L 6 P 770/09

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 15 P 841/07
Datum
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 P 770/09
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zu den Voraussetzungen der Aufhebung von Pflegeleistungen der Pflegestufe 1 nach § 48 Abs. 1 SGB X.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Altenburg vom 27. Juli 2009 wird zurückgewiesen. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Weitergewährung von Leistungen der sozialen Pflegeversi-cherung nach der Pflegestufe I über den 1. November 2006 hinaus.

Der 1989 geborene Kläger leidet an Trisomie 21 (Morbus Langdon Down) und erhielt durch Bescheid vom 26. Mai 1997 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. November 1997) seit 1. Juni 1997 von der Beklagten Pflegeleistungen der Pflegestufe I. Das Folgegutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung T. e.V. (MDK) vom 28. August 2000 kam noch zu einem Pflegebedarf in der Grundpflege von 86 Minuten täglich. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Bescheid vom 11. September 2000 mit, dass die zeitlichen Vorgaben der Pflegestufe I weiterhin erfüllt seien und er deswegen "Leistungen entsprechend der Pflegestufe I" erhalte. Am 10. August 2006 erfolgte eine Wiederholungsbegutachtung durch den MDK. Dieser führte im Gutachten vom 4. September 2006 aus, der Pflegebedarf habe sich verringert und betrage nunmehr nur noch 31 Minuten in der Grundpflege. Mit Schreiben vom 18. Oktober 2006 gab die Beklagte der Mutter des Klägers Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Einstellung der Pflegeleistungen und hob mit Bescheid vom 8. November 2006 die Bewilligung von Pflegeleistungen ab dem 1. November 2006 auf.

Auf den Widerspruch des Klägers beauftragte die Beklagte den MDK mit der Erstellung des Gutachtens vom 15. Februar 2007. Dort wird ausgeführt, der Pflegebedarf in der Grundpflege betrage 34 Minuten täglich. Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 12. März 2007 zurück.

Der Kläger hat am 30. März 2007 vor dem Sozialgericht Altenburg (SG) Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass sein Pflegebedarf den Voraussetzungen der Pflegestufe I entspreche. So müsse insbesondere die Zeit für die Medikamentenverabreichung und das tägliche Bringen zum und Abholen vom Taxi, das ihn zur Schule bringe, berücksichtigt werden. Des Weiteren seien die berücksichtigten Minutenwerte zu niedrig bemessen. Das SG hat Befundberichte der behandelnden Ärzte sowie Entlassungsberichte der Kranken-hausaufenthalte des Klägers beigezogen und die Pflegesachverständige Dipl. Pflege- und Ge-sundheitswissenschaftlerin (PGw) W.-G. mit der Erstellung eines Gutachtens über die Pfle-gebedürftigkeit des Klägers beauftragt. In ihrem Gutachten vom 10. Februar 2008 hat diese ausgeführt, der Kläger habe einen Pflegebedarf in der Grundpflege von maximal 40 Minuten. Berücksichtige man die Besuche der Logopädiepraxis bei der Verrichtung "Verlas-sen/Wiederaufsuchen der Wohnung", so bestehe seit Januar 2007 ein Pflegebedarf in der Grundpflege von 47 bis 49 Minuten. Auf Einwände des Klägers hat die Sachverständige in einer ergänzenden Stellungnahme vom 1. Juni 2008 ausgeführt, der Pflegebedarf bestehe nur in der im Gutachten genannten Höhe.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27. Juli 2009 abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass in den tatsächlichen Verhältnissen eine wesentliche Änderung eingetreten sei, da der Pflegebedarf des Klägers nicht mehr die Voraussetzungen für die Pflegestufe I erfülle. Er liege ausweislich des Sachverständigengutachtens bei maximal 40 Minuten täglich. Dabei seien die wöchentlichen Besuche der logopädischen Praxis nicht zu berücksichtigen, da diese nicht der Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause, sondern vielmehr der Besserung des Ge-sundheitszustandes dienten und nicht dem Bereich der Grundpflege, sondern dem nicht von der Pflegeversicherung abgedeckten Bereich der Rehabilitation zuzuordnen seien. Entsprechendes gelte für die Begleitung des Klägers zum Taxi, das ihn zur Schule bringe. Das Verabreichen von Medikamenten stelle eine behandlungspflegerische Maßnahme dar, für die die gesetzliche Krankenversicherung zuständig sei. Auch ansonsten sei der berücksichtigungsfähige Pflegeaufwand entsprechend der Begutachtungsrichtlinie festgestellt worden.

