genannten Gutachter kamen jeweils zu dem Ergebnis, die Klägerin könne unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich ausüben.
Die Klägerin beantragte am 12. Dezember 2010 erneut Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog die Akten des Rentenverfahrens aus dem Jahr 2008 sowie Berichte behandelnder Ärzte bei, unter anderem den Bericht des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. V., Ärztlicher Direktor der S. Klinik R., vom 14. März 2011 über die stationäre Krankenhausbehandlung vom 12. Januar bis 24. Februar 2011 wegen einer im Vordergrund stehenden ausgeprägten depressiven Symptomatik. Es erfolgte ein multimodales kognitiv-verhaltenstherapeutisches Therapieprogramm. Die Entlassung erfolgte in etwas stabilerem Zustand in die weitere ambulante psychotherapeutische Behandlung sowie mit der Empfehlung einer stationären Wiederaufnahme zur Traumabehandlung (aufgrund einer Verletzung durch Messerstiche und Bedrohungen durch einen früheren Ehemann) und Expositionsbehandlung der Ängste.
Auf Veranlassung der Beklagten erstatteten Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. W. und Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. die Gutachten vom 26. April 2011 sowie Internist Dr. M. das Gutachten vom 13. Mai 2011. Dr. W. nannte als Diagnosen einen Zustand nach Bandscheibenvorfall primär im Segment C5/C6 mit mehrmaligen nachfolgenden Operationen und jetzt mit Zustand bei Spondylodese mit Beckenspaninterposition C5 bis C7 mit eingeschränkter Armhochführungsmöglichkeit, einen Zustand nach multiplen Stumpf-, Rumpf- und Extremitätentraumata im Rahmen von Gewaltakten in der zweiten Ehe und ein schweres allgemeines Gelenk- und Weichteilschmerzsyndrom mit dem Erfordernis, eine Morphin-Medikation einzunehmen. Aus Sicht seines Fachgebiets könne die Klägerin eine leichte körperliche Tätigkeit sechs Stunden zeitgleich sitzend, stehend und gehend sowie in wohltemperiertem, zugluftfreiem und trockenem Umfeld ohne Arbeiten über Kopf, gebückte Haltungen, Hockstellungen und Zwangshaltungen des Rumpfes über ein längeres Intervall sowie Besteigen von Gerüsten und kleinen Raumleitern ausführen. Dr. B. nannte neben den Diagnosen des orthopädischen Fachgebiets einen kompensierten Tinnitus ohne neurologische Begleitsymptomatik und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei vorbestehend komplizierter Persönlichkeitsakzentuierung mit unreifen, auch histronischen sowie affektlabilen Zügen. Er fand keine richtungsweisenden klinisch-neurologischen Ausfälle sowie sowohl hinsichtlich etwaiger psychischer Beschwerden (Ängste, Depressionen) als auch hinsichtlich somatischer Beschwerden insgesamt eine erhebliche Diskrepanz zwischen Beschwerdeschilderungen einerseits und beiläufigen Angaben zum aktuellen außerberuflichen Hintergrund andererseits. Aus nervenärztlicher Sicht könne die Klägerin körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zu ebener Erde, nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen sowie ohne ständigen Zeitdruck, ständige nervöse Anspannung, andere Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht und überdurchschnittlich fordernde soziale Interaktionen vollschichtig verrichten. Dr. M. führte aus, das Leistungsvermögen der Klägerin sei aufgrund einer somatoformen Schmerzstörung bei vorbestehend kombinierter Persönlichkeitsakzentuierung, einer Versteifungsoperation der Halswirbelsäule und einer regelrecht eingestellten Bluthochdruckerkrankung qualitativ (Wiederholung der von Dres. W. und B. genannten qualitativen Einschränkungen), aber nicht quantitativ eingeschränkt.
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag ab (Bescheid vom 18. Mai 2011). Die Klägerin erhob Widerspruch. Wegen psychischer Erkrankungen sei sie nicht mehr in der Lage, auch nur annähernd leichte Tätigkeit auszuführen. Sie legte die Bescheinigung der Ärztlichen Psychotherapeutin Ri.-Bo. vom 1. Juni 2011 vor. Dr. B. blieb in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12. Juli 2011 bei seiner Beurteilung. Der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 22. August 2011). Es gebe keine Anhaltspunkte, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch weniger als sechs Stunden oder weniger als drei Stunden täglich arbeiten könne. Da das sozialmedizinische Ergebnis schlüssig und nachvollziehbar sei, schließe er (der Widerspruchsausschuss) sich den Beurteilungen des Sozialmedizinischen Dienstes an. In der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Gärtnergehilfin sei die Klägerin weder als Facharbeiterin noch in einer gehobenen angelernten Tätigkeit beschäftigt gewesen. Die konkrete Benennung einer Tätigkeit sei angesichts der Vielzahl auf dem Arbeitsmarkt vorhandenen ungelernten Tätigkeiten nicht erforderlich.
Die Klägerin erhob am 8. September 2011 Klage beim SG und begehrte Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 und 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Bei Berücksichtigung aller ihrer Erkrankungen in der Gesamtheit sei ihr Leistungsvermögen auf einen rentenberechtigenden Grad herabgesunken. Bei ihr bestünden eine Versteifung von Abschnitten der Wirbelsäule, Beeinträchtigungen auf neurologischem und psychiatrischem Gebiet infolge eines Fibromyalgiesyndroms mit anhaltenden starken Schmerzsyndromen, eine Hochtonschwerhörigkeit, ein Tinnitus und eine rezidivierende depressive Störung mit schweren Episoden, basierend auf traumatischen Erlebnissen (Verletzungen und Bedrohungen) in der (früheren) Ehe. Wenn sie auf die traumatischen Erlebnisse in der früheren Ehe angesprochen werde, komme es zu Ausnahmezuständen wie einer krisenhaften Hyperventilation. Im Hinblick auf den (im Widerspruchsverfahren vorgelegten) Bericht der Ärztlichen Psychotherapeutin Ri.-Bo. sei die ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Dr. B. nicht verständlich.
Die Klägerin war vom 12. September bis 31. Oktober 2012 erneut in stationärer Krankenhausbehandlung in der S. Klinik R. auf der dortigen allgemeinen Station mit verhaltenstherapeutischem Setting (von der Klägerin vorgelegter vorläufiger Entlassungsbericht der Stationsärztin Dr. v. K. vom 30. Oktober 2012).
