Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 18 P 2610/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 4887/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Oktober 2012 wird zurückgewiesen mit der Maßgabe, dass die Klägerin die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird für beide Rechtszüge endgültig auf EUR 3.340,44 festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt im Wege der Untätigkeitsklage die Verurteilung der Beklagten, über den Widerspruch gegen den ablehnenden Pflegegeldbescheid vom 6. September 1995 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids vom 13. März 1996 zu entscheiden, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihren Überprüfungsantrag vom 23. Dezember 2009 zu bescheiden.
Die am 1914 geborene, bei der Beklagten pflegepflichtversicherte und am 2001 verstorbene Mutter der Klägerin, Frau L. R., im Folgenden R., hatte am 3. Juli 1995 Pflegegeld beantragt. Diesen Antrag hatte die Beklagte mit Bescheid vom 6. September 1995 abgelehnt. Mit weiterem Bescheid vom 6. September 1995 hatte die Beklagte außerdem der in der überwiegenden Zeit berufstätigen Klägerin gegenüber die Entrichtung von Beiträgen für ihre Rentenversicherung abgelehnt, da die Pflege von ihr nicht wöchentlich mindestens 14 Stunden ausgeübt werde und deshalb Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als Pflegeperson nicht eintrete. Gegen den ihr gegenüber ergangenen Bescheid vom 6. September 1995 erhob R. Widerspruch. Das Widerspruchsschreiben ist nicht mehr vorhanden. Mit Schreiben vom 4. Februar 1996 legte R. erneut Widerspruch ein. Die Beklagte hob hierauf nach Begutachtung von R. durch den Medizinischen Dienst Baden-Württemberg (MDK) ihren Bescheid vom 6. September 1995 auf und gewährte R. mit Bescheid vom 13. März 1996 ab 3. Juli "1996" (richtig: 1995) Leistungen der Pflegeversicherung in Form von Pflegegeld nach der Pflegestufe I. Den Widerspruch hielt R. ausweislich des Schreibens des von ihr bevollmächtigten Rentenberaters aufrecht und begründete den Widerspruch weiter mit Schreiben vom 10. Juni 1996. Sie begehrte ausweislich des vorliegenden Schreibens vom 10. Juni 1996 die Pflegestufe II. Die Beklagte veranlasste hierauf eine Untersuchung durch Dr. H. vom MDK am 31. Juli 1996. Dr. H., der ausführte, dass R. alleinlebe, vertrat die Auffassung, dass weiterhin die Voraussetzungen für die Pflegestufe I vorlägen. Weitere Unterlagen bezüglich des Widerspruchsverfahrens sind nicht mehr vorhanden. In der Folge bezog R., die sich ab 13. November 1996 in vollstationärer Pflege befand, bis 14. August 1997 Leistungen nach der Pflegestufe I, vom 15. August 1997 bis 29. November 1998 Leistungen nach der Pflegestufe II und ab 30. November 1998 bis zu ihrem Tod Leistungen nach der Pflegestufe III. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2009 wandte sich der auch von der Klägerin ursprünglich bevollmächtigte Rentenberater an die Beklagte und trug vor, die Klägerin habe Zweifel, inwieweit es korrekt sei, dass für sie keine Pflegeberücksichtigungszeiten bzw. Pflichtbeiträge für Pflege in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt seien. Nicht bekannt sei, was aus dem in den Neunzigerjahren geführten Widerspruchsverfahren mit Blick auf Anhebung des Pflegegeldes letztlich geworden sei und ob es einen ordnungsgemäßen Abschluss gefunden habe. Auf dieses Schreiben erfolgte ausweislich eines Aktenvermerks des von R. beauftragten Rentenberaters ein Telefongespräch zwischen diesem und der Beklagten, im Übrigen veranlasste die Beklagte nichts.
Hierauf erhob die Klägerin am 11. Mai 2011 Untätigkeitsklage beim SG mit dem oben genannten Begehren. Zur Begründung führte sie aus, es gehe darum, ob für sie, die Klägerin, als pflegende Person von R. Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung zu zahlen seien. Bisher sei dies nicht der Fall. Nach ihren Unterlagen habe das im Jahr 1996/1997 bei der Beklagten betriebene Verfahren keinen Abschluss gefunden. Wenn diese, die Beklagte, keine Unterlagen mehr habe, könne sie nicht nachweisen, dass über den Widerspruch eine Entscheidung ergangen sei. Nach ihrem Schreiben vom 23. Dezember 2009 habe sich die Beklagte nur am 19. Januar 2010 bei ihrem Rentenberater gemeldet. Weiteres habe die Beklagte in der Folge nicht veranlasst.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie führte aus, dass ihr in schriftlicher Form nichts mehr vorliege, da die Unterlagen in der Zwischenzeit vernichtet worden seien. Grundsätzlich sei sie bereit, den Sachverhalt zu prüfen, sofern glaubhaft nachgewiesen werde, dass die Pflege erbracht worden sei und wer die Pflege sichergestellt habe sowie in welchem zeitlichen Umfang.
