L 11 R 3589/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 3144/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 3589/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19.06.2013 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin ihre außergerichtlichen Kosten auch im Berufungsverfahren zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin macht einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente geltend.

Die 1959 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt. Sie war jahrelang in der Bäckerei ihres verstorbenen Ehemannes und zuletzt bis Frühjahr 2008 als Küchenhilfe versicherungspflichtig beschäftigt. Anschließend bezog sie Krankengeld bis 04.09.2009 und Arbeitslosengeld vom 05.09.2009 bis 28.02.2010. Danach machte sie sich als Kosmetikerin selbstständig und bezog ab 04.04.2011 bis 27.09.2011 wiederum Arbeitslosengeld und ab 28.09.2011 Krankengeld. Ein Grad der Behinderung (GdB) der Klägerin war ab 2010 mit 50 vH anerkannt, seit 29.11.2013 besteht ein GdB von 70 (Bescheid vom 08.01.2014).

Am 07.07.2011 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog den Entlassungsbericht der von der Klägerin vom 27.04 bis 08.06.2009 in der Klinik G. durchgeführten Rehabilitationsmaßnahme bei, in welchem ein mehr als sechsstündiges Leistungsvermögen bei mittel- bis schwergradiger depressiver Episode mit deutlichen Beeinträchtigungen in der Flexibilität, Umstellungsfähigkeit und im Durchhaltevermögen festgestellt wurde. Ergänzend ließ sie die Klägerin nervenärztlich begutachten. Mit Gutachten vom 23.11.2011 stellte Dr K. bei der Klägerin eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig leichtgradig, ein Restless-legs-Syndrom und Alkoholmissbrauch mit Verdacht auf Polyneuropathie fest. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts könne die Klägerin noch sechs Stunden und mehr arbeitstäglich verrichten. Mit Bescheid vom 02.12.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab.

Mit Widerspruch vom 27.12.2011 verwies die Klägerin auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) von Dr F. vom 17.10.2011, in dem von weiterer Arbeitsunfähigkeit ausgegangen wurde. Vom 08. bis 14.03.2012 wurde die Klägerin stationär in der Klinik S. behandelt; wegen Schmerzen in der Lendenwirbelsäule wurde ein Periduralkatheter gelegt. Vom 22. bis 31.03.2012 befand sich die Klägerin sodann zur Schmerzbehandlung in der V.-Klinik B. R ... In der Zeit vom 10. bis 31.05.2012 nahm die Klägerin an einer Rehabilitationsmaßnahme in den St R.-Kliniken S. teil. Im Entlassungsbericht vom 11.06.2012 wurden folgende Diagnosen genannt: Lumboischialgien links mit degenerativen Wirbelsäulenveränderungen und Synovialzyste, Cervicobrachialgie rechtsbetont, chronisches Schmerzsyndrom mit psycho-physischer Erschöpfung, somatoforme Schmerzstörung, leichte Depression und Diabetes mellitus. Als Kosmetikerin sei die Klägerin wegen Zwangshaltungen nur unter sechsstündig leistungsfähig, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könne sie mit gewissen Einschränkungen vollschichtig arbeiten. Mit Widerspruchsbescheid vom 30.08.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin sei nicht erwerbsgemindert.

Hiergegen richtet sich die am 27.09.2012 zum Sozialgericht Mannheim (SG) erhobene Klage. Die Klägerin macht geltend, dass wesentliche Therapien und ergebnislose Schmerzbehandlungen offensichtlich nicht berücksichtigt worden seien. Die tatsächliche Ursache ihrer Erkrankung habe man bis heute nicht schlüssig diagnostizieren können. Mit den verordneten Medikamenten wie Lyrica und Valoron könne sie nicht mehr sechs Stunden arbeiten.

