Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 3 P 1970/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 5287/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12. November 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt Pflegegeld nach der Pflegestufe I ab 1. Januar 2013.
Der 1945 geborene Kläger ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Die Beklagte zahlte ihm aufgrund ihres Bescheids vom 8. Januar 2001, der das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichts Ulm (SG) vom 13. Dezember 2000 (S 1 P 1846/99) ausführte, Pflegegeld nach der Pflegestufe I. Die Bewilligung dieser Leistung hob die Beklagte mit Wirkung zum 30. April 2006 auf (Bescheid vom 10. April 2006, Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2006). Die hiergegen vom Kläger eingelegten Rechtsmittel blieben erfolglos (Urteil des SG vom 11. September 2007 - S 1 P 3053/06 -; Rücknahme der Berufung durch den Kläger am 23. Juli 2008 nach Ablehnung seines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren durch Beschluss des Senats vom 11. Juni 2008 - L 4 P 5110/07 -).
Der Kläger ist alleinstehend und bewohnt seit 15. Mai 2012 eine 32 m² große Mietwohnung in einer von einem kirchlichen Verein getragenen Seniorenwohnanlage. Das Landratsamt O. bewilligte ihm im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) die Übernahme von Kosten für eine Haushaltshilfe für bis zu maximal sieben Stunden wöchentlich (Bescheid vom 25. März 2013). Er beantragte, von ihm unterschrieben am 3. Januar 2013, am 4. Februar 2013 bei der Beklagten eingegangen, erneut Pflegegeld. In diesem Antrag gab er u.a. an, dass ihn niemand regelmäßig zuhause pflege. Er lehnte die Erstellung eines Gutachtens zu seiner Pflegebedürftigkeit durch eine Gutachterin des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ab. Die Beklagte veranlasste daraufhin mit dem Einverständnis des Klägers die Begutachtung durch die staatlich examinierte Krankenschwester und Pflegesachverständige G.-K ... In ihrem Gutachten vom 7. April 2013 aufgrund eines Hausbesuchs am 4. April 2013 nannte sie aufgrund der ihr vorliegenden Unterlagen als Erkrankungen des Klägers eine periphere arterielle Verschlusskrankheit IIb vom Mehretagentyp beidseits mit einer auf weniger als 200 m herabgesetzten Gehstrecke und ausgeprägtem Ruheschmerz bei Zustand nach mehrmaligen operativen Interventionen im linken Bein sowie als Nebendiagnosen eine koronare Herzerkrankung, eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung, eine arterielle Hypertonie, eine Hyperlipidämie und einen Diabetes mellitus Typ II. Sie schätzte den täglichen Hilfebedarf für die Verrichtungen der Grundpflege auf sieben Minuten (Körperpflege sechs Minuten, Mobilität eine Minute). Beim wöchentlichen Duschen wäre Hilfe beim Waschen des Rückens und der Füße notwendig. Jede Ganzkörperwäsche oder das Duschen würde die Pflegeperson fünf Minuten binden, aufgerundet auf volle Minuten bei sechsmal wöchentlicher Ganzkörperwäsche fünf Minuten und einmal wöchentlicher Dusche eine Minute, insgesamt sechs Minuten. Ein weiterer Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege sei weder angegeben noch beobachtet worden. Sowohl die mundgerechte Zubereitung der Nahrung als auch die Nahrungsaufnahme seien selbstständig möglich. Hilfe falle für den Transfer beim Einsteigen in die Dusche an. Notwendig sei Unterstützung in Form von Festhalten bei der Pflegeperson, beim Absetzen auf der Sitzfläche sowie beim Aufstehen und Verlassen der Dusche. Jeder Transfer nehme Sekunden in Anspruch, weshalb für die wöchentlich zwei Transfers ein täglicher Aufwand von einer Minute anzurechnen sei. Ein weiterer Hilfebedarf im Bereich der Mobilität habe nicht beobachtet werden können. Der Kläger erhalte derzeit keine Hilfe bei den körperbezogenen Verrichtungen.
Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 11. April 2013 ab, dem Kläger "Pflegeleistungen" zu zahlen. Der Kläger erhob Widerspruch. Er verwies auf den ihm zuerkannten Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G und B. Er sei instabil auf den Füßen, leide unter Schwindelanfällen, habe keine Kraft mehr in den Händen, Beschwerden an der linken Schulter und sehe nicht mehr richtig. Verletze er sich beim Rasieren, sei wegen der Einnahme von Marcumar eine Blutung nicht zu stoppen. Auch die Zubereitung des Essens bereite ihm größte Probleme, beispielsweise habe er bereits zweimal vergessen, den Herd abzuschalten. Die Vergesslichkeit mache sich auch bei der Einnahme von Medikamenten bemerkbar. Für Arztbesuche sei er auf Hilfe Dritter (Merkzeichen B zuerkannt) angewiesen. Er reichte die Berichte des Privatdozent Dr. F., Chefarzt der Abteilung für Herz- und Gefäßchirurgie des R.-B.-Krankenhaus S., vom 24. Januar 2013 über die vom 9. Januar bis 1. Februar 2013 und vom 6. Juni 2013 über die vom 31. Mai bis 7. Juni 2013 erfolgten stationären Behandlungen zur weiterführenden Diagnostik und Therapie der bekannten arteriellen Verschlusskrankheit sowie dessen Arztbrief vom 24. April 2013 über die am Tag zuvor erfolgte ambulante Untersuchung mit der Empfehlung eines weiteren strukturierten Gehttrainings und einer gefäßchirurgischen Kontrolle ein. Bei der Entlassung aus den genannten stationären Behandlungen war der Kläger über die Stationsebene hinaus mobil. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2013). Er verwies auf das Gutachten der Pflegesachverständigen G.-K. und hielt, auch im Hinblick darauf, dass der Kläger alle Gutachten des MDK ablehne, ein weiteres Gutachten für nicht erforderlich.
Der Kläger erhob am 3. Juli 2013 Klage beim SG. Sein Pflegebedarf sei höher als im Gutachten der Pflegesachverständigen G.-K. festgestellt. Er könne sich nicht selbst anziehen, weil er die linke Hand nicht gebrauchen könne, nicht allein Duschen, weil er nicht allein in der Dusche stehen könne, wegen der Einschränkungen der Hände sich nicht alleine waschen sowie wegen der Einschränkungen beim Stehen und bei der Gebrauchsfähigkeit der Hände sich alleine kaum ernähren, seine Wäsche nicht waschen, weil die Waschmaschine 200 m entfernt sei, die Wäsche dorthin nicht tragen und die Wäsche nicht aufhängen sowie nicht einkaufen oder andere Haushaltsarbeiten, für die er bis zu maximal sieben Stunden wöchentlich eine Haushaltshilfe habe, nicht erledigen. Er legte neben dem der Beklagten bereits eingereichten Bericht des Privatdozent Dr. F. vom 24. Januar 2013, Berichte des Dr. Ba., Fachklinik für Kardiologische Rehabilitation, vom 18. November 2011, 23. Mai und 16. November 2012 über stationäre Behandlungen vom 1. bis 20. Oktober 2011, 7. bis 31. März 2012 und 18. September bis 6. Oktober 2012 nach Anlegen von Bypässen im Bereich des linken Unterschenkels sowie ein von ihm und einem Nachbarn ausgefülltes Pflegetagebuch für die Zeit vom 8. bis 14. Juli 2013 vor.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Auf Veranlassung des SG erstattete Pflegesachverständige G.-K. ihre ergänzende gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage vom 15. Oktober 2013. Aus den Arztbriefen lasse sich kein Hilfebedarf erkennen, den sie nicht bereits in ihrem Gutachten vom 7. April 2013 berücksichtigt habe. Der im Pflegetagebuch angegebene Fremdhilfebedarf sei aufgrund der Ressourcen des Klägers nicht nachvollziehbar. Der Kläger habe bereits im April 2013 unter einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung der linken Schulter gelitten. Nicht nachvollziehbar sei die Angabe der Gebrauchsunfähigkeit der linken Hand. Eine entsprechende internistische oder neurologische Behandlung gehe aus den Akten nicht hervor. Zudem könne der Kläger als Rechtshänder die rechte obere Extremität uneingeschränkt und beim Verlassen des Hauses den Rollator, der mit beiden Händen geschoben und gelenkt werden müsse, nutzen. Beim Duschen sei es nicht notwendig, dass der Kläger in der Dusche stehe, da eine gemauerte Sitzmöglichkeit vorhanden sei.
