L 2 R 491/10

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 10 R 540/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 2 R 491/10
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 31. August 2010 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Berufungsverfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit.

Der 1953 geborene Kläger erwarb im Februar 1971 den Facharbeiterbrief für den Beruf des Maschinenschlossers. In der Folgezeit war er im erlernten Beruf beschäftigt bis 1979. Anschließend arbeitete er als Betriebsschlosser und bis Dezember 2004 als technischer Mitarbeiter bei der Firma D. Nach betriebsbedingter Kündigung wurde der Kläger arbeitslos. In der Zeit vom 7. Juni bis 5. Juli 2005 unterzog er sich einem Heilverfahren in den Kliniken Hartenstein, Bad Wildungen. Im Entlassungsbericht wurde er noch für fähig gehalten, 6 Stunden und mehr mit qualitativen Leistungseinschränkungen im Erwerbsleben tätig zu sein. Im März 2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung unter Vorlage eines Befundberichts des Orthopäden Dr. H. Die Beklagte veranlasste daraufhin eine Begutachtung des Klägers durch den Arzt J. von der ärztlichen Untersuchungsstelle der Beklagten in Frankfurt. Dieser kam im Gutachten vom 19. Juni 2006 zu dem Ergebnis, es ergebe sich ein quantitatives Leistungsvermögen von unter 3 Stunden. Eine endgültige Leistungsbeurteilung könne erst nach einer geplanten Knieoperation im Juni 2006 vorgenommen werden. Es werde daher um erneute Vorlage im Januar 2007 gebeten. Hierauf gestützt, bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen Erwerbsminderung bis 31. Januar 2007.

Im Oktober 2006 beantragte der Kläger die Weitergewährung der Zeitrente, da sich sein Krankheitsbild verschlimmert habe. Die Beklagte ließ den Kläger orthopädisch und sozialmedizinisch begutachten. Die Fachärztin für Orthopädie Dr. K. kam im Gutachten vom 5. Januar 2007 zu dem Ergebnis, der Kläger leide an einem blanden vertebragenen Schmerzsyndrom bei Adipositas permagna ohne radikuläre Symptomatik, an Gonalgie ohne Funktionseinschränkung, an rezidivierender Arthralgie des rechten Schultergelenkes und an beginnenden Heberdenarthrosen in den Kleinfingerendgelenken beider Hände. Er könne 6 Stunden und mehr mittelschwere Arbeiten in wechselnder Körperhaltung ausführen. Nicht mehr zugemutet werden sollten Überkopfarbeiten, häufiges Bücken und Knien, häufiges Heben und Tragen. Im Übrigen könne er noch ebenerdig tätig sein. Die Ärztin L. von der ärztlichen Untersuchungsstelle der Beklagten in Frankfurt führte in ihrer Stellungnahme vom 15. Januar 2007 aus, der Leistungseinschätzung von Dr. K. könne gefolgt werden. Somit bestehe ab dem Ende der Zeitrente wieder ein vollschichtiges Leistungsvermögen wie beschrieben. Hierauf gestützt lehnte die Beklagte den Antrag auf Weitergewährung der Erwerbsminderungsrente mit Bescheid vom 23. Januar 2007 ab. Gegen die Ablehnung der Rentenweitergewährung richtete sich der Kläger mit Widerspruch, dem er ein Attest des Facharztes für Hals-, Nasen-, Ohrenheilkunde Dr. M. vom 17. Oktober 2006, ein ärztliches Attest des Dr. H. vom 6. Februar 2007 und einen Befundbericht der Gemeinschaftspraxis H-Straße vom 23. Februar 2007 beifügte. Die Beklagte holte eine Stellungnahme der Ärztin L. vom 4. April 2007 sowie eine Arbeitgeberauskunft der Firma D. vom 3. April 2007 ein und wies den Widerspruch mit Bescheid vom 31. Mai 2007 zurück. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig. Die Weitergewährung der Rente sei zutreffend abgelehnt worden. Eine andere Beurteilung ergebe sich nicht aufgrund der vorgetragenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Nach der weiteren eingeholten sozialmedizinischen Stellungnahme verbleibe es bei der bisherigen Beurteilung des Leistungsvermögens. Der Kläger sei entsprechend seiner zuletzt rentenversicherungspflichtigen ausgeübten Beschäftigung der Gruppe der Facharbeiter zuzuordnen. Von hier aus müsse er sich zur Abwendung von Berufsunfähigkeit z. B. auf die Tätigkeiten eines Mitarbeiters in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde, eines Pförtners, eines Montierers in der Metall- oder Elektroindustrie verweisen lassen. Damit sei er auch nicht berufsunfähig.

