L 8 SB 2454/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 22 SB 4931/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 SB 2454/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 08.05.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Klägerin gegen den Beklagten ein Anspruch auf höhere (Neu-)Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) ab 06.02.2009 zusteht (GdB mindestens 50 statt 40).

Die 1960 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie war zuletzt bis 2009 als Reinigungskraft sozialversicherungspflichtig beschäftigt (vgl. Blatt 86 RS der SG-Akte). Sie lebt seit 1998 von ihrem Ehemann getrennt (vgl. Blatt 87 der SG-Akte).

Das Landratsamt B. (LRA) stellte mit Bescheid vom 03.07.2002 (Blatt 18/119 der Beklagtenakte) bei der Klägerin einen GdB von 30 seit Dezember 2001 fest (zur zugrunde liegenden versorgungsärztlichen Stellungnahme vgl. Blatt 16/17 der Beklagtenakte; zugrundeliegende Funktionsbeeinträchtigungen: Bluthochdruck (Teil-GdB von 30); Depression (Teil-GdB von 10)). Mit Bescheid vom 24.03.2005 (Blatt 39/40 der Beklagtenakte; zur versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. K. vom 21.03.2005 vgl. Blatt 37/38 der Beklagtenakte) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Beklagten vom 24.05.2005 (Blatt 53/55 der Beklagtenakte; zur zugrundeliegenden versorgungsärztlichen Stellungnahme vgl. Blatt 50/51 der Beklagtenakte) wurde ein GdB von 40 seit dem 14.02.2005 festgestellt (zugrunde liegende Funktionsstörungen: Bluthochdruck, Schwindel, Kopfschmerzsyndrom (Teil-GdB von 30), Diabetes mellitus (mit Diät und oralen Antidiabetika einstellbar) (Teil-GdB von 20), Depression (Teil-GdB von 10)). Spätere Anträge auf höhere (Neu-)Feststellung waren nicht erfolgreich.

Am 12.02.2009 beantragte die Klägerin erneut die höhere (Neu-)Feststellung des GdB (Blatt 197/198 der Beklagtenakte). Zu diesem Antrag gab sie an, an Bluthochdruck, Schwindel, Kopfschmerzsyndrom, Depression, Diabetes, Fußtaubheit und Schwellen zu leiden. Die Klägerin legte einen Bericht des Internisten/Kardiologen Dr. K. vom 24.01.2009 (Blatt 199 der Beklagtenakte), der eine arterielle Hypertonie, einen Diabetes mellitus sowie ein Übergewicht diagnostizierte. Dr. L.-P. teilte dem LRA unter dem 19.11.2010 auf Anfrage u.a. mit (Blatt 202 der Beklagtenakte), die Klägerin sei erheblich bis schwer in der Beweglichkeit eingeschränkt, ebenso in der Bewegungsfähigkeit und der Gehfähigkeit.

In einer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 06.01.2011 (Blatt 204/205 der Beklagtenakte) bewertete Dr. F. den GdB wie folgt: - Seelische Störung, Angina pectoris, Kopfschmerzsyndrom, Schwindel, funktionelle Organbeschwerden (Teil-GdB von 20), - Diabetes mellitus, Polyneuropathie (Teil-GdB von 20), - Bluthochdruck (Teil-GdB von 10), - Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, degenerative Veränderungen der Wirbelsäule (Teil-GdB von 10), - Gebrauchseinschränkung beider Füße, Arthrose (Teil-GdB von 10), Gesamt-GdB von 40.

Mit Bescheid vom 20.01.2011 (Blatt 206/207 der Beklagtenakte) lehnte das LRA die begehrte höhere (Neu-)Feststellung des GdB ab. Eine wesentliche Änderung des Gesundheitszustandes sowie der damit einhergehenden Funktionsbeeinträchtigungen sei nicht eingetreten.

