S 72 KR 1220/10

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
72
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 72 KR 1220/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die für den Abschluss von Ausnahmevereinbarungen nach Art. 17 der Verordnung (VO) (EWG) Nr. 1408/71 erforderliche Zustimmungserklärung der zuständigen deutschen Behörde stellt keinen Verwaltungsakt gegenüber einem eine Ausnahmevereinbarung beantragenden ausländischen Unternehmen dar mit der Folge, dass die Erteilung der Zustimmung nicht im Wege der Verpflichtungsklage begehrt werden kann.
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Tatbestand:

Streitig ist die Erteilung einer Zustimmung für den Abschluss von Ausnahmevereinbarungen nach Art. 17 der Verordnung (VO) (EWG) Nr. 1408/71.

Die Klägerin ist eine GmbH nach polnischem Recht mit Sitz in T./Polen. Sie ist eine 100%ige Tochter der E.S.A., einer Aktiengesellschaft nach polnischem Recht. Die Tätigkeit der E.-Unternehmens-Gruppe umfasst die Vorbereitung und Ausführung von Bauvorhaben in Polen, aber auch in anderen EU-Ländern. Die Klägerin war im Schiffsbau tätig; zum Mai 2006 stellte sie ihre Tätigkeit in Deutschland ein.

Im Jahr 2005 beantragte sie bei der in Polen für den Abschluss von Ausnahmevereinbarungen zuständigen Stelle, der Zaklad Ubezpieczen Spolecznych (ZUS), mit zwei Anträgen für insgesamt 30 Arbeitnehmer, dass während deren Tätigkeit in Deutschland die polnischen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit bis längstens 31.07.2008 weiterhin anwendbar sein sollen. Die ZUS unterbreitete daraufhin der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung-Ausland (DVKA), für die betroffenen Arbeitnehmer Vereinbarungsvorschläge.

Mit Schreiben vom 03.04.2007, 27.06.2007 und 16.08.2007 teilte die DVKA der Klägerin mit, dass dem Antrag auf Weitergeltung der polnischen Rechtsvorschriften über Soziale Sicherheit für die von den Anträgen umfassten Arbeitnehmer nicht entsprochen werden könne; dies sei der polnischen zuständigen Behörde mitgeteilt worden. Weiter bat sie die Klägerin, die Arbeitnehmer über deren Krankenkassenwahlrecht zu informieren und mitzuteilen, welche Krankenkasse für den Beitragseinzug zuständig sein solle.

In der Folge erteilte die ZUS der Klägerin ablehnende Bescheide.

Gegen die Schreiben der DVKA legte die Klägerin mit Schreiben vom 03.05.2007, 13.08.2007 und 26.10.2007 Widerspruch ein. Mit Widerspruchsbescheid vom 13.10.2009 wies die Beklagte, die die DVKA zum 01.07.2008 übernommen hatte, die Widersprüche der Klägerin als unzulässig zurück. Die Sachverhaltsaufklärung habe ergeben, dass die Klägerin bis Januar 2007 keine nennenswerte Geschäftstätigkeit in Polen ausgeführt habe. Dies sei Voraussetzung für den Abschluss von Ausnahmegenehmigungen. Weiter würden sich die Widersprüche gegen die falsche Behörde richten. Der Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung sei an die Vertragspartei zu richten, in deren Gebiet der Arbeitgeber seinen Sitz habe. Dementsprechend sei die ZUS die zuständige Stelle i.S.d. Art. 17 VO (EWG) Nr. 1408/71, die den Antrag zu bescheiden habe. Die Beklagte habe gegenüber der Klägerin keine Verwaltungsakte erlassen. Vielmehr handele es sich bei den von der ZUS gegenüber der Klägerin erlassenen Bescheiden um mehrstufige Bescheide, da die Herstellung des Einvernehmens mit der Beklagten erforderlich sei. Bei dieser Mitwirkungshandlung handele es sich um ein Verwaltungsinternum. Auch die Mitteilung eines EG-ausländischen Versicherungsträgers entfalte keine unmittelbare Außenwirkung. Die Beklagte sei lediglich dann Widerspruchs- und Klagegegner, wenn sie einen ablehnenden Bescheid über die Weitergeltung des deutschen Sozialversicherungsrechts erlasse. Mangels gestaltender Wirkung hätten die Schreiben der Beklagten an die Klägerin keine Verwaltungsaktsqualität. In der Aufforderung zur Ausübung des Kassenwahlrechts liege zudem keine Außenwirkung.

