Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Regensburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 U 76/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 24/13
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Anerkennung Betriebsunfall; Rente
1. Zur Zulässigkeit einer Entscheidung über die Aufhebung der Verhängung von Verschuldenskosten durch das Sozialgericht nach Rücknahme der Berufung.
2. Die Verhängung von Verschuldenskosten erfordert im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung auch das Vorliegen einer Einsichtigkeit hinsichtlich kausaler Zusammenhänge wie einwirkender Kälte durch das Unfallereignis auf die betroffene Körperstelle oder biomechanischer Zusammenhänge.
1. Zur Zulässigkeit einer Entscheidung über die Aufhebung der Verhängung von Verschuldenskosten durch das Sozialgericht nach Rücknahme der Berufung.
2. Die Verhängung von Verschuldenskosten erfordert im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung auch das Vorliegen einer Einsichtigkeit hinsichtlich kausaler Zusammenhänge wie einwirkender Kälte durch das Unfallereignis auf die betroffene Körperstelle oder biomechanischer Zusammenhänge.
Die Verhängung von Verschuldenskosten in Höhe von 300.- EUR durch den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Regensburg vom 13. Dezember 2012 wird aufgehoben.
Gründe:
I.
Streitig war im Hauptsacheverfahren die Feststellung des Ereignisses vom 22. Dezember 2009 (Sturz auf die rechte Schulter mit der Folge einer Bizepssehnenruptur) als Arbeitsunfall und die Gewährung einer Verletztenrente. Die Beklagte lehnte dies nach Einholung eines Gutachtens des Dr. S. vom 10. August 2010 mit Bescheid vom 30. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 ab. Die diagnostizierte Bizepssehnenruptur rechts sei nicht auf das angeschuldigte Ereignis zurückzuführen, sondern auf bereits vorbestehende erhebliche Schädigungen im Bereich der rechten Schulter. Diese Vorschäden seien röntgenologisch, kernspintomographisch sowie intra-operativ festgestellt worden. Zudem sei es nicht zu Begleitverletzungen anderer Weichteilstrukturen nach einer Verletzung des Bizepsmuskels gekommen, sodass sich auch deswegen kein ursächlicher Zusammenhang herleiten lasse. Die Verletzung sei lediglich anlässlich der betrieblichen Tätigkeit zum Ausbruch gekommen, aber nicht durch sie verursacht worden. Ein Arbeitsunfall liege nicht vor, Leistungen der Beklagten seien nicht zu gewähren.
Das Sozialgericht beauftragte den Facharzt für Chirurgie Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens nach ambulanter Untersuchung des Klägers. Der Sachverständige kam in seinem Gutachten vom 3. Oktober 2011 zu dem Ergebnis, dass das angeschuldigte Ereignis nicht geeignet gewesen sei, Schäden am rechten Schultergelenk oder der langen Bizepssehne zu verursachen. Auch der nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte Prof. Dr. G. bestätigte in seinem Gutachten vom 29. Juni 2012, dass ein langjähriger Impingment-Prozess zusammen mit einer schlechten Durchblutung der Sehne wesentliche Ursache der Sehnenruptur sei. Dem angeschuldigten Ereignis komme nur die Bedeutung einer Gelegenheitsursache zu.
Das Sozialgericht wies mit Schreiben vom 19. November 2012 darauf hin, dass die Fortsetzung des Verfahrens rechtsmissbräuchlich erscheine und beabsichtigt sei, die Klage mit Gerichtsbescheid abzuweisen und dem Kläger 300,- EUR Verschuldenskosten gemäß § 192 SGG aufzuerlegen. Gelegenheit zur Stellungnahme wurde bis 6. Dezember 2012 eingeräumt. Gleichzeitig wurde Gelegenheit zur Äußerung zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid gegeben.
Mit Gerichtsbescheid vom 13. Dezember 2012 wies das Sozialgericht die Klage ab und legte unter Nr. III. des Tenors dem Kläger 300.- EUR Verschuldenskosten auf. Unter Würdigung aller Umstände, insbesondere auch der Tatsache, dass der Klägerbevollmächtigte seit Jahren häufig vor dem Sozialgericht auftritt und ihm die offensichtliche Aussichtslosigkeit der Klage klar sein muss, habe seine Uneinsichtigkeit ein besonders hohes Maß erreicht. Dieses Verhalten seines Bevollmächtigten müsse sich der Kläger zurechnen lassen (§ 73 Abs. 6 SGG i. V. m. § 85 Zivilprozessordnung - ZPO -; § 202 SGG i. V. m. § 51 Abs. 2 ZPO).