Auf den hiergegen erhobenen Widerspruch vom 02.02.2011 (Blatt 208 der Beklagtenakte) zog das LRA Auskünfte der behandelnden Ärzte bei. Die Fachärztin für Innere Medizin, Diabetologie, Dr. S. teilte in ihrer Auskunft vom 09.02.2011 (Blatt 211 der Beklagtenakte) mit, die Klägerin zuletzt am 17.02.2009 behandelt zu haben. Aus einem von ihr vorgelegten Bericht vom 26.01.2009 (Blatt 212 der Beklagtenakte) ergibt sich ein mit Metformin behandelter Diabetes mellitus, eine Hypertonie und eine Adipositas. Der Arzt für Orthopädie, Sportmedizin, Dr. W. teilte mit Schreiben vom 23.02.2011 (Blatt 218 der Beklagtenakte) mit, die Klägerin zuletzt im April 2010 behandelt zu haben. Dr. H. (Praxis Dr. M. etc.) gab mit Schreiben vom 24.03.2011 an (Blatt 221 der Beklagtenakte), eine Behandlung der Wirbelsäule habe nicht stattgefunden, eine Behandlung sei erfolgt wegen Schmerzen im Bereich des rechten oberen Sprunggelenks sowie einer Überlastung im Bereich der Metatarsale. Von Dr. L. liegt ein Bericht vom 18.03.2008 vor (Blatt 222 der Beklagtenakte), in dem über ein überlastungsbedingtes reaktives Knochenmarksödem im Bereich der prox. Anteile des Os metatarsale II-IV berichtet wird. Der Internist/Kardiologe Dr. H. teilte dem LRA am 03.02.2011 mit (Blatt 230 der Beklagtenakte) es bestehe eine arterielle Hypertonie und ein Diabetes mellitus. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. führte mit Schreiben vom 04.06.2011 (Blatt 237/238 der Beklagtenakte) aus, 2005 seien erstmals deutlichere depressive Züge festgestellt worden. Mit der Zeit sei die Klägerin auch affektiv herabgestimmt geworden. Insgesamt sei die Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit stark eingeschränkt. Er gehe von Schwerbehinderung aus.

In seiner versorgungsmedizinischen Stellungnahme vom 09.07.2011 (Blatt 240 der Beklagtenakte) hielt Dr. L. weiterhin die bisherigen Teil-GdB-Bewertungen sowie die Bewertung des Gesamt-GdB aufrecht. Die Einschätzung sei nach wie vor großzügig. Der Diabetes erfordere keine tägliche BZ-Messung. Von Seiten des Bewegungssystems würden keine stärkeren Funktionseinschränkungen beschrieben, nachgewiesen sei eine beginnende Arthrose des rechten Sprunggelenks.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.2011 wies der Beklagte durch das Regierungspräsidium S. – Landesversorgungsamt - (Blatt 242/243 der Beklagtenakte) den Widerspruch zurück. Die angefochtene Entscheidung sei nicht zu beanstanden.

Hiergegen hat die Klägerin am 23.08.2011 beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben.

Am 18.04.2012 (Blatt 252/253 der Beklagtenakte) hat sie erneut die höhere (Neu-)Feststellung des GdB beantragt, wegen Bandscheibenvorfall, Diabetes, psychologischer Erkrankung, Bluthochdruck, Arthrose und Schlafstörungen. Dazu liegen Berichte des Facharztes für Orthopädie und Chirotherapie Dr. D. (Praxis Dr. M. etc.) vom 07.10.2011 (Blatt 254/255, 259/260 der Beklagtenakte) und eine Auskunft von Dr. L.-P. vom 06.06.2013 (Blatt 258 der Beklagtenakte) vor.

Die Klägerin hat ihre Klage damit begründet, bei ihr liege ein Gesamt-GdB von mindestens 50 vor. Die Depression sei mit einem GdB von 40 zu bewerten, die Wirbelsäulenerkrankung mit einem GdB von mindestens 40. Der Diabetes mellitus sei mit einem GdB von zumindest 30 bis 40 zu bewerten. Darüber hinaus leide sie unter weiteren gesundheitlichen Einschränkungen. Die Klägerin hat die aktenkundigen Berichte von Dr. D. vom 07.10.2011 und von Dr. L. vom 04.06.2011 sowie dessen Bericht vom 08.12.2011 (Blatt 32, 55 der SG-Akte) vorgelegt.