Die Beklagte blieb gestützt auf die von ihr vorgelegte sozialmedizinische Stellungnahme des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. He. vom 2. Juli 2012 bei ihrer Auffassung, der Klägerin sei noch mindestens sechsstündige Erwerbstätigkeit möglich.
Das SG hörte die Klägerin behandelnde Ärzte als sachverständige Zeugen. Arzt für Innere Medizin Dr. J. übersandte dem SG ihm zugegangene Arztbriefe, unter anderem des Arztes für Anästhesiologie - Spezielle Schmerztherapie - Dr. Wi. vom 26. Februar und 30. September 2010 über die seit 27. Juli 2009 erfolgte ambulante Schmerztherapie. Im zuletzt genannten Arztbrief führte dieser aus, er stelle sich im kommenden Frühjahr einen Reduktionsversuch (hinsichtlich der Dosierung der Morphin-Medikation) vor. Arzt für Innere Medizin Dr. Al. (Auskunft vom 21. November 2011) meinte, wegen einer seit mehr als sechs Monaten andauernden chronifizierten somatisiertem Schmerzerkrankung mit psychischen Anteilen sowie zentralen und peripheren Schmerzanteilen könne die Klägerin nur weniger als drei Stunden täglich einer Beschäftigung nachgehen. Seit Januar 2009 habe sich der Gesundheitszustand verschlechtert. Orthopäde Dr. Hö. (Auskunft vom 22. November 2011) berichtete über die Progredienz der Beschwerden und sah den Schwerpunkt der Erkrankung der Klägerin im psychischen Bereich. Er fügte seiner Auskunft weitere als die bereits genannten Arztbriefe des Dr. Wi. bei. Ärztliche Psychotherapeutin Ri.-Bo. (Auskunft vom 5. Dezember 2011) teilte mit, im Verlauf der ambulanten Psychotherapie seit 15. März 2011 mit bisher 27 Sitzungen Verhaltenstherapie sei eine leichte Verbesserung des Allgemeinzustands eingetreten, wegen Flashbacks durch die erlittene schwere Traumatisierung sei der Zustand der Klägerin jedoch schnell erheblich beeinträchtigt. Die Klägerin sei nicht in der Lage, einer körperlich leichten und nervlich wenig belastenden Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sa. (Auskunft vom 6. November 2012) gab an, seit 1. Januar 2010 hätten unverändert multiple Schmerzen im Sinne eines Fibromyalgiesyndroms sowie Angst und Depression gemischt bestanden.
Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie O.-P. erstattete ihr Gutachten vom 15. April 2013. Bei der Klägerin handle es sich um eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Unter der aktuellen Behandlung finde sich das Bild einer Dysthymia mit rückläufigem agoraphobem Erleben von rezidivierendem Angsterleben. Zumindest unter der Behandlung sei von einem stabilisierten Bild auszugehen. Darüber hinaus lägen die in der Aktenlage ausführlich dargestellten orthopädischen und internistischen Erkrankungen vor sowie Hinweise auf einen Benzodiazepin-Abusus, eine Hörminderung und ein Tinnituserleben, ohne dass bisher eine Hörgeräteversorgung erfolgt sei. Durch eine Intensivierung des multimodalen Ansatzes der Schmerzbehandlung - nach Angaben der Klägerin gegenüber der Sachverständigen erfolge sei 2010 keine Schmerztherapie mehr - und eine Intensivierung der antidepressiven entängstigenden Behandlung könne noch eine Besserung des subjektiven Erlebens erreicht werden. Unter Beachtung (näher bezeichneter) Einschränkungen, die bereits in dem im vorangegangenen Gerichtsverfahren erhobenen orthopädischen Gutachten beschrieben seien, sei die Klägerin noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich Arbeiten auszuführen. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Im Vergleich zu den vorliegenden Befunden aus dem vorangegangenen gerichtlichen Verfahren könne im Verlauf keine wesentliche Änderung der Einschätzung vorgenommen werden.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. St. das Gutachten vom 19. August 2013. Er diagnostizierte eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine depressive Entwicklung im Sinne einer Dysthymia, eine Agoraphobie mit Panikstörung, einen Benzodiazepin-Abusus, eine Adipositas, eine arterielle Hypertonie sowie eine Hörminderung beidseits und einen Tinnitus. Außerdem werde die Klägerin nach den Kriterien eines vorliegenden Aufmerksamkeit-Hyperaktivitätssyndroms im Erwachsenenalter behandelt. Zumindest der Verdacht einer solchen Erkrankung liege nahe. Die in den Vorgutachten erhobenen Befunde und Diagnosen hätten im Wesentlichen bestätigt werden können. Er stimme der Sachverständigen O.-P. zu, dass durch eine Intensivierung des multimodalen Ansatzes der Schmerzbehandlung und eine Intensivierung der antidepressiven entängstigen Behandlung noch eine Besserung des subjektiven Erlebens erreicht werden könne. Im Gegensatz zur Sachverständigen O.-P. komme er zu dem Schluss, durch die vorliegenden Gesundheitsstörungen liege auch eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens vor und die Klägerin sei allenfalls in der Lage, mindestens drei bis unter sechs Stunden täglich einfache Tätigkeiten in Tagesschicht ohne Anforderungen an Konzentration, Verantwortung, geistige Beweglichkeit und Zeitdruck auszuführen. Die Sachverständige O.-P. habe die sozialmedizinische Relevanz insbesondere der vorliegenden Schmerzstörung nicht hinreichend beurteilt. Die Wegefähigkeit sei nur insoweit eingeschränkt, als die Klägerin derzeit einen PKW nicht benutzen könne. Die quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens liege wenigstens seit Mitte des Jahres 2013 vor.
