L 6 U 1418/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 9 U 2322/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1418/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt im Berufungsverfahren noch die Feststellung der Berufskrankheit (BK) Nr. 4103 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV; im Folgenden BK Nr. 4103) sowie deren Entschädigung, insbesondere in Form der Verletztenvollrente.

Der am 25.01.1927 geborene Kläger war eigenen Angaben zufolge von 1947 bis 1961 selbständiger Gast- und Landwirt und von Februar 1961 bis Juli 1963 bei der Firma M. K., L., heute p. k. GmbH & Co KG, M. (vgl. Bl. 29 BA), beschäftigt. Hier war er mit dem Zertrümmern, Mischen und Verarbeiten von Pulvern, Materialbrocken und - platten sowie Faserstoffen befasst (Bl. 20, 27 BA). Von Dezember 1963 bis März 1987 war er als Bankkaufmann in leitender Stellung bei der Raiffeisenbank L. tätig (vgl. Bl. 20, 27 BA).

Am 02.12.2008 zeigte die Klinik L. (Unterschrift unleserlich) bei der Berufsgenossenschaft Elektro, Textil, Feinmechanik, einer Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte), den Verdacht auf eine BK an und fügte ihren Entlassungsbericht vom 27.11.2008 über den stationären Aufenthalt des Klägers dort vom 04. bis 28.11.2008 bei. Hierin wird u.a. eine asbestassoziierte Pleuritis mit pulmonaler Fibrose rechts diagnostiziert und als histologischer Befund einer am 10.11.2008 durchgeführten videothoraskoskopisch assistierten Decortication der rechten Lunge eine asbestinduzierte chronisch-granulierende unspezifische fibrinöse Pleuritis ohne atypische Mesothelproliferate sowie ohne Anhalt für Malignität angegeben.

Die Beklagte leitete ein BK-Feststellungsverfahren ein und nahm die Ermittlungen auf.

Auf Anfrage teilte die p. k. GmbH & Co KG mit Schreiben vom 26.02.2009 mit, es sei nicht mehr festzustellen, wann der Kläger genau bei ihnen beschäftigt gewesen sei. Asbest sei in ihrer Produktion zu keinem Zeitpunkt verarbeitet oder recycelt worden. Sie seien ausschließlich Hersteller von Kunststoffprofilen auf Thermoplast-Basis gewesen. Es sei zum damaligen Zeitpunkt ausschließlich PVC-weich auf Basis E-PVC/DOP verarbeitet worden.

Der Staatliche Gewerbearzt Dr. H. stellte am 07.05.2009 fest, dass eine BK Nr. 4103 nicht zur Anerkennung vorgeschlagen werde, da die haftungsbegründende Kausalität nicht wahrscheinlich gemacht worden sei. Obwohl offenbar das klinische Bild für eine asbestassoziierte Pleuraerkrankung des Klägers spreche, könne aus der vorliegenden Akte nicht entnommen werden, wo eine Asbestexposition stattgefunden habe.

Der Betriebsleiter der p. k. GmbH & Co KG, O., teilte auf telefonische Anfrage der Beklagten am 28.08.2009 mit, es sei niemals, weder bei der Firma M. K. noch in der Nachfolgefirma p. k., mit Asbest gearbeitet worden. (Bl. 47 BA).

Anlässlich eines Hausbesuchs beim Kläger durch einen Mitarbeiter der Beklagten am 16.11.2009 verneinte der Kläger die Frage, ob er definitiv wisse, dass Asbest im Betrieb M. K. verarbeitet worden sei. Das PVC sei aus Italien angeliefert worden, eine Produktbezeichnung nicht möglich, dem PVC seien Weichmacher und Farbe beigemischt gewesen, mehr könne er nicht dazu sagen. In der Zeit als selbständiger Landwirt könne er sich auch nicht an Asbestkontakte erinnern. Der Landwirtschaft sei ein Gasthaus angegliedert gewesen, in der Küche habe sich ein großer Wasserboiler befunden, hier könne es sein, dass dieser Boiler eine Asbestisolierung gehabt habe. Eine weitere Möglichkeit der Asbestaufnahme könne während der Zeit der Kriegsgefangenschaft in Russland im Ural gewesen sein, als die Gefangenen beim Aufbau eines Gaskraftwerkes hätten helfen müssen (Bl. 60 BA).