Das SG hat Beweis erhoben durch schriftliche Befragung der die Klägerin behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen. Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 41, 42/51, 56/59 der SG-Akte Bezug genommen. Der Facharzt für Orthopädie und Chirotherapie Dr. D. hat in seiner Auskunft vom 19.12.2011 ein chronisches Lumbvalsyndrom, ein NPP L5/S1 rechts, eine lumbale Spinalkanalstenose L5/S1 rechts sowie eine Skoliose beschrieben. Der Bandscheibenvorfall sowie die Skoliose seien zu berücksichtigen, sodass die Gesundheitsstörungen der Wirbelsäule mit einem GdB von 20 zu bewerten seien. Die Allgemeinmedizinerin Dr. L.-P. hat dem SG am 16.12.2011 geschrieben, die Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes des Beklagten nicht zu teilen, da sich der Gesundheitszustand der Klägerin verschlechtert habe, nicht alle Diagnosen aufgeführt seien und die aufgeführten Diagnosen zu niedrig bewertet seien; eine eigene Bewertung teilte sie nicht mit. Beigefügt war der Bericht von Dr. K. vom 07.07.2011. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. L. hat mit Schreiben vom 10.01.2012 ausgeführt, es liege eine schwere chronische Depression mit intensiv beeinträchtigenden Krankheitszeichen vor. Die Depression sei mit einem GdB von 20 nicht angemessen bewertet. Die Polyneuropathie sowie die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule seien ebenfalls zu tief angesetzt. Alleine die psychiatrische Erkrankung sei mit einem GdB von mindestens 50 zu bewerten und die Polyneuropathie mit einem GdB von 40.

Der Beklagte hat unter Vorlage einer versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. B. vom 22.03.2012 (Blatt 64/65 der SG-Akte) vorgeschlagen, die GdB-Bewertung wie folgt zu fassen: - Depression, Kopfschmerzsyndrom, Schwindel, funktionelle Organbeschwerden (Teil-GdB von 20), - -Diabetes mellitus (Teil-GdB von 20), - Polyneuropathie (Teil-GdB von 10), - Bluthochdruck (Teil-GdB von 10), - degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Nervenwurzelreizerscheinungen (Teil-GdB von 20), - Gebrauchseinschränkung beider Füße (Teil-GdB von 10), Gesamt-GdB von 40.

