L 1 U 4557/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 4942/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 4557/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Bei einer Ersterkrankung kommt ein gleichzeitiger Bezug von Verletztengeld und Verletztenrente auch dann nicht in Betracht, wenn die Arbeitsunfähigkeit in einer Nebenbeschäftigung länger andauert als in der Hauptbeschäftigung, in welcher sich der Arbeitsunfall ereignet hat.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17.09.2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Zeitpunkt des Beginns einer dem Kläger wegen eines am 08.11.2010 erlittenen Arbeitsunfalls zustehenden Verletztenrente. Die Beteiligten streiten darüber, ob für das Ende des Verletztengeldanspruchs i.S.d. § 72 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) allein auf die Hauptbeschäftigung des Klägers bei einem Getränkegroßhandel abzustellen ist, oder, wie die Beklagte meint, auch auf die Nebentätigkeit als Spinningtrainer, in der die unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit länger andauerte.

Der 1970 geborene Kläger übte im Unfallzeitpunkt zwei Beschäftigungen aus. Hauptberuflich war er seit April 2002 als Fahrer bei einem Getränkegroßhandel versicherungspflichtig beschäftigt. Aus seiner Hauptbeschäftigung erzielte er im Zeitraum vom 01.11.2009 bis zum 31.10.2010 (Bl. 94-1 Verwaltungsakte der Beklagten - VA) ein steuerpflichtiges Bruttoentgelt von 36.770,37 EUR, davon 602,16 EUR steuerfreie Nachtzuschläge. Nebenberuflich übte der Kläger seit dem 01.12.2009 eine stundenweise (mit 21,00 EUR pro Stunde) entlohnte (vgl. 46-49 VA) und als geringfügige Beschäftigung pauschal besteuerte Nebentätigkeit als Spinningtrainer bei der Firma "H. W. und G." in O. aus und erzielte im genannten Zeitraum hieraus ein steuerpflichtiges Bruttoentgelt vom 3.028,52 EUR (Bl. 102 VA). Laut telefonischer Mitteilung vom 05.09.2011 (Bl. 99 VA) endete dieses Arbeitsverhältnis am Unfalltag.

Am 08.11.2010 stürzte der Kläger beim Treppenabstieg während der Arbeit in einem E.-Markt in F. und knickte mit dem rechten Fuß um. Er zog sich eine Weber C Fraktur rechts zu, welche im Rahmen eines stationären Aufenthalts im O. Klinikum vom 10.11.2010 bis 13.11.2010 operativ versorgt wurde.

In seiner Hauptbeschäftigung war der Kläger aufgrund dessen bis zum 29.05.2011 arbeitsunfähig. Eine Arbeits- und Belastungserprobung führte er ab dem 02.05.2011 durch. Seit dem 30.05.2011 arbeitete er in seinem Hauptberuf wieder vollschichtig, war allerdings nicht mehr als Fahrer eingesetzt, sondern als Staplerfahrer (Telefonnotizen vom 06.06.2011, Bl. 74 und 76 VA). Der behandelnde Arzt Professor Dr. R. teilte im Bericht vom 09.06.2011 (Bl. 84 VA) mit, dass er seit dem 30.05.2011 arbeitsfähig sei, allerdings noch Schmerzen im Sprunggelenk außenseitig habe. Dadurch könne er seine sonst durchgeführte Nebentätigkeit, bei der er Spinningkurse gebe, noch nicht durchführen. Mit einer Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenkes von 0-10-30° bestehe ein Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v. H.

Nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums (08.11.2010 bis 19.12.2010) ließ die Beklagte an den Kläger durch die AOK S. O. aufgrund der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit in seiner Hauptbeschäftigung Verletztengeld vom 20.12.2010 bis 29.05.2011 in Höhe von insgesamt 9.722,79 EUR (Endabrechnung der AOK vom 31.05.2011, Bl. 75 VA) auszahlen. Diesbezüglich ist kein Bescheid ergangen.