Der Kläger erhob gegen die ergänzende gutachterliche Stellungnahme Einwendungen (Vorlage einer Kopie der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme mit handschriftlichen Anmerkungen), verwies auf alle drei Monate ausgestellte Verordnungen einer Krankenbeförderung sowie auf erhebliche Beschwerden an Niere und Leber.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 12. November 2013 ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe I, weil kein Hilfebedarf im Umfang von 46 Minuten in der Grundpflege auch nur ansatzweise ersichtlich sei. Es (das SG) stütze sich auf das Gutachten der Pflegesachverständigen G.-K. und deren ergänzende Stellungnahme. Anlässlich des Hausbesuches hätten nur wenige körperlich massive Einschränkungen im Bereich der Grundpflege durch die bestehenden Erkrankungen beobachtet werden können. Ein weiterer (als von der Sachverständigen angenommener) Hilfebedarf könne aus dem Pflegetagebuch nicht nachvollzogen werden. Die dort aufgeführten Minuten erschienen wohl vom Kläger und seinem Nachbarn wahllos zusammengestellt.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten erster Instanz am 18. November 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. Dezember 2013 Berufung eingelegt. Er hält das Gutachten der Pflegesachverständigen G.-K. weiterhin für unrichtig. Er hat vorgelegt: • erneut den Arztbrief des Privatdozent Dr. F. vom 6. Juni 2013 und die Entlassungsberichte des Dr. Ba. vom 18. November 2011 und 23. Mai 2012, • erneut eine Kopie des Gutachtens der Pflegesachverständigen G.-K. vom 7. April 2013 mit handschriftlichen Anmerkungen, • den Arztbrief des Orthopäden Dr. D. vom 26. März 2013 über die am selben Tag erfolgte Untersuchung wegen Schmerzen in der linken Schulter mit den Diagnosen Supraspinatussyndrom Schulter links, Teilsteife der Schulter links, Spondylarthrose C3 bis 7 und Cervikobrachialgie sowie der Empfehlung von Wärmetherapie, selbstständiger Schulter- und Wirbelsäulengymnastik und der Einnahme vorhandener analgetisch/antiphlogistischen Medikamenten, • die ärztliche Bescheinigung für Haushaltshilfe des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. T. vom 11. Juni 2012 sowie dessen Bescheinigung vom 7. Januar 2014, dass bezüglich der Nieren- und Lebererkrankung noch keine Befunde vorgelegt werden könnten, da der Kläger noch keinen Termin bei den Fachärzten bekommen habe, • den Bescheid des Landratsamts Ostalbkreis vom 25. März 2013.
Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12. November 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Januar 2013 Pflegegeld nach der Pflegestufe I zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf den Widerspruchsbescheid und das Urteil des SG.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da der Senat die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Der Kläger hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 SGG. Denn der Kläger begehrt Leistungen (Pflegegeld) für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger richtet seinen Rechten. Denn er hat ab 1. Januar 2013 keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe I.
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Maßgebend für den zeitlichen Aufwand ist grundsätzlich die tatsächlich bestehende Pflegesituation unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des zu Pflegenden, allerdings am Maßstab des allgemein Üblichen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - und 10. März 2010 B 3 P 10/08 R - in juris). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinie der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinie) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 Begutachtungs-Richtlinie; vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 P 6/03 R -, in juris, m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R - in juris).
Der Kläger bedarf zwar der Hilfe bei der Ganzkörperwäsche, beim Duschen und beim Stehen (Transfer). Dieser Hilfebedarf liegt aber seit 1. Januar 2013 bei weniger als 46 Minuten täglich.
Beim Kläger besteht eine arterielle Verschlusskrankheit IIb vom Mehretagentyp beidseits, aufgrund derer bereits mehrere Bypass-Operationen im Bereich des linken Unterschenkels erfolgten. Aufgrund dieser Erkrankung ist die Gehfähigkeit des Klägers eingeschränkt. Der Kläger ist aber mit einem Rollator oder einem Gehstock gehfähig. Ferner bestehen beim Kläger eine koronare Herzerkrankung, eine obstruktive Lungenerkrankung, eine arterielle Hypertonie, eine Hyperlipidämie und ein Diabetes mellitus Typ II. Dies ergibt sich aus den vom Kläger vorgelegten Entlassungsbriefen des Privatdozent Dr. F. und Dr. Ba. sowie auch aus dem von der Beklagten veranlassten Gutachten der Pflegesachverständigen G.-K. vom 7. April 2013. Schließlich liegt beim Kläger eine Teilsteife der Schulter links vor mit einer mittelgradigen Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk und einer stark eingeschränkten Außenrotation bei Anteversion und Retroversion. Dies ergibt sich als dem vom Kläger vorgelegten Arztbrief des Dr. D. vom 26. März 2013. Dass der linke Arm bei Bewegung schmerzt und eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der linken Schulter besteht, beschrieb auch Pflegesachverständige G.-K. in ihrem Gutachten vom 7. April 2013. Die Beschwerden im Bereich der linken Schulter beeinträchtigen die Feinmotorik links in geringem Umfang, wobei allerdings die rechte Hand uneingeschränkt eingesetzt werden kann. Beschwerden und Behinderungen im Bereich der rechten Hand lassen sich aus keinem der vorliegenden ärztlichen Berichte entnehmen und behauptet der Kläger auch nicht.
Der von der Pflegesachverständigen G.-K. genannte Hilfebedarf bei der Ganzkörperwäsche, beim Duschen und beim Stehen (Transfer) ist aufgrund der vorhandenen Funktionsstörungen nachvollziehbar. Aufgrund der eingeschränkten Gehfähigkeit besteht ein Hilfebedarf bei einem Transfer in die Dusche und aus der Dusche in Form der Unterstützung zur Vermeidung eines Sturzes sowie auch unter Berücksichtigung der eingeschränkten Beweglichkeit des linken Arms in Form der Übernahme des Waschens des Rückens und der Füße in Form der teilweisen Übernahme bei den Verrichtungen des Waschens und des Duschens. Die im Vordergrund stehende eingeschränkte Gehfähigkeit des Klägers führt entgegen der Angaben des Klägers im vorgelegten Pflegetagebuch zu keinem zeitlichen Hilfebedarf bei der Verrichtung des Gehens. Denn notwendige Hilfe beim Gehen ist nur dann zu berücksichtigen, wenn sie im Zusammenhang mit den anderen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt zielgerichteten Verrichtungen erfolgt (BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R -, in juris). Der Kläger ist jedenfalls so mobil, dass er diese Wege zurücklegen kann, so beispielsweise die Wege ins Bad zur Körperpflege oder zur Toilette.