Mit Urteil vom 19. Oktober 2012 wies das SG die Klage ab. Die Klage sei bezüglich der Bescheidung des Widerspruchs vom 4. Februar 1996 als Untätigkeitsklage gemäß § 88 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, weil seit Erhebung des Widerspruchs mehr als drei Monate vergangen seien. Die Klage sei jedoch nicht begründet. Es sei nicht zu ermitteln, ob und ggf. wie das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 6. September 1995 beendet worden sei. Möglich sei, dass noch ein Widerspruchsbescheid zu erlassen sei, genau so könnte R. das Widerspruchsverfahren im Zusammenhang mit der Aufnahme in eine stationäre Pflegeeinrichtung aber auch für erledigt erklärt haben oder die Beklagte einen Widerspruchsbescheid erlassen haben. Grundsätzlich wäre es Aufgabe der Beklagten nachzuweisen, dass das Widerspruchsverfahren beendet worden sei. Dies sei der Beklagten vorliegend jedoch nicht mehr möglich, da bei ihr keine Verwaltungsakten mehr vorhanden seien. Diese Unmöglichkeit der Beweisführung sei von der Klägerin bzw. von R. zu vertreten. Wer 15 Jahre nach letztmaliger - nachgewiesener - Korrespondenz in einem Widerspruchsverfahren und zehn Jahre nach dem Versterben der betroffenen Person eine Untätigkeitsklage erhebe, müsse erwarten, dass Unterlagen bei der beklagten Behörde nicht mehr vorhanden seien. Der Hilfsantrag sei bereits unzulässig. Offenbleiben könne, ob ein entsprechender Überprüfungsantrag bereits mit dem Schreiben vom 23. Dezember 2009 oder erst mit Erhebung der Untätigkeitsklage gestellt worden sei. Jedenfalls bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin. Ein eventueller Überprüfungsantrag gegen den Bescheid vom 6. September 1995 in Form des Änderungsbescheids vom 13. März 1996 sei offensichtlich unbegründet. Die Klägerin begehre mit diesem Antrag letztlich die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe II für R. für die Zeit vom 3. Juli 1995 bis 12. November 1996. Zum Zeitpunkt der Stellung des Überprüfungsantrags sei die Frist für die nachträgliche Erbringung von Leistungen der Pflegeversicherung für die Zeit bis zum 12. November 1996 gemäß § 44 Abs. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) indessen bereits offensichtlich abgelaufen gewesen. Eine gerichtliche Entscheidung des Inhalts, dass die Beklagte diesen Überprüfungsantrag zu verbescheiden habe, würde weder die rechtliche, noch die wirtschaftliche Situation der Klägerin verbessern. Diese müsse wissen, dass ihr Überprüfungsantrag unbegründet gewesen sei. Wenn Anträge so offensichtlich unzulässig bzw. unbegründet seien, dass die Klägerin dies erkennen müsse, sei eine entsprechende Untätigkeitsklage missbräuchlich. Soweit die Klägerin für die Zeit der häuslichen Pflege die Berücksichtigung rentenrechtlicher Zeiten begehre, möge sie diesen Anspruch im Übrigen gegenüber dem zuständigen Rentenversicherungsträger geltend machen.
Gegen das am 27. Oktober 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26. November 2012 Berufung eingelegt. Sie ist der Meinung, es dürfe in allerhöchstem Maße bezweifelt werden, dass die Rentenversicherung für die Pflegeberücksichtigungszeiten die Rentenversicherungspflicht eigenständig prüfen werde. Es dürfte überwiegend wahrscheinlich sein, dass die Rentenversicherung an die Beklagte verweise.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über den Widerspruch der verstorbenen L. R. vom 4. Februar 1996 gegen den Bescheid der Beklagten vom 6. September 1995 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheids vom 13. März 1996 zu entscheiden, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, ihren Überprüfungsantrag vom 23. Dezember 2009 zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat noch einmal darauf hingewiesen, dass ihr eine Vorlage von Verwaltungsakten nicht möglich sei. In der Vergangenheit vorhandene Unterlagen seien zwischenzeitlich vernichtet worden.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, da er die Berufung der Klägerin einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten gehört.
Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte ist auf die Untätigkeitsklage der Klägerin nicht zu verurteilen, über den gegen den ablehnenden Pflegegeldbescheid vom 6. September 1995 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids vom 13. März 1996 erhobenen Widerspruch zu entscheiden, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, den Überprüfungsantrag vom 23. Dezember 2009 zu bescheiden.
1. Die Untätigkeitsklage ist unzulässig.
Es kann insoweit offenbleiben, ob die Beklagte hier nicht bereits einen Widerspruchsbescheid erlassen hat, was die Unzulässigkeit der Untätigkeitsklage zur Folge hätte, weil Zulässigkeitsvoraussetzung für die Untätigkeitsklage ist, das der Kläger sachlich nicht beschieden worden ist, die Behörde also eine abschließende Entscheidung (hier Widerspruchsbescheid) zur Hauptsache nicht getroffen hat. Auch wenn hier kein Widerspruchsbescheid erlassen worden sein sollte, ist die Untätigkeitsklage der Klägerin unzulässig, denn sie ist rechtsmissbräuchlich. Das Klagerecht ist verwirkt.
Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären. Das gleiche gilt, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, dass als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt (§ 88 SGG).