Gegen den Widerspruchsbescheid erhob der Kläger am 19. Juni 2007 Klage vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main. Er machte hier geltend, er sei nicht nur Facharbeiter, sondern Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion gewesen. Von hier aus sei er nicht verweisbar auf die von der Beklagten benannten Tätigkeiten. Im Übrigen sei sein Leistungsvermögen nicht zutreffend festgestellt worden. Der Kläger legte ein Zeugnis der Firma N. GmbH vom 31. Dezember 2001, ein Zeugnis der Firma D. vom 31. Dezember 2004, die Kopie einer Vernehmungsniederschrift des Sachgebietsleiters für Berufs- und Wirtschaftskunde bei der Agentur für Arbeit, O., einen Bescheid des Versorgungsamts Fulda vom 27. August 2008, einen Befundbericht des Facharztes für Chirurgie Dr. P. vom 4. Dezember 2008, einen Kurzbefund zu einer Magnetresonanztomographie des Radiologen Q. vom 15. September 2009 sowie ein sozialmedizinisches Gutachten des MDK Hessen vom 26. November 2009 vor.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger ein Heilverfahren in der Klinik Kurhessen, Bad Sooden-Allendorf, das in der Zeit vom 4. bis 25. Oktober 2007 durchgeführt wurde. Im Entlassungsbericht vom 5. November 2007 wurden als Diagnosen aufgeführt: Chronisches Lumbalsyndrom bei beginnenden degenerativen Veränderungen der unteren Lendenwirbelsäule, initiale medial- und retropatellarbetonte Gonarthrose beiderseits, Impingementsyndrom beiderseits, links bei initialer AC-Arthrose, arterieller Hypertonus und Adipositas. Zumutbar seien dem Kläger noch 6 Stunden und mehr leichte bis mittelschwere Arbeiten, zeitweise im Stehen und Sitzen, überwiegend im Gehen, schichtunabhängig, ohne regelmäßige Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne regelmäßiges Bücken und häufige Überkopfarbeiten. Einen Rentenanspruch hielt die Beklagte nicht für nachgewiesen. Sie legte den Schriftverkehr betreffend die Beschwerden des Klägers gegen die durchgeführte Rehabilitationsmaßnahme vor. Weiter machte die Beklagte Auskünfte der Bundesagentur für Arbeit vom 25. Januar 2006 und 3. November 2008 zum Gegenstand des Verfahrens.

Das Sozialgericht holte Befundberichte ein von Dr. H. vom 10. August 2007, von dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. R. vom 24. August 2007, von der Gemeinschaftspraxis H-Straße vom 11. April 2008 und holte eine Auskunft der Firma D. vom 30. August 2010 ein. Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ließ die Beklagte den Kläger begutachten durch den Facharzt für Orthopädie Dr. S. Dieser diagnostiziert im Gutachten vom 14. September 2009 ein chronisches lumbales Schmerzsyndrom bei degenerativen Veränderungen mit pseudoradikulärer Ausstrahlung, ein Impingement-Syndrom der linken Schulter, ein femoropatellares Schmerzsyndrom beiderseits, einen Zustand nach Arthroskopie des linken Kniegelenks mit Innenmeniskusteilentfernung und beginnenden Heberden- und Bouchardarthrosen beider Hände. Durch die Erkrankung der Wirbelsäule, der Schultern und Kniegelenke komme es zu einem erwerbsmindernden Dauereinfluss. Die Erkrankung beider Hände, beider Füße und eine Bewegungseinschränkung der Halswirbelsäule spiele keine wesentliche Rolle. Der Kläger könne sechs Stunden täglich arbeiten. Es solle die Möglichkeit bestehen, die Tätigkeit im Wechsel von Sitzen, Gehen und Stehen auszuüben. Langes Stehen oder langes Sitzen und Arbeiten in körperlichen Zwangshaltungen sollten nicht ausgeführt werden. Ebenso solle schweres Heben und Tragen vermieden werden. Tätigkeiten in der Hocke oder im Knien seien nicht möglich. Häufiges Treppensteigen sowie Steigen auf Leitern und Gerüsten seien nicht zumutbar. Die Tätigkeiten sollten in temperierten Räumen ohne Einfluss von Nässe, Kälte und Zugluft erfolgen. Dieses Leistungsvermögen bestehe seit dem Ende der Zeitrente im Januar 2007. Die Einholung weiterer Zusatzgutachten sei nicht erforderlich. Es sei Sache des Klägers, durch eine Verhaltensänderung an einer aktiven Verbesserung seines Gesundheitszustandes mitzuhelfen. In seinen ergänzenden Stellungnahmen vom 25. November 2009 und 11. Februar 2010 verblieb der Sachverständige bei dem Ergebnis seiner Begutachtung.

