L 3 U 3544/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 567/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 U 3544/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20. Juni 2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte erstattet auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers in der Berufungsinstanz.

Tatbestand:

Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung gegen ein sozialgerichtliches Urteil, mit dem ein Arbeitsunfall des Klägers am 18.09.2010 festgestellt worden ist.

Der 1969 geborene Kläger war zum Unfallzeitpunkt hauptberuflich bei der P. AG in S. als Montagearbeiter tätig. Am 12.12.2009 eröffnete er mit einem Partner ein Ladengeschäft mit In-ternethandel für Motorradzubehör mit der Firma "I.-Parts". Dieses Gewerbe meldete er unter dem 20.05.2010 bei der Stadt Pf. an, wobei er als Beginn der Tätigkeit den 01.05.2010 angab. Eine Eintragung in das Handelsregister erfolgte nie, als Unternehmensform wurde eine BGB-Gesellschaft angegeben.

Bei der beklagten Berufsgenossenschaft meldete der Kläger sein Unternehmen zunächst nicht an, nach seinen späteren Angaben aus Unkenntnis. Nachdem die Beklagte von der Existenz des Unternehmens erfahren hatte, versandte sie den "Fragebogen Betriebsbeschreibung". Diesen sandte der Kläger zunächst nicht zurück, woraufhin die Beklagte - am 17.11.2010 - die Mahnung vom 20.10.2010 schickte. Mit Bescheid vom 20.12.2010 stellte die Beklagte sodann die Mitgliedschaft des Klägers als Einzelunternehmer bei ihr ab dem 12.12.2009 fest und setzte den geschuldeten Beitrag (EUR 47,07 für die Zeit vom 12.12. bis zum 31.12.2009) auf Grund einer Schätzung fest.

Am 10.01.2011 zeigte der Kläger der Beklagten an, er habe am Samstag, dem 18.09.2010, gegen 14.00 Uhr, einen Unfall auf dem Trainingsgelände des MSC O., eines Motocross-Clubs, erlitten. Er teilte mit: "Neukunden erhalten auf Wunsch Einführung in die Grundlagen des Crossings (Motorrad, Material, Bekleidung). Diese wird auf einem Trainingsgelände abgehalten. Beim Vorführen einer Sprungtechnik (über einen Hügel) ungünstig aufgesetzt mit dem Motorrad; dabei Bruch beider Sprunggelenke. Verspätete Meldung aufgrund jetzt erst erhaltener Information von Versicherungsschutz". Als Verletzungen gab er Frakturen des Talus (Sprungbein) auf beiden Seiten an. Als Augenzeugen benannte er Herrn W.

Der Kläger hatte sich wegen des Unfalles zunächst vom 18.09.2010 bis 19.09.2010 im Kran-kenhaus B. befunden. Dieses hatte in dem Verlegungsbrief vom 19.09.2010 eine Talusfraktur bds. diagnostiziert und anamnestisch aufgenommen, der Kläger sei beim Motocrossfahren nach einem Sprung mit beiden Füßen auf dem Boden gelandet. Später wurde der Kläger am 21.09.2010 von der berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T. zur operativen Versor¬gung der Frakturen übernommen. Dort wurde am 24.09.2010 die offene Reposition der Talus-Mehrfragmentfrakturen beidseits und eine Schraubenosteosynthese vorgenommen (Bericht vom 28.09.2010, ohne weitere Angaben zum Unfallhergang). Diese Behandlungen waren zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung durchgeführt worden, da der Kläger keine Angaben über einen Arbeitsunfall gemacht hatte. Am 18.10.2010 hatte er den Unfallfragebogen der AOK ausgefüllt. Dort hatte er angegeben, er habe den Unfall selbst verschuldet, es habe sich um einen Sportunfall beim Freizeitsport (Motocross-Trai¬ning) gehandelt. Die Rubriken im Abschnitt "Arbeitsunfall" hatte der Kläger nicht angekreuzt.