Das SG hat ein psychiatrisches Sachverständigengutachten bei Dr B. eingeholt (Gutachten vom 24.01.2013). Dr B. hat bei der Klägerin eine chronifizierte depressive Störung und eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren festgestellt. Es bestehe eine mittelgradige Einschränkung in der Einhaltung von Regeln und Routinen, von Flexibilität und Durchhaltevermögen. Darüber hinaus sei die Klägerin zeitweise deutlich sediert durch die Schmerzmedikation. Leichte Tätigkeiten seien drei bis unter sechsstündig zumutbar. Dieses Leistungsvermögen bestehe seit März 2012. Die Beklagte hat unter Einschaltung ihres ärztlichen Dienstes (Dr D.) ausgeführt, das Gutachten sei nicht nachvollziehbar. Wenn das psychische Funktionsvermögen nur leicht und Tagesstrukturierung, Selbstversorgung und soziales Funktionsvermögen nicht beeinträchtigt sei, könne eine quantitative Leistungsminderung nicht abgeleitet werden. Zudem habe die Klägerin Verdeutlichungstendenzen gezeigt und eine ausreichende therapeutische Behandlung der Schmerzsymptomatik erfolge nicht. Dr B. hat hierzu mit ergänzender Stellungnahme vom 19.04.2013 erwidert, die Klägerin nehme hochdosiert ein Antidepressivum und drei verschiedene Schmerzmedikamente. Eine psychotherapeutische Behandlung führe die Klägerin nicht durch, was bei dem somatischen Krankheitsmodell der Klägerin der klinischen Erfahrung entspreche. Die Tendenz der Aggravation sei Diagnosekriterium im Rahmen des ICD-10 bei einer somatoformen Störung. Zur Einschätzung der Leistungsfähigkeit habe die Gutachterin den Mini-ICD und die IREPRO zugrunde gelegt. Die ärztliche Beraterin habe aus der umfassenden Einschätzung lediglich einen Teil herausgenommen, den sie aus dem Zusammenhang gerissen zur Darstellung bringe.

Mit Urteil vom 19.06.2013 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 02.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.08.2012 verurteilt, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit aufgrund eines Leistungsfalls vom 01.03.2012 für die Zeit vom 01.10.2012 bis 30.09.2015 zu gewähren und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Klägerin sei mit einem Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden teilweise erwerbsgemindert; da sie keinen leidensgerechten Teilzeitarbeitsplatz innehabe, stehe ihr eine volle Erwerbsminderungsrente als sog Arbeitsmarktrente zu. Das SG stützt sich insoweit im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr B ... Die Klägerin leide an Lumboischialgien, Cervicobrachialgie, chronifizierter depressiver Störung, chronischer Schmerzstörung und Diabetes mellitus. Es bestehe eine mittelschwere Störung ua bei Flexibilität und Durchhaltevermögen, die Bewältigungskompetenzen der Klägerin seien sehr niedrig, die Ressourcen für eine Veränderung reduziert. Es leuchte unmittelbar ein, dass sich eine Einschränkung des Durchhaltevermögens auf das quantitative Leistungsvermögen auswirke. Der Verweis der Beklagten auf die Aggravationstendenzen greife zu kurz. Diese seien von der Gutachterin berücksichtigt worden und in die Beurteilung eingeflossen. Die Beklagte habe nicht im Ansatz den Versuch unternommen, die von ihr angenommene vollschichtige Leistungsfähigkeit transparent zu begründen. Der Versicherungsfall sei mit der Dekompensation der Schmerzerkrankung am 01.03.2012 eingetreten.

Gegen das ihr am 02.08.2013 zugestellte Urteil richtet sich die am 20.08.2013 eingelegte Berufung der Beklagten. Sie ist weiter der Auffassung, dass mit dem Gutachten von Dr B. eine quantitative Leistungsminderung nicht zu begründen sei. Die Klägerin kümmere sich trotz ihrer gesundheitlichen Einschränkungen noch um ihren Haushalt, in welchem sie mit Sohn und einem Hund lebe; auch die soziale Eingliederung sei ausreichend vorhanden. Im Hinblick auf eine suffiziente medikamentöse Behandlung und fehlende therapeutische Behandlung der Schmerzerkrankung scheine der Leidensdruck nicht unbedingt dem von der Klägerin vermittelten Anschein zu entsprechen. Die Sachverständige habe angesichts der Aggravationstendenzen nicht alle Angaben der Klägerin kritisch hinterfragt. So habe die Klägerin angegeben, keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen zu können und nirgendwo hinzugehen, wo viele Menschen seien. Auf der anderen Seite habe sie verschiedene Kontakte und Freundinnen und gehe in ein öffentliches Schwimmbad, was im Widerspruch zu den vorigen Angaben stehe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 19.06.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG für zutreffend. Zudem habe sie nach der mündlichen Verhandlung beim SG einen Herzinfarkt erlitten. Hierzu hat die Klägerin den Arztbrief der Klinik S. vom 28.06.2013 vorgelegt über einen stationären Aufenthalt der Klägerin vom 21. bis 29.06.2013. Danach ist bei Vorderwandinfarkt ein Stent eingesetzt worden.

Mit Beschluss vom 05.09.2013 hat der Senatsvorsitzende den Antrag der Beklagten auf Aussetzung der Vollstreckung aus dem angefochtenen Urteil wegen fehlender Erfolgsaussichten der Berufung abgelehnt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.

Der Senat entscheidet über die Berufung gemäß § 153 Abs 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung und ohne Beteiligung ehrenamtlicher Richter, da er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind zu der beabsichtigten Verfahrensweise mit Schreiben vom 14.01.2014 angehört worden, Einwendungen haben sie nicht erhoben.

Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist statthaft und zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 02.12.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.08.2012 ist rechtswidrig (geworden) und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat aufgrund eines im März 2012 eingetretenen Leistungsfalles Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 01.10.2013 bis 30.09.2015. Das angefochtene Urteil des SG ist daher nicht zu beanstanden.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art 1 Nr 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl I, 554). Versicherte haben nach § 43 Abs 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll bzw teilweise erwerbsgemindert sind (Nr 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs 1 und Abs 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs 3 SGB VI).

Nach dem Ergebnis der vom SG durchgeführten Ermittlungen steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin nur noch drei bis weniger als sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche einer leichten körperlichen Arbeit nachgehen kann. Damit ist die Klägerin teilweise erwerbsgemindert iSv § 43 Abs 1 Satz 2 SGB VI. Da sie keinen zumutbaren Arbeitsplatz innehält, hat sie Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, denn es wird von einer Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarkts ausgegangen (vgl Landessozialgericht (LSG) Berlin-Brandenburg 10.06.2010, L 21 R 1203/07, juris mwN).

Nachgewiesen ist diese Leistungseinschränkung durch das vom SG eingeholte Gutachten von Dr B ... Die Einschränkung der Erwerbsfähigkeit beruht maßgeblich auf einer chronifizierten Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Daneben bestehen Lumboischialgien, Cervicobrachialgie, eine leichtgradige chronifizierte depressive Störung, Zn Vorderwandinfarkt, koronare 1-Gefäßerkrankung, Hypertonie und Diabetes mellitus. Ganz im Vordergrund steht die Schmerzerkrankung. Das SG hat sich ausführlich mit dem Gutachten von Dr B. auseinandergesetzt unter Berücksichtigung der von der Beklagten eingewandten Kritikpunkte (Seite 8 bis 13 des angefochtenen Urteils). Der Senat teilt nach eigener Beurteilung die Würdigung des SG, verweist daher zur Vermeidung von Wiederholungen auf die ausführliche Argumentation des SG und weist die Berufung insoweit aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils als unbegründet zurück (§ 153 Abs 2 SGG).

Im Hinblick auf die Ausführungen der Beklagten im Berufungsverfahren ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die erhaltene Alltagskompetenz mit der Möglichkeit, sich selbst und den eigenen Haushalt zu versorgen, im vorliegenden Fall nicht gegen ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen spricht. Die von der Gutachterin Dr B. festgestellte mittelschwere Einschränkung des Durchhaltevermögens äußert sich durchaus auch im alltäglichen Ablauf, wie sich aus den Angaben der Klägerin zu ihrem Tagesablauf entnehmen lässt. Bei der Gutachterin hatte die Klägerin im ersten Teil der Untersuchung langsam und müde gewirkt, wobei dies auf die sedierende Wirkung der Schmerzmedikation zurückgeführt wurde. Auch der Hausarzt Dr J. berichtete in seinem Attest vom 11.04.2012 über extreme Müdigkeit. Im Verlauf des Gesprächs bei Dr B. hatten die psychopathologischen Auffälligkeiten plötzlich nachgelassen, was die Klägerin überraschend mit der Frage festgestellt habe, ob dies etwas damit zu tun habe, dass sie über ihre Belastungen berichte. Die Klägerin arbeitete im Weiteren konzentriert mit, gab aber nach 2/3 der Untersuchung an, nicht mehr zu können und wirkte durchaus erschöpft. Daneben hat die Gutachterin das Mini-ICF-Rating für psychische Störungen verwendet und daraus eine leichte Beeinträchtigung des psychischen Funktionsniveaus, keine Beeinträchtigung von Tagesstruktur, Selbstversorgung und soziales Funktionsvermögen und eine mittelgradige Beeinträchtigung von körperlichem Funktionsvermögen und Durchhaltevermögen abgeleitet. Dies entspricht dem zuvor im Rahmen der Untersuchung gewonnenen Eindruck. Angesichts der von der Gutachterin nachvollziehbar dargestellten niedrigen Bewältigungskompetenzen mit Merkmalen chronischen Krankheitsverhaltens wie Passivität und Hilfslosigkeit, Verlust an Selbsthilfemöglichkeiten und psychisches und soziales Schonverhalten sowie reduzierten Ressourcen der Klägerin ist die Annahme eines zeitlich eingeschränkten Leistungsvermögens für den Senat schlüssig und nachvollziehbar.