In der mündlichen Verhandlung des Rechtsstreits am 31. August 2010 wurde der Kläger gehört. Hier trug er vor, bei der Firma N. GmbH seien sie in der Schlosserei insgesamt neun Leute gewesen, davon ein Meister. Wenn der Meister nicht dagewesen sei, habe er ihn vertreten. Die Firma sei von der Firma D. übernommen worden. Hier sei der Meister ausgeschieden. Insgesamt seien sie dann in der Schlosserei noch drei Leute gewesen. Sie hätten eng mit dem Sanitärbereich zusammengearbeitet, in dem noch zwei weitere Leute gearbeitet hätten. In seiner Gruppe habe es neben ihm noch zwei weitere Facharbeiter gegeben. Diese hätten die üblichen in dieser Firma anfallenden Schlosserarbeiten erledigt. Er selbst habe auch mitgearbeitet, sei aber zusätzlich zuständig gewesen für die Organisation der Arbeitsabläufe. Er sei quasi das Bindeglied gewesen zwischen der Geschäftsführung und seinem Aufgabenbereich. Er habe Material bestellt und die Aufgaben verteilt. Er habe die Funktion des Meisters vollständig übernommen gehabt, allerdings sei sein Bereich auch kleiner gewesen. Er sei nicht höhergruppiert worden, sondern habe diverse Male Zuschläge erhalten.

Mit Urteil vom 31. August 2010 änderte das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 23. Januar 2007 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 2007 ab und verurteilte die Beklagte, dem Kläger auf der Grundlage eines am 27. April 2009 eingetretenen Leistungsfalls Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit in gesetzlichem Umfang zu gewähren. Im Übrigen wies das Sozialgericht die Klage ab. Zur Begründung seiner Entscheidung führte es aus, dem Kläger stehe eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu. Zur Überzeugung der Kammer könne der Kläger seinen Beruf als Betriebsschlosser zumindest seit dem Untersuchungstag durch Dr. S. am 27. April 2009 nicht mehr ausüben. Mit dem verbliebenen Leistungsvermögen sei er nicht voll erwerbsgemindert, er sei jedoch berufsunfähig im Sinne des § 240 Sozialgesetzbuch VI (SGB VI). Er sei nach Auffassung der Kammer der Gruppe mit dem Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion zuzuordnen. Aufgrund der Arbeitgeberauskunft der Firma D., der vorliegenden Zeugnisse, dem Entgeltgruppenkatalog des Tarifvertrages der chemischen Industrie sowie aufgrund der eigenen Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger Tätigkeiten ausgeübt habe, die denen von der Rechtssprechung entwickelten Kriterien eines Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion entsprächen. Rentenansprüche für den Zeitraum vom 1. Februar 2007 bis 26. April 2009 seien nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen ausgeschlossen.