Gegen den seinen vormaligen Bevollmächtigten am 5. August 2009 zugestellten Gerichtsbe-scheid hat der Kläger am 2. September 2009 Berufung eingelegt und zur Begründung geltend gemacht, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei auch der Zeitaufwand für die wöchentliche Fahrt zur logopädischen Behandlung im Umfang von täglich 9 Minuten berücksichtigungsfähig. Außerdem seien "Zeiten der Unterversorgung" zu berücksichtigen, denn der ihn im Berufungsverfahren vertretende Prozessbevollmächtigte habe seiner Mutter "wegen des ablehnenden Gutachtens der Gerichtsgutachterin" klar gemacht, dass sie "die ein-zelnen Verrichtungen sehr schnell und flüchtig erledigt" habe. Seither sei ein erheblich höherer Zeitaufwand erforderlich, der schon seit der Antragstellung auf eine Pflegestufe berück-sichtigt werden müsse. Der ergänzenden Stellungnahme der Sachverständigen Dipl. PGw W.-G. sei nicht zu folgen, da bei sämtlichen von ihr beschriebenen Verrichtungen ein höherer Zeitaufwand für die Hilfe erforderlich sei. Zudem hat er Bescheinigungen über Behandlungen durch Ärzte sowie über logopädische Behandlungen im Zeitraum 2009 bis 2011 sowie eine Auflistung über Behandlungstermine im Zeitraum 2006 bis 2011 vorgelegt und ein "freies neurologisch-psychiatrisches Gutachten" des Dr. M. 29. Juli 2010 vorgelegt, das dieser auf-grund einer Untersuchung des Klägers in seiner Praxis erstellt hat.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Altenburg vom 27. Juli 2009 und den Bescheid der Beklagten vom 8. November 2006 in der Gestalt des Wider-spruchsbescheids vom 12. März 2007 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie tritt der Berufung entgegen und verweist darauf, dass die logopädischen Maßnahmen im Falle des Klägers nicht für die Aufrechterhaltung der häuslichen Lebensführung erforderlich seien. Zudem werde von diesem kaum zwischen der eigentlichen Verrichtungszeit sowie dem allein maßgeblichen Fremdhilfebedarf unterschieden.

Der Senat hat eine ergänzende Stellungnahme der Pflegesachverständigen Dipl. PGw W.-G. vom 28. September 2011 eingeholt, nach der der Kläger zum Zeitpunkt ihrer Begutachtung "nachweislich grundpflegerisch relevante Kompetenzen zur Eigenversorgung" entwickelt hat. Außerdem hat der Senat durch seinen Berichterstatter am 12. November 2012 einen Erörte-rungstermin durchgeführt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die in der Gerichtsakte be-findliche Sitzungsniederschrift verwiesen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündli-chen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet, weil die Klage des Klägers unbegründet ist. Der Bescheid der Beklagten vom 8. November 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. März 2007 ist rechtmäßig und verletzt ihn nicht in seinen Rechten.

Die Voraussetzungen für die Aufhebung des Bescheides vom 11. September 2000 mit Wir-kung zum 1. November 2006 liegen nach § 48 Abs. 1 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) vor. Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei dem Erlass des Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt.

Hier ist eine wesentliche Änderung bezüglich des zeitlichen Umfangs der Pflegebedürftigkeit des Klägers (spätestens) mit Wirkung zum 1. November 2006 insoweit eingetreten, als er nach den vorliegenden Unterlagen zu diesem Zeitpunkt keinen täglichen Hilfebedarf in der Grundpflege im Umfange von mindestens 45 Minuten mehr hatte. Maßgebend ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 8. November 2006 hinsichtlich der Aufhebung der Pflegestufe I ist ein bereits vollzogener Verwaltungsakt ohne Dauerwirkung. Er erschöpft sich mit dem Entzug der vor-mals bewilligten Leistung; sein Vollzug wird trotz der Klage sofort wirksam, weil diese keine aufschiebende Wirkung hat (vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 20. April 1993 – Az.: 2 RU 52/92). Eine erst später eintretende Rechtsänderung oder eine tatsächliche Ände-rung hat daher keine Auswirkungen auf die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Auf-hebungsbescheides zum Zeitpunkt seines Erlasses.