Am 30.04.2012 (Vermerk Bl. 149 VA) teilte der Kläger der Beklagten telefonisch mit, nach zehn Serien Krankengymnastik bestehe immer noch eine erhebliche Bewegungseinschränkung im Sprunggelenk, welche ihm das Arbeiten als Spinningtrainer unmöglich mache. Er gehe davon aus, auch in Zukunft nicht mehr als Spinningtrainer tätig sein zu können. Der Beratungsarzt Dr. J. äußerte am 02.05.2012 ebenfalls, dass er eine solche Tätigkeit nicht mehr ausüben können werde. Ohne Gutachten könne ihm eine Gesamtvergütung für 7 Monate gewährt werden. Mit Schreiben vom 02.05.2012 (Bl. 151-1) teilte die Beklagte dem Kläger hierauf mit, dass mit einem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit als Spinningtrainer nicht zu rechnen sei und, nachdem qualifizierende Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben nicht in Betracht kämen, beabsichtigt sei, die Zahlung von Verletztengeld mit einem nachfolgenden Bescheid einzustellen.

Mit Bescheid vom 14.06.2012 gewährte die Beklagte dem Kläger aufgrund der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit in seiner Nebenbeschäftigung für den Zeitraum vom 21.11.2010 bis 31.05.2012 Verletztengeld in Höhe von 2.620,63 EUR. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Mit Bescheid vom 12.06.2012 gewährte die Beklagte dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 08.11.2010 Verletztenrente nach einem Grad der MdE von 20 v.H. im Zeitraum vom 01.06.2012 bis 31.12.2012 als vorläufige Entschädigung in Form einer Gesamtvergütung, für deren Höhe sie die Summe der im Zeitraum vom 01.11.2009 bis zum 31.10.2010 erzielten Arbeitsentgelte aus der Haupt- und Nebenbeschäftigung in Höhe von insgesamt 39.798,89 EUR als Jahresarbeitsverdienst (JAV) zugrunde legte und so einen Auszahlungsbetrag von 3.126,13 EUR errechnete.

Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch (Schreiben vom 30.06.2012, Bl. 167 VA). Er vertrat die Auffassung, der Rentenanspruch aus der Haupttätigkeit beginne bereits am 30.05.2011. In seiner Haupttätigkeit habe er aufgrund der Verletzungsfolgen nicht mehr in seiner vorherigen Position eingesetzt werden können und deshalb deutliche Lohneinbußen erlitten. Er beantrage die rückwirkende Rente nur hinsichtlich seiner Haupttätigkeit und begehre keine rückwirkende Doppelleistung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2012 (Bl. 174-1 VA) wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück und führte zur Begründung aus, nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII werde Verletztenrente von dem Tag an gezahlt, der dem Tag folge, an dem der Anspruch auf Verletztengeld ende. Vollständige Arbeitsfähigkeit für beide vor dem Unfall ausgeübte Beschäftigungsverhältnisse sei erst zum 01.06.2012 eingetreten, so dass der Rentenbeginn richtigerweise mit dem 01.06.2012 festzusetzen gewesen sei. Die Umsetzung auf eine andere Position in der Hauptbeschäftigung führe zu keiner anderen Bewertung. Die Bewertung der MdE erfolge in der gesetzlichen Unfallversicherung abstrakt, also im Hinblick auf das gesamte Gebiet des Erwerbslebens. Auf eine konkrete Beeinträchtigung in der Arbeitstätigkeit komme es nicht an.

Hiergegen hat der Kläger am 09.10.2012 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben und zur Begründung ausgeführt, erst die in der Nebentätigkeit eingetretene Arbeitsfähigkeit habe die Beklagte zum Anlass genommen, gemäß § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII eine Verletztenrente zu zahlen. In Bezug auf die Haupttätigkeit habe die Beklagte nach dem 29.05.2011 nichts veranlasst, was nicht gerechtfertigt sei. Im Hinblick auf die Regelung des § 72 SGB VII sei bei zwei völlig unabhängig voneinander bestehenden Arbeitsverhältnissen eine Trennung vorzunehmen. Dies ergebe sich schon aus den verschiedenen Anforderungsprofilen der Tätigkeiten, welche letztlich auch zu einem Auseinanderfallen der Arbeitsunfähigkeitszeitpunkte um ein Jahr geführt hätten. Es sei daher nicht rechtmäßig, ihm die Verletztenrente erst nach Auslaufen des Verletztengeldes aus der Nebentätigkeit zuzusprechen. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Beklagte die Verletztenrente aus dem Jahresarbeitsverdienst beider Tätigkeiten berechne.