Die gegen das Urteil eingelegte Berufung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 27. September 2013 zurückgenommen, nachdem die Beklagte auf Anforderung des Senats weitergehende Ausführungen zur Frage der Krafteinwirkung und der biomechanischen Abläufe gemacht hatte. Gleichzeitig hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt, zu Ziffer III. des Gerichtsbescheides im Beschlusswege zu entscheiden. Uneinsichtigkeit oder Mutwillen zu unterstellen, könne nicht nachvollzogen werden, zumal auch eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Prof. Dr. G. erfolgt sei. Wenn nicht von einer schlechten Durchblutung der Sehnen gesprochen werden könne, erscheine es beispielsweise nicht nachvollziehbar, dass dann ein zumindest leichteres Zerreiben der Supraspinatussehne möglich sei. Die Gutachten ließen offen, welche Kraftauswirkung auf den rechten Oberarm und Schulterbereich stattgefunden haben.
II.
Über den auf Aufhebung der verhängten Verschuldenskosten gerichteten Antrag entscheidet nach § 155 Abs. 2 S. 1 Ziff. 5 SGG der Vorsitzende. Der Begriff der "Kosten" ist weit zu verstehen und umfasst alle isolierten Kostenentscheidungen, auch Entscheidungen nach § 192 SGG (so z.B. auch: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23.12.2008, Az.: L 10 KR 60/07 m.w.N.).
Der Antrag ist zulässig. Zwar bewirkt die Zurücknahme der Berufung den Verlust des Rechtsmittels (§ 156 Abs. 3 S. 1 SGG) mit der Folge, dass das Urteil der Vorinstanz grundsätzlich einschließlich der Kostenentscheidung rechtskräftig wird. Dies schließt jedoch gemäß § 156 Abs. 3 S. 2 SGG eine Entscheidung des Gerichts über die Kosten nach § 193 SGG auf Antrag durch Beschluss nicht aus. Zu diesen Kosten zählen auch die Verschuldenskosten nach § 192 SGG (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 156 Rdnr. 5 c). Im Übrigen ist die Interessenlage bei der Klagerücknahme nach Berufungseinlegung mit der Folge einer möglichen Kostenentscheidung über die Verhängung von Verschuldenskosten nach § 192 Abs. 3 S. 2 SGG nicht wesentlich anders zu beurteilen als bei der Rücknahme einer Berufung durch den Berufungskläger, so dass analog § 192 Abs. 3 S. 2 SGG ebenfalls eine Entscheidung durch Beschluss möglich wäre.
Die Verhängung von Kosten nach § 192 Abs. 1 S. Nr. 2 SGG in Höhe von 300.- EUR durch das Sozialgericht ist aufzuheben. Der Senat vermag eine Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung im Sinne dieser Vorschrift vorliegend nicht zu erkennen. Eine Aussichtslosigkeit der Klage allein genügt für die Verhängung von Verschuldenskosten in der Regel nicht, vielmehr müssen besondere Umstände hinzu kommen (vgl. dazu: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 192 Rdnr. 9). Nicht ausreichend ist das Weiterprozessieren, wenn der Beteiligte die Hoffnung auf einen günstigen Ausgang noch nicht aufgegeben hat, auch wenn er unbelehrbar und uneinsichtig ist, sofern seine Uneinsichtigkeit nicht ein besonders hohes Maß erreicht (BSG, SGb 1968, 72).
Derartige besondere Umstände sind vorliegend nicht gegeben, da dem Kläger die bei dem Unfallereignis einwirkenden Kräfte und biomechanischen Zusammenhänge nicht verdeutlicht waren. Tatsächlich sind - aus Sicht des Klägers zutreffend - die Schmerzen (Druckschmerz entlang der Bizepssehne) durch das Unfallereignis ausgelöst worden mit der Folge einer langwierigen und operativen Behandlung. Es ist daher die in der einschlägigen Fachliteratur vorherrschende Lehrmeinung zur Frage des wesentlichen Zusammenhangs zwischen dem Sturzereignis und einer Verletzung der Bizepssehne einerseits und der durch Vorschädigungen verursachten Gesundheitsbeeinträchtigungen andererseits für "medizinische Laien" nicht ohne Weiteres - zumal wie hier im rein schriftlichen Entscheidungsverfahren wie dem des Erlasses eines Gerichtsbescheides - verständlich.