Der Heilungsverlauf wurde durch eine am 14.10.2010 aufgetretene Unterschenkelthrombose sowie einen Sturz am 15.01.2011 (knöcherner Ausriss am rechten Oberarm mit operativer Be-handlung in der Ermstalklinik Bad Urach am 19.01.2011) kompliziert. Vom 14.02.2011 bis 21.03.2011 erfolgte eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme in den Fachkliniken H. Trotz anschließender intensiver krankengymnastischer Behandlung wurde der Kläger nicht wieder arbeitsfähig. Dr. Ho. vertrat in dem Arztbrief vom 18.11.2011 die Auffassung, der Kläger werde seinen Beruf nicht mehr ausüben können. Die Gehfähigkeit sei weiter eingeschränkt. Er empfahl eine Umschulungsmaßnahme. Ein Arbeitsver¬such am 26.09.2011 sei wegen starker Schmerzen in beiden Füßen gescheitert. Inzwischen wur¬de der Kläger bei der P. AG innerbetrieblich umgesetzt und arbeitet wieder vollschich¬tig.

In dem Fragebogen vom 12.07.2011 gab der Kläger an, er habe am Unfalltag "eine geeignete Strecke zur Kundeneinführung" aufgesucht, es habe sich um eine Kundeneinführung gehandelt, auf der Crosstechniken vorgeführt worden seien, er habe auch in der Vergangenheit schon Einführungen für Kunden durchgeführt, das Treffen mit dem Zeugen W. sei abgesprochen gewesen, man sei von seinem - des Klägers - Ladengeschäft aus gefahren.

Die Beklagte befragte mehrfach schriftlich den Zeugen W. Dieser gab - zuletzt unter dem 18.06.2011 - an, er kenne den Kläger von der Firma P. seit 2 bis 3 Jahren. Er habe sich mit ihm am Unfalltag zwischen 11:30 Uhr und 12:00 Uhr im Laden getroffen. Man sei ge¬meinsam nach O. gefahren. Zum Zweck des Treffens gab er an: "Fahren lernen". Auf die Frage, ob das Treffen auch dem Kauf von Zubehör gedient habe, gab er an "Ja, Bekleidung". Auch die Frage, ob das Lernen von Sprungtechnik Sinn des Treffens gewesen sei, bejahte er. Anlässlich des Treffens sei es nicht zu einem Vertragsabschluss gekommen. Er habe später Be¬kleidung gekauft. An der Crossmaschine Suzuki, die der Kläger ihm am Unfalltag vorgeführt habe, habe er kein Interesse gehabt.

Am 12.08.2011 suchte der Mitarbeiter der Beklagten Z. unangemeldet das Ladenge¬schäft auf. Er traf dort den Kläger an, der ihm mitteilte, er führe auf Wunsch Einzeleinführungsveranstaltungen bzw. Übungen interessierten Leuten vor. Dies tue er unentgeltlich, um sie als Kunden für sein Motorradgeschäft zu gewinnen. Der Zeuge W. habe bereits öfters bei ihnen eingekauft, u. a. eine komplette Motocross-Sicherheitsausrüstung.

Mit Bescheid vom 15.12.2011 lehnte die Beklagte die "Entschädigung des Unfalles vom 18.09.2010 als Arbeitsunfall" ab. Sie führte aus, der Unfallversicherungsschutz verlange bei Kundenbindungsmaßnahmen einen engen betrieblichen Zusammenhang mit der eigentlichen beruflichen Tätigkeit. Eine Abgrenzung zwischen versicherter und unversicherter Tätigkeit sei immer dann genauestens vorzunehmen, wenn unternehmensfremde Handlungen zur Pflege der Geschäftsbeziehungen hinzuträten. Unternehmensfremde Handlungen seien Tätigkei¬ten, die in ihrer Verhaltensweise auch im privaten Leben anfallen würden. Aus dem Arbeitsleben ableitbare gesellschaftliche Erwartungshaltungen seien für das Vorliegen des Versicherungs¬schutzes nicht ausreichend. Nach Abwägen aller dafür und dagegen sprechenden Umstände hät¬ten bei dem Vorführen von Sprungtechniken keine geschäftlichen Dinge erkennbar im Vorder¬grund gestanden. Es habe sich vielmehr um eine Tätigkeit gehandelt, welche im Wesentlichen der privaten Sphäre des Klägers zuzurechnen gewesen sei. Das Moto-Cross fahren sei das Hobby des Klägers, das er am Unfalltag seinem Arbeitskollegen habe vorführen wollen, da dieser ebenfalls an der Sportart Interesse gezeigt habe. Die Tatsache, dass dieser Arbeitskollege später eventuell ein mög¬licher Kunde werde, habe nicht im Vordergrund gestanden und rechtfertige im Übrigen auch nicht eine vierstündige Benutzung des Trainingsgeländes. Diese möglichen geschäftlichen Beziehungen seien nur der äußere Anlass für eine private, mit dem Unternehmen nicht eng zusammenhängende Tätigkeiten gewesen.