Das SG hat des Weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachten bei Dr. S ... Wegen des Inhalts und Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf Blatt 82 bis 92 der SG-Akte Bezug genommen. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. hat in seinem Gutachten vom 19.11.2012 ein Karpaltunnelsyndrom, überwiegend links, welches lediglich eine geringfügige Einschränkung darstelle, beschrieben. Es hätten sich keine Hinweise auf eine belangvolle depressive Symptomatik finden lassen. Die Klägerin habe ausgeglichen und lebhaft gewirkt und sei in ihrer affektiven Schwingungsbreite nicht beeinträchtigt. Auch Einschränkungen des Gedächtnisses und der Konzentration seien zwar anamnestisch berichtet worden, aktuell aber allenfalls gering ausgeprägt gewesen. Des Weiteren habe es an etwaigen vegetativen Symptomen gefehlt. Es seien zwar Schlafstörungen angegeben worden, diese seien aber unter der jetzigen Medikation nicht aktuell gewesen. Weiterhin sei auch eine etwaige Angstsymptomatik nicht erfragbar gewesen. Eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit habe nicht vorgelegen. Ferner sei eine akute oder chronische Wurzelreizsymptomatik nicht feststellbar gewesen und auch eine behindernde Polyneuropathie bei berichtetem Diabetes mellitus habe nicht vorgelegen. Die Bewertung der Erkrankungen auf nervenärztlichem Gebiet (einschließlich psychogener Beschwerdeanteile wie Kopfschmerzen, Schwindel und funktioneller Organbeschwerden) mit 20 sei als großzügig bemessen angesehen.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 08.05.2013 abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 40. Die Gesundheitsstörungen der Klägerin auf psychiatrischem Fachgebiet seien mit einem (Teil-)GdB von 20 ausreichend bewertet. Es hätten sich keine Hinweise auf eine belangvolle depressive Symptomatik ergeben; eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit habe nicht vorgelegen. Auch habe Dr. S. eine behindernde Polyneuropathie nicht feststellen können. Das Karpaltunnelsyndrom, überwiegend links, zeige keinen gravierenden Befund und stelle sich daher nicht als versorgungsmedizinisch relevante Gesundheitsstörung dar. Die auf orthopädischem Fachgebiet bestehende Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sowie die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule seien entsprechend den Ausführungen des behandelnden Dr. D. mit einem (Teil-)GdB von 20 zu bewerten. Auch sei der vom Beklagten für die Gebrauchseinschränkung beider Füße angenommene (Teil-)GdB von 10 nicht zu beanstanden. Die Gesundheitsstörungen auf internistischem Fachgebiet (Diabetes mellitus sowie Bluthochdruck) seien vom Beklagten mit einem (Teil-)GdB von 20 angemessen bewertet. Der Gesamt GdB sei mit 40 ausreichend und angemessen.

Gegen den ihrem Bevollmächtigten am 13.05.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 13.06.2013 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt.

Nachdem am 10.10.2013 noch keine Begründung der Berufung vorlag, hat der Senat die Klägerin unter Fristsetzung gemäß § 106a SGG aufgefordert, bis 31.10.2013 die Berufung zu begründen und damit im Zusammenhang stehende Erklärungen und Beweismittel zu benennen.

Am 12.11.2013 hat die Klägerin ausgeführt (Blatt 27/29 = 30/33 der Senatsakte), sie leide seit Jahren an Depressionen. Das aktuellste Gutachten datiere vom 10.01.2012 und gehe alleine aufgrund der psychiatrischen Erkrankung von einem GdB von zumindest 50 aus. Aufgrund der Bestätigung der wesentlichen Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit gehe sie schon allein diesbezüglich von einem GdB aus von 50 aus. Offenbar ebenfalls unzureichend gewürdigt seien eine schwere degenerative Bandscheibenerkrankung mit Bandscheibenhöhenverlust im Bereich L5/S1, sowie ein dort lokalisierter Bandscheibenvorfall mit zusätzlicher Verengung des Wirbelkanals. Ein aktueller Befund vom 24.10.2013 beschreibe einen alten, teilweise verkalkten Bandscheibenvorfall, sowie eine frische Komponente im Bereich L5/S1. Durch die Wirbelsäulenproblematik sei es ihr nicht möglich, länger als 10 Minuten am Stück zu gehen. Auch das Sitzen in einer Position sei bereits nach mehreren Minuten schmerzhaft und könne nur durch ständige Positionsänderungen ertragen werden. Liegen sei nur in einer Position auf der Seite möglich. Aufgrund dieser Einschränkungen gehe sie von einem Teil-GdB von zumindest 40 aus. Es werde die Einholung eines psychiatrisch-psychotherapeutischen Gutachtens, sowie eines orthopädischen Gutachtens beantragt. Die Klägerin hat hierzu einen Bericht des Dr. D. vom 24.10.2013 (Blatt 33 der Senatsakte) vorgelegt.

Auf Nachfrage (Blatt 35 der Senatsakte) hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten (Blatt 36 der Senatsakte) ausführen lassen, die ärztlichen Unterlagen seien unmittelbar nach Aushändigung durch die Ärzte dem Gericht übergeben worden.