Nach § 89 SGG ist die Klage an keine Frist gebunden, wenn die Vornahme eines unterlassenen Verwaltungsaktes begehrt wird. Zweck der Regelung, dass die Untätigkeitsklage des § 88 Abs. 2 SGG unbefristet erhoben werden kann, ist, sicherzustellen, dass dem Bürger aus dem säumigen Verhalten der Verwaltung keine Nachteile erwachsen. Wird die Untätigkeitsklage jedoch sehr spät, unter Umständen erst nach Jahren erhoben, hat das Gericht zu prüfen, ob die Klageerhebung rechtsmissbräuchlich ist, das Klagerecht verwirkt ist (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 88 Rdz. 13 unter Hinweis auch auf Bundestags-Drucksache 7/4324 S. 13). Verwirkung ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie setzt voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG, Urteil vom 30. November 1978 - 12 RK 6/76 -; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 28. September 2011 - L 5 KR 2152/10 -; jeweils in juris). Auch die Ausübung prozessualer Befugnisse muss sich am Gebot von Treu und Glauben messen lassen. Prozessuale Befugnisse können daher verwirkt sein, wenn die verspätete Geltendmachung eines Anspruchs gegen Treu und Glauben verstößt, d.h. wenn ein gewisser Zeitraum verstrichen ist (Zeitmoment) und der Berechtigte unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung von Ansprüchen unternommen wird (Umstandsmoment); erst durch die Kombination beider Elemente wird eine Situation geschaffen, auf die der jeweilige Gegner vertrauen, sich einstellen und einrichten darf. Weiterhin ist bei der Verwirkung prozessualer Befugnisse im öffentlichen Recht zu berücksichtigen, dass nicht nur ein schutzwürdiges Vertrauen des Adressaten auf das Untätigbleiben eines Anfechtungsberechtigten rechtfertigen kann, die Anrufung eines Gerichts erst nach langer Zeit als unzulässig anzusehen, sondern auch ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens (BSG, Urteil vom 3. Juli 2013 - B 12 KR 8/11 R - m.w.N.; in juris). Verwirkung kommt in Betracht, wenn der Berechtigte gewusst hat oder hätte wissen müssen, dass die Klage/das Rechtsmittel möglich war. Weitere Voraussetzung ist, dass der Beklagte darauf vertraut und vertrauen durfte, dass der Kläger sein Recht nicht mehr geltend machen werde, und dass die verspätete Geltendmachung wegen unzumutbarer Nachteile gegen Treu und Glauben verstößt (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. vor § 60 Rdz 14a).
Zwischen der Beklagten und R. bestand ein Versicherungsverhältnis, R. war bei der Beklagten pflegepflichtversichert. Die Beklagte hat auf den Antrag der R. vom 3. Juli 1995 mit Bescheid vom 6. September 1995 und Teil-Abhilfebescheid vom 13. März 1996 entschieden und ihr Leistungen nach der Pflegestufe I gewährt. Ob über den von R. 1995 eingelegten Widerspruch eine Entscheidung erging, ist heute nicht mehr zu klären, weder die Klägerin noch die Beklagte verfügen nach 18 Jahren noch über Unterlagen. Die Beklagte und R. standen nach Erhebung des Widerspruchs im Jahr 1995 weiterhin miteinander in Kontakt. Mit Schreiben vom 3. Februar 1997 teilte die Beklagte R. mit, dass sie, die Beklagte, ab 13. November 1996 die Pflege der R. im Heim bezuschusst. Vom 15. August 1997 bis 29. November 1998 gewährte die Beklagte R. Leistungen nach der Pflegestufe II und ab 13. November 1998 bis zu ihrem Tod am 24. Januar 2001 Leistungen nach der Pflegestufe III. Nach dem Ausgang des Widerspruchsverfahrens fragten weder R. noch die Klägerin nach. Erst mit Schreiben vom 23. Dezember 2009 wandte sich die Klägerin dann erneut an die Beklagte und erkundigte sich nach dem Ausgang des Verfahrens. Zu diesem Zeitpunkt waren seit dem letzten Bescheid der Beklagten mit Blick auf den am 4. Juli 1995 gestellten Antrag auf Gewährung von Pflegegeld dreizehn Jahre vergangen, R. war zu diesem Zeitpunkt bereits fast neun Jahre tot und die Beklagte hatte § 107 SGB XI folgend, wonach Angaben über Leistungen, die zur Prüfung der Voraussetzungen späterer Leistungsgewährung erforderlich sind (§ 102 SGB XI), spätestens nach Ablauf von 10 Jahren zu löschen sind, ihre Unterlagen bereits vernichtet.
Aus dem Versicherungsverhältnis und dem laufenden Kontakt erwuchsen und erwachsen den Beteiligten im Hinblick auf § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) besondere (Neben-)Pflichten gegenüber dem jeweils anderen Teil. Dazu gehört es, den Erlass eines Widerspruchs zeitnah, d.h. zu einem Zeitpunkt, in dem auch noch eine Überprüfung möglich gewesen wäre, anzumahnen. R. und nach deren Tod die Klägerin haben der Beklagten gegenüber jedoch, obwohl in der Folge weiterer Kontakt bestand und weitere Bescheide ergingen, über viele Jahre den Eindruck erweckt, dass sie keine Rechte der R. mit Blick auf die Gewährung von höherem Pflegegeld für die Zeit vom 3. Juli 1995 bis 28. November 1998, dem Zeitpunkt des Beginns von Leistungen nach der Pflegestufe II, mehr geltend machen würden. Durch das lange Zuwarten haben sie die Beklagte davon abgehalten, die Unterlagen, anhand derer nun der weitere Verfahrensablauf mit Blick auf den Widerspruch nachprüfbar wäre, aufzubewahren. Die Beklage hat darauf vertraut, dass dieser Vorgang abgeschlossen ist. Das Klagerecht ist deshalb verwirkt.