Am 13.11.2009 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Düsseldorf Klage erhoben, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 17.06.2010 an das Sozialgericht Berlin verwiesen hat.

Zur Begründung macht die Klägerin geltend, den Schreiben der Beklagten würde als Ablehnungsbescheiden Verwaltungsaktsqualität zukommen, die sowohl einen Regelungsgehalt als auch eine für die Klägerin unmittelbare Außenwirkung entfalten würden. Aus der ablehnenden Entscheidung der Beklagten würden unmittelbare finanzielle Nachteile für die Klägerin folgen, da hieraus eine Beitragspflicht in Deutschland resultiere. Durch die Bescheide der Beklagten würde die Sozialversicherungspflicht in Deutschland geregelt, d.h. die Geltung der deutschen Rechtsvorschriften stelle sich als unmittelbare Rechtsfolge der Ablehnungsbescheide dar. So hätten sich bereits zwei verschiedene deutsche Krankenkassen an die Klägerin gewandt und diese zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgefordert, obwohl die deutschen Krankenkassen noch keine Kenntnis von der Entscheidung der ZUS hätten. Die Beklagte habe die Einzugsstellen noch vor einer Bescheidung durch die ZUS informiert und sie beauftragt, die Sozialversicherung durchzuführen. Sie sei also selbst davon ausgegangen, dass schon aufgrund ihrer Entscheidung die Beitragspflicht entstanden sei. Den angefochtenen Bescheiden käme damit nicht nur verwaltungsinterne Wirkung zu.

Den Entscheidungen der Beklagten käme auch Außenwirkung zu. Zwar würden die Anträge auf Erteilung der Zustimmung von der ZUS gestellt; diese werde jedoch aufgrund der Anträge der Klägerin tätig. Zum anderen wirke sich die Entscheidung der Beklagten unmittelbar auf die entsendenden Unternehmen aus. Die Beklagte habe ihre Entscheidungen auch der Klägerin unmittelbar zur Kenntnis gebracht. Auch könne ein polnisches Gericht die Beklagte nicht zur Abgabe einer Zustimmungserklärung verpflichten.

Weiterhin habe die Klägerin für die betroffenen Arbeitnehmer bereits Beiträge nach dem polnischen Sozialversicherungsrecht abgeführt. Selbst wenn diese Beiträge erstattet werden könnten, sei dies mit einem enormen Verwaltungsaufwand verbunden. Im Übrigen führe eine Rückabwicklung der Versicherungsverhältnisse im Entsendestaat zu zahlreichen Folgeproblemen, insbesondere mit Blick auf die Krankenversicherung der Ehefrauen und Kinder der entsendeten Arbeitnehmer.

Die Klägerin weist weiter darauf hin, dass sie ihre Tätigkeit in Deutschland zum 31.05.2006 eingestellt und danach keine Arbeitnehmer mehr in Deutschland beschäftigt habe. Die von der Beklagten zugrunde gelegten Zeiträume würden über diesen Zeitpunkt hinaus gehen, weil nach der Beantragung der Zustimmungen Änderungen in den geplanten Einsatzzeiten eingetreten seien. Die ursprünglichen Anträge seien durch die Entscheidung der Konzernspitze überholt worden. Eine Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen könne allenfalls für solche Zeiträume bestehen, in denen Arbeitnehmer in Deutschland beschäftigt worden seien. Die Klägerin habe die entsprechenden Änderungen der ZUS mitgeteilt und gehe davon aus, dass die ZUS die Änderungen der Beklagten bekannt gegeben habe. Dementsprechend seien die Bescheide der Beklagten jedenfalls insoweit sachlich falsch. Wäre die Auffassung der Beklagten zutreffend, so würden die grundlegend sachlich falschen Ablehnungsbescheide rechtskräftig werden mit der Folge, dass die Klägerin Beiträge zur deutschen Sozialversicherung abführen müsse, in denen sie in Deutschland nachweislich keine Arbeitnehmer beschäftigt habe.