Ein zeitlicher Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege liegt seit 1. Januar 2013 bei weniger als 46 Minuten täglich. Die Schätzung des erforderlichen Hilfebedarfs durch die Pflegesachverständigen G.-K. ist ebenfalls nachvollziehbar. Hinsichtlich des zeitlichen Hilfebedarf ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Kläger nicht täglich duscht, so dass der tatsächliche Hilfebedarf auf die gesamte Woche umzurechnen ist, was zwangsläufig zu niedrigeren zeitlichen Werten führt. Pflegesachverständige G.-K. legte ihrer Beurteilung die Orientierungswerte der Begutachtungs-Richtlinie (für die Ganzkörperwäsche 20 bis 25 Minuten, für das Duschen 15 bis 20 Minuten; Abschnitt F4.1.1 und 4.1.2 Begutachtungs-Richtlinie) zugrunde, die von einer vollständigen Übernahme der jeweiligen Verrichtung ausgehen, was beim Kläger allerdings wie dargelegt nicht erforderlich ist. Demgemäß ist der zeitliche Hilfebedarf bei einer Teilübernahme oder Unterstützung deutlich geringer. Im Hinblick darauf sind der für das Waschen der Füße und des Rückens angenommene zeitliche Hilfebedarf von fünf Minuten täglich und derjenige für die Unterstützung beim Transfer mit einer Minute schlüssig. Hieraus folgt auch, dass die im vorgelegten Pflegetagebuch vom Kläger angegebenen Hilfebedarfe bei den einzelnen Verrichtungen überhöht sind, wie auch das SG zutreffend ausgeführt hat.
Wegen der Bewegungseinschränkung des linken Arms wäre allenfalls noch ein geringer zeitlicher Hilfebedarf beim An- und Entkleiden in Form einer Teilübernahme denkbar. Bei den Orientierungswerten für das vollständige Ankleiden von acht bis zehn Minuten und das vollständige Entkleiden von vier bis sechs Minuten (Abschnitt F4.3.11 Begutachtungs-Richtlinie) jeweils für die vollständige Übernahme, kämen allenfalls zu dem von der Pflegesachverständige G.-K. geschätzten Hilfebedarf von sieben Minuten ein weiterer Hilfebedarf von wenigen zusätzlichen Minuten in Betracht und damit bei weitem kein Hilfebedarf von wenigstens 46 Minuten täglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der Kläger begehrt Pflegegeld nach der Pflegestufe I ab 1. Januar 2013.
Der 1945 geborene Kläger ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Die Beklagte zahlte ihm aufgrund ihres Bescheids vom 8. Januar 2001, der das rechtskräftige Urteil des Sozialgerichts Ulm (SG) vom 13. Dezember 2000 (S 1 P 1846/99) ausführte, Pflegegeld nach der Pflegestufe I. Die Bewilligung dieser Leistung hob die Beklagte mit Wirkung zum 30. April 2006 auf (Bescheid vom 10. April 2006, Widerspruchsbescheid vom 27. Juli 2006). Die hiergegen vom Kläger eingelegten Rechtsmittel blieben erfolglos (Urteil des SG vom 11. September 2007 - S 1 P 3053/06 -; Rücknahme der Berufung durch den Kläger am 23. Juli 2008 nach Ablehnung seines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren durch Beschluss des Senats vom 11. Juni 2008 - L 4 P 5110/07 -).