Die Klägerin beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 08.05.2013 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 20.01.2011 in der der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.08.2011 zu verurteilen, bei ihr seit dem 12.02.2009 einen GdB von mindestens 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Hinsichtlich der Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule sei der jetzt vorgelegte radiologische Befund vom 17.09.2013 nicht geeignet, eine höhere Bewertung als mit einem Teil-GdB von 20 zu begründen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Blatt 40, 43 der Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Akte des Senats sowie die beigezogenen Akten des SG und des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG den Rechtsstreit ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt hatten und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber nicht begründet.

Gegenüber dem der GdB-Feststellung zuletzt zugrundeliegenden Bescheid vom 24.03.2005 (Blatt 39/40 der Beklagtenakte) in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 24.05.2005 (Blatt 53/55 der Beklagtenakte) ist eine rechtserhebliche wesentliche Änderung i.S.d. § 48 Abs. 1 SGB X nicht eingetreten, denn der (Gesamt-)GdB ist – noch immer - nicht höher zu bewerten. Der angefochtene Bescheid vom 20.01.2011 (Blatt 206/207 der Beklagtenakte) in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10.08.2011 (Blatt 243 der Beklagtenakte) ist nicht rechtswidrig, er verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Auch der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist daher nicht zu beanstanden.

Das SG hat die rechtlichen Grundlagen zutreffend dargestellt und die medizinischen Unterlagen, Befunde, Auskünfte und Gutachten umfassend und widerspruchsfrei gewürdigt. Es ist – auch nach eigener Prüfung durch den Senat – zu einer zutreffenden und angemessenen Bewertung der Teil-GdB gelangt. Der Senat nimmt daher unter Berücksichtigung der in Folge des (Neu-)Feststellungsantrages vom 18.04.2012 (Blatt 251 ff. der Beklagtenakte) vorgelegten Unterlagen (Blatt 254 ff. der Beklagtenakte) sowie unter Berücksichtigung der im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die zutreffenden Ausführungen des SG in der angefochtenen Entscheidung vom 08.05.2013 Bezug und sieht von einer weiteren Darstellung der Gründe ab (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend sei lediglich auf Folgendes hingewiesen:

Hinsichtlich der Funktionsbeeinträchtigungen im Funktionssystem des Gehirns einschließlich des Psyche (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) konnte der Senat keine höheren Teil-GdB als 20 erkennen. Angesichts des von Dr. S. (Blatt 87 der SG-Akte = Seite 11 des Gutachtens) mitgeteilten Tagesablaufs mit der Erledigung von Hausarbeit und Einkäufen sowie Spaziergängen mit einer Freundin, viel Telefonieren und dem Halten von Kontakten lässt sich eine stärker behindernde Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit i.S. von B Nr. 3.7 VG nicht ableiten. Den Angaben von Dr. L. konnte der Senat daher nicht folgen. Denn alleine die Möglichkeit einen Herzinfarkt zu erleiden, die noch keine psychische Folgen zeitigt – solche hat Dr. L. gerade nicht mitgeteilt (vgl. Blatt 56/58 der SG-Akte) -, begründet keinen höheren Teil-GdB. Das Zusammenspiel von Herzerkrankung und Psyche ist dann vielmehr bei der Bewertung des Gesamt-GdB zu berücksichtigen.

Auch die von Dr. L. diagnostizierte Polyneuropathie konnte der Senat nicht feststellen. Aufgrund des Gutachtens von Dr. S. steht für den Senat fest, dass eine solche Erkrankung nicht vorliegt und damit auch im Rahmen der Bewertung des Teil-GdB nicht zu berücksichtigen ist.

Das Karpaltunnelsyndrom, das ohne gravierenden Befund ist und nur geringfügige Einschränkungen zeitigt (vgl. Blatt 91 RS der Senatsakte = Seite 20 des Gutachtens Dr. S.), ist weder im Funktionssystem des Gehirns einschließlich der Psyche noch im Funktionssystem der Arme mit einem Teil-GdB zu bewerten.