Die Klägerin macht darüber hinaus geltend, die von der Beklagten in ihren Schreiben in Bezug genommenen Arbeitnehmer seien in den angegebenen Zeiträumen teilweise für ein anderes Unternehmen der E.-Gruppe tätig gewesen und für sie sei insoweit nach erfolgter Zustimmung durch die Beklagte eine E 101-Bescheinigung von der ZUS ausgestellt worden. Die Bindungswirkung der E 101-Bescheinigungen stehe einer Unterwerfung dieser Arbeitnehmer unter das deutsche Sozialversicherungsrecht entgegen. Schließlich führt die Klägerin aus, die Urteile des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 27.01.2009 (S 9 (4) KR 174/05) und des SG Köln vom 25.08.2010 (S 9 (19) KR 244/07) würden die Rechtsauffassung der Beklagten nicht stützen. Das SG Düsseldorf habe die Klage nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abgelehnt. Das Urteil des SG Köln sei auf den streitgegenständlichen Sachverhalt nicht übertragbar, da dort die Klage aufgrund der Liquidation der dortigen Klägerin als unzulässig abgewiesen worden sei. Dem Urteil sei weiter nicht zu entnehmen, dass sich aufgrund der Entscheidung der Beklagten ein deutscher Sozialversicherungsträger an das betroffene Unternehmen gewandt und dieses allein auf Grundlage der Entscheidung der Beklagten zur Abgabe von Meldungen und zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen aufgefordert hätte.

Die Klägerin beantragt, die Bescheide der Beklagten vom 03.04.2007, 27.06.2007 und 16.08.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.10.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, nachträglich ihre Zustimmung zum Abschluss von Ausnahmevereinbarungen nach Art. 17 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 für die in der Klageschrift im Einzelnen genannten 30 Arbeitnehmer und Zeiträume zu erteilen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass die Klage als unzulässig abzuweisen ist. Die ZUS habe die Anträge der Klägerin dahin beschieden, dass für die einzelnen Arbeitnehmer für die genannten Zeiträume der Ausführung ihrer Arbeit in Deutschland keine Ausnahmevereinbarungen geschlossen worden seien und daher nicht die polnischen, sondern die deutschen Rechtsvorschriften für soziale Sicherheit anzuwenden seien. Die Klägerin sei gehalten, Verpflichtungsklage gegen die ZUS zu erheben. Ein Verwaltungsinternum wie die Zustimmung der Beklagten könne vom Bürger nicht im Klageweg erstritten werden. Die Beklagte sei deshalb die falsche Klagegegnerin.

Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Entscheidung des SG Köln auf den streitgegenständlichen Fall übertragbar. Der Sachverhalt sei nicht anders gewesen als der Sachverhalt im hier zu beurteilenden Fall. Auch in dem Fall des Sozialgerichts Köln habe sich die Beklagte nach Ablehnung der Zustimmung zum Abschluss einer Ausnahmevereinbarung auf Weitergeltung der polnischen Rechtsvorschriften an den Arbeitgeber gewandt. Der Arbeitgeber sei auf das in Deutschland bestehende Kassenwahlrecht hingewiesen und darüber informiert worden, dass die zuständige Krankenkasse in Deutschland die Versicherungs- und Beitragspflicht festlege. Ebenfalls sei das weitere Verfahren im Fall einer Nichtausübung des Kassenwahlrechts erläutert worden. In dem Fall würden die Unterlagen an die zuständige Krankenkasse zur Prüfung der Versicherungspflicht weitergeleitet. Es handele sich hierbei um ein Standardverfahren, welches in jedem Fall in dieser Form durchgeführt werde, soweit die Zustimmung zur Weitergeltung ausländischen Rechts abgelehnt werde.