Der Kläger legte hiergegen mit der Begründung Widerspruch ein, der Unfall habe sich während der Arbeitszeit mit dem Firmenfahrzeug ereignet.

Die Beklagte erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 16.02.2012. Ein Zusammenhang des Unfalls mit der versicherten Tä¬tigkeit könne nicht sicher hergestellt werden.

Hiergegen hat der Kläger am 27.02.2012 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Er hat ausgeführt, ihm sei zum Unfallzeitpunkt nicht bekannt gewesen, dass er als Unternehmer gesetzlich unfallversichert und anmeldepflichtig gewesen sei. Deshalb habe er den Arbeitsun¬fall verspätet gemeldet. Seine Firma habe zwar zum Unfallzeitpunkt noch keine Motocross-Räder, sondern lediglich die dazugehörige Kleidung und Zubehör vertrieben; seit dem 01.02.2011 vertreibe er jedoch zusammen mit seinem Partner auch Motocross-Räder. Hierzu wurde ein Vertriebshändlervertrag vom 01.02.2011 vorgelegt. Am Unfalltag habe es sich nicht um das ansonsten vom Kläger durchgeführte Training auf dem Trainingsgelände, das zur Vorbereitung von Rennen durchgeführt werde, gehandelt, sondern um eine Motocross-Vorführung für einen potentiellen Kunden, den Zeugen W.

Nachdem die Beklagte der Klage entgegengetreten war, hat das SG zunächst den - vom Kläger benannten - Zeugen H. formlos schriftlich angehört. Dieser hat am 04.02.2013 mitgeteilt, er kenne den Kläger von einem Enduro-Rennen des Teams OCB in St. J. und habe bei ihm bereits Kleidung, Reifen, Schmierstoffe, Ersatzteile vermutlich seit 2009 erworben. Ihm sei bekannt, dass der Kläger zur Kundenwerbung Einfüh¬rung in die Grundlagen des Motocrossings für seine Kunden angeboten habe. Sodann hat das SG den Kläger persönlich angehört und die Zeugen W. und H. sowie die vom Kläger weiterhin benannte Zeugin B. zu den näheren Umständen der vom Kläger angebotenen Einführungen in das Motocrossfahren in O. vernommen. Wegen des Ergebnisses der Anhörung und der Zeugenvernehmungen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem SG vom 20.06.2013 verwiesen.