Die Beklagte ist dem mit der Begründung entgegengetreten, § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII sei eindeutig und nicht auslegungsfähig: Rente der gesetzlichen Unfallversicherung beginne an dem Tag, der dem Tag folge, an dem der Anspruch auf Verletztengeld ende. Eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen sei nicht vorgesehen. Ein paralleler Bezug von Verletztengeld und Verletztenrente solle verhindert werden. Der Rentenberechnung seien alle Arbeitseinkommen und Arbeitsentgelte der letzten zwölf Kalendermonate vor dem Unfall zugrunde zu legen (§ 82 Abs. 1 SGB VII). Auf einzelne Beschäftigungen werde nicht abgestellt. Dasselbe gelte auch bei der Höhe der MdE, wo auf die wirtschaftliche Verwertung der Arbeitskraft auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt abzustellen sei.

In der mündlichen Verhandlung vom 17.09.2013 haben die Beteiligten dem SG mitgeteilt, dass die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 09.07.2013 eine Rente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 20 v.H. ab dem 01.01.2013 gewährt hat und dieser Bescheid bestandskräftig geworden ist. Mit Urteil vom 17.09.2013 hat das SG die Beklagte verurteilt, dem Kläger unter Abänderung des Bescheides vom 12.06.2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.09.2012 eine Rente als vorläufige Entschädigung nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 20 v.H. wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 08.11.2010 bereits vom 30.05.2011 an zu gewähren. Die vorliegende Fallgestaltung sei im Gesetz nicht geregelt. Zwar scheine der von der Beklagten angeführte Gesetzeszweck des § 72 Abs. S Nr. 1 SGB VII, die Verhinderung gleichzeitigen Bezugs von Verletztengeld und Verletztenrente, dafür zu sprechen, dass vor einem Anspruch auf Verletztenrente jeglicher Anspruch auf Verletztengeld beendet sein müsse. Dieser Grundsatz habe jedoch zu keinem Zeitpunkt absolut gegolten. Als Beispiel verwies das SG auf den parallel möglichen Bezug von Verletztengeld und Verletztenrente im Falle der Wiedererkrankung. Zudem erschöpfe sich der Gesetzeszweck nicht in dieser negativen Funktion, vielmehr dienten die Vorschriften über den Beginn des Rentenanspruchs positiv dazu, den grundsätzlichen Zweck der Renten aus der gesetzlichen Unfallversicherung, den Ausgleich des abstrakten Erwerbsschadens durch dauerhafte Unfallfolgen, zu verwirklichen. Wenn dieser Ausgleich einem Versicherten, welcher für eine Nebenbeschäftigung länger Verletztengeld erhalte als für die Hauptbeschäftigung, später zuteil werden würde als einem Versicherten mit nur einer Beschäftigung oder mit zwei Beschäftigungen, bei denen die Arbeitsfähigkeit gleichzeitig eintrete, würde dies einen Wertungswiderspruch darstellen, sei doch der Versicherte in der erstgenannten Fallgestaltung durch den längerdauernden Wegfall der Erwerbsmöglichkeit aus der Nebenbeschäftigung sogar schwerer geschädigt als in den übrigen beiden Fällen. Dies ergebe sich aus der im SGB VII gegenüber der Reichsversicherungsordnung (RVO) hinsichtlich des Rentenbeginns vorgenommenen Änderung. Der nach § 580 RVO maßgebliche Wegfall der Arbeitsunfähigkeit sei durch das Ende des Verletztengeldanspruchs ersetzt worden, um zu verhindern, dass weiterhin schwer verletzte Versicherte mit Anspruch auf Übergangsgeld wegen Rehabilitationsmaßnahmen später Rente erhielten als Leichtverletzte mit lediglich kurzer Arbeitsunfähigkeit. Um vergleichbar paradoxe Ergebnisse bei Mehrfachbeschäftigungen zu vermeiden, sei § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII so auszulegen, dass bei Bestehen mehrerer Verletztengeldansprüche bereits der Wegfall des ersten zum Beginn der Rentenzahlung führe, was beim Kläger am 30.05.2011 der Fall gewesen sei. Nachdem anders als beim Verletztengeld eine getrennte Berechnung der Rentenhöhe nach unterschiedlichen Beschäftigungen nicht möglich sei, sondern die Rentenhöhe nach den Vorschriften über den Jahresarbeitsverdienst festzustellen sei, sei die Rente nicht bis zum Wegfall des weiteren Verletztengeldanspruchs lediglich aus der ersten Beschäftigung zu gewähren, sondern nach den allgemeinen Regeln.