Mit ihrer am 24. November 2010 eingelegten Berufung richtet sich die Beklagte gegen das ihr am 29. Oktober 2010 zugestellte Urteil. Nach Auffassung der Beklagten ist der Kläger nicht als Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion, sondern lediglich als einfacher Vorarbeiter einzustufen. Der Kläger habe zudem keine Meisterqualifikation und sei auch laut der in der entsprechenden Arbeitgeberauskunft angegebenen Entlohnung in die Entgeltgruppe E 8 des entsprechenden Tarifvertrages als schlichter Vorarbeiter tariflich eingruppiert worden. Dies sei ein Indiz dafür, dass er kein Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion gewesen sei. Zumindest bis Dezember 2001 sei er selbst gegenüber einem Meister weisungsgebunden gewesen, den er bei Abwesenheit nur in Teilbereichen zu vertreten gehabt habe. Ab Januar 2002 habe er gegenüber zwei weiteren Facharbeitern Weisungsbefugnis gehabt und insoweit Zuschläge erhalten. Die eigenen Angaben des Klägers stellten aber kein zulässiges Beweismittel dar. Daher sei der ehemalige Vorgesetzte des Klägers zu hören gewesen. Eine vorläufige Berechnung des Rentenanspruchs ergebe eine Rente von 715,00 EUR brutto monatlich. Im Gesundheitszustand des Klägers sei keine Änderung eingetreten. Insoweit bezieht sich die Beklagte auf Stellungnahmen ihrer ärztlichen Beraterin L. vom 21. März 2012 und des Orthopäden Dr. T. vom 14. Mai 2012, die sie vorgelegt hat. Zu den Akten gereicht hat die Beklagte auch einen Versicherungsverlauf des Klägers vom 4. Januar 2011.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 31. August 2010 aufzuheben und die Klage in vollem Umfang abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das erstinstanzliche Urteil für zutreffend. Zum Beweis der Richtigkeit hat der Kläger eine Bestätigung der Firma D. vom 11. Februar 2011 eingereicht, einen Bescheid des Versorgungsamts Fulda vom 21. September 2011, einen Befundbericht des Orthopäden Dr. C. vom 16. Juni 2011 sowie ein sozialmedizinisches Gutachten des MDK Hessen vom 5. März 2012.

Der Senat hat eine Auskunft der Firma D. vom 6. Mai 2011, Auskünfte der Bundesagentur für Arbeit vom 31. Oktober 2011 und 11. Dezember 2011 sowie einen Befundbericht des Radiologen Dr. U. vom 31. Mai 2011 eingeholt, die Leistungsakte des Klägers von der Bundesagentur für Arbeit beigezogen, in der ein Gutachten vom 8. März 2011 enthalten ist, schriftliche Zeugenauskünfte des V. vom 21. Juli 2011 und des inzwischen verstorbenen G. vom 1. August 2011 veranlasst sowie Beweis erhoben durch die Vernehmung des Dipl. Ingenieurs E. als Zeugen. Diesbezüglich wird auf die Vernehmungsniederschrift vom 14. August 2012 verwiesen.

Wegen der Einzelheiten im Übrigen wird auf die Gerichts- und Rentenakten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.

Das Sozialgericht hat mit dem angefochtenen Urteil zu Recht entschieden, dass der Kläger Anspruch auf die Gewährung von Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit hat.

Nach § 240 SGB VI haben Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind nach § 240 Abs. 2 SGB VI Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist. Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihrer Ausbildung sowie ihres bisherigen Berufes und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können. Berufsunfähig ist nicht, wer eine zumutbare Tätigkeit mindestens sechs Stunden täglich ausüben kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen. Der Kläger erfüllt die für die Rentengewährung erforderlichen Voraussetzungen der Vorschrift.

Nach den vom Senat getroffenen Feststellungen war der Kläger in seiner zuletzt vor Rentenantragstellung verrichteten Tätigkeit Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion. Als solchem kann ihm keine zumutbare Verweisungstätigkeit benannt werden. Die von der Bundesanstalt benannten Tätigkeiten gehören nicht zur Gruppe der Facharbeiter, auf die sich der Kläger nach dem vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschema, wie es vom Sozialgericht zutreffend dargestellt worden ist, nur zumutbar verweisen lassen müsste, so dass Berufsunfähigkeit im Sinne von § 240 SGB VI vorliegt.