Der Kläger hatte zu dem im Berufungsverfahren allein streitgegenständlichen Zeitpunkt der Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 11. September 2000 im November 2006 keinen Anspruch mehr auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I (erheb-lich Pflegebedürftige) nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XI).

Für die Gewährung von Leistungen des SGB XI sind gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 SGB XI pfle-gebedürftige Personen, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, in er-heblichem oder höherem Maße (§ 15 SGB XI) der Hilfe bedürfen (vgl. § 14 Abs. 1 SGB XI), einer von drei Pflegestufen zuzuordnen. Pflegebedürftige der Stufe I (erheblich Pflegebedürf-tige) sind Personen, die bei der Körperpflege, der Ernährung oder der Mobilität für wenigs-tens zwei Verrichtungen aus einem oder mehreren Bereichen mindestens einmal täglich der Hilfe bedürfen und zusätzlich mehrfach in der Woche Hilfen bei der hauswirtschaftlichen Versorgung benötigen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. SGB XI). Der Zeitaufwand, den ein Familien-angehöriger oder andere nicht als Pflegekraft ausgebildete Pflegepersonen für die erforderli-chen Leistungen der Grundpflege und hauswirtschaftlichen Versorgung benötigt, muss wö-chentlich im Tagesdurchschnitt mindestens 90 Minuten betragen; hierbei müssen auf die Grundpflege mehr als 45 Minuten entfallen (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 SGB XI). In der Pflegestufe II sind es mindestens drei Stunden, wobei auf die Grundpflege mindestens zwei Stunden (= 120 Minuten) entfallen muss (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 SGB XI). Leistungen nach der Pflegestufe III erhalten Personen, welche die pflegerischen und zeitlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 sowie Abs. 3 Nr. 3 SGB XI erfüllen (§§ 36 Abs. 3 Nr. 3, 37 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 SGB XI). Schwerstpflegebedürftige sind demnach Personen, die Hilfe bei der Körperpflege, der Ernährung und/oder der Mobilität (§ 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI - sogenannte Grund-pflege) täglich rund um die Uhr, auch nachts, und zusätzlich mehrfach in der Woche bei der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI) benötigen; der gesamte Pflege-bedarf muss mindestens fünf Stunden (= 300 Minuten), die Grundpflege davon mindestens vier Stunden (= 240 Minuten) betragen.

Der zeitliche Umfang der notwendigen Hilfe ist, weil naturwissenschaftliche Erkenntnismög-lichkeiten, die eine exakte Bemessung des Zeitbedarfes für einzelne Verrichtungen ermögli-chen könnten, in der Regel nicht existieren und standardisierte Zeiten oder Erfahrungswerte im Hinblick auf die jeweiligen individuellen Verhältnisse allenfalls einen Anhaltspunkt zur Ermittlung des Zeitaufwandes geben können, durch Schätzung entsprechend § 287 der Zivil-prozessordnung (ZPO) an Hand der zur Verfügung stehenden medizinischen Feststellungen (z.B. Begutachtungsergebnisse medizinisch-pflegerischer Sachverständiger) zu bestimmen (vgl. Bundessozialgericht &61500;BSG&61502;, Urteil vom 14. Dezember 1994 - Az.: 3 RK 9/94, in SozR 3 – 2500 § 53 Nr. 7; Senatsurteile vom 28. Februar 2001 – Az.: L 6 P 249/99, 24. Januar 2001 – Az.: L 6 P 348/00 und 20. Dezember 2000 – Az.: L 6 P 552/99). Dabei orientiert sich der Senat an den Zeitvorgaben der Richtlinien der Spitzenverbände der Pflegekassen zur Begut-achtung von Pflegebedürftigkeit nach dem XI. Buch des Sozialgesetzbuches – BRi (Begut-achtungsrichtlinien – BRi) in der für den hier maßgeblichen Zeitpunkt im November 2006 gültigen Fassung vom 11. Mai 2006, hier Abschnitt F "Orientierungswerte zur Pflegezeitbe-messung für die in § 14 SGB X genannten Verrichtungen der Grundpflege", ohne letztlich daran gebunden zu sein (vgl. BSG, Urteil vom 31. August 2000 - Az.: B 3 P 14/99 R, in Breithaupt 2001, S. 120 ff.).