Schließlich zog die Beklagte den Entlassungsbericht des Klinikums S. vom 12.12.2008 bei, in dem nach stationärer Behandlung des Klägers vom 07. bis 16.12.2008 u. a. eine pulmonale Fibrose bei asbestassoziierter Pleuritis mit restriktiver Ventilationsstörung diagnostiziert wurde.

Mit Bescheid vom 23.02.2010 lehnte die Beklagte die Feststellung einer BK Nr. 4103 ab. Ansprüche auf Leistungen bestünden nicht. Zur Begründung wird ausgeführt, Voraussetzung für eine beruflich bedingte Asbesterkrankung sei der Umgang mit Asbest. Eine solche Asbesteinwirkung sei nicht nachweisbar.

Mit seinem hiergegen eingelegten Widerspruch machte der Kläger geltend, die Nachfolgefirma der Firma M. K. habe angegeben, dass Anfang der 60iger Jahre mit Thermoplasten gearbeitet worden sei. In der Herstellung von Thermoplasten sei vor allem vor 1970 als Zusatz Asbest verwendet worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 04.06.2010 wies die Beklagte den Widerspruch ohne weitergehende inhaltliche Begründung zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 05.07.2010 Klage beim Sozialgericht Ulm (SG) erhoben und geltend gemacht, er habe konkret für seine Tätigkeit bei der Firma M. K. Asbeststoffe bezeichnet. Es seien Asbestmaterialien in Form von Pulver, Brocken, Faserstoffen und Platten gemischt und geschreddert worden. Es werde für gänzlich ausgeschlossen gehalten, dass keine Asbestbelastung bei diesen Tätigkeiten stattgefunden habe. Dass die Beklagte die arbeitstechnischen Voraussetzungen bestreite, könne nicht nachvollzogen werden. So wie die Erkrankung sich darstelle, könne es sich auch gut um eine BK Nr. 4105 handeln.

Die Beklagte hat dargelegt, dass das anhängige Verfahren ausschließlich den Bescheid vom 23.02.2010 betreffe, mit dem allein die Feststellung der BK Nr. 4103 abgelehnt worden sei, sie aber bereit sei, parallel zum laufenden BK-Verfahren ein Verfahren zur Feststellung der BK Nr. 4105 durchzuführen.

Mit Bescheid vom 05.10.2010 hat die Beklagte die Feststellung einer BK Nr. 4105 abgelehnt sowie mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2011 den hiergegen eingelegten Widerspruch zurückgewiesen. Das SG hat verschiedene Aktenstücke aus diesem Verfahren beigezogen: Auf das Schreiben des Klägers vom 06.12.2010, in dem er nochmals behauptet hat, Thermoplaste seien seinerzeit asbest- und talkumhaltig gewesen, wobei Talkum Asbest enthalte, hat die Beklagte in ihrem Schreiben an den Kläger vom 14.12.2010 erwidert, es handele sich bei Thermoplaste technisch um synthetische makromolekulare Werkstoffe. Je nach beabsichtigter Verwendung des Kunststoffes würden verschiedene Hilfsstoffe (Stabilisatoren, Weichmacher und Füllstoffe) zugesetzt. Als anorganische Füllstoffe würden z.B. Gesteinsmehl, Kaolin, feinfaseriger Asbest, Kreide und Glasfasern beigemischt. Asbest sei als anorganischer Füllstoff daher nicht auszuschließen, sei aber auch nicht zwangsläufig in Thermoplasten eingesetzt worden. Bei Talk (Speckstein), gemahlen Talkum, handele es sich um ein Magnesiumsilikat, das, je nachdem, wo es abgebaut worden sei, Quarz oder Asbest enthalten könne. Da somit ein berufsbedingter Asbestkontakt des Klägers zwar möglich, aber nicht wahrscheinlich sei, sei der Antrag zu Recht abgelehnt worden (Bl. 101 BA, 24 SG). In der ergänzenden Stellungnahme des Technischen Aufsichtsbeamten Kanwischer vom 20.01.2011 wird ausgeführt, seine einzige Informationsquelle sei der mittlerweile aus Altersgründen ausgeschiedene Betriebsleiter der Nachfolgefirma p. k., O., gewesen. Dieser habe seinerzeit auf mehrmalige Nachfrage jedes Mal bestätigt, dass kein Asbest verwendet worden sei. Zum Talkum habe er ihn nicht befragt, dieses werde aber seiner Erfahrung nach auch nicht beim Extrudieren eingesetzt. Ob in Talkum Asbest vorkommen könne, sei abhängig von der Lagerstätte. Inwieweit Handelsbeziehungen zu China und der ehemaligen UdSSR (Lagerstätte mit Asbest) zum Zeitpunkt des "Kalten Krieges" bestanden hätten, vermöge er nicht zu beurteilen (Bl. 26 SG).