Das Klagerecht ist auch nicht deshalb nicht verwirkt, weil der Klägerin nach ihrem Vortrag erst bei Erteilung des an sie gerichteten Rentenbescheids im Jahr 2008 bewusst wurde, dass bei ihr für die Zeit vom 3. Juli 1995 bis zum Umzug der R. in ein Pflegeheim am 13. November 1996 keine Rentenversicherungsbeiträge für die Durchführung von Pflege berücksichtigt sind. Die Beklagte hat der Klägerin gegenüber bereits mit an sie gerichtetem Bescheid vom 6. September 1995 die Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen abgelehnt. Der Klägerin hat damit gewusst, dass für sie keine Rentenversicherungsbeiträge entrichtet werden. Abgesehen davon hat bei Streit über die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung bei nicht erwerbsmäßigen Pflegepersonen, bei denen das Einzugsstellenverfahren nicht gilt, zunächst der zuständige Träger der Rentenversicherung zu entscheiden und nicht die Pflegekasse (vgl. BSG, Urteil vom 23. September 2003 - B 12 P 2/02 R -; in juris). Auch dies stellt damit keinen Grund dafür dar, dass sich die Klägerin erst jetzt an die Beklagte wendet und von dieser den Erlass eines im Jahr 1996 angeblich nicht ergangenen Widerspruchsbescheids begehrt. Es ist für die Frage, ob die Klägerin als nicht erwerbsmäßige Pflegeperson nach § 3 Satz 1 Nr. 1a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung war, weil der (Min-dest )Aufwand für Pflege von 14 Stunden wöchentlich erreicht war, unerheblich, ob ein Widerspruchsbescheid vorliegt oder nicht, so dass die von der Klägerin vorliegend erhobene Untätigkeitsklage ihr im Hinblick auf zu berücksichtigende Beiträge bei der ihr gezahlten Altersrente keinerlei tatsächlichen oder rechtlichen Vorteile bringt. Denn ob die Voraussetzungen der Rentenversicherungspflicht nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI gegeben sind, kann der Rentenversicherungsträger anhand der zur Frage der Pflegebedürftigkeit erstellten Gutachten feststellen.
2. Auch der Hilfsantrag der Klägerin ist wegen Rechtsmissbräuchlichkeit unzulässig.
Die Klägerin begehrt die Zahlung von Pflegegeld an R. nach der Pflegestufe II anstelle der Pflegestufe I für die Zeit vom 3. Juli 1995 bis - sachgerecht ausgelegt - zu ihrem Umzug in ein Pflegeheim am 13. November 1996. Sozialleistungen werden rückwirkend jedoch längstens für vier Jahre erbracht. Ein Anspruch auf Leistungen für diese Zeit bestand zum Zeitpunkt der Stellung des Überprüfungsantrags am 23. Dezember 2009 damit nicht mehr. Eine Entscheidung der Beklagten würde auch nicht dazu führen, dass die Klägerin weitere Rentenversicherungsbeiträge berücksichtigt bekäme, insoweit hat sie - wie ausgeführt - ein Verfahren gegenüber dem Rentenversicherungsträger zu führen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) (Unterliegen der Klägerin). Entgegen der Auffassung des SG handelt es sich bei dem Rechtsstreit um ein kostenpflichtiges Verfahren nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG. Nach dieser Vorschrift werden Kosten nach dem Gerichtskostengesetz erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis gehören. Hierzu zählen Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), soweit sie in dieser Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Die Klägerin macht hier einen Anspruch der bereits lange vor Erhebung der Untätigkeitsklage verstorbenen R. und damit einen Anspruch aus fremdem Recht geltend. Hierfür greift die Kostenprivilegierung des § 183 SGG nicht ein. Die Klägerin ist auch nicht Sonderrechtsnachfolgerin der nach dem Gutachten von Dr. Hemminger ursprünglich alleinlebenden und seit 13. November 1996 in einem Heim lebenden und dort verstorbenen R. Nachdem die Klägerin überwiegend berufstätig war, geht der Senat auch davon aus, dass die Klägerin von ihrer Mutter R. nicht wesentlich unterhalten wurde, dies hat die Klägerin auch nicht vorgetragen. Auch die Beklagte gehört nicht zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis. Die erste Instanz hat es unterlassen, der Klägerin, die auch schon vor dem SG aus fremdem Recht klagte, insoweit nach §§ 197a SGG, § 154 VwGO die Verfahrenskosten aufzuerlegen. Die insoweit unzutreffende erstinstanzliche Kostenentscheidung war entsprechend durch den Senat abzuändern (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juli 1997 - 3 BS 3/96 -, in juris). Hinsichtlich der Erfolgslosigkeit des Rechtsmittels der Klägerin stützt sich die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 2 VwGO. 4. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
5. Die Festsetzung des Streitwerts, die von Amts wegen auch auf die unterbliebene erstinstanzliche Festsetzung zu erstrecken ist, (§ 63 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG)), beruht auf § 197a Abs. 1 SGG, § 1 Abs. 2 Nr. 3 GKG sowie §§ 52, 63 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 Nr. 5 GKG. Die Klägerin begehrt - sachgerecht gefasst - im Wege der Untätigkeitsklage Pflegegeld der Pflegestufe II anstelle der Pflegestufe I für die Zeit vom 3. Juli 1995 bis 13. November 1996, mithin einen um DM 400,00 höheren Betrag für 16 Monate und zehn Tage. Insgesamt beläuft sich der Betrag damit auf DM 6.533,33. Dies entspricht EUR 3.340,44.
Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert wird für beide Rechtszüge endgültig auf EUR 3.340,44 festgesetzt.
Gründe:
I.
Die Klägerin begehrt im Wege der Untätigkeitsklage die Verurteilung der Beklagten, über den Widerspruch gegen den ablehnenden Pflegegeldbescheid vom 6. September 1995 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids vom 13. März 1996 zu entscheiden, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihren Überprüfungsantrag vom 23. Dezember 2009 zu bescheiden.