Der Kläger ist alleinstehend und bewohnt seit 15. Mai 2012 eine 32 m² große Mietwohnung in einer von einem kirchlichen Verein getragenen Seniorenwohnanlage. Das Landratsamt O. bewilligte ihm im Rahmen der Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) die Übernahme von Kosten für eine Haushaltshilfe für bis zu maximal sieben Stunden wöchentlich (Bescheid vom 25. März 2013). Er beantragte, von ihm unterschrieben am 3. Januar 2013, am 4. Februar 2013 bei der Beklagten eingegangen, erneut Pflegegeld. In diesem Antrag gab er u.a. an, dass ihn niemand regelmäßig zuhause pflege. Er lehnte die Erstellung eines Gutachtens zu seiner Pflegebedürftigkeit durch eine Gutachterin des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) ab. Die Beklagte veranlasste daraufhin mit dem Einverständnis des Klägers die Begutachtung durch die staatlich examinierte Krankenschwester und Pflegesachverständige G.-K ... In ihrem Gutachten vom 7. April 2013 aufgrund eines Hausbesuchs am 4. April 2013 nannte sie aufgrund der ihr vorliegenden Unterlagen als Erkrankungen des Klägers eine periphere arterielle Verschlusskrankheit IIb vom Mehretagentyp beidseits mit einer auf weniger als 200 m herabgesetzten Gehstrecke und ausgeprägtem Ruheschmerz bei Zustand nach mehrmaligen operativen Interventionen im linken Bein sowie als Nebendiagnosen eine koronare Herzerkrankung, eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung, eine arterielle Hypertonie, eine Hyperlipidämie und einen Diabetes mellitus Typ II. Sie schätzte den täglichen Hilfebedarf für die Verrichtungen der Grundpflege auf sieben Minuten (Körperpflege sechs Minuten, Mobilität eine Minute). Beim wöchentlichen Duschen wäre Hilfe beim Waschen des Rückens und der Füße notwendig. Jede Ganzkörperwäsche oder das Duschen würde die Pflegeperson fünf Minuten binden, aufgerundet auf volle Minuten bei sechsmal wöchentlicher Ganzkörperwäsche fünf Minuten und einmal wöchentlicher Dusche eine Minute, insgesamt sechs Minuten. Ein weiterer Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege sei weder angegeben noch beobachtet worden. Sowohl die mundgerechte Zubereitung der Nahrung als auch die Nahrungsaufnahme seien selbstständig möglich. Hilfe falle für den Transfer beim Einsteigen in die Dusche an. Notwendig sei Unterstützung in Form von Festhalten bei der Pflegeperson, beim Absetzen auf der Sitzfläche sowie beim Aufstehen und Verlassen der Dusche. Jeder Transfer nehme Sekunden in Anspruch, weshalb für die wöchentlich zwei Transfers ein täglicher Aufwand von einer Minute anzurechnen sei. Ein weiterer Hilfebedarf im Bereich der Mobilität habe nicht beobachtet werden können. Der Kläger erhalte derzeit keine Hilfe bei den körperbezogenen Verrichtungen.
Die Beklagte lehnte es mit Bescheid vom 11. April 2013 ab, dem Kläger "Pflegeleistungen" zu zahlen. Der Kläger erhob Widerspruch. Er verwies auf den ihm zuerkannten Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen G und B. Er sei instabil auf den Füßen, leide unter Schwindelanfällen, habe keine Kraft mehr in den Händen, Beschwerden an der linken Schulter und sehe nicht mehr richtig. Verletze er sich beim Rasieren, sei wegen der Einnahme von Marcumar eine Blutung nicht zu stoppen. Auch die Zubereitung des Essens bereite ihm größte Probleme, beispielsweise habe er bereits zweimal vergessen, den Herd abzuschalten. Die Vergesslichkeit mache sich auch bei der Einnahme von Medikamenten bemerkbar. Für Arztbesuche sei er auf Hilfe Dritter (Merkzeichen B zuerkannt) angewiesen. Er reichte die Berichte des Privatdozent Dr. F., Chefarzt der Abteilung für Herz- und Gefäßchirurgie des R.-B.-Krankenhaus S., vom 24. Januar 2013 über die vom 9. Januar bis 1. Februar 2013 und vom 6. Juni 2013 über die vom 31. Mai bis 7. Juni 2013 erfolgten stationären Behandlungen zur weiterführenden Diagnostik und Therapie der bekannten arteriellen Verschlusskrankheit sowie dessen Arztbrief vom 24. April 2013 über die am Tag zuvor erfolgte ambulante Untersuchung mit der Empfehlung eines weiteren strukturierten Gehttrainings und einer gefäßchirurgischen Kontrolle ein. Bei der Entlassung aus den genannten stationären Behandlungen war der Kläger über die Stationsebene hinaus mobil. Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2013). Er verwies auf das Gutachten der Pflegesachverständigen G.-K. und hielt, auch im Hinblick darauf, dass der Kläger alle Gutachten des MDK ablehne, ein weiteres Gutachten für nicht erforderlich.