Gegen das ihr am 11.10.2013 gegen Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil hat die Beklagte am 21.10.2013 Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, der Gesetzeswortlaut sei eindeutig. Parallelleistungen von Verletztengeld und Verletztenrente seien bis auf den Fall der Wiedererkrankung, der hier nicht vorliege, vom Gesetzgeber nicht gewollt.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17.09.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er nimmt Bezug auf die Gründe des mit der Berufung angefochtenen Urteils.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Sozialgerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) erhobene Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Der Kläger hat wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 08.11.2010 nicht bereits ab dem 30.05.2011 Anspruch auf Verletztenrente nach einem Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 20 v.H., sondern, wie von der Beklagten zutreffend festgestellt, erst ab dem 01.06.2012.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben gem. § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern.

Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind nach § 7 Abs. 1 SGB VII Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Arbeitsunfälle sind nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 2.4.2009 – B 2 U 29/07 R – in Juris m.w.N.).

Voraussetzung für die Berücksichtigung einer Gesundheitsstörung bzw. Funktionseinschränkung als Unfallfolge bei der Bemessung der MdE ist grundsätzlich u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis bzw. dem dadurch eingetretenen Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Gesundheitserstschaden und den fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf Grund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. die zusammenfassende Darstellung der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung im Urteil des BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209 und Juris).

Bei mehreren konkurrierenden Ursachen muss die rechtlich wesentliche Bedingung nach dem Urteil des BSG vom 9.5.2006 (a.a.O. Rdnr. 15) nicht "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig" sein. Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die anderen Ursachen keine überragende Bedeutung haben. Kommt einer der Ursachen gegenüber den anderen eine überragende Bedeutung zu, ist sie allein wesentliche Ursache und damit allein Ursache im Rechtssinn.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.6.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Der Kläger hat, indem er im Zuge seiner Beschäftigung als Fahrer eines Getränkegroßhandels am 08.11.2010 bei einem Kunden (E.-Markt in F.) beim Treppenabstieg mit dem rechten Fuß umgeknickt ist, wodurch es zu einer Weber C Fraktur gekommen ist, einen Arbeitsunfall erlitten. Die als Folge der Fraktur verbliebene schmerzhafte Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenks hat im hier allein streitigen Zeitraum vom 30.05.2011 bis zum 31.05.2012 eine MdE von 20 v.H. begründet. Hierfür stützt sich der Senat auf die Einschätzung von Prof. Dr. R. im Bericht vom 09.06.2011 (Bl. 84 VA), der die MdE ausgehend von dem von ihm gemessenen Bewegungsmaß 0-10-30° unter Mitberücksichtigung der vom Kläger geklagten Schmerzen mit 20 v.H. eingeschätzt hat und die im Ergebnis damit übereinstimmende Einschätzung des nachbehandelnden Orthopäden Dr. C. im Durchgangsarztbericht vom 20.04.2012 (Bl. 146-1). Daneben ergibt sich dies auch aus der Stellungnahme des Beratungsarztes der Beklagten, Dr. J., welcher sich in Kenntnis der von Dr. C. mit Durchgangsarztberichten vom 03.02.2012 (Bl. 135-1 VA) und vom 20.04.2012 (Bl. 146-1 VA) mitgeteilten Bewegungseinschränkungen (Einschränkung der Plantarflexion und Supination von 20°, der Pronation von 10° und der Dorsalflexion von 5°) des oberen Sprunggelenks für eine Gewährung von Verletztenrente ausgesprochen hat.