Durch die Schreiben an den Arbeitgeber und die Krankenkasse würde keine unmittelbare Rechtswirkung nach außen begründet. Wenn die Weitergeltung der polnischen Rechtsvorschriften abgelehnt werde, gelte automatisch wieder der Grundsatz der VO (EWG) 1408/71. Demnach würden die deutschen Rechtsvorschriften in diesem Fall nicht aufgrund einer Festlegung durch die Beklagte, sondern infolge der Anwendung der Rechtsverordnung gelten. Auch die Beitrags- und Versicherungspflicht in Deutschland entstehe nicht infolge der Ablehnung der Zustimmung durch die Beklagte, sondern per Gesetz nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuchs.

Die Beklagte weist schließlich darauf hin, dass die zunächst den betroffenen Arbeitnehmern erteilten E 101-Bescheinigungen von der ZUS zurückgenommen worden seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitverhältnisses wird auf die Gerichtsakten, auf die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen, die – soweit wesentlich – auch Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung waren.

Entscheidungsgründe:

Soweit das Begehren der Klägerin als kombiniertes Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren gem. § 54 Abs. 1 S. 1 SGG ausgelegt wird, ist die Klage mangels Verwaltungsaktsqualität der angegriffenen Schreiben und der begehrten Zustimmungserklärung bereits unzulässig (dazu unter I.). Bei Auslegung des Klagebegehrens der Klägerin als allgemeine Leistungklage gem. § 54 Abs. 5 SGG, gerichtet auf die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe der Zustimmungserklärung zu einer Ausnahmevereinbarung, wäre die Klage zwar zulässig, aber unbegründet (dazu unter II.).

I. Entgegen der Auffassung der Klägerin handelt es sich weder bei den Schreiben der Beklagten vom 03.04.2007, 27.06.2007 und 16.08.2007, noch bei der begehrten Zustimmungserklärung um Verwaltungsakte im Sinne von § 31 SGB X. Gemäß § 31 S. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechtes trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Eine Regelungswirkung kommt nur solchen hoheitlichen Maßnahmen zu, die darauf gerichtet sind, eine Rechtsfolge zu setzen, also ein subjektives Recht festzustellen oder zu beseitigen oder eine Pflicht zu begründen (vgl. Mutschler, in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht, 79. Ergänzungslieferung 2013, § 31 SGB X Rn. 14).

Den angegriffenen Schreiben ist eine solche Regelungswirkung nach außen nicht zu entnehmen. In den Schreiben hat die Beklagte der Klägerin lediglich mitgeteilt, dass dem Antrag auf Weitergeltung der polnischen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit nicht habe entsprochen werden können. Sie hat den Antrag aber nicht gegenüber der Klägerin abgelehnt. Für eine solche verbindliche Ablehnung – wie auch Bewilligung – der zuständigen Behörde des Beschäftigungsstaats unmittelbar gegenüber dem die Ausnahmegenehmigung beantragenden Unternehmen sehen die Rechtsvorschriften des europäischen koordinierenden Sozialrechts keine Rechtsgrundlage vor. Gem. Art. 17 der für den hier streitigen Zeitraum maßgeblichen VO (EWG) Nr. 1408/71 können zwei oder mehr Mitgliedstaaten bzw. die von diesen bezeichneten zuständigen Stellen im Interesse bestimmter Personengruppen oder bestimmter Personen Ausnahmen von den Regelungen der Artikel 13 bis 16 der Verordnung vereinbaren. Eine solche Ausnahmeregelung setzt mithin eine Willensübereinstimmung der betroffenen Mitgliedstaaten bzw. von deren Institutionen voraus (vgl. zur inhaltlich unveränderten Nachfolgeregelung in Art. 16 VO (EWG) 883/04 Schreiber, in ders./Wunder/Dern, VO (EWG) 883/04, 2012, Art. 16 Rn. 3).