Die Beklagte blieb unter Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahme des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N. vom 5. September 2013 bei ihrer Auffassung, es bestehe kein quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 13. November 2013 ab. Die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Denn ihr arbeitstägliches Restleistungsvermögen betrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich. Dies ergebe sich aus dem überzeugenden, in sich schlüssigen und wohl begründeten Sachverständigengutachten der Ärztin O.-P., der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. Hö. sowie den im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Gutachten der Dres. M., W. und B ... Die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen schränkten ihre berufliche Leistungsfähigkeit zwar in qualitativer, nicht aber in quantitativer Hinsicht ein. Der Ansicht des Dr. St. sei im Hinblick auf das schlüssige und überzeugende Sachverständigengutachten der Ärztin O.-P. nicht zu folgen. Insbesondere habe Dr. St. eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht nachvollziehbar dargelegt. Die Klägerin habe weder ihren Tagesablauf, wie sie ihn gegenüber Ärztin O.-P. geschildert habe, wesentlich geändert noch ihre antidepressive Medikation angepasst. Vielmehr belegten die von Dr. St. erhobenen Befunde einen seit der Begutachtung durch Ärztin O.-P. unveränderten Gesundheitszustand in psychischer Hinsicht. Aus denselben Erwägungen sei auch nicht der Leistungseinschätzung der Ärztlichen Psychotherapeutin Ri.-Bo. und des Dr. Al. zu folgen. Über die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung berichteten Taubheitsgefühle in den Händen habe sie bei der Begutachtung durch Dr. St. nicht geklagt. Eine Berücksichtigung komme nicht in Betracht, weil die weitere Entwicklung dieser Taubheitsgefühle noch nicht absehbar sei und der derzeitige Zustand noch keine sechs Monate bestanden habe. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Gärtnerhelferin vermittle keinen besonderen Berufsschutz.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 27. November 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3. Dezember 2013 Berufung eingelegt. Ihr stehe Rente wegen Erwerbsminderung zu. Die Folgerung von Dr. St., die bei ihr gegebenen anhaltenden Schmerzstörungen sei nicht ausreichend beurteilt, hätten weder Ärztin O.-P. noch das SG ausreichend in die Bewertung mit einbezogen. Bereits im Jahre 2010 seien diese Gesundheitsstörungen bekannt sowie derart ausgeprägt und schwerwiegend gewesen (Verweis auf die Arztbriefe des Dr. Wi. vom 26. Februar und 30. September 2010), dass die Verrichtung auch nur einer leichten Tätigkeit unter Berücksichtigung der Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr möglich gewesen seien. Die Klägerin hat den Arztbrief der Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie Dr. St. vom 7. Februar 2014 vorgelegt. Diese hat als Diagnosen ein schweres Fibromyalgiesyndrom, eine Angst und Depression gemischt, eine generalisierte Angststörung, einen Hypertonus sowie den Verdacht auf eine Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung genannt und über eine Umstellung der Medikation sowie die beabsichtigte Vorstellung in einer Spezialambulanz für die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung berichtet.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. November 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. August 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ab 1. Dezember 2010 ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die ihrer Auffassung nach zutreffenden Ausführungen im Urteil des SG und ihren bisherigen Vortrag.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, da er die Berufung der Klägerin einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Die Klägerin hat die Berufung die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung. Denn die Klägerin begehrt Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. August 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat ab 1. Dezember 2010 keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung.
1. Zu entscheiden ist allein, ob die (rechtskundig vertretene) Klägerin Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI hat, nicht aber ob sie Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI hat. Denn sie hat beim SG im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 14. November 2011 (Blatt 8 SG-Akte) lediglich die Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI begehrt.
2. Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Ausgehend hiervon ist die Klägerin seit 1. Dezember 2010 weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.
a) Bei der Klägerin steht im Vordergrund eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Ferner besteht eine Dysthymia mit rückläufigem agoraphobem Erleben und rezidivierendem Angsterleben. Eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode, die Ärztliche Psychotherapeutin Ri.-Bo. (Bescheinigung vom 1. Juni 2011) und Dr. V. (Bericht vom 14. März 2011) nannten, besteht nicht. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten der Sachverständigen O.-P ... Der weitere im erstinstanzlichen Verfahren gehörte Sachverständige Dr. St. stimmte diesen Diagnosen zu. Auch die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren gehörten Gutachter Dres. W., B. und M. haben eine Schmerzerkrankung festgestellt.
Weiter leidet die Klägerin an Gesundheitsstörungen im Bereich der Wirbelsäule, insbesondere im Bereich der Halswirbelsäule nach einem Bandscheibenvorfall mit mehreren nachfolgenden Operationen. Es bestehen eine endgradige Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule bei Extension und Flexion sowie bei der Kopfseitneigung nach rechts und eine eingeschränkte Möglichkeit, die Arme nach oben zu führen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. W ...
Schließlich leidet die Klägerin noch an einer Bluthochdruckerkrankung, die allerdings regelrecht eingestellt ist, sowie an einem Tinnitus. Dies ergibt sich aus den Gutachten des Dr. M., des Dr. B. und der Sachverständigen O.-P ...
Eine Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung vermag der Senat nicht festzustellen. Dr. St. nennt in ihrem von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Arztbrief vom 7. Februar 2014 lediglich eine Verdachtsdiagnose.
b) Aufgrund dieser Gesundheitsstörungen ergeben sich die von der Sachverständigen O.-P. genannten qualitativen Leistungseinschränkungen. Die Klägerin kann nicht mehr verrichten mittelschwere und schwere körperliche Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über sieben bis acht kg, dauerndem Stehen, Gehen (auch auf unebenem Gelände), Sitzen, gleichförmigen Körperhaltungen, Armvorhalten, häufigem Bücken und Treppensteigen, Absturzgefahr, besonderer geistiger Beanspruchung, hoher Verantwortung, außergewöhnlicher Belastung und erhöhter Anforderung an das Hörvermögen, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, Tätigkeiten in Kälte und Nässe ohne Schutzkleidung sowie Nachtdienst-, Akkord- und Fließbandarbeiten. Zumutbar sind der Klägerin noch einfache überschaubare Tätigkeiten in Wechselhaltung und in Tages-, Früh- oder Spätschicht mit klaren Anweisungen ohne das Erfordernis einer erhöhten Konfliktfähigkeit. Der Sachverständige Dr. St. hat keine weiteren qualitativen Einschränkungen genannt. Er hat ebenfalls - auch unter Verweis auf die Vorgutachten, insbesondere das orthopädische Gutachten des Privatdozent Dr. Ro. im vorangegangenen sozialgerichtlichen Verfahren - einfache Tätigkeiten in Tagesschicht mit Heben und Tragen von Lasten bis zu sieben bis acht kg in Wechselhaltung ohne Anforderungen an Konzentration, Verantwortung, geistige Beweglichkeit und Zeitdruck für möglich angesehen.
c) Aufgrund der rentenrelevanten Gesundheitsstörungen liegt keine quantitative Leistungseinschränkung vor. Die Klägerin kann zumindest körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Einschränkungen verrichten. Wie das SG folgt auch der Senat der Leistungsbeurteilung der Sachverständigen O.-P ...