Soweit die Beklagte weiterhin einen fehlenden Leidensdruck der Klägerin unterstellt, weil sie keine therapeutische Schmerzbehandlung in Anspruch nimmt, ist hierzu nochmals auf den von Dr B. bereits hervorgehobenen Zusammenhang mit dem somatischen Krankheitsmodell der Klägerin hinzuweisen. Die Klägerin erlebt sich vor allem als körperlich krank mit dem Gefühl, dass die richtige Diagnose nicht gefunden worden sei und sie mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen werde. Wie Dr B. plausibel ausführt, entspricht es dem klinischen Erfahrungswissen, dass derartige Patienten eine Therapie nicht in Anspruch nehmen. Im Übrigen spricht ganz klar gegen fehlenden Leidensdruck, dass die Klägerin sogar schon stationäre Behandlungen zur Schmerzbeherrschung in Anspruch nehmen musste.

Der von der Beklagten schließlich angesichts der Hinweise auf Aggravation erhobenen Rüge einer fehlenden Konsistenzprüfung durch die Sachverständige vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Dr B. hat ausgeführt, dass sich im Rahmen der Untersuchung Hinweise für Aggravation ergeben hätten, die durch die psychologische Testung bestätigt worden seien. Hinweise auf Simulation ergaben sich nicht. Dr B. hat vor diesem Hintergrund durchaus eine Plausibilitäts- und Konsistenzanalyse vorgenommen (S 22 des Gutachtens) und ausgeführt, dass die Aggravation unter dem Aspekt betrachtet werden müsse, dass sich die Klägerin mit ihrer Schmerzsymptomatik nicht ernst genommen fühle. Als inkonsistent bezeichnet die die Gutachterin, dass die Klägerin angegeben habe, die Beschwerden hätten sich nach der orthopädischen Rehabilitation nicht wesentlich gebessert, sie aber am Ende der Maßnahme sich auf eine Vollzeitstelle am Empfang der dortigen Klinik beworben habe. Dagegen vermag der Senat die von der Beklagten aufgezeigten Widersprüche nicht zu erkennen. Wenn jemand Menschenansammlungen und öffentliche Verkehrsmittel meidet, ist nicht ersichtlich, wieso dies der Pflege eines Bekanntenkreises und dem Schwimmen in öffentlichen Schwimmbädern entgegen stehen sollte. Die Hinweise auf Aggravation stehen daher, wie Dr B. überzeugend ausgeführt hat, der Diagnose der chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren keineswegs entgegen.

Der Senat geht in Übereinstimmung mit der gerichtlichen Sachverständigen Dr B. und dem SG davon aus, dass der Leistungsfall der Erwerbsminderung jedenfalls im März 2012 eingetreten ist. Zu diesem Zeitpunkt ist die Schmerzerkrankung dekompensiert, was sich in zwei stationären Krankenhausaufenthalten allein zur Schmerzbehandlung im März 2012 niedergeschlagen hat.

Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für eine Rentengewährung aufgrund eines im März 2012 eingetretenen Leistungsfalles liegen vor. Die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 SGB VI) ist erfüllt. Im Zeitraum vom 01.03.2007 bis zum 28.02.2012 hat die Klägerin mehr als drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder aufgrund des Bezugs von Lohnersatzleistungen im Sinne des § 3 Satz 1 Nr 3 SGB VI.

Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden auf Zeit geleistet. Die Befristung erfolgt für längstens drei Jahre nach Rentenbeginn. Sie kann verlängert werden; dabei verbleibt es bei dem ursprünglichen Rentenbeginn. Verlängerungen erfolgen für längstens drei Jahre nach dem Ablauf der vorherigen Frist. Renten, auf die ein Anspruch unabhängig von der jeweiligen Arbeitsmarktlage besteht, werden unbefristet geleistet, wenn unwahrscheinlich ist, dass die Minderung der Erwerbsfähigkeit behoben werden kann (§ 102 Abs 2 SGB VI). Im vorliegenden Fall eines unter sechsstündigen Leistungsvermögens ist die Rente vom Arbeitsmarkt abhängig, denn sie beruht darauf, dass der Teilzeitarbeitsmarkt als verschlossen gilt (vgl Gürtner in Kasseler Kommentar, SGB VI, § 43 RdNr 32 mwN). Folglich hat die Klägerin nur Anspruch auf eine befristete Rente. Befristete Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit werden nicht vor Beginn des siebten Kalendermonats nach dem Eintritt der Minderung der Erwerbsfähigkeit geleistet (§ 101 Abs 1 SGB VI). Renten dürfen außerdem nur auf das Ende eines Kalendermonats befristet werden (§ 102 Abs 1 Satz 3 SGB VI). Aus den genannten Bestimmungen folgt, dass bei einem Leistungsfall im März 2012 die Rente am 01.10.2012 beginnt und nach Ablauf von drei Jahren am 30.09.2015 endet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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