Der Senat stellt darüber hinaus fest, dass der Kläger in seiner Haupttätigkeit als Fahrer eines Getränkegroßhandels vom 08.11.2010 bis zum 29.05.2011 arbeitsunfähig gewesen ist, weshalb er (nach Ablauf des Entgeltfortzahlungszeitraums) vom 20.12.2010 bis 29.05.2011 Anspruch auf Verletztengeld hatte, welches ihm im Auftrag der Beklagten von der AOK ausgezahlt wurde. Gemäß § 45 Abs. 1 SGB VII wird Verletztengeld erbracht, wenn Versicherte infolge des Versicherungsfalls arbeitsunfähig sind oder wegen einer Maßnahme der Heilbehandlung eine ganztägige Erwerbstätigkeit nicht ausüben können und unmittelbar vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit oder Heilbehandlung Anspruch auf Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen, Krankengeld, Verletztengeld, Versorgungskrankengeld, Übergangsgeld, Unterhaltsgeld, Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld, nicht nur darlehensweise gewährtes Arbeitslosengeld II oder nicht nur Leistungen für Erstausstattungen für Bekleidung bei Schwangerschaft und Geburt nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch oder Mutterschaftsgeld hatten. Gemäß § 46 Abs. 1 Satz 1 SGB VII wird Verletztengeld von dem Tag an gezahlt, ab dem die Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt wird oder mit dem Tag des Beginns einer Heilbehandlungsmaßnahme, die den Versicherten an der Ausübung einer ganztägigen Erwerbstätigkeit hindert. Bezüglich der Haupttätigkeit für den Getränkegroßhandel K. ergibt sich der Zeitraum der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit aus den ärztlichen Bescheinigungen des Prof. Dr. R., welcher noch am 21.04.2011 (Bl. 61 VA) die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit bis zum 30.05.2011 bescheinigt und nach Abschluss der von ihm angeregten Arbeits- und Belastungserprobung (am 29.05.2011) der Beklagten mit Schreiben vom 09.06.2011 (Bl. 84 VA) den Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit in der Hauptbeschäftigung zum 30.05.2011 mitgeteilt hat.

Über diesen Zeitpunkt hinaus hatte der Kläger allerdings weiter – bis zum 30.05.2012 – Anspruch auf Verletztengeld, was zwischen den Beteiligten durch den vom Kläger nicht angefochtenen Bescheid vom 14.06.2012 bindend (§ 77 SGG) feststeht. Auch materiell-rechtlich hat in diesem Zeitraum ein Anspruch auf Verletztengeld bestanden: Dem Schreiben des Prof. Dr. R. vom 09.06.2011 entnimmt der Senat, dass der Kläger in seiner Nebenbeschäftigung als Spinningtrainer über den 29.05.2011 hinaus weiterhin arbeitsunfähig gewesen ist. Die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit als Spinningtrainer hat Prof. Dr. R. mit Durchgangsarztbericht vom 30.09.2011 (Bl. 104 VA) bescheinigt. Für den Zeitraum ab Februar 2012, für den der weiterbehandelnde Arzt Dr. C. sich nicht eindeutig zur Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit als Spinningtrainer geäußert, sondern auf einen unabhängigen Gutachter verwiesen hat (Bescheinigung vom 02.02.2012, Bl. 134-1 VA), stützt der Senat seine Überzeugung von der Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit auf die beratungsärztliche Stellungahme des Dr. J. (Bl. 150 VA), aus welcher sich in Zusammenschau mit dem Durchgangsarztbericht des Dr. C. vom 20.04.2012 ebenfalls ergibt, dass spätestens im Mai 2012 ein Verharrungszustand eingetreten ist, was auch der Einschätzung des Klägers (Telefonvermerk vom 30.04.2012, Bl. 149 VA) entsprochen hat. Nach entsprechender Mitteilung und Anhörung zur beabsichtigten Einstellung des Verletztengeldes mit Schreiben vom 02.05.2012 (Bl. 151-1 VA) hat somit die Beklagte das aufgrund der Nebenbeschäftigung geleistete Verletztengeld mit Bescheid vom 14.06.2012 zu Recht auf den 31.05.2012 befristet, nachdem der Kläger bereits seit dem 30.05.2011 eine ihm zumutbare Erwerbstätigkeit wieder ausgeübt hat (§ 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB VII).