Die am 1914 geborene, bei der Beklagten pflegepflichtversicherte und am 2001 verstorbene Mutter der Klägerin, Frau L. R., im Folgenden R., hatte am 3. Juli 1995 Pflegegeld beantragt. Diesen Antrag hatte die Beklagte mit Bescheid vom 6. September 1995 abgelehnt. Mit weiterem Bescheid vom 6. September 1995 hatte die Beklagte außerdem der in der überwiegenden Zeit berufstätigen Klägerin gegenüber die Entrichtung von Beiträgen für ihre Rentenversicherung abgelehnt, da die Pflege von ihr nicht wöchentlich mindestens 14 Stunden ausgeübt werde und deshalb Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung als Pflegeperson nicht eintrete. Gegen den ihr gegenüber ergangenen Bescheid vom 6. September 1995 erhob R. Widerspruch. Das Widerspruchsschreiben ist nicht mehr vorhanden. Mit Schreiben vom 4. Februar 1996 legte R. erneut Widerspruch ein. Die Beklagte hob hierauf nach Begutachtung von R. durch den Medizinischen Dienst Baden-Württemberg (MDK) ihren Bescheid vom 6. September 1995 auf und gewährte R. mit Bescheid vom 13. März 1996 ab 3. Juli "1996" (richtig: 1995) Leistungen der Pflegeversicherung in Form von Pflegegeld nach der Pflegestufe I. Den Widerspruch hielt R. ausweislich des Schreibens des von ihr bevollmächtigten Rentenberaters aufrecht und begründete den Widerspruch weiter mit Schreiben vom 10. Juni 1996. Sie begehrte ausweislich des vorliegenden Schreibens vom 10. Juni 1996 die Pflegestufe II. Die Beklagte veranlasste hierauf eine Untersuchung durch Dr. H. vom MDK am 31. Juli 1996. Dr. H., der ausführte, dass R. alleinlebe, vertrat die Auffassung, dass weiterhin die Voraussetzungen für die Pflegestufe I vorlägen. Weitere Unterlagen bezüglich des Widerspruchsverfahrens sind nicht mehr vorhanden. In der Folge bezog R., die sich ab 13. November 1996 in vollstationärer Pflege befand, bis 14. August 1997 Leistungen nach der Pflegestufe I, vom 15. August 1997 bis 29. November 1998 Leistungen nach der Pflegestufe II und ab 30. November 1998 bis zu ihrem Tod Leistungen nach der Pflegestufe III. Mit Schreiben vom 23. Dezember 2009 wandte sich der auch von der Klägerin ursprünglich bevollmächtigte Rentenberater an die Beklagte und trug vor, die Klägerin habe Zweifel, inwieweit es korrekt sei, dass für sie keine Pflegeberücksichtigungszeiten bzw. Pflichtbeiträge für Pflege in der gesetzlichen Rentenversicherung berücksichtigt seien. Nicht bekannt sei, was aus dem in den Neunzigerjahren geführten Widerspruchsverfahren mit Blick auf Anhebung des Pflegegeldes letztlich geworden sei und ob es einen ordnungsgemäßen Abschluss gefunden habe. Auf dieses Schreiben erfolgte ausweislich eines Aktenvermerks des von R. beauftragten Rentenberaters ein Telefongespräch zwischen diesem und der Beklagten, im Übrigen veranlasste die Beklagte nichts.
Hierauf erhob die Klägerin am 11. Mai 2011 Untätigkeitsklage beim SG mit dem oben genannten Begehren. Zur Begründung führte sie aus, es gehe darum, ob für sie, die Klägerin, als pflegende Person von R. Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung zu zahlen seien. Bisher sei dies nicht der Fall. Nach ihren Unterlagen habe das im Jahr 1996/1997 bei der Beklagten betriebene Verfahren keinen Abschluss gefunden. Wenn diese, die Beklagte, keine Unterlagen mehr habe, könne sie nicht nachweisen, dass über den Widerspruch eine Entscheidung ergangen sei. Nach ihrem Schreiben vom 23. Dezember 2009 habe sich die Beklagte nur am 19. Januar 2010 bei ihrem Rentenberater gemeldet. Weiteres habe die Beklagte in der Folge nicht veranlasst.
Die Beklagte trat der Klage entgegen. Sie führte aus, dass ihr in schriftlicher Form nichts mehr vorliege, da die Unterlagen in der Zwischenzeit vernichtet worden seien. Grundsätzlich sei sie bereit, den Sachverhalt zu prüfen, sofern glaubhaft nachgewiesen werde, dass die Pflege erbracht worden sei und wer die Pflege sichergestellt habe sowie in welchem zeitlichen Umfang.