Die Verhängung von Verschuldenskosten war daher aufzuheben.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar und ergeht kostenfrei (§ 183 SGG).
Gründe:
I.
Streitig war im Hauptsacheverfahren die Feststellung des Ereignisses vom 22. Dezember 2009 (Sturz auf die rechte Schulter mit der Folge einer Bizepssehnenruptur) als Arbeitsunfall und die Gewährung einer Verletztenrente. Die Beklagte lehnte dies nach Einholung eines Gutachtens des Dr. S. vom 10. August 2010 mit Bescheid vom 30. September 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Februar 2011 ab. Die diagnostizierte Bizepssehnenruptur rechts sei nicht auf das angeschuldigte Ereignis zurückzuführen, sondern auf bereits vorbestehende erhebliche Schädigungen im Bereich der rechten Schulter. Diese Vorschäden seien röntgenologisch, kernspintomographisch sowie intra-operativ festgestellt worden. Zudem sei es nicht zu Begleitverletzungen anderer Weichteilstrukturen nach einer Verletzung des Bizepsmuskels gekommen, sodass sich auch deswegen kein ursächlicher Zusammenhang herleiten lasse. Die Verletzung sei lediglich anlässlich der betrieblichen Tätigkeit zum Ausbruch gekommen, aber nicht durch sie verursacht worden. Ein Arbeitsunfall liege nicht vor, Leistungen der Beklagten seien nicht zu gewähren.
Das Sozialgericht beauftragte den Facharzt für Chirurgie Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens nach ambulanter Untersuchung des Klägers. Der Sachverständige kam in seinem Gutachten vom 3. Oktober 2011 zu dem Ergebnis, dass das angeschuldigte Ereignis nicht geeignet gewesen sei, Schäden am rechten Schultergelenk oder der langen Bizepssehne zu verursachen. Auch der nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beauftragte Prof. Dr. G. bestätigte in seinem Gutachten vom 29. Juni 2012, dass ein langjähriger Impingment-Prozess zusammen mit einer schlechten Durchblutung der Sehne wesentliche Ursache der Sehnenruptur sei. Dem angeschuldigten Ereignis komme nur die Bedeutung einer Gelegenheitsursache zu.
Das Sozialgericht wies mit Schreiben vom 19. November 2012 darauf hin, dass die Fortsetzung des Verfahrens rechtsmissbräuchlich erscheine und beabsichtigt sei, die Klage mit Gerichtsbescheid abzuweisen und dem Kläger 300,- EUR Verschuldenskosten gemäß § 192 SGG aufzuerlegen. Gelegenheit zur Stellungnahme wurde bis 6. Dezember 2012 eingeräumt. Gleichzeitig wurde Gelegenheit zur Äußerung zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid gegeben.
Mit Gerichtsbescheid vom 13. Dezember 2012 wies das Sozialgericht die Klage ab und legte unter Nr. III. des Tenors dem Kläger 300.- EUR Verschuldenskosten auf. Unter Würdigung aller Umstände, insbesondere auch der Tatsache, dass der Klägerbevollmächtigte seit Jahren häufig vor dem Sozialgericht auftritt und ihm die offensichtliche Aussichtslosigkeit der Klage klar sein muss, habe seine Uneinsichtigkeit ein besonders hohes Maß erreicht. Dieses Verhalten seines Bevollmächtigten müsse sich der Kläger zurechnen lassen (§ 73 Abs. 6 SGG i. V. m. § 85 Zivilprozessordnung - ZPO -; § 202 SGG i. V. m. § 51 Abs. 2 ZPO).