Mit Urteil vom selben Tage hat das SG unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide der Beklagten festgestellt, dass der Kläger am 18.09.2010 einen Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) erlitten habe. Es hat ausgeführt, aufgrund der Beweisaufnah¬me stehe fest, dass der Kläger am 18.09.2010 bei einer im inneren Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Inhaber eines Verkaufsgeschäftes für Motorradzubehör stehenden Verrichtung verunglückt sei. Der Kläger sei als Händler für Motorradzubehör und Mitinhaber der Firma I.-Parts GbR nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII in Verbindung mit der Satzung der Beklagten in der gesetzlichen Unfallversicherung pflichtversichert. Da es sich hier um eine Pflichtversicherung handle, habe der Versiche¬rungsschutz ab Beginn der unternehmerischen Tätigkeit des Klägers bestanden. Hiernach sei der Kläger bei allen Verrichtungen, die seinem Unternehmen, dem Handel mit Motorradzubehör, gedient hätten, versichert gewesen. Bei seinem Aufenthalt zusammen mit dem Zeugen W. am 18.09.2010 auf dem Trai¬ningsgelände des MSC O. habe es sich nach Überzeugung des Gerichts insgesamt um Tätigkeiten gehandelt, die in wesentlichem inneren Zusammenhang mit dem Unternehmen des Klägers gestanden hätten. Die Einführung in die Grundtechniken des Moto-Cross-Fahrens durch ein ca. vier Stunden dauerndes "Schnuppertraining" habe wesentlich den geschäftlichen Interessen des Klägers, der Kundengewinnung und Kundenbindung, gedient. Der Zeuge W. sei bereits Motorrad gefahren und habe die konkrete Absicht gehabt, in den Moto-Cross-Sport einzusteigen. Der Kläger und er hätten sich in dem Ladengeschäft des Klägers getroffen und seien mit dem Firmenfahrzeug zum Trainingsgelände in O. gefahren, was bereits auf einen betrieb¬lichen Zusammenhang hindeute. Der Kläger habe nach der Aussage des W. Protekto¬ren mitgebracht, mit denen dieser kurz gefahren sei. W habe später Ausrüstungsgegenstände (Hose, Oberteil, Brustpanzer) und möglicherweise weiteres Zubehör bei I.-Parts erworben. Die entsprechenden Rechnungen seien der Beklagten anlässlich des persönlichen Besuchs am 12.08.2011 vorgelegt worden. Entgegen der Ansicht der Beklagten, so das SG weiter, sei hier der innere Zu¬sammenhang des "Schnuppertrainings" zu der Verkaufstätigkeit des Klägers gegeben. Es habe sich aus Sicht des Klägers um eine sinnvolle Maßnahme zur Kundengewinnung gehandelt. Private Interessen hätten dagegen nicht im Vordergrund gestanden. Der Kläger habe insoweit glaubhaft ausgeführt, er könne, wenn er für sich trainieren wolle, das Gelände seines Vereins in Reutlingen benützen. Seit er den Laden eröffnet habe, habe er wesentlich weniger trainiert und sich mehr den geschäft-lichen Interessen zugewandt. Soweit er bei Rennen gestartet sei, sei er unter dem Firmennamen aufgetreten. Bei solchen Rennen hätten er und sein Partner auch regelmäßig ihr Verkaufsmobil aufgestellt und Werbung betrieben. Wegen der weiteren Ausführungen des SG wird auf das genannte Urteil Bezug genommen.

Gegen dieses Urteil, ihr zugestellt am 26.07.2013, hat die Beklagte am 16.08.2013 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Sie hat vorgetragen: Der Kläger habe selbst betont, ihm liege viel daran, Personen unabhängig von ihrem Alter für den Motocross-Sport zu begeistern. Es sei nicht ersichtlich, dass dieses Bestreben durch die Eröffnung des Ladengeschäfts beseitigt (durch das Ziel der Gewinnerzielung verdrängt) worden sei. Die Abwicklung von Verkäufen sei - nur - ein Nebeneffekt der vermittelten Begeisterung (am Motocross-Fahren) gewesen. Es gehe aber über den Zweck des Unfallversicherungsschutzes hinaus, jede Motocross-Fahrt des Klägers, bei der ein Dritter anwesend sei, nur wegen der Existenz des Ladengeschäfts als versichert anzusehen. Allein die Hoffnung, auf Grund einer Gefälligkeit Kunden zu gewinnen, reiche nicht aus (Verweis auf Bayerisches LSG, Urt. v. 16.05.2006, L 18 U 351/04). (Auch) in Bezug auf W. habe sich eine konkrete Verkaufserwartung am Unfalltag nicht entwickeln können, da dieser erst noch für den Motocross-Sport habe gewonnen werden müssen. Auch der zeitliche Umfang der Vorführung von vier Stunden habe erhebliches Potenzial (für einen Trainingseffekt) aufgewiesen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 20. Juni 2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil. Er trägt ergänzend vor, in seiner Branche sei es Usus, potenzielle Käufer zum Training zu einem Gelände für Amateure mitzunehmen, um die Materialien vorzuführen, auch andere Geschäfte verführen so; hierzu tritt der Kläger weiteren Zeugenbeweis an.