Mit Urteil vom 19. Oktober 2012 wies das SG die Klage ab. Die Klage sei bezüglich der Bescheidung des Widerspruchs vom 4. Februar 1996 als Untätigkeitsklage gemäß § 88 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig, weil seit Erhebung des Widerspruchs mehr als drei Monate vergangen seien. Die Klage sei jedoch nicht begründet. Es sei nicht zu ermitteln, ob und ggf. wie das Widerspruchsverfahren gegen den Bescheid vom 6. September 1995 beendet worden sei. Möglich sei, dass noch ein Widerspruchsbescheid zu erlassen sei, genau so könnte R. das Widerspruchsverfahren im Zusammenhang mit der Aufnahme in eine stationäre Pflegeeinrichtung aber auch für erledigt erklärt haben oder die Beklagte einen Widerspruchsbescheid erlassen haben. Grundsätzlich wäre es Aufgabe der Beklagten nachzuweisen, dass das Widerspruchsverfahren beendet worden sei. Dies sei der Beklagten vorliegend jedoch nicht mehr möglich, da bei ihr keine Verwaltungsakten mehr vorhanden seien. Diese Unmöglichkeit der Beweisführung sei von der Klägerin bzw. von R. zu vertreten. Wer 15 Jahre nach letztmaliger - nachgewiesener - Korrespondenz in einem Widerspruchsverfahren und zehn Jahre nach dem Versterben der betroffenen Person eine Untätigkeitsklage erhebe, müsse erwarten, dass Unterlagen bei der beklagten Behörde nicht mehr vorhanden seien. Der Hilfsantrag sei bereits unzulässig. Offenbleiben könne, ob ein entsprechender Überprüfungsantrag bereits mit dem Schreiben vom 23. Dezember 2009 oder erst mit Erhebung der Untätigkeitsklage gestellt worden sei. Jedenfalls bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin. Ein eventueller Überprüfungsantrag gegen den Bescheid vom 6. September 1995 in Form des Änderungsbescheids vom 13. März 1996 sei offensichtlich unbegründet. Die Klägerin begehre mit diesem Antrag letztlich die Gewährung von Leistungen der Pflegestufe II für R. für die Zeit vom 3. Juli 1995 bis 12. November 1996. Zum Zeitpunkt der Stellung des Überprüfungsantrags sei die Frist für die nachträgliche Erbringung von Leistungen der Pflegeversicherung für die Zeit bis zum 12. November 1996 gemäß § 44 Abs. 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) indessen bereits offensichtlich abgelaufen gewesen. Eine gerichtliche Entscheidung des Inhalts, dass die Beklagte diesen Überprüfungsantrag zu verbescheiden habe, würde weder die rechtliche, noch die wirtschaftliche Situation der Klägerin verbessern. Diese müsse wissen, dass ihr Überprüfungsantrag unbegründet gewesen sei. Wenn Anträge so offensichtlich unzulässig bzw. unbegründet seien, dass die Klägerin dies erkennen müsse, sei eine entsprechende Untätigkeitsklage missbräuchlich. Soweit die Klägerin für die Zeit der häuslichen Pflege die Berücksichtigung rentenrechtlicher Zeiten begehre, möge sie diesen Anspruch im Übrigen gegenüber dem zuständigen Rentenversicherungsträger geltend machen.
Gegen das am 27. Oktober 2012 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26. November 2012 Berufung eingelegt. Sie ist der Meinung, es dürfe in allerhöchstem Maße bezweifelt werden, dass die Rentenversicherung für die Pflegeberücksichtigungszeiten die Rentenversicherungspflicht eigenständig prüfen werde. Es dürfte überwiegend wahrscheinlich sein, dass die Rentenversicherung an die Beklagte verweise.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 19. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, über den Widerspruch der verstorbenen L. R. vom 4. Februar 1996 gegen den Bescheid der Beklagten vom 6. September 1995 in der Fassung des Teil-Abhilfebescheids vom 13. März 1996 zu entscheiden, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, ihren Überprüfungsantrag vom 23. Dezember 2009 zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat noch einmal darauf hingewiesen, dass ihr eine Vorlage von Verwaltungsakten nicht möglich sei. In der Vergangenheit vorhandene Unterlagen seien zwischenzeitlich vernichtet worden.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die Berufung der Klägerin gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, da er die Berufung der Klägerin einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten gehört.
Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Beklagte ist auf die Untätigkeitsklage der Klägerin nicht zu verurteilen, über den gegen den ablehnenden Pflegegeldbescheid vom 6. September 1995 in der Gestalt des Teil-Abhilfebescheids vom 13. März 1996 erhobenen Widerspruch zu entscheiden, hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, den Überprüfungsantrag vom 23. Dezember 2009 zu bescheiden.
1. Die Untätigkeitsklage ist unzulässig.
Es kann insoweit offenbleiben, ob die Beklagte hier nicht bereits einen Widerspruchsbescheid erlassen hat, was die Unzulässigkeit der Untätigkeitsklage zur Folge hätte, weil Zulässigkeitsvoraussetzung für die Untätigkeitsklage ist, das der Kläger sachlich nicht beschieden worden ist, die Behörde also eine abschließende Entscheidung (hier Widerspruchsbescheid) zur Hauptsache nicht getroffen hat. Auch wenn hier kein Widerspruchsbescheid erlassen worden sein sollte, ist die Untätigkeitsklage der Klägerin unzulässig, denn sie ist rechtsmissbräuchlich. Das Klagerecht ist verwirkt.
Ist ein Antrag auf Vornahme eines Verwaltungsakts ohne zureichenden Grund in angemessener Frist sachlich nicht beschieden worden, so ist die Klage nicht vor Ablauf von sechs Monaten seit dem Antrag auf Vornahme des Verwaltungsaktes zulässig. Liegt ein zureichender Grund dafür vor, dass der beantragte Verwaltungsakt noch nicht erlassen ist, so setzt das Gericht das Verfahren bis zum Ablauf einer von ihm bestimmten Frist aus, die verlängert werden kann. Wird innerhalb dieser Frist dem Antrag stattgegeben, so ist die Hauptsache für erledigt zu erklären. Das gleiche gilt, wenn über einen Widerspruch nicht entschieden worden ist, mit der Maßgabe, dass als angemessene Frist eine solche von drei Monaten gilt (§ 88 SGG).