Nachdem der Kläger wegen der gesundheitlichen Folgen des Arbeitsunfalls vom 08.11.2010 bis zum 31.05.2012 Anspruch auf Verletztengeld hatte, hat er erst ab dem 01.06.2012 Anspruch auf Verletztenrente, und nicht bereits ab dem 30.05.2011, wie das SG ausgeführt hat. Nach § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII werden Renten an Versicherte von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem der Anspruch auf Verletztengeld endet. § 72 Abs. 1 Nr. 2 SGB VII ist vorliegend, da der Kläger Anspruch auf Verletztengeld hatte, nicht einschlägig. § 72 SGB VII, der den Beginn von Renten regelt, trifft keine ausdrückliche Regelung zu Fallkonstellationen wie der vorliegenden, wo einem Verletztengeldanspruch mehrere Beschäftigungsverhältnisse zugrunde liegen und das Ende der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit für die Beschäftigungsverhältnisse auf unterschiedliche Zeitpunkte fällt. Mit § 72 Abs. 1 SGB VII hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass im Falle einer Ersterkrankung eine Rente, die dem Ausgleich des durch den Versicherungsfall bedingten abstrakten Schadens im Erwerbseinkommen dient (Ricke in: Kasseler Kommentar, Stand 78. Ergänzungslieferung 2013, § 56 Rn. 2), grundsätzlich nicht parallel zu dem Bezug von Verletztengeld als Leistung mit Entgeltersatzfunktion (vgl. BSG-Urteil vom 30.06.2009 - B 2 U 25/08 R -, SozR 4-2700 § 47 Nr. 6, juris Rn. 27) bezogen können werden soll. Der Gesetzgeber will Doppelleistungen aus dem System der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere den zeitgleichen Bezug von Verletztengeld und Verletztenrente, grundsätzlich vermeiden (BSG-Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R -, NZS 2012, 909 ff., juris Rn. 40).

Zwar soll nicht jeglicher Bezug von Entgeltersatzleistungen neben einem Rentenbezug unterbunden werden, worauf das SG in seiner Entscheidung zu Recht hingewiesen und als Beispiel den vom Gesetzgeber ermöglichten parallelen Bezug von Verletztengeld und Verletztenrente bei Wiedererkrankung angeführt hat. Damit ist aber der vorliegende Fall, der lediglich die Besonderheit bietet, dass das Gesamtentgelt des Klägers vor dem Arbeitsunfall aus zwei nebeneinander ausgeübten Beschäftigungsverhältnissen im Sinne einer Haupt- und einer Nebenbeschäftigung stammte, nicht vergleichbar. Bei einer Wiedererkrankung wird die soziale Position des Verletzten anders als hier nicht ausschließlich von Erwerbseinkommen bestimmt, sondern neben dem Erwerbseinkommen auch von der Verletztenrente. Grund für die ausnahmsweise Anordnung des parallelen Bezuges von Verletztengeld und -rente bei Wiedererkrankung ist die Vorstellung des Gesetzgebers, dass in derartigen Fällen pauschal einer Gefahr sozialen Abstiegs des wiedererkrankten Verletzten durch den letzten Entgeltausfall entgegenzuwirken ist (BSG-Urteil vom 30.03.1988 - 2 RU 52/87 -, HV-Info 1988, 1325-1330, juris Rn. 21 f.). In jedem Fall entsteht durch die Wiedererkrankung ein zusätzlicher Vermögensschaden, der nicht durch die Verletztenrente entschädigt wird, was die von der Ersterkrankung abweichende Regelung der Wiedererkrankung sachlich rechtfertigt.