Die Sachverständige O.-P. hat entgegen der Auffassung der Klägerin die vorliegende chronische Schmerzstörung hinreichend bei der Beurteilung des quantitativen Leistungsvermögens gewürdigt. Zu berücksichtigen ist, dass die Klägerin sich seit 2010 in keiner schmerztherapeutischen Behandlung mehr befindet. Eine schmerztherapeutische Behandlung erfolgte in den Jahren 2009 und 2010 (Berichte des Dr. Wi. vom 26. Februar und 30. September 2010). Nach den Angaben der Klägerin gegenüber der Sachverständigen O.-P. erfolgt seitdem keine schmerztherapeutische Behandlung mehr. Daraus ist nur der Schluss zu ziehen, dass eine weitere schmerztherapeutische Behandlung nicht notwendig ist und deshalb diese Erkrankung - jedenfalls derzeit - keine behandlungsbedürftige Ausprägung aufweist. Die Behandlung in den Jahren 2009 und 2010 hatte jedenfalls zuletzt eine Schwelle erreicht, dass ein Reduktionsversuch hinsichtlich der Dosis der schmerzbezogenen Morphin-Medikation vorgesehen war (Arztbrief des Dr. Wi. vom 30. September 2010). Die Beurteilung des quantitativen Leistungsvermögens durch die Sachverständige O.-P. ist auch hinsichtlich der psychischen Erkrankungen nachvollziehbar. Die Klägerin befand sich von 2011 bis 2013 in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung und erzielte nach ihren eigenen Angaben gegenüber den beiden Sachverständigen O.-P. und Dr. St. Fortschritte in dieser Behandlung. Dies wird auch durch die sachverständige Zeugenauskunft der Ärztlichen Psychotherapeutin Ri.-Bo. vom 5. Dezember 2011 bestätigt. Diese gab an im Verlauf der ambulanten Psychotherapie sei eine leichte Verbesserung des Allgemeinzustandes eingetreten sowie weiter, das Krankheitsverständnis und des Selbstbewusstsein der Klägerin hätten sich verbessert.
Dem Gutachten des Sachverständigen Dr. St. vermag auch der Senat nicht zu folgen. Der Senat schließt sich der Begründung des SG insoweit an. Dass die Schmerzstörung eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens zur Folge haben soll, überzeugt nicht. Der Sachverständige Dr. St. übersieht insoweit, dass die Klägerin sich seit 2010 in keiner schmerztherapeutischen Behandlung mehr befindet. Zudem ist nicht nachvollziehbar, weshalb die quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens seit Mitte des Jahres 2013 vorliegen soll. Der gesundheitliche Zustand der Klägerin ist jedenfalls seit 2010 unverändert. Dr. St. hat keine abweichenden Befunde erhoben, sondern ausdrücklich angegeben, die von ihm erhobenen Befunden stimmten mit denen der Sachverständigen O.-P. überein. Auch die behandelnden Ärzte haben jeweils von einem seit Jahren unveränderten Gesundheitszustand berichtet. Nicht in die Beurteilung mit einbezogen hat der Sachverständige Dr. St. ferner, dass sich die Klägerin von 2011 bis 2013 in einer psychotherapeutischen Behandlung befand und nach ihren eigenen Angaben auch ihm gegenüber Fortschritte erreichte. Schon deshalb ist die Annahme, eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens sei Mitte 2013 eingetreten, nicht nachvollziehbar.
Der Arztbrief der Dr. St. vom 7. Februar 2014 enthält keine abweichenden Befunde. Auch die Klägerin selbst konnte gegenüber Dr. St. nicht angeben, worin eine Verschlimmerung im Gesundheitszustand bestehen soll. Dies bestätigt, dass der gesundheitliche Zustand der Klägerin jedenfalls seit 2010 unverändert ist. Soweit Dr. St. eine Angst und Depression gemischt sowie eine generalisierte Angststörung diagnostizierte, konnten diese Diagnosen durch die beiden Sachverständigen O.-P. und Dr. St. nicht bestätigt werden.
d) Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten. Dies ist nicht der Fall. Bei der Klägerin liegen zwar - wie dargelegt - einige qualitative Leistungseinschränkungen vor, diese sind jedoch nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können - unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände - beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R -; in juris m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist bei der Klägerin vorhanden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbsminderung ab 1. Dezember 2010.
Die am 1960 geborene Klägerin absolvierte von September 1975 bis Februar 1978 im Beitrittsgebiet eine Ausbildung zur Facharbeiterin für Textiltechnik. Sie war anschließend bis 1991 als Näherin und Datenerfasserin versicherungspflichtig beschäftigt, danach bis 1995 selbstständig tätig und vom 20. November 1995 bis 19. November 1996 im Rahmen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme als Gärtnereihilfe mit Qualifizierung zur Zierpflanzengärtnerin erneut versicherungspflichtig beschäftigt. Danach war sie arbeitslos und erhielt Leistungen wegen Arbeitslosigkeit.
Anträge der Klägerin auf Rente wegen Erwerbsunfähigkeit oder verminderter Erwerbsfähigkeit vom 19. Dezember 1997, 22. September 1999, 26. September 2002 und 8. Januar 2008 blieben erfolglos. Den Rentenantrag vom 8. Januar 2008 lehnte die damals zuständige Deutsche Rentenversicherung Mitteldeutschland nach Einholung des Gutachtens des Arztes für Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. A. vom 26. Mai 2008 mit Bescheid vom 9. Juni 2008 und Widerspruchsbescheid vom 20. November 2008 ab. Die dagegen erhobene Klage wies das Sozialgericht Karlsruhe (SG) mit Gerichtsbescheid vom 21. September 2009 ab (S 17 R 5651/08). Das SG hatte die Gutachten des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. R. vom 27. Juli 2009 und des Arztes für Orthopädie und Rheumatologie Privatdozent Dr. Ro. vom 31. Juli 2009 erhoben. Die genannten Gutachter kamen jeweils zu dem Ergebnis, die Klägerin könne unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr täglich ausüben.