Das Funktionssystem des Rumpfes, wozu der Senat auch die Wirbelsäule einschließlich der Halswirbelsäule zählt (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG), ist durch eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sowie die degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule gekennzeichnet, die – wie vom SG festgestellt – mit einem Teil-GdB von 20 nach VG B Nr. 18.9 zutreffend bemessen sind. Auch der behandelnde Orthopäde Dr. D. hat diesen Teil-GdB-Wert angenommen (Blatt 41 der SG-Akte). Dem kann sich der Senat anschließen, zumal auch der Gutachter Dr. S. Nervenwurzelreizerscheinungen nicht feststellen konnte (Blatt 91 RS der Senatsakte = Seite 20 des Gutachtens). Auch der zuletzt von der Klägerin vorgelegte Befundbericht von Dr. D. vom 24.10.2013 (Blatt 33 der Senatsakte) beschreibt einen bekannten alten teilverkalkten Bandscheibenvorfall, allerdings mit frischer Komponente. Weitergehende, bisher unberücksichtigte Funktionsbeeinträchtigungen oder Schmerzen sind aber weder dem Bericht noch dem Vortrag der Klägerin zu entnehmen; die vorgetragenen Beschwerden beim Gehen, Sitzen und Liegen waren schon vor dem Auftreten der "frischen Komponente" des alten Bandscheibenvorfalles angegeben worden, weshalb der Senat sich nicht von einer Verschlechterung der Funktionsbeeinträchtigungen überzeugen kann.

Die Gebrauchseinschränkung beider Füße im Funktionssystem der Beine (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) VG) ist mit Teil-GdB von 10 zutreffend bewertet. Keiner der Ärzte konnte hier Befunde mitteilen, die auf eine höhere Bewertung dieser Funktionsbeeinträchtigung hindeuten würden.

Im Funktionssystem des Stoffwechsels und der inneren Sekretion (dazu vgl. A Nr. 2 Buchst. e) besteht mit dem Diabetes mellitus eine GdB-relevante Behinderung, die mit einem Teil-GdB von 20 ausreichend bewertet ist. Denn wie das SG zutreffend mitgeteilt hat, ergibt sich aus dem Bericht des Facharztes für Allgemeinmedizin und Diabetologie Dr. K. vom 07.07.2011 (Blatt 48/49 der SG-Akte) ein gut eingestellter Diabetes. Im Hinblick auf die nephropathischen Folgekomplikationen und die Möglichkeit, dass die Behandlung mit Byetta Hypoglykämien auslösen kann (dazu vgl. http://www.pharmazie.com/graphic/A/08/0-91008.pdf) ist ein Teil-GdB von 20 gerechtfertigt. Eine insulinpflichtige Erkrankung, wie Dr. L.-P. in ihrem Bericht vom 06.06.2013 angibt, ist nicht nachgewiesen. Die die Klägerin betreffenden Arztunterlagen sind seit 2012 wegen polizeilicher Ermittlungen nicht verfügbar, wie die Ärztin angibt. Die von Dr. K. eingeleitete Umstellung von Insulin auf das Medikament Byetta im Sommer 2011 ist im Arztbrief von Dr. L.-P. ersichtlich nicht nachvollzogen worden. Auch dem Gutachter Dr. S. hat die Klägerin lediglich die Einnahme von Diabetesmedikamenten angegeben.