Der Berichterstatter des Senats hat das Handelsregister eingesehen, die Homepage des klägerischen Unternehmens sowie die Internet-Auftritte des 1. RMC Reutlingen und des MSC Obernheim aufgesucht und formlos telefonische Auskünfte bei dem Abteilungsleiter Motorsport des 1. RMC Reutlingen, G., sowie bei dem 2. Vorsitzenden des MSC Obernheim, E. M., eingeholt. Die Feststellungen ergeben sich aus dem Aktenvermerk vom 05.03.2014.

Der Senat hat den Kläger ergänzend angehört. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 12.03.2014 verwiesen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Berufung der Beklagten gegen das stattgebende Urteil des SG ist nach § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft - eine Zulassungspflicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG bestand nicht - und auch sonst zulässig (§ 151 Abs. 1 SGG).

2. Die Berufung ist aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG der Anfechtungs- und Feststellungsklage des Klägers stattgegeben und unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide der Beklagten gerichtlich festgestellt, dass ein Arbeitsunfall vorliegt.

Diese Klage war nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 i.V.m. § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 1 SGG statthaft und zulässig, insbesondere besteht für die Feststellung eines Arbeitsunfalls ein Feststellungsinteresse (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Kel¬ler/Lei¬the¬rer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 55 Rn. 13b), auch kann ein Versicherter wahlweise gerichtliche Feststellung oder Verurteilung zu behördlicher Feststellung verlangen (Keller, a.a.O., Rn. 13c).

Die Klage war auch begründet. Bei dem Unfall am 18.09.2010 handelte es sich um einen Arbeitsunfall im Sinne von § 8 Abs. 1 SGB VII im Zuständigkeitsbereich der Beklagten.

a) Dass der Kläger zur Zeit des Unfalls generell als selbstständiger Unternehmer bei der Beklagten versichert war, ist unstreitig. Das SG hat auf die gesetzlichen und satzungsrechtlichen Vorschriften der Beklagten hingewiesen, aus denen sich dies ergibt.

b) Der Unfall hat sich auch während einer versicherten Tätigkeit ereignet und das Übungsgelände in Oberndorf, auf dem er stattfand, war in dieser Zeit der versicherte Arbeitsplatz des Klägers. Daher muss die Beklagte diesen Unfall entschädigen.

aa) Das SG hat in dem angegriffenen Urteil die rechtlichen Anforderungen an die Feststellung des Versicherungsschutzes gerade bei versicherten Unternehmern zutreffend dargestellt (§ 153 Abs. 2 SGG).