Nach § 89 SGG ist die Klage an keine Frist gebunden, wenn die Vornahme eines unterlassenen Verwaltungsaktes begehrt wird. Zweck der Regelung, dass die Untätigkeitsklage des § 88 Abs. 2 SGG unbefristet erhoben werden kann, ist, sicherzustellen, dass dem Bürger aus dem säumigen Verhalten der Verwaltung keine Nachteile erwachsen. Wird die Untätigkeitsklage jedoch sehr spät, unter Umständen erst nach Jahren erhoben, hat das Gericht zu prüfen, ob die Klageerhebung rechtsmissbräuchlich ist, das Klagerecht verwirkt ist (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 88 Rdz. 13 unter Hinweis auch auf Bundestags-Drucksache 7/4324 S. 13). Verwirkung ist ein Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung. Sie setzt voraus, dass der Berechtigte die Ausübung seines Rechts während eines längeren Zeitraumes unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalles und des in Betracht kommenden Rechtsgebietes das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten als illoyal erscheinen lassen. Solche die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundlage) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (BSG, Urteil vom 30. November 1978 - 12 RK 6/76 -; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 28. September 2011 - L 5 KR 2152/10 -; jeweils in juris). Auch die Ausübung prozessualer Befugnisse muss sich am Gebot von Treu und Glauben messen lassen. Prozessuale Befugnisse können daher verwirkt sein, wenn die verspätete Geltendmachung eines Anspruchs gegen Treu und Glauben verstößt, d.h. wenn ein gewisser Zeitraum verstrichen ist (Zeitmoment) und der Berechtigte unter Verhältnissen untätig bleibt, unter denen vernünftigerweise etwas zur Wahrung von Ansprüchen unternommen wird (Umstandsmoment); erst durch die Kombination beider Elemente wird eine Situation geschaffen, auf die der jeweilige Gegner vertrauen, sich einstellen und einrichten darf. Weiterhin ist bei der Verwirkung prozessualer Befugnisse im öffentlichen Recht zu berücksichtigen, dass nicht nur ein schutzwürdiges Vertrauen des Adressaten auf das Untätigbleiben eines Anfechtungsberechtigten rechtfertigen kann, die Anrufung eines Gerichts erst nach langer Zeit als unzulässig anzusehen, sondern auch ein öffentliches Interesse an der Erhaltung des Rechtsfriedens (BSG, Urteil vom 3. Juli 2013 - B 12 KR 8/11 R - m.w.N.; in juris). Verwirkung kommt in Betracht, wenn der Berechtigte gewusst hat oder hätte wissen müssen, dass die Klage/das Rechtsmittel möglich war. Weitere Voraussetzung ist, dass der Beklagte darauf vertraut und vertrauen durfte, dass der Kläger sein Recht nicht mehr geltend machen werde, und dass die verspätete Geltendmachung wegen unzumutbarer Nachteile gegen Treu und Glauben verstößt (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. vor § 60 Rdz 14a).
Zwischen der Beklagten und R. bestand ein Versicherungsverhältnis, R. war bei der Beklagten pflegepflichtversichert. Die Beklagte hat auf den Antrag der R. vom 3. Juli 1995 mit Bescheid vom 6. September 1995 und Teil-Abhilfebescheid vom 13. März 1996 entschieden und ihr Leistungen nach der Pflegestufe I gewährt. Ob über den von R. 1995 eingelegten Widerspruch eine Entscheidung erging, ist heute nicht mehr zu klären, weder die Klägerin noch die Beklagte verfügen nach 18 Jahren noch über Unterlagen. Die Beklagte und R. standen nach Erhebung des Widerspruchs im Jahr 1995 weiterhin miteinander in Kontakt. Mit Schreiben vom 3. Februar 1997 teilte die Beklagte R. mit, dass sie, die Beklagte, ab 13. November 1996 die Pflege der R. im Heim bezuschusst. Vom 15. August 1997 bis 29. November 1998 gewährte die Beklagte R. Leistungen nach der Pflegestufe II und ab 13. November 1998 bis zu ihrem Tod am 24. Januar 2001 Leistungen nach der Pflegestufe III. Nach dem Ausgang des Widerspruchsverfahrens fragten weder R. noch die Klägerin nach. Erst mit Schreiben vom 23. Dezember 2009 wandte sich die Klägerin dann erneut an die Beklagte und erkundigte sich nach dem Ausgang des Verfahrens. Zu diesem Zeitpunkt waren seit dem letzten Bescheid der Beklagten mit Blick auf den am 4. Juli 1995 gestellten Antrag auf Gewährung von Pflegegeld dreizehn Jahre vergangen, R. war zu diesem Zeitpunkt bereits fast neun Jahre tot und die Beklagte hatte § 107 SGB XI folgend, wonach Angaben über Leistungen, die zur Prüfung der Voraussetzungen späterer Leistungsgewährung erforderlich sind (§ 102 SGB XI), spätestens nach Ablauf von 10 Jahren zu löschen sind, ihre Unterlagen bereits vernichtet.
Aus dem Versicherungsverhältnis und dem laufenden Kontakt erwuchsen und erwachsen den Beteiligten im Hinblick auf § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) besondere (Neben-)Pflichten gegenüber dem jeweils anderen Teil. Dazu gehört es, den Erlass eines Widerspruchs zeitnah, d.h. zu einem Zeitpunkt, in dem auch noch eine Überprüfung möglich gewesen wäre, anzumahnen. R. und nach deren Tod die Klägerin haben der Beklagten gegenüber jedoch, obwohl in der Folge weiterer Kontakt bestand und weitere Bescheide ergingen, über viele Jahre den Eindruck erweckt, dass sie keine Rechte der R. mit Blick auf die Gewährung von höherem Pflegegeld für die Zeit vom 3. Juli 1995 bis 28. November 1998, dem Zeitpunkt des Beginns von Leistungen nach der Pflegestufe II, mehr geltend machen würden. Durch das lange Zuwarten haben sie die Beklagte davon abgehalten, die Unterlagen, anhand derer nun der weitere Verfahrensablauf mit Blick auf den Widerspruch nachprüfbar wäre, aufzubewahren. Die Beklage hat darauf vertraut, dass dieser Vorgang abgeschlossen ist. Das Klagerecht ist deshalb verwirkt.