Der Bluthochdruck, bisher mit einem eigenständigen Teil-GdB von 20 bewertet, ist dem Funktionssystem des Herz-/Kreislaufsystems zuzuordnen. Hier ist aber auch die von Dr. L.-P. (Bericht vom 06.06.2013 in der Beklagtenakte) berichtete KHK mit mittleren Einschränkungen zu berücksichtigen, ebenso der Zustand nach Herzinfarkt 2012 (a.a.O.). Die Klägerin hat im Verfahren aber keinerlei Angaben zu dem angeblichen Herzinfarkt gemacht. So hat sie dem Gutachter Dr. S. zwar internistische Erkrankungen geschildert, jedoch nichts von einem (zum Zeitpunkt der Untersuchung am 19.11.2012 noch frischen) Herzinfarkt. Auch im Berufungsverfahren hat die Klägerin (weder vor noch nach Ablauf der nach § 106 Abs. 2a SGG gesetzten Frist) Angaben zu einem Herzinfarkt gemacht. Aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen lässt sich insoweit auch nichts entnehmen, insbesondere keine wesentliche Einschränkung der Herzleistungsfähigkeit, weshalb der Senat hierfür keinen eigenständigen Teil-GdB auswerfen, noch den im Funktionssystem des Herz-/Kreislaufsystems bisher zutreffend auf 20 bewerteten Teil-GdB erhöhen kann.

Weitere GdB-relevante Erkrankungen und Funktionseinschränkungen, die einen Teil-GdB von wenigstens 10 bedingen, liegen nicht vor.

Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt; die vorhandenen Gutachten, Arztauskünfte und ärztlichen Unterlagen bilden eine ausreichende Grundlage für die Entscheidung des Senats. Der Senat hält deshalb weitere Ermittlungen nicht mehr für erforderlich. Das vorliegende Gutachten von Dr. S. hat in Verbindung mit den vorliegenden Auskünften der als sachverständige Zeugen befragten behandelnden Ärzte sowie den auch von der Klägerin vorgelegten Arztunterlagen dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs. 1 ZPO). Das Gutachten geht von zutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen aus, enthält keine unlösbare inhaltliche Widersprüche und gibt keinen Anlass, an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters zu zweifeln. Wenn die Klägerin auf das letzte ihr vorliegende nervenärztliche Gutachten von Anfang 2012 abstellt, meint sie den damals erstellten Bericht von Dr. L.; das spätere Gutachten von Dr. S., zu dem sie gegenüber dem SG Stellung genommen hat, unterschlägt sie in ihrem Berufungsvorbringen. Da der Senat auch nicht von der Einschätzung des behandelnden Orthopäden abweicht, musste er sich auch im Hinblick auf den neu vorgelegten Bericht von Dr. D. vom 24.10.2013 nicht gedrängt sehen, ein orthopädisches Gutachten einzuholen. Darin werden keine neuen Befunde mitgeteilt. Weitere Beweiserhebungen waren daher von Amts wegen nicht mehr notwendig. Auch sehen die Prozessordnungen – auch das SGG - einen allgemeinen Anspruch auf Überprüfung eines Sachverständigengutachtens durch ein sog. Obergutachten nicht vor (BSG 23.05.2006, B 13 RJ 272/05 B, juris).

Der Senat weicht bei seiner Bewertung der Teil-GdB für den Diabetes und die Wirbelsäulenerkrankung von derjenigen des Dr. K. vom 15.07.2013 aus den dargelegten Gründen ab (vgl. die Beklagtenakte im Nachgang zum Antrag vom 18.04.2012). Die Einschätzung des Versorgungsarztes Dr. K. ist in Bezug auf die vom Senat berücksichtigten Befunde auch nicht näher begründet, weshalb der Senat sich dessen Bewertung nicht zu eigen gemacht hat.

Soweit die rechtskundig vertretene Klägerin in ihrer nach Ablauf der gemäß § 106 Abs. 2a SGG gesetzten Frist eingegangenen Berufungsbegründung beantragt hat, ein psychiatrisch-psychotherapeutisches sowie ein orthopädisches Gutachten einzuholen, musste der Senat dem nicht nachkommen. Denn die rechtskundig vertretene Klägerin hat mit Schreiben vom 19.02.2014 (Blatt 43 = 45 der Senatsakte) vorbehaltlos ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG erklärt und damit dem Gericht gegenüber nach dem objektiven Erklärungswert ihrer Mitteilung zum Ausdruck gebracht, dass sich zuvor gestellte Beweisanträge erledigt haben (siehe BSG, Beschluss vom 01.09.1999 - B 9 V 42/99 B, BSG SozR 3-1500 § 124 Nr. 3).