Die gegen die Ablehnung der Feststellung einer BK Nr. 4105 erhobene Klage hat das SG u. a. unter Bezugnahme auf die schriftliche Zeugenvernehmung der Lungenfachärztin Dr. B. vom 08.06.2011 mit Urteil vom 18.08.2011 abgewiesen, da es an den notwendigen medizinischen Voraussetzungen (Mesotheliom) fehle (S 10 U 1035/11). Die Berufung des Klägers wurde durch Beschluss des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26.03.2012 zurückgewiesen (L 8 U 4332/11), in dem nochmals darauf hingewiesen worden ist, dass im Falle des Klägers ein Mesotheliom zu keinem Zeitpunkt diagnostiziert worden sei. Unabhängig hiervon sei der Senat aber auch davon überzeugt, dass der Kläger eine gesundheitsgefährdende Einwirkung von Asbest während seiner knapp eineinhalbjährigen (richtig: zweieinhalbjährigen) beruflichen Tätigkeit nicht nachgewiesen habe. Der befragte Betriebsleiter der Nachfolgefirma habe den Einsatz asbesthaltiger Arbeitsstoffe sowohl während seiner Tätigkeit als auch für die Produktion in der Vorgängerfirma verneint. Den auf diesem Stand der Ermittlungen beruhenden Bedenken des Rentenausschusses im Oktober 2009 sei mit weiteren Ermittlungen Rechnung getragen worden. Bei seiner persönlichen Befragung am 12.11.2009 habe der Kläger zur Asbesteinwirkung keine konkreten Angaben machen können. Der seinerzeit tätig gewesene Geschäftsführer V. habe altersbedingt keine Angaben machen können. Der Technische Aufsichtsbeamte habe seiner Erfahrung entsprechend einerseits eine Verwendung von Talkum während des Extrudierens verneint. Ob andererseits Talkum verwendet worden sein könne, das in Abhängigkeit von der Lagerstätte Asbest enthalten könne, sei nach dem Zeitablauf und den nicht rekonstruierbaren Verhältnissen nicht zu beurteilen. Der ca. fünf Wochen später gestellte Überprüfungsantrag wurde durch Bescheid der Beklagten vom 26.06.2012 abgelehnt. Nach erfolglosem Widerspruchsverfahren wurde die beim SG erhobene Klage durch Gerichtsbescheid vom 22.03.2013 abgewiesen (S 10 U 3614/12). Hiergegen hat der Kläger am 08.04.2013 Berufung beim LSG eingelegt (L 6 U 1529/13).

Im streitgegenständlichen Verfahren hat der Kläger die Einholung eines arbeitstechnischen Sachverständigengutachtens zur Asbestbelastung von Amts wegen beantragt und den Aufsatz von Dr. rer. nat M. M., Institut für Arbeitsschutz der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, "Asbest in Talkumpudern und Speckstein - heutige Situation" aus dem Jahr 2007 vorgelegt.

Mit Urteil vom 15.01.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Diese sei unzulässig, soweit der Kläger die Feststellung der BK Nr. 4105 im anhängigen Verfahren beantragt habe, da der angefochtene Bescheid vom 23.02.2010 hierüber keine Verfügung getroffen habe. Ebenfalls unzulässig sei die auf Entschädigung, insbesondere in Form einer Verletztenrente, gerichtete unechte Leistungsklage, da es insoweit an einer Verwaltungsentscheidung der Beklagten fehle. Die Klage auf Anerkennung der BK Nr. 4103 sei unbegründet. Denn eine Asbesteinwirkung im Rahmen einer versicherten Tätigkeit des Klägers, die zu der bei ihm festgestellten Erkrankung der Pleura geführt habe, insbesondere während seiner zweieinhalbjährigen Tätigkeit für die Fa. M. K., sei nicht im Vollbeweis zu sichern gewesen. Der Kläger selbst habe gegenüber dem Reha-Berater keine konkreten Angaben zur Asbesteinwirkung machen können. Der Betriebsleiter der Nachfolgefirma habe mitgeteilt, dass Asbest zu keiner Zeit von der Fa. M. K. verarbeitet worden sei. Der Technische Aufsichtsbeamte habe ausgeführt, dass Talkum Asbest enthalten könne, es aber entscheidend von der Lagerstätte abhänge, ob dies der Fall sei. Ob die Fa. M. K. T. aus einer Lagerstätte der ehemaligen UdSSR oder aus China bezogen habe, sei nicht bekannt.

Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 05.03.2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28.03.2013 Berufung eingelegt soweit die BK Nr. 4103 verneint worden sei. Er habe täglich mehrere Stunden Kontakt mit asbesthaltigen Stoffen gehabt. Aus dem Internet ergebe sich der Hinweis, dass Thermoplaste Asbest enthielten. Dies dürfte in der fraglichen Zeit so auch in der Fachliteratur feststellbar sein.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 15. Januar 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 23. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juni 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, eine Berufskrankheit Nr. 4103 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung festzustellen sowie die Beklagte zu verurteilen, Entschädigung, insbesondere in Form der Verletztenvollrente zu leisten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat im Wesentlichen auf den Beschluss des LSG vom 26.03.2012 verwiesen.

Der anberaumte Erörterungstermin mit Anordnung des persönlichen Erscheinens des Klägers wurde aufgehoben, nachdem der Kläger das Attest des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. P. vom 12.07.2013 vorgelegt hat, in dem dieser bei dem Kläger eine schwere, zunehmende Asbestose, eine schwergradige koronare Herzkrankheit sowie eine hochgradige spinale Stenose diagnostiziert hat. Außerdem habe er bei seinem letzten Hausbesuch am 10.07.2013 festgestellt, dass der Kläger an zunehmender Angina pectoris leide und sich die Sauerstoffsättigung bei zunehmender Belastung auf 90 % senke. Dr. Blessing hat mit Schreiben vom 02.07.2013 an den Berichterstatter mitgeteilt, der Kläger sei als multimorbide einzustufen. Zum einen bestehe eine schwergradige koronare Herzkrankheit, zum anderen eine schwere zunehmende Lungenkrankheit. Bei letzterer handele es sich um eine asbestassoziierte Pleuritis mit pulmonaler Fibrose rechts, wobei sich mittlerweile eine schwergradige Einschränkung der Lungenfunktion zeige. Es sei ihm nicht zumutbar, zu Gerichtsverhandlungen nach Stuttgart zu kommen.

Mit Verfügung vom 16.05.2013 hat der Berichterstatter darauf hingewiesen, dass und weshalb die Berufung des Klägers keine Erfolgsaussichten haben dürfte. Mit weiterer Verfügung vom 17.07.2013 wurde den Beteiligten unter Bezugnahme auf die vorgenannte Verfügung mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, über die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden, und den Beteiligten Gelegenheit gegeben, hierzu bis zum 01.08.2013 Stellung zu nehmen.

Der Kläger hat hierauf nochmals beantragt, ein arbeitstechnisches Sachverständigengutachten von Amts wegen einzuholen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten (3 Bände) sowie die erst- und zweitinstanzlichen Gerichtsakten und die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Gerichtsakten des SG (S 10 U 1035/11 und S 10 U 3614/12) sowie des LSG (L 8 U 4323/11 und L 6 U 1529/13) verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet über die Berufung nach § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, weil die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Den Beteiligten ist mit gerichtlicher Verfügung vom 17.07.2013 Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Verfahrensweise gegeben worden. Zudem ist der Kläger darauf hingewiesen worden, dass die Berufung wenig aussichtsreich erscheint (vgl. BSG SozR 3-1500 § 153 Nr. 9).

Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere statthafte Berufung (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nicht mehr das noch im Klageverfahren verfolgte Begehren auf Verpflichtung der Beklagten zur Anerkennung einer BK Nr. 4105. Insoweit ist das Urteil des SG, das die hierauf gerichtete Feststellungs- (nach dem im Tatbestand des Urteils wiedergegebenen Klageantrag aber eher wohl Verpflichtungs-) Klage als unzulässig abgewiesen hat, in Rechtskraft erwachsen. Dagegen hat der Kläger sein Leistungsbegehren auf Entschädigung der geltend gemachten BK Nr. 4103 insbesondere in Form der Gewährung einer Verletztenrente auch im Berufungsverfahren aufrecht erhalten. Zutreffend hat das SG auch diese Klage als unzulässig abgewiesen. Solange der zuständige Unfallversicherungsträger nicht über einen Leistungsanspruch entschieden hat, kann der Versicherte, außer bei rechtswidriger Untätigkeit der Behörde (vgl. § 88 SGG), kein Rechtsschutzbedürfnis an einer gerichtlichen Entscheidung haben (vgl. BSG, Urteile vom 21.09.2010 - B 2 U 25/09 R -, 20.07.2010 - B 2 U 19/09 R - und 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R - jeweils zit. n. juris). Mit dem angefochtenen Verwaltungsakt vom 23.02.2010 hat die Beklagte festgestellt, dass beim Kläger keine BK Nr. 4103 besteht (Ziff. 1 des Bescheides). Soweit sie unter Ziff. 2 des Bescheides außerdem festgestellt hat, dass keine Ansprüche auf Leistungen bestehen, enthält der Bescheid keine Regelung im Sinne des § 31 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), mit dem die Beklagte einen Anspruch auf Verletztenrente abgelehnt hat. Weder kann dem Bescheid entnommen werden, dass die Beklagte die Voraussetzungen für das Bestehen eines Anspruches auf Verletztenrente nach §§ 56 ff. Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) geprüft hat, noch hatte der Kläger im Verwaltungsverfahren eine bestimmte Entschädigungsleistung konkret beantragt (vgl. § 88 Absatz 1 Satz 1 SGG). Nachdem die Beklagte bereits das Vorliegen eines Versicherungsfalles verneint hatte, bestand für sie auch kein Grund, die einen Versicherungsfall voraussetzenden Leistungsansprüche zu prüfen und hierüber zu entscheiden. Über den Anspruch auf Verletztenrente oder eine andere konkrete Leistung ist auch nicht im Widerspruchsbescheid vom 04.06.2010 entschieden worden. Abgesehen davon, dass die Widerspruchsstelle funktional und sachlich nicht zuständig ist, an Stelle der Ausgangsbehörde des Trägers über ein erstmals im Widerspruchsverfahren geltend gemachtes Recht zu befinden (BSG, Urteil vom 20.07.2010 a.a.O.), setzt sich auch der Widerspruchsbescheid allein mit den Voraussetzungen für die Anerkennung der BK Nr. 4103 auseinander, enthält aber keine Regelung zu konkreten einzelnen Leistungsansprüchen.

Soweit der Kläger mit der Verpflichtungsklage in zulässiger Weise nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung der BK Nr. 4103 begehrt (vgl. Keller in Meyer-Ladewig, Keller, Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 54 Rdnr. 20b), hat das SG ebenfalls zu Recht die Klage als unbegründet abgewiesen. Denn der Kläger hat keinen entsprechenden Feststellungsanspruch. Der Bescheid der Beklagten vom 23.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.06.2010 ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Unter welchen Voraussetzungen eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen ist, ergibt sich aus § 9 Abs. 1 SGB VII, wenn - wie vorliegend - der Eintritt einer BK für die Zeit nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 01.01.1997 geltend gemacht wird (vgl. § 212 SGB VII). Danach sind BKen Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind; sie kann BKen auf bestimmte Gefährdungsbereiche beschränken oder mit dem Zwang zur Unterlassung aller gefährdenden Tätigkeiten versehen (§ 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Von dieser Ermächtigung hat die Bundesregierung Gebrauch gemacht und am 31.10.1997 die BKV erlassen (BGBl. I 2623) sowie durch Art. 1 der Zweiten Verordnung zur Änderung der BKV vom 11. Juni 2009 (BGBl I S. 1273) weitere BKen in Anlage 1 der BKV neu aufgenommen.

Aus § 9 Abs. 1 SGB VII lassen sich daher für eine Listen-BK im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten: Die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; vgl. BSG, Urteil vom 15.09.2011 B 2 U 22/10 R - zit. n. juris, m. w. N.). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Dabei gilt für die Überzeugungsbildung des Tatsachengerichts hinsichtlich der "versicherten Tätigkeit", der "Verrichtung", der "Einwirkungen" und der "Krankheit" der Beweisgrad des Vollbeweises, also der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit. Für die Überzeugungsbildung vom Vorliegen der naturphilosophischen Ursachenzusammenhänge und der rechtlich zu bewertenden Wesentlichkeit einer notwendigen Bedingung genügt indes der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 4 BKV; SozR 4-2700 § 9 Nr. 14 BKV).