Der Kläger erhob am 3. Juli 2013 Klage beim SG. Sein Pflegebedarf sei höher als im Gutachten der Pflegesachverständigen G.-K. festgestellt. Er könne sich nicht selbst anziehen, weil er die linke Hand nicht gebrauchen könne, nicht allein Duschen, weil er nicht allein in der Dusche stehen könne, wegen der Einschränkungen der Hände sich nicht alleine waschen sowie wegen der Einschränkungen beim Stehen und bei der Gebrauchsfähigkeit der Hände sich alleine kaum ernähren, seine Wäsche nicht waschen, weil die Waschmaschine 200 m entfernt sei, die Wäsche dorthin nicht tragen und die Wäsche nicht aufhängen sowie nicht einkaufen oder andere Haushaltsarbeiten, für die er bis zu maximal sieben Stunden wöchentlich eine Haushaltshilfe habe, nicht erledigen. Er legte neben dem der Beklagten bereits eingereichten Bericht des Privatdozent Dr. F. vom 24. Januar 2013, Berichte des Dr. Ba., Fachklinik für Kardiologische Rehabilitation, vom 18. November 2011, 23. Mai und 16. November 2012 über stationäre Behandlungen vom 1. bis 20. Oktober 2011, 7. bis 31. März 2012 und 18. September bis 6. Oktober 2012 nach Anlegen von Bypässen im Bereich des linken Unterschenkels sowie ein von ihm und einem Nachbarn ausgefülltes Pflegetagebuch für die Zeit vom 8. bis 14. Juli 2013 vor.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Auf Veranlassung des SG erstattete Pflegesachverständige G.-K. ihre ergänzende gutachterliche Stellungnahme nach Aktenlage vom 15. Oktober 2013. Aus den Arztbriefen lasse sich kein Hilfebedarf erkennen, den sie nicht bereits in ihrem Gutachten vom 7. April 2013 berücksichtigt habe. Der im Pflegetagebuch angegebene Fremdhilfebedarf sei aufgrund der Ressourcen des Klägers nicht nachvollziehbar. Der Kläger habe bereits im April 2013 unter einer schmerzhaften Bewegungseinschränkung der linken Schulter gelitten. Nicht nachvollziehbar sei die Angabe der Gebrauchsunfähigkeit der linken Hand. Eine entsprechende internistische oder neurologische Behandlung gehe aus den Akten nicht hervor. Zudem könne der Kläger als Rechtshänder die rechte obere Extremität uneingeschränkt und beim Verlassen des Hauses den Rollator, der mit beiden Händen geschoben und gelenkt werden müsse, nutzen. Beim Duschen sei es nicht notwendig, dass der Kläger in der Dusche stehe, da eine gemauerte Sitzmöglichkeit vorhanden sei.
Der Kläger erhob gegen die ergänzende gutachterliche Stellungnahme Einwendungen (Vorlage einer Kopie der ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme mit handschriftlichen Anmerkungen), verwies auf alle drei Monate ausgestellte Verordnungen einer Krankenbeförderung sowie auf erhebliche Beschwerden an Niere und Leber.
Das SG wies die Klage mit Urteil vom 12. November 2013 ab. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe I, weil kein Hilfebedarf im Umfang von 46 Minuten in der Grundpflege auch nur ansatzweise ersichtlich sei. Es (das SG) stütze sich auf das Gutachten der Pflegesachverständigen G.-K. und deren ergänzende Stellungnahme. Anlässlich des Hausbesuches hätten nur wenige körperlich massive Einschränkungen im Bereich der Grundpflege durch die bestehenden Erkrankungen beobachtet werden können. Ein weiterer (als von der Sachverständigen angenommener) Hilfebedarf könne aus dem Pflegetagebuch nicht nachvollzogen werden. Die dort aufgeführten Minuten erschienen wohl vom Kläger und seinem Nachbarn wahllos zusammengestellt.
Gegen das seinen Prozessbevollmächtigten erster Instanz am 18. November 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 10. Dezember 2013 Berufung eingelegt. Er hält das Gutachten der Pflegesachverständigen G.-K. weiterhin für unrichtig. Er hat vorgelegt: • erneut den Arztbrief des Privatdozent Dr. F. vom 6. Juni 2013 und die Entlassungsberichte des Dr. Ba. vom 18. November 2011 und 23. Mai 2012, • erneut eine Kopie des Gutachtens der Pflegesachverständigen G.-K. vom 7. April 2013 mit handschriftlichen Anmerkungen, • den Arztbrief des Orthopäden Dr. D. vom 26. März 2013 über die am selben Tag erfolgte Untersuchung wegen Schmerzen in der linken Schulter mit den Diagnosen Supraspinatussyndrom Schulter links, Teilsteife der Schulter links, Spondylarthrose C3 bis 7 und Cervikobrachialgie sowie der Empfehlung von Wärmetherapie, selbstständiger Schulter- und Wirbelsäulengymnastik und der Einnahme vorhandener analgetisch/antiphlogistischen Medikamenten, • die ärztliche Bescheinigung für Haushaltshilfe des Arztes für Allgemeinmedizin Dr. T. vom 11. Juni 2012 sowie dessen Bescheinigung vom 7. Januar 2014, dass bezüglich der Nieren- und Lebererkrankung noch keine Befunde vorgelegt werden könnten, da der Kläger noch keinen Termin bei den Fachärzten bekommen habe, • den Bescheid des Landratsamts Ostalbkreis vom 25. März 2013.
Der Kläger beantragt (sachgerecht gefasst),
das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 12. November 2013 und den Bescheid der Beklagten vom 11. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Januar 2013 Pflegegeld nach der Pflegestufe I zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweist auf den Widerspruchsbescheid und das Urteil des SG.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akte des SG sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.