Darüber hinaus bestehen vorliegend nicht, wie das SG ausgeführt hat, aufgrund des Umstandes, dass infolge des Arbeitsunfalls Arbeitsunfähigkeit in (zunächst) zwei Beschäftigungsverhältnissen eingetreten ist, zwei Verletztengeldansprüche, so dass bei § 72 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII auch nicht alternativ auf das Ende des ersten von mehreren Verletztengeldanspruchs oder das Ende des letzten Verletztengeldanspruchs abzustellen ist. Vielmehr besteht aufgrund eines Arbeitsunfalls lediglich ein (einheitlicher) Verletztengeldanspruch, was bereits aus § 47 Abs. 1 und 5 SGB VII folgt. Gemäß § 47 Abs. 1 SGB VII i.V.m. § 47 Abs. 1 und 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) richtet sich die Höhe des Verletztengeldes nach dem Regelentgelt, das aus dem Gesamtbetrag des regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens des Versicherten in dem der Arbeitsunfähigkeit unmittelbar vorangehenden Bemessungszeitraum berechnet wird. Bei versicherten Selbstständigen, die den Versicherungsfall infolge einer Tätigkeit als Unternehmer erlitten haben, bildet demgegenüber nicht das Regelentgelt, sondern der Jahresarbeitsverdienst (JAV) die Bezugsgröße für die Berechnung des Verletztengeldes (§ 47 Abs. 5 Satz 1, § 81 f. SGB VII). Indem der Gesetzgeber dem Umstand, in welchem Versicherungsverhältnis der Versicherte den Versicherungsfall erlitten hat, maßgebliche Bedeutung dafür beigemessen hat, nach welchen Regelungen die Höhe des Verletztengeldes errechnet wird, hat er zugleich deutlich gemacht, dass es nur einen einheitlichen Verletztengeldanspruch gibt, der sich aus dem im konkreten Versicherungsverhältnis eingetretenen Versicherungsfall ableitet. Das Bestehen unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit in weiteren Beschäftigungsverhältnissen und/oder selbständigen Tätigkeiten über das konkrete Versicherungsverhältnis hinaus ist daher lediglich für die Berechnung des Verletztengeldanspruchs (im Hinblick auf dessen Dauer und Höhe) von Bedeutung (grundlegend BSG-Urteil vom 21.03.1974 - 8 RU 81/73 -, BSGE 37, 189 ff., juris Rn. 14 ff., vgl. ebenfalls Krasney in: Becker/Burchardt/Krasney/Kruschinsky, Gesetzliche Unfallversicherung, 13. Auflage, 15. Lieferung - Stand Oktober 2013 -, § 47 Rn. 26). Dabei ist unerheblich, ob bei mehreren Tätigkeiten diese im Hauptberuf oder als Nebentätigkeit ausgeübt werden; entscheidend ist nur, dass das Einkommen den wirtschaftlichen Gegenwert für die Arbeitsleistung darstellt (BSG a.a.O.), weshalb die vom SG in den Gründen seines Urteils getroffene Unterscheidung in Haupt- und Nebenbeschäftigung keinen tauglichen Anknüpfungspunkt dafür darstellt, wann der für einen Rentenbeginn maßgebliche Anspruch auf Verletztengeld endet. Hinzu kommt, dass eine trennscharfe Abgrenzung zwischen Haupt- und Nebentätigkeit in vielen Fällen schwer vorzunehmen sein dürfte.

Schließlich spricht auch folgende Erwägung gegen einen Rentenbezug parallel zum Bezug von Verletztengeld aus einer von ursprünglich mehreren Beschäftigungen: In solchen Fällen besteht in zumindest einer von mehreren zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls ausgeübten Beschäftigungen und/oder selbständigen Tätigkeiten Arbeitsunfähigkeit, was typischerweise voraussetzt, dass der Gesundheitszustand noch positiv beeinflussbar und noch kein Verharrungszustand eingetreten ist (vgl. § 46 Abs. 3 Satz 2 SGB VII). Ein Anspruch auf Verletztenrente während des Verletztengeldbezuges wegen fortdauernder Arbeitsunfähigkeit hätte zur Folge, dass eine dem Gesundungsprozess gegenläufige Motivation entstünde, da eine Besserung des Gesundheitszustandes die Minderung oder den gänzlichen Fortfall der dann bereits bezogenen Rente zur Folge haben könnte.

Hiernach war der Berufung der Beklagten stattzugeben, das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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