Auch bei solchen Versicherten ist zwischen betrieblichen, also dem Unternehmen zuzurechnenden, und der privaten Sphäre angehörenden Tätigkeiten zu unterscheiden. Die Abgrenzung ist oft schwieriger, weil es dem Unternehmer freisteht, in welcher Art und Weise er sein Unternehmen betreibt (LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12.04.2011, L 3 U 238/09, Juris Rn. 26). Zu fordern ist auch hier ein innerer bzw. sachlicher Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende (unfallbringende) Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist dabei wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenze liegt, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis erforderlich. Maßgeblich ist die Handlungstendenz des Versicherten, so wie sie insbesondere durch die objektiven Umstände des Einzelfalles bestätigt wird. Für die Verrichtungen eines Unternehmers ist darüber hinaus entscheidend, ob sich die jeweilige Tätigkeit im Rahmen des Unternehmens hält (zum Vorstehenden vgl. Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 04.06.2002, B 2 U 24/01 R, Juris Rn. 13 m.w.N.). Kundenwerbung ge¬hört grundsätzlich zu den Tätigkeiten, die dem Versicherungsschutz unterfallen (BSG, a.a.O., Rn. 15). Dabei können in der Anfangsphase einer Akquisition durchaus ungewöhnliche Umstände gegeben sein (LSG Schles¬wig-Holstein, Urt. v. 22.01.2010, L 1 U 8/08, Juris Rn. 34 m.w.N.). So ist ein Unternehmer jedenfalls dann versichert, wenn er unmittelbare Werbung für sein Unternehmen betreibt und z. B. Kunden besucht, um die Ge-schäftsverbindungen aufrecht zu erhalten oder um neue Verbindungen anzuknüpfen. Dagegen reicht es nicht aus, wenn eine Tätigkeit, z. B. die Teilnahme an einer öffentlichen oder privaten Veranstaltung, lediglich allgemein als Werbung, Kundendienst oder zur Pflege des Ansehens des Unternehmens vorgenommen wird oder als reine Freundschafts- und Gefälligkeitshandlung an-zusehen ist (LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., Rn. 26). Lediglich die bloße Hoffnung, bei einer solchen Gelegenheit werde sich die Möglichkeit ergeben, Geschäftsbeziehungen zu pflegen oder anzuknüpfen, stellt ebenso wenig einen engen Zusammenhang mit dem Unternehmen her, wie der Umstand, dass man sich sehen lässt, um nicht vergessen oder bekannter zu werden. Ein privates Zusammensein unter Geschäftsfreunden oder auch mit Anderen, das wesentlich der Unterhaltung, Zerstreuung oder Erbauung dient, ist grundsätzlich der priva¬ten und nicht der geschäftlichen Sphäre der Teilnehmer zuzuordnen (Bundessozialgericht [BSG], Urt. v. 30.07.1981, 8/8a RU 58/80, Juris Rn. 20 f.). Die schwierige Abgrenzung zwischen der unternehmerischen und der privaten Sphäre ist auf¬grund einer Gesamtbetrachtung wertend vorzunehmen. Die Rechtsprechung hat bislang einen ausreichenden inneren Zusammenhang angenommen bei Sponsorengesprächen mit einem Veranstalter anlässlich eines Fußballspieles, nicht jedoch die Anwesenheit bei dem Fußballspiel selbst (LSG Berlin-Brandenburg a.a.O., Rn. 27), Vertragsanbahnungsgespräche um Mitternacht in einem Spielkasino (LSG Schleswig-Holstein, a.a.O., Rn. 29 ff.), geschäftliche Gespräche mit der Teilnehmerin eines Kegelabends, nicht jedoch das an¬schließende gemeinsame Kegeln, wenn dieses keinen inhaltlichen Bezug zu dem angebahnten Geschäft hat (LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 12.02.1997, L 17 U 55/96, Juris Rn. 18). Als nicht versichert wurden u. a. angesehen die Anwesenheit des Unternehmers bei der Eröffnung eines Feuerwehrgerätehauses nach vo¬rangegangener Sachspende, wenn es hierbei nur um das "Gesehen-werden" ging (Sächsisches LSG, Urt. v. 08.11.2007, L 2 U 73/07, Juris Rn. 26) oder die Teilnahme an der Beerdigung des Schwiegervaters, der gleichzeitig Kunde des Betriebes des Versicherten war, weil die Teilnahme an Beerdigungen grundsätzlich dem unversicherten privaten Lebensbereich zuzuordnen ist (Bayrisches LSG, Urt. v. 16.05.2006, L 18 U 351/04, Rn. 17 m.w.N.).

Aus diesen Grundsätzen folgt, dass für die Abgrenzung versicherter Tätigkeiten zur Kundenwerbung gegenüber privaten Gefällig¬keitsdiensten des Unternehmers regelmäßig darauf abzustellen ist, ob eine unmittelbare Verbindung zu bestimmten (kurz zuvor getätigten oder bald bevorstehenden) Geschäftsabschlüssen besteht. Ein Anhaltspunkt hierfür ist es insbesondere, dass die fragliche Tätigkeit gegenüber bestimmten anderen Personen, die konkret als Kunden in Betracht kommen, entfaltet wird (so z. B. die Situation in dem Urteil des LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.) und dass diese Tätigkeit auch einen inneren Bezug zu dem anzubahnenden Geschäft hat (was z. B. das LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O., bei dem Kegeln nach Ende des geschäftlichen Gesprächs verneint hat). Unter solchen Umständen - geschäftsbezogene Tätigkeit gegenüber konkret zu bestimmenden potenziellen Kunden - kann nicht mehr von einer bloßen Hoffnung des Unternehmers gesprochen werden, es werde sich vielleicht ein Geschäftskontakt "mit dem einen oder anderen" der anderen Teilnehmer ergeben. Vielmehr ist dann schon ein ausreichend konkreter Bezug zu einem bestimmten geschäftlichen Kontakt gegeben, unabhängig davon, ob das Geschäft trotz des Unfalls noch zu Stande gekommen ist oder auch nur ohne den Unfall voraussichtlich zu Stande gekommen wäre.