Die BKV umschreibt den Tatbestand der BK Nr. 4103 wie folgt: "Asbeststaublungenerkrankung (Asbestose) oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura."

Wie sich aus den im Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren vorgelegten medizinischen Unterlagen, insbesondere dem Entlassungsbericht der Klinik L. vom 27.11.2008, der im Verfahren S 10 U 1035/11 eingeholten schriftlichen Zeugenauskunft der behandelnden Lungenfachärztin Dr. B. vom 08.06.2011 sowie deren Attest vom 02.07.2013, ergibt, leidet der Kläger an einer asbestassoziierten Pleuritis (Brustfellentzündung) mit pulmonaler Fibrose rechts und somit an einer durch Asbeststaub verursachten Erkrankung der Pleura (vgl. Empfehlung für die Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten - Falkensteiner Empfehlung, Nr. 3.2.1, S. 19, abgedr. in Mehrtens/Brandenburg, BKV-Kommentar, Stand Mai 2013, M 4103). Dies ergibt sich auch aus der Stellungnahme des Staatlichen Gewerbearztes Dr. H. vom 07.05.2009.

Weitere Voraussetzung ist indes, dass der Kläger im Laufe seines bei der Beklagten versicherten Berufslebens einer Asbestexposition ausgesetzt war und hierdurch die Pleuritis verursacht worden ist. Dabei muss die beruflich bedingte Asbestexposition als solche im Vollbeweis gesichert sein, während es für die Frage, ob hierdurch und nicht aufgrund einer nicht beruflich bedingten Asbesteinwirkung die Pleuraerkrankung verursacht worden ist, der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit ausreichend ist.

Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl Keller, a. a. O. § 128 Rdnr. 3b m.w.N). Daraus folgt, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende Restzweifel mit anderen Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (BSG, Urteil vom 24.11.2010 - B 11 AL 35/09 R - zit. n. juris). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG SozR 4-3800 § 1 Nr. 20).

Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen ist vorliegend nicht mit der gebotenen, an Gewissheit grenzenden Wahrscheinlichkeit festzustellen, dass der Kläger im Rahmen seiner bei der Beklagten versicherten Tätigkeit bei der Firma M. K. im Zeitraum von Februar 1961 bis Juli 1963 einer Asbestbelastung ausgesetzt gewesen ist.

Dies hat das LSG in seinem Beschluss vom 26.03.2012 (L 8 U 4332/11) und das SG im angefochtenen Urteil vom 15.01.2013 im Einzelnen dargelegt. Der Senat schließt sich der dort vertretenen Auffassung an, dass zwar ein Asbestkontakt des Klägers im Rahmen seiner Beschäftigung bei der Firma M. K. nicht ausgeschlossen werden kann, ein solcher jedoch nicht erwiesen ist. Der Senat nimmt daher nach nochmaliger eigener Überprüfung auf die Ausführungen in den genannten Entscheidungen Bezug und sieht von einer nochmaligen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Sowohl die sehr eingehende Befragung des Klägers als auch die Auskünfte der noch erreichbaren Arbeitgeber und die Einschaltung des Technischen Aufsichtsdienstes haben eine Asbestexposition nicht mit dem erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad für feststellbar erbracht, weitere Erkenntnismöglichkeiten bestehen nicht (vgl. hierzu auch BSG, Urteil vom 07.09.2004 - B 2 U 25/03 B). Soweit der Prozessbevollmächtigte in den gerichtlichen Verfahren eine Asbestexposition des Klägers behauptet hat, fehlt es an einer Begründung dafür, weshalb der Kläger selbst im Widerspruch hierzu anlässlich seiner persönlichen Befragung diese nicht mit Sicherheit hat bestätigen können. Ersichtlich stützt der Klägervertreter seine Behauptung auf die Auskunft der p. k. GmbH & Co KG vom 26.02.2009, wonach auch im Betrieb M. K. ausschließlich Kunststoffprofile auf Thermoplast-Basis hergestellt worden sind, und zieht aufgrund angestellter bloßer Mutmaßungen die Schlussfolgerung, dass dann auch eine Asbestexposition vorgelegen haben müsse. Hierbei lässt er jedoch nicht nur außer Acht, dass von Seiten des früheren Betriebsleiters O., sowohl für die Firma M. K. als auch für deren Nachfolgefirma mehrfach die Verarbeitung und/oder das Recyceln von Asbest ausgeschlossen worden ist, sondern verkennt auch, dass Thermoplaste nicht zwingend asbesthaltig sind, sondern auch andere anorganische Füllstoffe als Hilfsstoffe zugesetzt werden. Selbst wenn Talkum Bestandteil der Thermoplaste gewesen wäre, ergibt sich daraus nicht zwingend eine Asbestbelastung, da Talkum nicht notwendig Asbest enthält, sondern, je nachdem wo es abgebaut bzw. gelagert worden ist, auch Quarz enthalten kann. Allein der Umstand, dass die Firma M. K. in dem hier streitbefangenen Zeitraum Kunststoffprofile auf Thermoplast-Basis produziert bzw. recycelt hat, erlaubt daher nicht den Rückschluss, dass der Kläger im Zusammenhang mit den von ihm geschilderten Tätigkeiten einer Asbestexposition ausgesetzt war. All dies hat die Beklagte in ihrem Schreiben an den Klägervertreter vom 14.12.2010 im Einzelnen näher dargelegt. Soweit der Klägervertreter dem entgegen getreten ist und im Klageverfahren einen Aufsatz des Dr. M. aus dem Jahr 2007 vorgelegt hat, ergibt sich auch hieraus nicht der Nachweis einer Asbestexposition des Klägers. Vielmehr bestätigt der Beitrag die bereits im Schreiben der Beklagten vom 14.12.2010 genannten Tatsachen, nämlich dass keine pauschale Aussage darüber getroffen werden kann, ob Talkumpuder oder Talk (Speckstein) Asbest enthalten, vielmehr die exemplarisch durchgeführten Untersuchungen gezeigt haben, dass in vielen Fällen sowohl in Talkumpuder als auch in Speckstein bei Anwendung der etablierten Analyseverfahren kein Asbest nachgewiesen werden konnte (vgl. Ziff. 6 des Berichtes "Schlussfolgerungen").