II.
Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) durch Beschluss, da der Senat die Berufung des Klägers einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Der Rechtsstreit weist nach Einschätzung des Senats keine besonderen Schwierigkeiten in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf, die mit den Beteiligten in einer mündlichen Verhandlung erörtert werden müssten. Zu der beabsichtigten Verfahrensweise hat der Senat die Beteiligten angehört.
Die Berufung des Klägers ist zulässig. Der Kläger hat die Berufung form- und fristgerecht eingelegt. Die Berufung bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 SGG. Denn der Kläger begehrt Leistungen (Pflegegeld) für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 11. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger richtet seinen Rechten. Denn er hat ab 1. Januar 2013 keinen Anspruch auf Pflegegeld nach der Pflegestufe I.
Pflegebedürftige können nach § 37 Abs. 1 Satz 1 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) anstelle der Pflegesachleistungen ein Pflegegeld erhalten. Pflegebedürftig sind nach § 14 Abs. 1 SGB XI Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen des täglichen Lebens, die im Einzelnen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt sind, auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate in erheblichem oder höherem Maß (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen. Pflegebedürftige der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) sind nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigstens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen. Der Zeitaufwand, den ein Familienangehöriger oder eine andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegeperson für die erforderlichen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wöchentlich im Tagesdurchschnitt in der Pflegestufe I mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). Die Grundpflege umfasst die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen aus den Bereichen der Körperpflege (§ 14 Abs. 4 Nr. 1 SGB XI), der Ernährung (§ 14 Abs. 4 Nr. 2 SGB XI) und der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nr. 3 SGB XI). Zur Grundpflege zählt ein Hilfebedarf im Bereich der Körperpflege beim Waschen, Duschen, Baden, der Zahnpflege, dem Kämmen, Rasieren, der Darm- und Blasenentleerung, im Bereich der Ernährung beim mundgerechten Zubereiten der Nahrung und der Aufnahme der Nahrung sowie im Bereich der Mobilität beim selbstständigen Aufstehen und Zu-Bett-Gehen, dem An- und Auskleiden, Gehen, Stehen, Treppensteigen und dem Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Das Ausmaß des Pflegebedarfs ist nach einem objektiven ("abstrakten") Maßstab zu beurteilen. Maßgebend für den zeitlichen Aufwand ist grundsätzlich die tatsächlich bestehende Pflegesituation unter Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse des zu Pflegenden, allerdings am Maßstab des allgemein Üblichen. § 14 SGB XI stellt allein auf den "Bedarf" an Pflege und nicht auf die im Einzelfall unterschiedliche Art der Deckung dieses Bedarfs oder die tatsächlich erbrachte Pflege ab (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 21. Februar 2002 - B 3 P 12/01 R - und 10. März 2010 B 3 P 10/08 R - in juris). Bei der Bestimmung des erforderlichen Zeitbedarfs für die Grundpflege sind als Orientierungswerte die Zeitkorridore der Richtlinie der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begutachtung von Pflegebedürftigkeit nach dem SGB XI (Begutachtungs-Richtlinie) zu berücksichtigen. Diese Zeitwerte sind zwar keine verbindlichen Vorgaben; es handelt sich jedoch um Zeitkorridore mit Leitfunktion (Abschnitt F Nr. 1 Begutachtungs-Richtlinie; vgl. dazu BSG, Urteil vom 22. Juli 2004 - B 3 P 6/03 R -, in juris, m.w.N.). Dabei beruhen die Zeitkorridore auf der vollständigen Übernahme der Verrichtungen durch eine Laienpflegekraft. Die Zeiten für den Hilfebedarf bei den einzelnen Verrichtungen beruhen regelmäßig auf Schätzungen, denen eine gewisse und auf wenige Minuten beschränkte Unschärfe nicht abgesprochen werden kann und die dennoch hinzunehmen sind (vgl. BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R - in juris).
Der Kläger bedarf zwar der Hilfe bei der Ganzkörperwäsche, beim Duschen und beim Stehen (Transfer). Dieser Hilfebedarf liegt aber seit 1. Januar 2013 bei weniger als 46 Minuten täglich.