Die Klägerin beantragte am 12. Dezember 2010 erneut Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog die Akten des Rentenverfahrens aus dem Jahr 2008 sowie Berichte behandelnder Ärzte bei, unter anderem den Bericht des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. V., Ärztlicher Direktor der S. Klinik R., vom 14. März 2011 über die stationäre Krankenhausbehandlung vom 12. Januar bis 24. Februar 2011 wegen einer im Vordergrund stehenden ausgeprägten depressiven Symptomatik. Es erfolgte ein multimodales kognitiv-verhaltenstherapeutisches Therapieprogramm. Die Entlassung erfolgte in etwas stabilerem Zustand in die weitere ambulante psychotherapeutische Behandlung sowie mit der Empfehlung einer stationären Wiederaufnahme zur Traumabehandlung (aufgrund einer Verletzung durch Messerstiche und Bedrohungen durch einen früheren Ehemann) und Expositionsbehandlung der Ängste.
Auf Veranlassung der Beklagten erstatteten Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. W. und Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. die Gutachten vom 26. April 2011 sowie Internist Dr. M. das Gutachten vom 13. Mai 2011. Dr. W. nannte als Diagnosen einen Zustand nach Bandscheibenvorfall primär im Segment C5/C6 mit mehrmaligen nachfolgenden Operationen und jetzt mit Zustand bei Spondylodese mit Beckenspaninterposition C5 bis C7 mit eingeschränkter Armhochführungsmöglichkeit, einen Zustand nach multiplen Stumpf-, Rumpf- und Extremitätentraumata im Rahmen von Gewaltakten in der zweiten Ehe und ein schweres allgemeines Gelenk- und Weichteilschmerzsyndrom mit dem Erfordernis, eine Morphin-Medikation einzunehmen. Aus Sicht seines Fachgebiets könne die Klägerin eine leichte körperliche Tätigkeit sechs Stunden zeitgleich sitzend, stehend und gehend sowie in wohltemperiertem, zugluftfreiem und trockenem Umfeld ohne Arbeiten über Kopf, gebückte Haltungen, Hockstellungen und Zwangshaltungen des Rumpfes über ein längeres Intervall sowie Besteigen von Gerüsten und kleinen Raumleitern ausführen. Dr. B. nannte neben den Diagnosen des orthopädischen Fachgebiets einen kompensierten Tinnitus ohne neurologische Begleitsymptomatik und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung bei vorbestehend komplizierter Persönlichkeitsakzentuierung mit unreifen, auch histronischen sowie affektlabilen Zügen. Er fand keine richtungsweisenden klinisch-neurologischen Ausfälle sowie sowohl hinsichtlich etwaiger psychischer Beschwerden (Ängste, Depressionen) als auch hinsichtlich somatischer Beschwerden insgesamt eine erhebliche Diskrepanz zwischen Beschwerdeschilderungen einerseits und beiläufigen Angaben zum aktuellen außerberuflichen Hintergrund andererseits. Aus nervenärztlicher Sicht könne die Klägerin körperlich leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zu ebener Erde, nicht an unmittelbar gefährdenden Maschinen sowie ohne ständigen Zeitdruck, ständige nervöse Anspannung, andere Stressfaktoren wie Nacht- oder Wechselschicht und überdurchschnittlich fordernde soziale Interaktionen vollschichtig verrichten. Dr. M. führte aus, das Leistungsvermögen der Klägerin sei aufgrund einer somatoformen Schmerzstörung bei vorbestehend kombinierter Persönlichkeitsakzentuierung, einer Versteifungsoperation der Halswirbelsäule und einer regelrecht eingestellten Bluthochdruckerkrankung qualitativ (Wiederholung der von Dres. W. und B. genannten qualitativen Einschränkungen), aber nicht quantitativ eingeschränkt.
Die Beklagte lehnte den Rentenantrag ab (Bescheid vom 18. Mai 2011). Die Klägerin erhob Widerspruch. Wegen psychischer Erkrankungen sei sie nicht mehr in der Lage, auch nur annähernd leichte Tätigkeit auszuführen. Sie legte die Bescheinigung der Ärztlichen Psychotherapeutin Ri.-Bo. vom 1. Juni 2011 vor. Dr. B. blieb in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 12. Juli 2011 bei seiner Beurteilung. Der bei der Beklagten gebildete Widerspruchsausschuss wies den Widerspruch der Klägerin zurück (Widerspruchsbescheid vom 22. August 2011). Es gebe keine Anhaltspunkte, dass die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch weniger als sechs Stunden oder weniger als drei Stunden täglich arbeiten könne. Da das sozialmedizinische Ergebnis schlüssig und nachvollziehbar sei, schließe er (der Widerspruchsausschuss) sich den Beurteilungen des Sozialmedizinischen Dienstes an. In der zuletzt ausgeübten Tätigkeit als Gärtnergehilfin sei die Klägerin weder als Facharbeiterin noch in einer gehobenen angelernten Tätigkeit beschäftigt gewesen. Die konkrete Benennung einer Tätigkeit sei angesichts der Vielzahl auf dem Arbeitsmarkt vorhandenen ungelernten Tätigkeiten nicht erforderlich.
Die Klägerin erhob am 8. September 2011 Klage beim SG und begehrte Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 und 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI). Bei Berücksichtigung aller ihrer Erkrankungen in der Gesamtheit sei ihr Leistungsvermögen auf einen rentenberechtigenden Grad herabgesunken. Bei ihr bestünden eine Versteifung von Abschnitten der Wirbelsäule, Beeinträchtigungen auf neurologischem und psychiatrischem Gebiet infolge eines Fibromyalgiesyndroms mit anhaltenden starken Schmerzsyndromen, eine Hochtonschwerhörigkeit, ein Tinnitus und eine rezidivierende depressive Störung mit schweren Episoden, basierend auf traumatischen Erlebnissen (Verletzungen und Bedrohungen) in der (früheren) Ehe. Wenn sie auf die traumatischen Erlebnisse in der früheren Ehe angesprochen werde, komme es zu Ausnahmezuständen wie einer krisenhaften Hyperventilation. Im Hinblick auf den (im Widerspruchsverfahren vorgelegten) Bericht der Ärztlichen Psychotherapeutin Ri.-Bo. sei die ergänzende gutachterliche Stellungnahme des Dr. B. nicht verständlich.