Das Klagerecht ist auch nicht deshalb nicht verwirkt, weil der Klägerin nach ihrem Vortrag erst bei Erteilung des an sie gerichteten Rentenbescheids im Jahr 2008 bewusst wurde, dass bei ihr für die Zeit vom 3. Juli 1995 bis zum Umzug der R. in ein Pflegeheim am 13. November 1996 keine Rentenversicherungsbeiträge für die Durchführung von Pflege berücksichtigt sind. Die Beklagte hat der Klägerin gegenüber bereits mit an sie gerichtetem Bescheid vom 6. September 1995 die Entrichtung von Rentenversicherungsbeiträgen abgelehnt. Der Klägerin hat damit gewusst, dass für sie keine Rentenversicherungsbeiträge entrichtet werden. Abgesehen davon hat bei Streit über die Versicherungspflicht in der Rentenversicherung bei nicht erwerbsmäßigen Pflegepersonen, bei denen das Einzugsstellenverfahren nicht gilt, zunächst der zuständige Träger der Rentenversicherung zu entscheiden und nicht die Pflegekasse (vgl. BSG, Urteil vom 23. September 2003 - B 12 P 2/02 R -; in juris). Auch dies stellt damit keinen Grund dafür dar, dass sich die Klägerin erst jetzt an die Beklagte wendet und von dieser den Erlass eines im Jahr 1996 angeblich nicht ergangenen Widerspruchsbescheids begehrt. Es ist für die Frage, ob die Klägerin als nicht erwerbsmäßige Pflegeperson nach § 3 Satz 1 Nr. 1a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung war, weil der (Min-dest )Aufwand für Pflege von 14 Stunden wöchentlich erreicht war, unerheblich, ob ein Widerspruchsbescheid vorliegt oder nicht, so dass die von der Klägerin vorliegend erhobene Untätigkeitsklage ihr im Hinblick auf zu berücksichtigende Beiträge bei der ihr gezahlten Altersrente keinerlei tatsächlichen oder rechtlichen Vorteile bringt. Denn ob die Voraussetzungen der Rentenversicherungspflicht nach § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI gegeben sind, kann der Rentenversicherungsträger anhand der zur Frage der Pflegebedürftigkeit erstellten Gutachten feststellen.
2. Auch der Hilfsantrag der Klägerin ist wegen Rechtsmissbräuchlichkeit unzulässig.
Die Klägerin begehrt die Zahlung von Pflegegeld an R. nach der Pflegestufe II anstelle der Pflegestufe I für die Zeit vom 3. Juli 1995 bis - sachgerecht ausgelegt - zu ihrem Umzug in ein Pflegeheim am 13. November 1996. Sozialleistungen werden rückwirkend jedoch längstens für vier Jahre erbracht. Ein Anspruch auf Leistungen für diese Zeit bestand zum Zeitpunkt der Stellung des Überprüfungsantrags am 23. Dezember 2009 damit nicht mehr. Eine Entscheidung der Beklagten würde auch nicht dazu führen, dass die Klägerin weitere Rentenversicherungsbeiträge berücksichtigt bekäme, insoweit hat sie - wie ausgeführt - ein Verfahren gegenüber dem Rentenversicherungsträger zu führen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) (Unterliegen der Klägerin). Entgegen der Auffassung des SG handelt es sich bei dem Rechtsstreit um ein kostenpflichtiges Verfahren nach § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG. Nach dieser Vorschrift werden Kosten nach dem Gerichtskostengesetz erhoben, wenn in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis gehören. Hierzu zählen Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), soweit sie in dieser Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Die Klägerin macht hier einen Anspruch der bereits lange vor Erhebung der Untätigkeitsklage verstorbenen R. und damit einen Anspruch aus fremdem Recht geltend. Hierfür greift die Kostenprivilegierung des § 183 SGG nicht ein. Die Klägerin ist auch nicht Sonderrechtsnachfolgerin der nach dem Gutachten von Dr. Hemminger ursprünglich alleinlebenden und seit 13. November 1996 in einem Heim lebenden und dort verstorbenen R. Nachdem die Klägerin überwiegend berufstätig war, geht der Senat auch davon aus, dass die Klägerin von ihrer Mutter R. nicht wesentlich unterhalten wurde, dies hat die Klägerin auch nicht vorgetragen. Auch die Beklagte gehört nicht zu dem in § 183 SGG genannten Personenkreis. Die erste Instanz hat es unterlassen, der Klägerin, die auch schon vor dem SG aus fremdem Recht klagte, insoweit nach §§ 197a SGG, § 154 VwGO die Verfahrenskosten aufzuerlegen. Die insoweit unzutreffende erstinstanzliche Kostenentscheidung war entsprechend durch den Senat abzuändern (vgl. BSG, Urteil vom 9. Juli 1997 - 3 BS 3/96 -, in juris). Hinsichtlich der Erfolgslosigkeit des Rechtsmittels der Klägerin stützt sich die Kostenentscheidung auf § 154 Abs. 2 VwGO. 4. Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
5. Die Festsetzung des Streitwerts, die von Amts wegen auch auf die unterbliebene erstinstanzliche Festsetzung zu erstrecken ist, (§ 63 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG)), beruht auf § 197a Abs. 1 SGG, § 1 Abs. 2 Nr. 3 GKG sowie §§ 52, 63 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 1 Nr. 5 GKG. Die Klägerin begehrt - sachgerecht gefasst - im Wege der Untätigkeitsklage Pflegegeld der Pflegestufe II anstelle der Pflegestufe I für die Zeit vom 3. Juli 1995 bis 13. November 1996, mithin einen um DM 400,00 höheren Betrag für 16 Monate und zehn Tage. Insgesamt beläuft sich der Betrag damit auf DM 6.533,33. Dies entspricht EUR 3.340,44.
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