Beim Kläger besteht eine arterielle Verschlusskrankheit IIb vom Mehretagentyp beidseits, aufgrund derer bereits mehrere Bypass-Operationen im Bereich des linken Unterschenkels erfolgten. Aufgrund dieser Erkrankung ist die Gehfähigkeit des Klägers eingeschränkt. Der Kläger ist aber mit einem Rollator oder einem Gehstock gehfähig. Ferner bestehen beim Kläger eine koronare Herzerkrankung, eine obstruktive Lungenerkrankung, eine arterielle Hypertonie, eine Hyperlipidämie und ein Diabetes mellitus Typ II. Dies ergibt sich aus den vom Kläger vorgelegten Entlassungsbriefen des Privatdozent Dr. F. und Dr. Ba. sowie auch aus dem von der Beklagten veranlassten Gutachten der Pflegesachverständigen G.-K. vom 7. April 2013. Schließlich liegt beim Kläger eine Teilsteife der Schulter links vor mit einer mittelgradigen Bewegungseinschränkung im linken Schultergelenk und einer stark eingeschränkten Außenrotation bei Anteversion und Retroversion. Dies ergibt sich als dem vom Kläger vorgelegten Arztbrief des Dr. D. vom 26. März 2013. Dass der linke Arm bei Bewegung schmerzt und eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung der linken Schulter besteht, beschrieb auch Pflegesachverständige G.-K. in ihrem Gutachten vom 7. April 2013. Die Beschwerden im Bereich der linken Schulter beeinträchtigen die Feinmotorik links in geringem Umfang, wobei allerdings die rechte Hand uneingeschränkt eingesetzt werden kann. Beschwerden und Behinderungen im Bereich der rechten Hand lassen sich aus keinem der vorliegenden ärztlichen Berichte entnehmen und behauptet der Kläger auch nicht.
Der von der Pflegesachverständigen G.-K. genannte Hilfebedarf bei der Ganzkörperwäsche, beim Duschen und beim Stehen (Transfer) ist aufgrund der vorhandenen Funktionsstörungen nachvollziehbar. Aufgrund der eingeschränkten Gehfähigkeit besteht ein Hilfebedarf bei einem Transfer in die Dusche und aus der Dusche in Form der Unterstützung zur Vermeidung eines Sturzes sowie auch unter Berücksichtigung der eingeschränkten Beweglichkeit des linken Arms in Form der Übernahme des Waschens des Rückens und der Füße in Form der teilweisen Übernahme bei den Verrichtungen des Waschens und des Duschens. Die im Vordergrund stehende eingeschränkte Gehfähigkeit des Klägers führt entgegen der Angaben des Klägers im vorgelegten Pflegetagebuch zu keinem zeitlichen Hilfebedarf bei der Verrichtung des Gehens. Denn notwendige Hilfe beim Gehen ist nur dann zu berücksichtigen, wenn sie im Zusammenhang mit den anderen in § 14 Abs. 4 SGB XI genannt zielgerichteten Verrichtungen erfolgt (BSG, Urteil vom 10. März 2010 - B 3 P 10/08 R -, in juris). Der Kläger ist jedenfalls so mobil, dass er diese Wege zurücklegen kann, so beispielsweise die Wege ins Bad zur Körperpflege oder zur Toilette.
Ein zeitlicher Hilfebedarf bei den Verrichtungen der Grundpflege liegt seit 1. Januar 2013 bei weniger als 46 Minuten täglich. Die Schätzung des erforderlichen Hilfebedarfs durch die Pflegesachverständigen G.-K. ist ebenfalls nachvollziehbar. Hinsichtlich des zeitlichen Hilfebedarf ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Kläger nicht täglich duscht, so dass der tatsächliche Hilfebedarf auf die gesamte Woche umzurechnen ist, was zwangsläufig zu niedrigeren zeitlichen Werten führt. Pflegesachverständige G.-K. legte ihrer Beurteilung die Orientierungswerte der Begutachtungs-Richtlinie (für die Ganzkörperwäsche 20 bis 25 Minuten, für das Duschen 15 bis 20 Minuten; Abschnitt F4.1.1 und 4.1.2 Begutachtungs-Richtlinie) zugrunde, die von einer vollständigen Übernahme der jeweiligen Verrichtung ausgehen, was beim Kläger allerdings wie dargelegt nicht erforderlich ist. Demgemäß ist der zeitliche Hilfebedarf bei einer Teilübernahme oder Unterstützung deutlich geringer. Im Hinblick darauf sind der für das Waschen der Füße und des Rückens angenommene zeitliche Hilfebedarf von fünf Minuten täglich und derjenige für die Unterstützung beim Transfer mit einer Minute schlüssig. Hieraus folgt auch, dass die im vorgelegten Pflegetagebuch vom Kläger angegebenen Hilfebedarfe bei den einzelnen Verrichtungen überhöht sind, wie auch das SG zutreffend ausgeführt hat.
Wegen der Bewegungseinschränkung des linken Arms wäre allenfalls noch ein geringer zeitlicher Hilfebedarf beim An- und Entkleiden in Form einer Teilübernahme denkbar. Bei den Orientierungswerten für das vollständige Ankleiden von acht bis zehn Minuten und das vollständige Entkleiden von vier bis sechs Minuten (Abschnitt F4.3.11 Begutachtungs-Richtlinie) jeweils für die vollständige Übernahme, kämen allenfalls zu dem von der Pflegesachverständige G.-K. geschätzten Hilfebedarf von sieben Minuten ein weiterer Hilfebedarf von wenigen zusätzlichen Minuten in Betracht und damit bei weitem kein Hilfebedarf von wenigstens 46 Minuten täglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
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