Der sichere Nachweis einer beruflich bedingten Asbestexposition ist daher nicht erbracht. Hinzu kommt, dass nach eigenen Angaben des Klägers dieser auch im Rahmen seiner langjährigen Tätigkeit als Gast- und Landwirt, aber auch zuvor in russischer Kriegsgefangenschaft beim Aufbau eines Gaskraftwerkes einer Asbestbelastung ausgesetzt gewesen sein kann.

Bei dieser Erkenntnislage bestand für den Senat auch keine Veranlassung, dem Antrag des Klägers auf Einholung eines arbeitstechnischen Sachverständigengutachtens nachzukommen. Nachdem der Kläger selbst nicht mit Bestimmtheit eine beruflich bedingte Asbestexposition angegeben hat und keine Anknüpfungstatsachen dafür vorliegen, dass die Produktion der Kunststoffprofile unter Einsatz von asbesthaltigen Materialen erfolgt ist bzw. solche recycelt worden sind, handelt es sich bei dem vom Kläger gestellten Beweisantrag um einen unzulässigen Beweisermittlungs- bzw. Ausforschungsantrag. Nach den im Zivilprozess entwickelten Grundsätzen zum Ausforschungsbeweis zielt dieser darauf ab, bisher unbekannte Tatsachen zwecks genaueren Vorbringens in Erfahrung zu bringen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 05.04.2001, IX ZR 276/98, NJW 2001, 2327; Urteil vom 02.04.2007, II ZR 325/05, BB 2007, 1185 m. w. N.). Im sozialgerichtlichen Verfahren liegt ein "Ausforschungsbeweis" vor, wenn ihm die Bestimmtheit bei der Angabe der Tatsachen oder Beweismittel fehlt, oder aber der Beweisführer für seine Behauptung nicht genügend Anhaltspunkte angibt und erst aus der Beweisaufnahme die Grundlage für seine Behauptungen gewinnen will (vgl. BSG, Urteil vom 19.9.1979, 11 RA 84/78, zit. n. juris). Wie oben im Einzelnen dargelegt fehlt es vorliegend an Anhaltspunkten für eine Asbestexposition des Klägers im Verlauf seiner beruflichen Tätigkeit bei der Firma M. K., die Gegenstand einer arbeitstechnischen Begutachtung sein könnten. Allein der Umstand, dass der Kläger mit der Verarbeitung von Thermoplast befasst war, genügt aus den o. g. Gründen nicht.

Die Berufung des Klägers war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Saved