bb) Ebenso wie das SG bejaht der Senat hier einen solchen Zusammenhang. In Bezug auf den Zeugen W. konnte der Kläger die konkrete Erwartung und nicht bloß die Hoff¬nung haben, dass sich dieser in Zusammenhang mit der von ihm angebotenen Moto-Cross-Vorführung entschließen würde, entsprechendes Zubehör bei dem Kläger zu erwerben. Dieser Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit des Klägers bestand auch konkret bei der Fahrt mit den Motocross-Maschinen und bei dem Sprung damit, den der Kläger durchführte und der dann zu dem Unfall führte. Auch hierbei handelte es sich noch um eine versicherte Tätigkeit.

Die Vorführung fand allein mit einer bestimmten Person statt, die als Kunde in Frage kam. Es ging dem Kläger hier - anders als z. B. mit seinen Werbeauftritten bei Rennveranstaltungen - nicht darum, allgemein "gesehen zu werden". Der Kläger und der Zeuge W. hatten die Vorführung verabredet. Sie hatten sich vor dem Ladenlokal in Pfullingen getroffen und den Firmenwagen des klägerischen Unternehmens benutzt. Der Zeuge hatte als bisheriger Straßenfahrer echtes Interesse, bei einem Umstieg auf Motocross Zubehör bei dem Kläger zu kaufen. Der Kläger führte die Vorführung auch allein für den Zeugen W. durch. Andere Teilnehmer waren nicht anwesend. Diese Feststellungen folgen aus den übereinstimmenden Angaben des Klägers und des Zeugen W. in erster Instanz. Dass insbesondere der Zeuge hier die gesamten Angaben erlogen hätte, kann der Senat nicht annehmen. Er hatte diese Angaben schon schriftlich gegenüber der Beklagten gemacht und dann bei seiner Vernehmung vor dem SG mit konkreten Einzelangaben wiederholt. Gegen diesen Hergang spricht allenfalls, dass der Kläger auf dem Unfallfragebogen seiner Krankenkasse vom 18.10.2010 die Frage nach einem Augenzeugen des Unfalls offen ließ. Dies mag darauf beruhen, dass die Bedeutung dieses Punktes zu diesem Zeitpunkt noch unklar war, nachdem der Kläger selbst nicht wusste, dass er möglicherweise gesetzlich unfallversichert war. Dass der Unfall in O. stattgefunden hat, wird schon dadurch bestätigt, dass der Kläger zunächst in das nahe gelegene Krankenhaus B. eingeliefert und erst später - auf seinen Wunsch nach heimatnaher Versorgung hin - in die Nähe seines Wohnorts verlegt wurde. Auch die Tatsache, dass die Vorführung weitab von dem Geschäftslokal stattfand, spricht für den beruflichen Zusammenhang. Der Kläger hat hierzu angegeben, dass er auf das Gelände seines eigenen Vereins, des 1. RMC R., keine Kunden, die nicht Vereinsmitglieder seien, mitbringen könne, dass dies aber für eine Gebühr von EUR 15,00 beim MSC O. möglich sei. Diese Angaben haben der Abteilungsleiter Motorsport des 1. RMC und der 2. Vorsitzende des MSC O. auf die telefonischen Anfragen des Berichterstatters am 05.03.2014 bestätigt, auch die Höhe der Gebühr. Ferner spricht die Unfallzeit am Samstag, 18.09.2010, um 14.00 Uhr, für die Version des Klägers: Ganzjährige Trainingszeiten sind in O. - nur - samstags von 12.00 bis 16.30 Uhr.