Nach Überzeugung des Senats ist auch die Feststellung des Gesamt-GdB von 40 zutreffend. Denn nach § 69 Abs. 3 SGB IX ist zu beachten, dass bei Vorliegen mehrerer Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen festzustellen ist. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Einzel-GdB zu bilden, bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen die einzelnen Werte jedoch nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung des Gesamt-GdB ungeeignet. In der Regel ist von der Behinderung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und zu prüfen, ob und inwieweit das Ausmaß der Behinderung durch die anderen Behinderungen größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Ein Einzel-GdB von 10 führt in der Regel nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (vgl. A Nr. 3 VG). Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VersMedV einschließlich der VG in freier richterlicher Beweiswürdigung sowie aufgrund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten zu bilden (BSGE 62, 209, 213; BSG SozR 3870 § 3 Nr. 26 und SozR 3-3879 § 4 Nr. 5 zu den AHP). Es ist also eine Prüfung vorzunehmen, wie die einzelnen Behinderungen sich zueinander verhalten und ob die Behinderungen in ihrer Gesamtheit ein Ausmaß erreichen, das die Schwerbehinderung bedingt. Das ist bei der Klägerin nicht der Fall.

Unter Beachtung der gegenseitigen Auswirkungen ist der Senat zu der Überzeugung gelangt, dass der Gesamt-GdB von 40, gebildet aus Teil-GdB-Werten von - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems des Gehirn einschließlich Psyche, - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems des Rumpfes (Wirbelsäule), - 10 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems der Beine, - 20 für die Funktionsbeeinträchtigungen des Funktionssystems Stoffwechsel/innere Sekretion (Diabetes), - 20 für die Funktionsbeeinträchtigung des Funktionssystems des Herz-/Kreislaufsystems (Bluthochdruck) mit 40 ausreichend bemessen ist. Dabei hat der Senat insbesondere die teilweise gegenseitige Überlagerung der auf orthopädischem und nervenärztlichem (Wirbelsäulen-, Beinbeschwerden mit Schmerzen und Psyche) sowie internistischem und nervenärztlichem Fachgebiet (Herz und Psyche) bestehenden Erkrankungen berücksichtigt. Abgesehen davon ist unter Berücksichtigung der höchsten Teil GdB Werte von jeweils 20 für die psychische Erkrankung, der Wirbelsäulenerkrankung, des Diabetes und des Bluthochdrucks die Feststellung des Gesamt GdB von 50 nicht gerechtfertigt. Nach den dargestellten Grundsätzen zu Bildung des Gesamt GdB ist es bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Urteil vom 24.01.2014 - L 8 SB 211/13 -, veröffentlicht in Juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de; Urteile vom 25.03.2011 L 8 SB 4762/08 und 05.03.2010 L 8 SB 5038/08 , m.w.N., jeweils unveröffentlicht) ist es daher von seltenen Ausnahmefällen abgesehen, z.B. bei gegenseitiger, die Lebensqualität erheblich beeinträchtigender Verstärkung nicht möglich, bei Vorliegen mehrerer Behinderungen mit einem Teil GdB von 20 einen Gesamt GdB von 50 zu bilden und damit die Schwerbehinderteneigenschaft festzustellen. Eine solche Wertigkeit kommt den vom Verordnungsgeber als leichte Behinderungen eingestuften Funktionseinschränkungen in der Regel nicht zu. Umstände, wie etwa das besonders ungünstige Zusammenwirken von Behinderungen, die eine Ausnahme zulassen, liegen nicht vor.

Damit ist im Verhältnis zu dem bis dahin maßgeblichen Bescheid eine wesentliche Änderung im Sinne des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht eingetreten, sodass ein Anspruch auf höhere Neufeststellung des GdB nicht besteht. Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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