In die Gruppe der Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion gehören nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Versicherte mit Leitungsfunktion, wie z. B. Meister und Hilfsmeister im Arbeiterverhältnis, Hilfspoliere und bestimmte Vorarbeiter, deren Berufstätigkeit infolge besonderer geistiger und persönlicher Anforderungen die des Facharbeiters in ihrer Qualität noch deutlich überragen (BSG in: Sozialrecht 2200, § 1246 Nr. 16). Hierfür müssen Weisungsbefugnisse nicht nur gegenüber Angelernten und Hilfsarbeitern, sondern gegenüber mehreren Facharbeitern und regelmäßig – wegen der tatsächlich ausgeübten Tätigkeit und nicht etwa aufgrund des Lebensalters oder langjähriger Betriebszugehörigkeit – die Zugehörigkeit zur Spitzengruppe in der Lohnskala der Arbeiter verlangt werden (BSG, Urteil vom 30. Oktober 1991, Az.: B 8 RKn 4/90). Erforderlich ist ferner, dass der Versicherte nicht seinerseits Weisungen eines anderen Beschäftigten im Arbeiterverhältnis befolgen muss (BSG, Urteil vom 3. November 1982, Az.: B 1 RJ 12/81). Da es Vorarbeitertätigkeiten mit unterschiedlicher Qualifikation und Qualität gibt, hat die Rechtsprechung zwischen dem sogenannten schlichten Vorarbeiter und dem Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion unterschieden. Dabei kann hinsichtlich der Zumutbarkeit von Verweisungstätigkeiten der schlichte Vorarbeiter allenfalls dem Facharbeiter mit der Folge gleichgestellt werden, dass er auf die Tätigkeiten abwärts bis zur Ebene der sonstigen Ausbildungsberufe (Anlernberufe) verwiesen werden kann. Dem Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion sind dagegen nur Tätigkeiten abwärts bis zur Ebene des Facharbeiters zumutbar (BSG, Urteil vom 28. März 1980, B 5 RJ 40/79). Hat der Versicherte nur eine kleine Gruppe von Arbeitern beaufsichtigt, kann dies dafür sprechen, dass das Hauptgewicht seiner Tätigkeit weniger in der Beaufsichtigung qualitativ hochwertiger Arbeiten als vielmehr in der Mitarbeit als Facharbeiter bestand. Selbst wenn der Versicherte aber überwiegend mitgearbeitet hat, so schließt das seine Zuordnung zur Gruppe mit dem Leitberuf des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion nicht ohne Weiteres aus. Neben der Frage, gegenüber wie vielen anderen Facharbeitern der Versicherte weisungsbefugt war, ist von Bedeutung, welche Weisungen der Versicherte erteilen durfte, ob er für die Arbeit der Mitarbeiter verantwortlich war und worin sich dies zeigte, und welche Anordnungen ihm gegeben wurden, und schließlich auch, wie der Versicherte entlohnt wurde, ob sein Arbeitsverdienst wesentlich höher war als der seiner Mitarbeiter und ob dies in einer herausgehobenen Stellung oder in einer vermehrten Arbeitsleistung begründet war (BSG, Urteil vom 31. August 1978, B 4 RJ 113/77).

Der Kläger hatte den Beruf des Maschinenschlossers erlernt und war während seines Berufslebens im erlernten Bereich beschäftigt. Seit 1987 war er mitarbeitender Vorarbeiter, zunächst bei der Firma N. GmbH, später bei der Firma D. Er war weisungsabhängig jeweils von dem ihm vorgesetzten Zeugen E. Seinerseits war er weisungsbefugt gegenüber Werkstattmitarbeitern sowie Arbeitern von Fremdfirmen, soweit diese in seinem Zuständigkeitsbereich eingesetzt waren. Nach Auskunft der Firma D. vom 3. Mai 2011, die auch der Zeuge E. bestätigt hat, hatte der Kläger Weisungsbefugnis gegenüber drei Mitarbeitern der Firma, die die Qualifikation von Facharbeitern hatten. Die vom Kläger erteilten Weisungen wurden nur mit dem Zeugen E. abgestimmt. Dem Kläger oblagen Planungs- und organisatorische Aufgaben, darüber hinaus hatte er die anfallenden Schlosser- und Maschinenschlosserarbeiten durchzuführen. Bei der Firma N. GmbH war der Kläger noch einem Meister untergeordnet, den er bei Bedarf zu vertreten hatte. Dieser Meister schied beim Betriebsübergang der Firma N. GmbH auf die Firma D. aus. Stattdessen übernahm der Kläger die Aufgaben des Meisters für einen kleineren Bereich (Schlosserei) und übte eine höherwertigere Tätigkeit als zuvor bei der Firma N. aus. Dieser Sachverhalt ergibt sich ebenfalls aus der Vernehmung des Zeugen E., an deren Richtigkeit der Senat nicht zweifelt. Der Zeuge E., dem alle nicht ausgelagerten betriebstechnischen Dienste der Firma D. unterstanden, übernahm keine Meisteraufgaben. In einer der Abteilungen, in der der vorhandene Vorarbeiter nicht in der Lage war, die Aufgaben eines Meisters auszufüllen, verblieb nach der Betriebsübernahme durch D. der Meister; im Übrigen gingen die Aufgaben der Meister auf die übernommenen Vorarbeiter, also auch auf den Kläger, über. Ihm oblag sodann die Betreuung großer Projekte, wobei die Komplexität der Aufgaben insgesamt in Folge der Ausgliederung von Betriebsteilen geringer war. Gleichwohl wurde der organisatorische Anteil der Arbeiten für den Kläger größer, er nahm regelmäßig mit den übrigen Meistern gemeinsam an den Besprechungen der sogenannten Meisterrunde teil und ersetzte den früheren Meister auch bei der Planung und Abnahme von Fremd- und Eigenarbeiten.