Die gegen das Urteil eingelegte Berufung hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 27. September 2013 zurückgenommen, nachdem die Beklagte auf Anforderung des Senats weitergehende Ausführungen zur Frage der Krafteinwirkung und der biomechanischen Abläufe gemacht hatte. Gleichzeitig hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt, zu Ziffer III. des Gerichtsbescheides im Beschlusswege zu entscheiden. Uneinsichtigkeit oder Mutwillen zu unterstellen, könne nicht nachvollzogen werden, zumal auch eine sachliche Auseinandersetzung mit dem Gutachten des Prof. Dr. G. erfolgt sei. Wenn nicht von einer schlechten Durchblutung der Sehnen gesprochen werden könne, erscheine es beispielsweise nicht nachvollziehbar, dass dann ein zumindest leichteres Zerreiben der Supraspinatussehne möglich sei. Die Gutachten ließen offen, welche Kraftauswirkung auf den rechten Oberarm und Schulterbereich stattgefunden haben.
II.
Über den auf Aufhebung der verhängten Verschuldenskosten gerichteten Antrag entscheidet nach § 155 Abs. 2 S. 1 Ziff. 5 SGG der Vorsitzende. Der Begriff der "Kosten" ist weit zu verstehen und umfasst alle isolierten Kostenentscheidungen, auch Entscheidungen nach § 192 SGG (so z.B. auch: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23.12.2008, Az.: L 10 KR 60/07 m.w.N.).
Der Antrag ist zulässig. Zwar bewirkt die Zurücknahme der Berufung den Verlust des Rechtsmittels (§ 156 Abs. 3 S. 1 SGG) mit der Folge, dass das Urteil der Vorinstanz grundsätzlich einschließlich der Kostenentscheidung rechtskräftig wird. Dies schließt jedoch gemäß § 156 Abs. 3 S. 2 SGG eine Entscheidung des Gerichts über die Kosten nach § 193 SGG auf Antrag durch Beschluss nicht aus. Zu diesen Kosten zählen auch die Verschuldenskosten nach § 192 SGG (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 156 Rdnr. 5 c). Im Übrigen ist die Interessenlage bei der Klagerücknahme nach Berufungseinlegung mit der Folge einer möglichen Kostenentscheidung über die Verhängung von Verschuldenskosten nach § 192 Abs. 3 S. 2 SGG nicht wesentlich anders zu beurteilen als bei der Rücknahme einer Berufung durch den Berufungskläger, so dass analog § 192 Abs. 3 S. 2 SGG ebenfalls eine Entscheidung durch Beschluss möglich wäre.
Die Verhängung von Kosten nach § 192 Abs. 1 S. Nr. 2 SGG in Höhe von 300.- EUR durch das Sozialgericht ist aufzuheben. Der Senat vermag eine Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung im Sinne dieser Vorschrift vorliegend nicht zu erkennen. Eine Aussichtslosigkeit der Klage allein genügt für die Verhängung von Verschuldenskosten in der Regel nicht, vielmehr müssen besondere Umstände hinzu kommen (vgl. dazu: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 192 Rdnr. 9). Nicht ausreichend ist das Weiterprozessieren, wenn der Beteiligte die Hoffnung auf einen günstigen Ausgang noch nicht aufgegeben hat, auch wenn er unbelehrbar und uneinsichtig ist, sofern seine Uneinsichtigkeit nicht ein besonders hohes Maß erreicht (BSG, SGb 1968, 72).
Derartige besondere Umstände sind vorliegend nicht gegeben, da dem Kläger die bei dem Unfallereignis einwirkenden Kräfte und biomechanischen Zusammenhänge nicht verdeutlicht waren. Tatsächlich sind - aus Sicht des Klägers zutreffend - die Schmerzen (Druckschmerz entlang der Bizepssehne) durch das Unfallereignis ausgelöst worden mit der Folge einer langwierigen und operativen Behandlung. Es ist daher die in der einschlägigen Fachliteratur vorherrschende Lehrmeinung zur Frage des wesentlichen Zusammenhangs zwischen dem Sturzereignis und einer Verletzung der Bizepssehne einerseits und der durch Vorschädigungen verursachten Gesundheitsbeeinträchtigungen andererseits für "medizinische Laien" nicht ohne Weiteres - zumal wie hier im rein schriftlichen Entscheidungsverfahren wie dem des Erlasses eines Gerichtsbescheides - verständlich.
Die Verhängung von Verschuldenskosten war daher aufzuheben.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar und ergeht kostenfrei (§ 183 SGG).
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