Gem. Artikel 11 lit. b) der VO (EWG) Nr. 574/72 – der Durchführungsverordnung zur VO (EWG) Nr. 1408/71 – hat der Träger, den die zuständige Behörde desjenigen Mitgliedstaats bezeichnet, dessen Rechtsvorschriften weiterhin anzuwenden sind, in den Fällen des Artikels 17 der Verordnung eine Bescheinigung darüber auszustellen, dass und bis zu welchem Zeitpunkt diese Rechtsvorschriften weiterhin für den Arbeitnehmer gelten. Zuständig für die Erteilung der Ausnahmegenehmigung ist damit der Träger des Staates, dessen Rechtsvorschriften nach dem Antrag der Arbeitgeber/Beschäftigten weiter gelten sollen, hier also die ZUS. Dementsprechend hat die Klägerin den Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung auch bei der ZUS gestellt, nicht bei der Beklagten. Nur zwischen der ZUS und ihr besteht eine unmittelbare rechtliche Beziehung durch das eingeräumte Antragsrecht und nur insoweit kann eine Regelung mit Außenwirkung getroffen werden. Zwar erscheint die vom SG Köln mit Urteil vom 25.08.2010 (S 9 (19) KR 244/07, Rn. 17 bei juris) bestätigte Auffassung der Beklagten, wonach es sich bei der von der zuständigen Behörde des Entsendestaats gegenüber dem Antragsteller getroffenen Entscheidung um einen mehrstufigen Verwaltungsakt und bei der Zustimmungserklärung des Beschäftigungsstaats lediglich um ein Verwaltungsinternum handeln soll, zweifelhaft. Insbesondere ist nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage die Behörde eines EU-Mitgliedstaats bzw. im Streitfall die Gerichte eines EU-Mitgliedstaats berechtigt sein sollen, die Behörde eines anderen EU-Mitgliedstaats zur Abgabe einer Zustimmungserklärung zu verpflichten. Dies wäre aber die Konsequenz der Annahme eines mehrstufigen Verwaltungsakts. Darüber hinaus wird diese Auffassung der Rechtsnatur der getroffenen Ausnahmevereinbarungen nicht gerecht. Auch wenn die Frage nach Rechtsnatur der Ausnahmevereinbarungen in der Kommentarliteratur uneinheitlich beantwortet wird, so besteht doch einhellig die Auffassung, dass es sich insoweit um völkerrechtliche Vereinbarungen handelt. In Betracht kommen insoweit ein völkerrechtlicher Vertrag, ein Verwaltungsabkommen, ein öffentlich-rechtlicher Vertrag sowie Mischformen (vgl. Schreiber, a.a.O., Rn. 7; Steinmeyer, in: Fuchs, Europäisches Sozialrecht, Artikel 16 VO (EWG) Nr. 883/2004, Rn. 6). Die Qualifizierung der Zustimmungserklärung als bloßes Verwaltungsinternum erscheint hiermit nicht vereinbar.

Ebenso wenig vereinbar mit dieser Regelungssystematik des europäischen koordinierenden Sozialrechts ist jedoch die Qualifizierung der Zustimmungserklärung als einseitig bestimmende Einzelfallregelung mit Außenwirkung.

Auch aus dem weiteren Inhalt der angegriffenen Schreiben ist eine Regelungswirkung nicht zu entnehmen:

Die Klägerin geht fehl in der Annahme, die Beklagte hätte mit den streitgegenständlichen Schreiben unmittelbar die Anwendbarkeit des deutschen Sozialversicherungsrechts geregelt. Insoweit weist die Beklagte zu Recht darauf hin, dass dies bereits aus der VO (EWG) Nr. 1408/71 selbst folgt. Denn gem. Art 13 Abs. 2a VO (EWG) Nr. 1408/71 unterliegt eine Person, die im Gebiet eines Mitgliedstaats abhängig beschäftigt ist, den Rechtsvorschriften dieses Staates, und zwar auch dann, wenn ihr Arbeitgeber seinen Wohnsitz oder Betriebssitz im Gebiet eines anderen Mitgliedstaats hat.