Das Vorführen des Motocross am Unfalltag hatte auch einen konkreten Geschäftsbezug, weil die fraglichen Zubehörteile, die der Kläger damals verkaufte, üblicherweise im Einsatz gezeigt wurden. Dies hat nicht nur der Zeuge W. bestätigt. Auch der Zeuge H. und die Zeugin B. haben jeweils unabhängig voneinander von Zubehörteilen, nämlich Halskrausen (bzw. "Neck-brace"), berichtet, die man nicht im Geschäft testen, sondern während der Fahrt ausprobieren müsse. Außerdem bestätigen diese Aussagen, dass die Möglichkeit, Ausrüstungsgegenstände auf dem Trainingsgelände auszuprobieren für die Kaufentscheidung der Kunden durchaus wesentlich ist. Der Kläger selbst hat bei seiner Anhörung vor dem Senat nochmals darauf hingewiesen, dass er zusammen mit dem Zeugen W. gefahren sei, dass dieser Kleidung und andere Ausrüstungsgegenstände aus dem Geschäft des Klägers - also spätere potenzielle Kaufobjekte - getragen habe und dass er - der Kläger - den Sprung auf ausdrücklichen Wunsch des Zeugen durchgeführt habe. Auch hat der Kläger nachvollziehbar dargelegt, dass der Reiz des Motocross-Sports im Springen und nicht im bloßen Fahren liegt, zumal der Zeuge W. bereits ein geübter Motorradfahrer war.

Vor diesem Hintergrund stand bei der gesamten gemeinsamen Fahrt in O., aber auch noch bei dem Sprung, der Geschäftsbezug im Vordergrund und nicht etwa das sportliche Vergnügen des Klägers. Hierin unterscheidet sich die Situation z. B. von jener, die dem Urteil des BSG vom 30.07.1981 (a.a.O.) zu Grunde lag. Für das Überwiegen des betrieblichen Zwecks spricht u. a. die Angabe des Klägers, zum privaten Fahren hätte er auch das weitaus näher an seinem Wohnort gelegene Gelände des 1. RMC R. nutzen können. Dass dort Vereinsmitglieder während der Trainingszeiten trainieren können, hat der Abteilungsleiter Motorsport dieses Vereins bestätigt. Und die Trainingszeiten sind ausweislich der Homepage des Vereins ebenfalls - u. a. - samstags (14.00 bis 17.00 Uhr).

Für das Vorliegen einer geschäftlichen Tätigkeit am Unfalltag spricht nach Überzeugung des Gerichts auch die Aussage des Zeugen H. Dieser hat ausgeführt, er sei mit dem Kläger an dessen Verkaufsstand bei einer Rennveranstaltung ins Gespräch gekommen. Er habe sich für Beklei¬dung und Protektoren interessiert. Der Kläger habe ihm dann angeboten, ihn auf das Trainings¬gelände mitzunehmen. Aus diesen Angaben ergibt sich, dass es ein übliches Geschäftsgebahren des Klägers war, potenzielle Kunden - zunächst - zu einem "Schnuppertraining" mitzunehmen.

Die Tatsache, dass der Kläger in dem ersten Fragebogen, den er für die AOK ausgefüllt hat, an-gegeben hat, es habe sich um einen Freizeitunfall gehandelt, schließt den Versicherungsschutz nicht aus. Dies beruhte nachvollziehbar darauf, dass der Kläger zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, dass er kraft Gesetzes bei der Beklagten unfallversichert war. Diese Angaben des Klägers sind nicht widerlegt. In der Mahnung vom 20.10.2010, die aber erst am 17.11.2010 abgeschickt wurde, hatte die Beklagte ausgeführt, sie habe den Fragebogen Betriebsbeschreibung "vor einigen Wochen" verschickt. Es ist daher davon auszugehen, dass der Kläger erst nach dem 18.09.2010 erstmals von seinem Unfallversicherungsschutz erfahren hat.

cc) Da nach diesen Feststellungen der Aufenthalt des Klägers und die Vorführung auf dem Trainingsgelände in Obernheim insgesamt dem Unternehmensbereich des Klägers zuzuordnen waren, kommt es nicht mehr auf die Rechtsprechung zum Vorliegen von Unfallversicherungsschutz bei einer "gemischten Motivati¬onslage" an. Hierzu sei erneut, um Wiederholungen zu vermeiden, auf die zutreffenden Ausführungen des SG verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

3. Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 193 SGG.

4. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht vorgetragen oder ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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