Die Klägerin war vom 12. September bis 31. Oktober 2012 erneut in stationärer Krankenhausbehandlung in der S. Klinik R. auf der dortigen allgemeinen Station mit verhaltenstherapeutischem Setting (von der Klägerin vorgelegter vorläufiger Entlassungsbericht der Stationsärztin Dr. v. K. vom 30. Oktober 2012).
Die Beklagte blieb gestützt auf die von ihr vorgelegte sozialmedizinische Stellungnahme des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. He. vom 2. Juli 2012 bei ihrer Auffassung, der Klägerin sei noch mindestens sechsstündige Erwerbstätigkeit möglich.
Das SG hörte die Klägerin behandelnde Ärzte als sachverständige Zeugen. Arzt für Innere Medizin Dr. J. übersandte dem SG ihm zugegangene Arztbriefe, unter anderem des Arztes für Anästhesiologie - Spezielle Schmerztherapie - Dr. Wi. vom 26. Februar und 30. September 2010 über die seit 27. Juli 2009 erfolgte ambulante Schmerztherapie. Im zuletzt genannten Arztbrief führte dieser aus, er stelle sich im kommenden Frühjahr einen Reduktionsversuch (hinsichtlich der Dosierung der Morphin-Medikation) vor. Arzt für Innere Medizin Dr. Al. (Auskunft vom 21. November 2011) meinte, wegen einer seit mehr als sechs Monaten andauernden chronifizierten somatisiertem Schmerzerkrankung mit psychischen Anteilen sowie zentralen und peripheren Schmerzanteilen könne die Klägerin nur weniger als drei Stunden täglich einer Beschäftigung nachgehen. Seit Januar 2009 habe sich der Gesundheitszustand verschlechtert. Orthopäde Dr. Hö. (Auskunft vom 22. November 2011) berichtete über die Progredienz der Beschwerden und sah den Schwerpunkt der Erkrankung der Klägerin im psychischen Bereich. Er fügte seiner Auskunft weitere als die bereits genannten Arztbriefe des Dr. Wi. bei. Ärztliche Psychotherapeutin Ri.-Bo. (Auskunft vom 5. Dezember 2011) teilte mit, im Verlauf der ambulanten Psychotherapie seit 15. März 2011 mit bisher 27 Sitzungen Verhaltenstherapie sei eine leichte Verbesserung des Allgemeinzustands eingetreten, wegen Flashbacks durch die erlittene schwere Traumatisierung sei der Zustand der Klägerin jedoch schnell erheblich beeinträchtigt. Die Klägerin sei nicht in der Lage, einer körperlich leichten und nervlich wenig belastenden Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich nachzugehen. Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Sa. (Auskunft vom 6. November 2012) gab an, seit 1. Januar 2010 hätten unverändert multiple Schmerzen im Sinne eines Fibromyalgiesyndroms sowie Angst und Depression gemischt bestanden.
Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie O.-P. erstattete ihr Gutachten vom 15. April 2013. Bei der Klägerin handle es sich um eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Unter der aktuellen Behandlung finde sich das Bild einer Dysthymia mit rückläufigem agoraphobem Erleben von rezidivierendem Angsterleben. Zumindest unter der Behandlung sei von einem stabilisierten Bild auszugehen. Darüber hinaus lägen die in der Aktenlage ausführlich dargestellten orthopädischen und internistischen Erkrankungen vor sowie Hinweise auf einen Benzodiazepin-Abusus, eine Hörminderung und ein Tinnituserleben, ohne dass bisher eine Hörgeräteversorgung erfolgt sei. Durch eine Intensivierung des multimodalen Ansatzes der Schmerzbehandlung - nach Angaben der Klägerin gegenüber der Sachverständigen erfolge sei 2010 keine Schmerztherapie mehr - und eine Intensivierung der antidepressiven entängstigenden Behandlung könne noch eine Besserung des subjektiven Erlebens erreicht werden. Unter Beachtung (näher bezeichneter) Einschränkungen, die bereits in dem im vorangegangenen Gerichtsverfahren erhobenen orthopädischen Gutachten beschrieben seien, sei die Klägerin noch in der Lage, mindestens sechs Stunden täglich Arbeiten auszuführen. Die Wegefähigkeit sei nicht eingeschränkt. Im Vergleich zu den vorliegenden Befunden aus dem vorangegangenen gerichtlichen Verfahren könne im Verlauf keine wesentliche Änderung der Einschätzung vorgenommen werden.
Auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erstattete Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. St. das Gutachten vom 19. August 2013. Er diagnostizierte eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, eine depressive Entwicklung im Sinne einer Dysthymia, eine Agoraphobie mit Panikstörung, einen Benzodiazepin-Abusus, eine Adipositas, eine arterielle Hypertonie sowie eine Hörminderung beidseits und einen Tinnitus. Außerdem werde die Klägerin nach den Kriterien eines vorliegenden Aufmerksamkeit-Hyperaktivitätssyndroms im Erwachsenenalter behandelt. Zumindest der Verdacht einer solchen Erkrankung liege nahe. Die in den Vorgutachten erhobenen Befunde und Diagnosen hätten im Wesentlichen bestätigt werden können. Er stimme der Sachverständigen O.-P. zu, dass durch eine Intensivierung des multimodalen Ansatzes der Schmerzbehandlung und eine Intensivierung der antidepressiven entängstigen Behandlung noch eine Besserung des subjektiven Erlebens erreicht werden könne. Im Gegensatz zur Sachverständigen O.-P. komme er zu dem Schluss, durch die vorliegenden Gesundheitsstörungen liege auch eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens vor und die Klägerin sei allenfalls in der Lage, mindestens drei bis unter sechs Stunden täglich einfache Tätigkeiten in Tagesschicht ohne Anforderungen an Konzentration, Verantwortung, geistige Beweglichkeit und Zeitdruck auszuführen. Die Sachverständige O.-P. habe die sozialmedizinische Relevanz insbesondere der vorliegenden Schmerzstörung nicht hinreichend beurteilt. Die Wegefähigkeit sei nur insoweit eingeschränkt, als die Klägerin derzeit einen PKW nicht benutzen könne. Die quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens liege wenigstens seit Mitte des Jahres 2013 vor.