Unter Beachtung dieser Vorgaben ergibt sich im Falle des Klägers, dass für den streitgegen-ständlichen Zeitpunkt im November 2006 die Voraussetzungen für das Fortbestehen eines Anspruchs auf Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach der Pflegestufe I (erheblich Pflegebedürftige) nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI nicht zur Überzeugung des Senats nachgewiesen sind. Insoweit verweist er zum einen auf die Entscheidungsgründe im ange-fochtenen Gerichtsbescheid des SG. Zum anderen schließt er sich den Ausführungen der Pflegesachverständigen W.-G. in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 28. September 2011 an, soweit der Kläger im Berufungsverfahren die Feststellungen der Sachverständigen im erst-instanzlichen Gutachten infrage stellt. Für den Senat nachvollziehbar und überzeugend legt die Sachverständige dar, dass der Kläger zum Zeitpunkt ihrer persönlichen Begutachtung am 4. August 2007 grundpflegerisch relevante Kompetenzen zur Eigenversorgung entwickelt hat und sich seine Lebensgewohnheiten verfestigt hatten, so dass er zum damaligen Zeitpunkt einen täglichen Hilfebedarf im Bereich der Grundpflegen von insgesamt 41 Minuten hatte. Der vom Prozessbevollmächtigen des Klägers beschriebene zeitliche Umfang der einzelnen Verrichtungen ist als Wunschvorstellung zu bezeichnen, die auf ihre Praktikabilität und auf ihre Plausibilität hin überprüft werden muss. Die Ausführungen des Prozessbevollmächtigten sind zudem nicht geeignet, die zeitnahen Feststellungen des MDK sowie der gerichtlichen Sachverständigen erfolgreich in Zweifel zu ziehen, da diese erst im September bzw. Oktober 2009 und damit etwa drei Jahre nach dem maßgeblichen Zeitpunkt und zudem auch lediglich auf den Angaben der Pflegepersonen basierend getroffen wurden. Gänzlich verbietet es sich, wie vom Prozessbevollmächtigten erfolgt, anhand eines selbst definierten Pflegebedarfs auf eine seinerzeitige Unterversorgung zu schließen. Eine solche Unterversorgung kann auch die Sachverständige ausweislich ihrer ergänzenden Stellungnahme nicht erkennen. So errechnet Dipl. PGw W.-G. für die Körperpflege einen täglichen Zeitaufwand für die Hilfen von 33 Minuten, wobei der Schwerpunkt der Hilfestellungen beim Duschen liegt. Im Bereich der Ernährung bedarf der Klägerin danach allein der Hilfe bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung im Umfange von 3 Minuten täglich. Schließlich hat sie im Bereich der Mobilität einen Hilfebedarf beim An- und Entkleiden sowie beim Aufstehen im Umfange von insge-samt 5 Minuten täglich festgestellt. Diesen Ausführungen, die durch eine detaillierte Schilde-rung und Bewertung der Einzelbereiche unterlegt sind, folgt der Senat.