Das Aufrücken des Klägers in die Position des früheren Meisters sowie seine tarifliche Einstufung waren für den Senat ausschlaggebend, den Kläger als Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion einzustufen. Bei der Firma N. wurde der Kläger nach der Lohngruppe E 8 des Bundesentgelttarifvertrages der Chemischen Industrie tariflich entlohnt. Die Tarifgruppe E 8 erfasste Arbeitnehmer, die regelmäßig schwierige Spezialtätigkeiten verrichten, die über die Anforderungsmerkmale der Gruppe E 7 hinaus qualifizierte, durch eine zusätzliche planmäßige betriebliche Spezialausbildung erworbene Kenntnisse und Fertigkeiten erfordern und selbständig ausgeübt werden, sowie Meister mit einem einfachen Arbeitsgebiet, für das Kenntnisse und Fertigkeiten vorausgesetzt werden, die durch eine abgeschlossene Facharbeiterausbildung oder durch eine entsprechende längere Berufserfahrung erworben worden sind und die für einen einfachen Aufsichtsbereich Verantwortung tragen. Die Lohngruppe E 8 betrifft also bereits Meister und damit Personen, die sowohl von ihrer Ausbildung her als auch von ihrem Aufgabengebiet die Qualifikationsebene von Facharbeitern überragen. Diese Entlohnung blieb dem Kläger auch bei der Firma D. aus Bestandsschutzgründen enthalten. Zwar war von der nicht tarifgebundenen Firma D. erklärt worden, der Kläger wäre ohne den Bestandsschutz niedriger entlohnt worden, als bei der Firma N. Dies bedeutet aber nicht, dass seine Tätigkeit von geringerer Qualität war. Denn der Kläger hatte höherwertigere Arbeiten als zuvor zu verrichten, wie von der Firma D. wie von dem Zeugen E. übereinstimmend angegeben worden ist. Die dem Kläger untergeordneten Facharbeiter wurden dagegen laut Aussage des Zeugen E. nach der Gruppe E 6 (Arbeitnehmer mit einer abgeschlossenen, mindestens dreijährigen Berufsausbildung) entlohnt. Sie lagen damit bei der Entlohnung bereits bei der Firma N. weit unter der tariflichen Einstufung des Klägers. Demgegenüber ist bei der Firma D., bei der offenkundig geringere Löhne gezahlt wurden, erkennbar keine Änderung eingetreten.

Nach den Auskünften der Bundesagentur für Arbeit vom 31. Oktober 2011 und 11. Dezember 2011 ist der Kläger mit dem nicht streitigen Leistungsvermögen verweisbar auf die Tätigkeit eines Pförtners, eines Warenaufmachers/Versandfertigmachers, eines Mitarbeiters in der Poststelle eines Betriebes oder einer Behörde und eines Montierers. Dies sind allenfalls angelernte Tätigkeiten, auf die sich ein Vorarbeiter mit Vorgesetztenfunktion nicht zumutbar verweisen lassen muss. Das Sozialgericht ist deshalb richtigerweise von einer Berufsunfähigkeit des Klägers ausgegangen. Der Senat bezieht sich im Übrigen gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils, denen er sich anschließt. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rente sind ausweislich des Versicherungsverlaufes vom 4. Januar 2011 erfüllt.

Nach alledem konnte die Berufung keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, da es an den Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG fehlt.
Rechtskraft
Aus
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