Die Beklagte blieb unter Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahme des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N. vom 5. September 2013 bei ihrer Auffassung, es bestehe kein quantitativ eingeschränktes Leistungsvermögen.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 13. November 2013 ab. Die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Denn ihr arbeitstägliches Restleistungsvermögen betrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mindestens sechs Stunden täglich. Dies ergebe sich aus dem überzeugenden, in sich schlüssigen und wohl begründeten Sachverständigengutachten der Ärztin O.-P., der sachverständigen Zeugenaussage des Dr. Hö. sowie den im Wege des Urkundenbeweises verwerteten Gutachten der Dres. M., W. und B ... Die bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen schränkten ihre berufliche Leistungsfähigkeit zwar in qualitativer, nicht aber in quantitativer Hinsicht ein. Der Ansicht des Dr. St. sei im Hinblick auf das schlüssige und überzeugende Sachverständigengutachten der Ärztin O.-P. nicht zu folgen. Insbesondere habe Dr. St. eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes nicht nachvollziehbar dargelegt. Die Klägerin habe weder ihren Tagesablauf, wie sie ihn gegenüber Ärztin O.-P. geschildert habe, wesentlich geändert noch ihre antidepressive Medikation angepasst. Vielmehr belegten die von Dr. St. erhobenen Befunde einen seit der Begutachtung durch Ärztin O.-P. unveränderten Gesundheitszustand in psychischer Hinsicht. Aus denselben Erwägungen sei auch nicht der Leistungseinschätzung der Ärztlichen Psychotherapeutin Ri.-Bo. und des Dr. Al. zu folgen. Über die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung berichteten Taubheitsgefühle in den Händen habe sie bei der Begutachtung durch Dr. St. nicht geklagt. Eine Berücksichtigung komme nicht in Betracht, weil die weitere Entwicklung dieser Taubheitsgefühle noch nicht absehbar sei und der derzeitige Zustand noch keine sechs Monate bestanden habe. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Gärtnerhelferin vermittle keinen besonderen Berufsschutz.
Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 27. November 2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 3. Dezember 2013 Berufung eingelegt. Ihr stehe Rente wegen Erwerbsminderung zu. Die Folgerung von Dr. St., die bei ihr gegebenen anhaltenden Schmerzstörungen sei nicht ausreichend beurteilt, hätten weder Ärztin O.-P. noch das SG ausreichend in die Bewertung mit einbezogen. Bereits im Jahre 2010 seien diese Gesundheitsstörungen bekannt sowie derart ausgeprägt und schwerwiegend gewesen (Verweis auf die Arztbriefe des Dr. Wi. vom 26. Februar und 30. September 2010), dass die Verrichtung auch nur einer leichten Tätigkeit unter Berücksichtigung der Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht mehr möglich gewesen seien. Die Klägerin hat den Arztbrief der Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie und Neurologie Dr. St. vom 7. Februar 2014 vorgelegt. Diese hat als Diagnosen ein schweres Fibromyalgiesyndrom, eine Angst und Depression gemischt, eine generalisierte Angststörung, einen Hypertonus sowie den Verdacht auf eine Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung genannt und über eine Umstellung der Medikation sowie die beabsichtigte Vorstellung in einer Spezialambulanz für die Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung berichtet.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13. November 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. August 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ab 1. Dezember 2010 ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf die ihrer Auffassung nach zutreffenden Ausführungen im Urteil des SG und ihren bisherigen Vortrag.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, da er die Berufung der Klägerin einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Die Klägerin hat die Berufung die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung. Denn die Klägerin begehrt Leistungen für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. August 2011 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat ab 1. Dezember 2010 keinen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung.
1. Zu entscheiden ist allein, ob die (rechtskundig vertretene) Klägerin Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI hat, nicht aber ob sie Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI hat. Denn sie hat beim SG im Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 14. November 2011 (Blatt 8 SG-Akte) lediglich die Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 1 und 2 SGB VI begehrt.
2. Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Ausgehend hiervon ist die Klägerin seit 1. Dezember 2010 weder voll noch teilweise erwerbsgemindert.
a) Bei der Klägerin steht im Vordergrund eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Ferner besteht eine Dysthymia mit rückläufigem agoraphobem Erleben und rezidivierendem Angsterleben. Eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode, die Ärztliche Psychotherapeutin Ri.-Bo. (Bescheinigung vom 1. Juni 2011) und Dr. V. (Bericht vom 14. März 2011) nannten, besteht nicht. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten der Sachverständigen O.-P ... Der weitere im erstinstanzlichen Verfahren gehörte Sachverständige Dr. St. stimmte diesen Diagnosen zu. Auch die von der Beklagten im Verwaltungsverfahren gehörten Gutachter Dres. W., B. und M. haben eine Schmerzerkrankung festgestellt.
Weiter leidet die Klägerin an Gesundheitsstörungen im Bereich der Wirbelsäule, insbesondere im Bereich der Halswirbelsäule nach einem Bandscheibenvorfall mit mehreren nachfolgenden Operationen. Es bestehen eine endgradige Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule bei Extension und Flexion sowie bei der Kopfseitneigung nach rechts und eine eingeschränkte Möglichkeit, die Arme nach oben zu führen. Dies ergibt sich aus dem Gutachten des Dr. W ...
Schließlich leidet die Klägerin noch an einer Bluthochdruckerkrankung, die allerdings regelrecht eingestellt ist, sowie an einem Tinnitus. Dies ergibt sich aus den Gutachten des Dr. M., des Dr. B. und der Sachverständigen O.-P ...