Die von der Klägerin weiter geltend gemachten beitragsrechtlichen Belastungen haben ihre Rechtsgrundlage nicht in den angegriffenen Schreiben. Mit diesen hat die Beklagte der Klägerin lediglich mitgeteilt, dass die zuständige Krankenkasse die Feststellung trifft, ob die Arbeitnehmer in Deutschland der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Die Beitragsbelastungen folgen erst aus den entsprechenden Beitragsbescheiden der zuständigen Sozialversicherungsträger.

II. Eine allgemeine Leistungsklage, gerichtet auf die Verurteilung der Beklagten zur Abgabe der Zustimmungserklärung, ist zwar zulässig, aber nicht begründet. Insoweit ist eine Rechtsgrundlage nicht ersichtlich. Sie ergibt sich, wie dargelegt, insbesondere nicht aus Art. 17 VO (EWG) Nr. 1408/71.

Dieses Ergebnis ist auch unter Berücksichtigung der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG gerechtfertigt. Denn die Klägerin hätte anderweitig Rechtsschutz in Anspruch nehmen können. Namentlich hätte sie ihre Einwendungen gegen die Beitragsbescheide der Einzugsstelle geltend machen können. Diese wäre nicht nur gehalten gewesen, ihre Beitragsentscheidungen insoweit zu überprüfen, als die Klägerin geltend macht, die Arbeitnehmer seien teilweise in dem Zeitraum, für den Beiträge festgesetzt wurden, gar nicht mehr in Deutschland beschäftigt gewesen. Sie dürfte in Fällen der vorliegenden Art, wenn die Rechtmäßigkeit der Versagung der Zustimmungserklärung durch die Beklagte in Streit steht, auch gehalten sein, die Frage inzident zu klären, da bei einer rechtswidrigen Versagung die deutschen Rechtsvorschriften des Sozialgesetzbuchs nicht anzuwenden sein dürften und damit eine Rechtsgrundlage für die Beitragserhebung nicht vorliegen dürfte. Zwar hat der österreichische Verwaltungsgerichtshof mit Entscheidung vom 19.10.2005 festgestellt, dass aus Art. 17 VO (EWG) Nr. 1408/71 kein subjektives Recht von Arbeitgeber oder Arbeitnehmer auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung abzuleiten sei:

"Art. 17 der Verordnung (EWG) Nr. 1408/71 eröffnet den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, (völkerrechtliche) Vereinbarungen abzuschließen, welche von den ein geschlossenes und einheitliches System von Kollisionsnormen bildenden Vorschriften des Titels II der Verordnung Nr. 1408/71 abweichen. Ein Rechtsanspruch des Beschwerdeführers auf Abschluss einer völkerrechtlichen Vereinbarung lässt sich aus dieser Bestimmung jedoch nicht ableiten. Ein darauf gerichteter Antrag wäre von der belangten Behörde daher - bei sonstiger Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. September 1994, Zl. 92/07/0130) - nicht meritorisch zu erledigen, sondern als unzulässig zurückzuweisen gewesen." (Entscheidung vom 19.10.2005, 2003/08/0195, veröfftl. unter http://www.ris.bka.gv.at/JudikaturEntscheidung.wxe?Abfrage=Vwgh&Dokumentnummer=JWR 2003080195 20051019X01, vgl. Nr. 4 der Entscheidungsgründe). Beschäftigten und Unternehmen im Fall der Versagung einer Ausnahmegenehmigung Rechtsschutzmöglichkeiten generell abzusprechen dürfte allerdings mit der Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 GG nicht vereinbar sein (vgl. hierzu Schreiber, a.a.O., Rn. 6, m.w.N., der einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung annimmt).

III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO.
Rechtskraft
Aus
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