Darüber hinaus hält er es auch nicht für geboten, den vom Kläger geltend gemachten Zeitauf-wand für die Betreuung während der Fahrten zur logopädischen Behandlung zu berücksichti-gen. Es spricht hier bereits vieles dafür, dass dieser nicht als Hilfe bei der Mobilität außerhalb der eigenen Wohnung anzuerkennen ist, da beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Woh-nung im Zusammenhang mit den logopädischen Behandlungen des Klägers - wie vom SG dargelegt - die Stärkung oder Verbesserung der Fähigkeit zu eigenständiger Lebensführung im Vordergrund stehen dürfte. Jedenfalls ist aus den vorliegenden Unterlagen nicht erkennbar, dass die logopädischen Behandlungen des Klägers, wie von diesem behauptet, der not-wendigen Behandlung einer Krankheit im Sinne der Besserung des Gesundheitszustandes dienen. Vielmehr geht der Senat davon aus, dass die logopädischen Behandlungen des Klä-gers - zumindest überwiegend - der Verbesserung seiner körperlichen und geistigen Fähigkei-ten für die Zukunft und damit der Rehabilitation dienen. Schwerpunkt ist erkennbar die Be-handlung seiner Behinderung und nicht die einer Krankheit. Soweit der Kläger in diesem Zu-sammenhang darauf hinweist, dass die logopädischen Behandlungen Leistungen der gesetzli-chen Krankenversicherung seien und deshalb nach der Rechtsprechung des BSG zur Verhin-derung eines Wertungswiderspruchs das diesbezügliche Mobilitätsbedürfnis auch von der Pflegekasse anzuerkennen sei, so ist dem entgegen zu halten, dass das BSG in der vom Kläger in Bezug genommenen Entscheidung (Urteil vom 18. September 2008 - Az.: B 3 P 5/07 R, nach juris) eine Leistung der Krankenkasse zur Krankenbehandlung verlangt. Leistungen zur Rehabilitation, wie hier im Falle des Klägers, bergen dagegen nicht das Risiko eines Wer-tungswiderspruchs in sich. Letztlich kann dies jedoch alles dahin stehen, da bereits ausweis-lich der vom Kläger vorgelegten Auflistung der logopädischen Behandlungen im zweiten Halbjahr 2006 sowie im ersten Quartal 2007 kein Pflegeaufwand erkennbar ist, der mindes-tens einmal wöchentlich anfällt. So fanden im Zeitraum von Juni 2006 bis einschließlich Mai 2007, also über insgesamt 52 Wochen, lediglich 20 Logopädiebehandlungen statt. Selbst unter Berücksichtigung der vom Kläger angegebenen Urlaubszeiten kann der Senat keinen mindes-tens wöchentlichen Pflegeaufwand erkennen. Dies gilt selbst dann, wenn man die daneben angefallenen 19 Arzt- und Hilfsmittelerbringerbesuche des Klägers hinzu rechnen wollte.

Schließlich teilt der Senat nicht die Einschätzungen des Dr. M. in dessen Gutachten vom 29. Juli 2010, soweit sie den Umfang des zeitlichen Hilfebedarfs des Klägers betreffen. Zum ei-nen hat Dr. M. seiner Einschätzung allein die von ihm im Rahmen der ambulanten Behandlung des Klägers in seiner Praxis erhobenen neurologischen Funktionsdefizite und psychischen Funktionsbeeinträchtigungen einerseits sowie die Angaben der Eltern des Klägers andererseits zugrunde gelegt. Dies und der Umstand, dass Dr. M. als Facharzt für Neurologie und Psychiatrie wohl keine Erfahrung in der Pflegebegutachtung besitzt, wecken beim Senat er-hebliche Zweifel am Vorliegen des von ihm zu pauschal beschriebenen Pflegeumfanges (" einzuschätzen, dass bei T. derzeit und unbefristet die Kriterien für die Pflegestufe 2 er-füllt sind"). So genügt es nicht, ein medizinisches Zustandsgutachten zu erstatten, vielmehr sind die konkreten Auswirkungen der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers auf des-sen Hilfebedarf festzustellen und zeitlich zu bemessen. Der Senat erachtet es als nicht ausrei-chend, von den erhobenen neurologischen Funktionsdefiziten und psychischen Funktionsbe-einträchtigungen auf einen bestimmten Umfang des zeitlichen Hilfebedarfs zu schließen. Dies verbietet sich selbst dann, wenn man dabei die Angaben der Angehörigen des Klägers und das von ihnen geführte Pflegetagebuch berücksichtigt. Denn weder hat Dr. M. diese Angaben einer wertenden Überprüfung anhand der Pflegerichtlinien unterzogen noch sonst durch eige-ne Anschauung verifiziert. Zum anderen hat Dr. M. seiner Einschätzung die Angaben der An-gehörigen des Klägers aus dem Jahr 2010 zugrunde gelegt. Zum hier allein maßgeblichen Zeitraum "zweites Halbjahr 2006", kann allein hieraus nicht überzeugend auf einen bestimm-ten Hilfebedarf im genannten Zeitraum geschlossen werden. Insoweit folgt der Senat dem deutlich zeitnäheren Gutachten der Dipl. PGw W.-G. aufgrund der häuslichen Begutachtung vom 4. August 2007 sowie den MDK-Gutachten vom 4. September 2006 und vom 15. Febru-ar 2007.

Auf die Entwicklung der Pflegebedürftigkeit des Klägers nach dem hier maßgeblichen Ent-ziehungszeitpunkt im November 2006 kommt es dagegen nicht an. Dies müsste zunächst im Rahmen eines eventuellen neuen Antragsverfahrens bei der Beklagten auf Zuerkennung einer Pflegestufe geklärt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nr.1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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