Eine Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörung vermag der Senat nicht festzustellen. Dr. St. nennt in ihrem von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegten Arztbrief vom 7. Februar 2014 lediglich eine Verdachtsdiagnose.
b) Aufgrund dieser Gesundheitsstörungen ergeben sich die von der Sachverständigen O.-P. genannten qualitativen Leistungseinschränkungen. Die Klägerin kann nicht mehr verrichten mittelschwere und schwere körperliche Tätigkeiten mit Heben und Tragen von Lasten über sieben bis acht kg, dauerndem Stehen, Gehen (auch auf unebenem Gelände), Sitzen, gleichförmigen Körperhaltungen, Armvorhalten, häufigem Bücken und Treppensteigen, Absturzgefahr, besonderer geistiger Beanspruchung, hoher Verantwortung, außergewöhnlicher Belastung und erhöhter Anforderung an das Hörvermögen, Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten, Tätigkeiten in Kälte und Nässe ohne Schutzkleidung sowie Nachtdienst-, Akkord- und Fließbandarbeiten. Zumutbar sind der Klägerin noch einfache überschaubare Tätigkeiten in Wechselhaltung und in Tages-, Früh- oder Spätschicht mit klaren Anweisungen ohne das Erfordernis einer erhöhten Konfliktfähigkeit. Der Sachverständige Dr. St. hat keine weiteren qualitativen Einschränkungen genannt. Er hat ebenfalls - auch unter Verweis auf die Vorgutachten, insbesondere das orthopädische Gutachten des Privatdozent Dr. Ro. im vorangegangenen sozialgerichtlichen Verfahren - einfache Tätigkeiten in Tagesschicht mit Heben und Tragen von Lasten bis zu sieben bis acht kg in Wechselhaltung ohne Anforderungen an Konzentration, Verantwortung, geistige Beweglichkeit und Zeitdruck für möglich angesehen.
c) Aufgrund der rentenrelevanten Gesundheitsstörungen liegt keine quantitative Leistungseinschränkung vor. Die Klägerin kann zumindest körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich unter Berücksichtigung der genannten qualitativen Einschränkungen verrichten. Wie das SG folgt auch der Senat der Leistungsbeurteilung der Sachverständigen O.-P ...
Die Sachverständige O.-P. hat entgegen der Auffassung der Klägerin die vorliegende chronische Schmerzstörung hinreichend bei der Beurteilung des quantitativen Leistungsvermögens gewürdigt. Zu berücksichtigen ist, dass die Klägerin sich seit 2010 in keiner schmerztherapeutischen Behandlung mehr befindet. Eine schmerztherapeutische Behandlung erfolgte in den Jahren 2009 und 2010 (Berichte des Dr. Wi. vom 26. Februar und 30. September 2010). Nach den Angaben der Klägerin gegenüber der Sachverständigen O.-P. erfolgt seitdem keine schmerztherapeutische Behandlung mehr. Daraus ist nur der Schluss zu ziehen, dass eine weitere schmerztherapeutische Behandlung nicht notwendig ist und deshalb diese Erkrankung - jedenfalls derzeit - keine behandlungsbedürftige Ausprägung aufweist. Die Behandlung in den Jahren 2009 und 2010 hatte jedenfalls zuletzt eine Schwelle erreicht, dass ein Reduktionsversuch hinsichtlich der Dosis der schmerzbezogenen Morphin-Medikation vorgesehen war (Arztbrief des Dr. Wi. vom 30. September 2010). Die Beurteilung des quantitativen Leistungsvermögens durch die Sachverständige O.-P. ist auch hinsichtlich der psychischen Erkrankungen nachvollziehbar. Die Klägerin befand sich von 2011 bis 2013 in ambulanter psychotherapeutischer Behandlung und erzielte nach ihren eigenen Angaben gegenüber den beiden Sachverständigen O.-P. und Dr. St. Fortschritte in dieser Behandlung. Dies wird auch durch die sachverständige Zeugenauskunft der Ärztlichen Psychotherapeutin Ri.-Bo. vom 5. Dezember 2011 bestätigt. Diese gab an im Verlauf der ambulanten Psychotherapie sei eine leichte Verbesserung des Allgemeinzustandes eingetreten sowie weiter, das Krankheitsverständnis und des Selbstbewusstsein der Klägerin hätten sich verbessert.
Dem Gutachten des Sachverständigen Dr. St. vermag auch der Senat nicht zu folgen. Der Senat schließt sich der Begründung des SG insoweit an. Dass die Schmerzstörung eine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens zur Folge haben soll, überzeugt nicht. Der Sachverständige Dr. St. übersieht insoweit, dass die Klägerin sich seit 2010 in keiner schmerztherapeutischen Behandlung mehr befindet. Zudem ist nicht nachvollziehbar, weshalb die quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens seit Mitte des Jahres 2013 vorliegen soll. Der gesundheitliche Zustand der Klägerin ist jedenfalls seit 2010 unverändert. Dr. St. hat keine abweichenden Befunde erhoben, sondern ausdrücklich angegeben, die von ihm erhobenen Befunden stimmten mit denen der Sachverständigen O.-P. überein. Auch die behandelnden Ärzte haben jeweils von einem seit Jahren unveränderten Gesundheitszustand berichtet. Nicht in die Beurteilung mit einbezogen hat der Sachverständige Dr. St. ferner, dass sich die Klägerin von 2011 bis 2013 in einer psychotherapeutischen Behandlung befand und nach ihren eigenen Angaben auch ihm gegenüber Fortschritte erreichte. Schon deshalb ist die Annahme, eine Einschränkung des quantitativen Leistungsvermögens sei Mitte 2013 eingetreten, nicht nachvollziehbar.
Der Arztbrief der Dr. St. vom 7. Februar 2014 enthält keine abweichenden Befunde. Auch die Klägerin selbst konnte gegenüber Dr. St. nicht angeben, worin eine Verschlimmerung im Gesundheitszustand bestehen soll. Dies bestätigt, dass der gesundheitliche Zustand der Klägerin jedenfalls seit 2010 unverändert ist. Soweit Dr. St. eine Angst und Depression gemischt sowie eine generalisierte Angststörung diagnostizierte, konnten diese Diagnosen durch die beiden Sachverständigen O.-P. und Dr. St. nicht bestätigt werden.
d) Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten. Dies ist nicht der Fall. Bei der Klägerin liegen zwar - wie dargelegt - einige qualitative Leistungseinschränkungen vor, diese sind jedoch nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können - unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände - beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 9. Mai 2012 - B 5 R 68/11 R -; in juris m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist bei der Klägerin vorhanden.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved