L 9 U 4063/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 U 6866/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 4063/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zur Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bei Brandverletzungen unter Berücksichtigung des Begutachtungsbogens Brandverletzter nach Bruck.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Juli 2012 abgeändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt wegen der Folgen eines Arbeitsunfalles vom 04.06.2007 die Gewährung einer Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von wenigstens 20 v.H. über den 16.11.2009 hinaus.

Der 1989 geborene Kläger ist der Sohn des bei der Beklagten versicherten landwirtschaftlichen Unternehmers. Er war am 04.06.2007 - zusammen mit dem Vater - auf dem elterlichen Grundstück in der Garage mit dem Schleifen von Messern eines Mulchgerätes beschäftigt, als es durch einen Funkenflug zu einer Explosion bzw. Verpuffung kam. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft S. (Bl. 140 der Akten) dürfte Grund hierfür die in diesem Raum aufbewahrten Lösungsmittel bzw. Verdünnungen gewesen sein, welche zum Teil unverschlossen im näheren Arbeitsbereich vorgefunden wurden. Durch diese Explosion bzw. Verpuffung entstand eine Stichflamme, aufgrund der es zu einer 2a bis 2b-Verbrennung über insgesamt 15% der Körperoberfläche (KOF), nämlich beider Arme, des Gesichts und Nackens und der Schulterpartie rechts, kam (Bericht des M.hospitals S. vom 05.07.2007).

Im Zwischenbericht vom 20.09.2007 teilte Prof. Dr. D., M.hospital S., nach stationärer Behandlung vom 04.06.2007 bis 25.06.2007 mit, dass die ehemaligen Verbrennungsareale an beiden Armen und Händen vollständig verheilt und epithelisiert seien. Im Bereich des rechten Armes fand sich noch eine hohe Narbenaktivität mit Pigmentverschiebung. Eine wesentliche Hypertrophieneigung bestand nicht. Eine Kompressionsbehandlung war jedoch weiterhin erforderlich. Der Kläger arbeite (seit 30.07.2007) wieder vollschichtig.

Unter dem 15.08.2008 teilte Prof. Dr. D. mit, dass man lediglich noch am rechten proximalen Unterarm eine diskrete Narbenplatte finde, die sich durch die Kompression gut beeinflussen lasse. Der Kläger sei noch mit Kompressionsärmeln versorgt. Er trage diese regelmäßig. Die übrigen Areale zeigten eine zwischenzeitlich gute Pigmentierung ohne hypertrophe Narbenbildung. Eine spezielle Behandlung sei hier nicht mehr notwendig. Die Kompression könne allmählich beendet werden. Der Kläger bleibe arbeitsfähig.

In dem von der Beklagten in Auftrag gegebenen Gutachten stellten Priv.-Doz. Dr. L. und Oberarzt Dr. R., M.hospital S., unter dem 07.12.2009 eine stattgehabte, überwiegend oberflächlich bis tief dermale Verbrennung an Gesicht und Nacken, beiden Armen, an der Schulterpartie rechts über insgesamt 19% KOF, einen Zustand nach Nekrektomie und Behandlung mit Suprathel-Membran als alloplastischer Epithelersatz fest. Es bestünden (noch) kosmetisch störende Narbenareale ohne Pigment- und ohne wesentliche Texturveränderung im Bereich der Schulter rechts dorsal, am Oberarm rechts dorsal, am Oberarm links dorsal, an beiden Unterarmen dorsal und radio-volar sowie im Bereich beider Handrücken über 9% KOF. Außerdem somatische und vegetative Beschwerden gemäß dem Begutachtungsbogen Brandverletzter nach B., im Einzelnen: Trockenheit der Haut, Juckreiz, Taubheitsgefühl, Spannungsgefühl, vermehrte Verletzlichkeit der Haut und psychische Beschwerden gemäß dem Begutachtungsbogen Brandverletzter nach B., im Einzelnen: verändertes Aussehen und Selbstvorwürfe. Die unfallbedingte MdE schätzten Prof. Dr. L. und Dr. R. für die Zeit vom 30.07.2007 bis 16.11.2009 mit 20 v.H. ein. Ab dem 17.11.2009 betrage die MdE 10 v.H. Sie führten ergänzend aus, dass der Kläger die abgeheilten Verbrennungsareale lebenslang mehrmals täglich mit einer fetthaltigen Creme oder Lotion rückfetten müsse. Eine Nachuntersuchung erscheine nicht erforderlich.

Mit Bescheid vom 23.12.2009 anerkannte die Beklagte das Ereignis vom 04.06.2007 als Arbeitsunfall. Sie gewährte wegen der Folgen dieses Unfalles eine Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. als vorläufige Entschädigung für den Zeitraum vom 30.07.2007 bis 16.11.2009. Über den 16.11.2009 hinaus stehe dem Kläger keine Rente zu, weil er wegen der Folgen des Arbeitsunfalles nicht mehr in seiner Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Grad gemindert sei. Hiergegen legte der Kläger am 07.01.2010 Widerspruch ein. Er vertrat die Auffassung, dass ihm über den 16.11.2009 hinaus eine Unfallrente zustehe.

In einer von der Beklagten veranlassten ergänzenden Stellungnahme vom 05.03.2010 haben Priv.-Doz. Dr. L. und Dr. R. ausgeführt, dass sich gemäß dem ihrer Stellungnahme beiliegenden Begutachtungsbogen Brandverletzter nach B. eine abweichende Gewichtung der Qualität der Narbenareale ergeben habe, weshalb die unfallbedingte MdE auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auch ab dem 17.11.2009 mit 20 v.H. auf Dauer einzuschätzen sei.

Unter Berücksichtigung einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. S. beauftragte die Beklagte hierauf Prof. Dr. S., Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T., mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens. Prof. Dr. S. kam in dem zusammen mit Dr. N. und Dr. V. erstellten Gutachten vom 04.10.2010 zu dem Ergebnis, dass sich der Kläger am 04.06.2007 eine zweitgradige Verbrennung von insgesamt 19% der KOF an beiden Armen, Gesicht, Nacken und Schulterpartie rechts zugezogen habe. Es zeigten sich (noch) hyperpigmentierte und hypopigmentierte Narbenareale im Bereich der Grundglieder streckseitig der Langfinger rechts über den Handrücken ziehend, weiter über den streckseitigen Unterarm rechts und streckseitigen Oberarm rechts bis auf die rechte Schulter ziehend. Im Bereich des rechten, streckseitigen Unterarmes zeige sich ein etwa 10 x 2 cm großer keloidaler Narbenstrang ohne Kontrakturen des Ellenbogengelenkes. In diesem Bereich habe der Kläger keine Sensibilität mehr. Im Bereich des linken Armes zeigten sich fleckförmige Hyperpigmentierungen vom linken Handrücken aus über den streckseitigen Unterarm, hier am Handgelenk zirkulär auf einer Strecke von 10 cm von der Rascetta nach proximal bis zum unteren Drittel des Oberarmes streckseitig. Es bestünden weiterhin fleckförmige Hyperpigmentierungen am Nacken, am Haaransatz bis hinter das linke und rechte Ohr ziehend, hier auf der rechten Seite auch dezent am rechten Kieferwinkel. Insgesamt betrügen die pigmentierten Areale ca. 6% der KOF, die keloidale Narbe am rechten proximalen Unterarm ca. 1% der KOF. Darüber hinaus bestünden keine Einschränkungen der Beweglichkeit der Extremitäten, wie sich aus der Messwerttabelle für obere Gliedmaßen nach der Neutralnullmethode ergebe. Ab dem 30.07.2007 sei die MdE mit 20 v.H. einzuschätzen. Unter Dauerrentengesichtspunkten bestehe eine Gesamt-MdE über den 17.11.2009 hinaus in Höhe von 10 v.H. Man könne der Einschätzung der Sachverständigen in deren ergänzender Stellungnahme vom 05.03.2010 nicht folgen. Bei der Untersuchung hätten sich keinerlei Funktionseinschränkungen der oberen Extremitäten ergeben. Unter Zuhilfenahme des B.´schen Bogens zur Begutachtung Schwerbrandverletzter zeigten sich bei der Bewertung des Lokalbefundes nur noch Narbenareale von insgesamt 7% KOF, davon lägen ca. 1% im Kopf-, Halsbereich und 5% an beiden Armen und der rechten Schulter. Ein keloidaler Narbenstrang mit etwa 1% der KOF, der jedoch reizlos sei, zeige sich am rechten streckseitigen Unterarm. Somatische und vegetative Beschwerden würden mit trockener Haut, Juckreiz, Taubheitsgefühl, Spannungsgefühl und vermehrter Verletzlichkeit der Haut angegeben. Psychische Beschwerden zeigten sich nach Angaben des Klägers in seinem veränderten Aussehen und dadurch vermindertem Selbstbewusstsein. Zudem habe dieser Angst vor Ablehnung durch das veränderte Aussehen. Der Kläger mache einen psychisch gefestigten Eindruck mit einem selbstbewussten Auftreten. Die angegebenen psychischen Unfallfolgen stünden zudem in keiner Relation mit den psychischen Belastungen, die z.B. Schwerbrandverletzte mit Verbrennungen von 80% der KOF und massiven Kontrakturen, Entstellungen des Gesichtes oder körperlichen Behinderungen erleiden. Der B.´sche Bogen mache hier keine Abstufungen. Aus diesen Gründen erhalte der Kläger in der Rubrik "D" des B.´schen Bogens keine Punkte. Schließlich wiesen die Sachverständigen darauf hin, dass die Unfallfolgen und die daraus resultierenden täglichen Einschränkungen keinesfalls so schwerwiegend einzuschätzen seien, wie die Amputation des Daumens im Grundgelenk oder die Amputation von Zeige- und Mittelfinger im Mittelgelenk oder die Handgelenksversteifung in ungünstiger Stellung. Diese würden jeweils für sich eine MdE von 20 v.H. bedingen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.10.2010 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 04.11.2010 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben. Das SG hat Prof. Dr. S. erneut befragt. Prof. Dr. S., Dr. N. und Dr. V. teilten unter dem 11.04.2011 mit, dass der mehr als 20 Jahre alte B.´sche Bogen nicht Grundlage einer sachverständigen gutachterlichen Einschätzung sein könne. Der Gutachter bewerte die individuellen funktionellen und morphologischen Unfallfolgen frei und allenfalls unter Berücksichtigung neuester Literatur. Ein unter diesen Voraussetzungen erstelltes Gutachten könne niemals eine Rechnung, die mit Hilfe von Multiplikatoren (Faktor Q) erstellt werde, sein. Eine Rechenmaschine könne und sollte einen Sachverständigen nicht ersetzen. Sie blieben dabei, dass die Unfallfolgen (bei fehlenden Funktionseinschränkungen) aus hypo- und hyperpigmentierten Arealen von ca. 6% der KOF und einer keloidalen Narbe am rechten proximalen Unterarm von ca. zehn mal zwei cm mit Sensibilitätsminderung dieser Narbe bestünden. Diese Unfallfolgen seien in keinster Weise mit einem Verlust des Daumens im Grundgelenk, einem Verlust von Zeige- und Mittelfinger im Mittelgelenk oder einer Versteifung des Handgelenkes in günstiger Stellung zu vergleichen, weshalb die Einschätzung mit einer MdE von 10 v.H. an der allerobersten Grenze des Ermessensspielraumes angesiedelt sei.

Das SG hat gegenüber den Beteiligten auf die in Schönberger/Mehrtens/Valentin (Arbeitsunfall und Berufskrankheit) aufgestellten Grundsätze verwiesen und die Auffassung vertreten, dass Prof. Dr. S. diese nicht beachte. Hierauf hat die Beklagte unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. S. erwidert. Er hat ausgeführt, dass unter Berücksichtigung des von beiden Sachverständigengutachten berücksichtigten B.´schen Bogens sich im Wesentlichen Abweichungen nur unter dem Punkt "D" ergeben. Priv.-Doz. Dr. L. sei davon ausgegangen, dass bei verändertem Aussehen und Selbstvorwürfen eine Punktzahl "fünf" vorliege, während Prof. Dr. S. keine psychische Belastung angenommen habe. Dr. S. hat ebenfalls die Auffassung vertreten, dass zum Zeitpunkt der Untersuchungen eine MdE von 10% den Unfallfolgen angemessen war.

Das SG hat hierauf Dr. R., M.hospital S., mit der Erstellung eines weiteren Gutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 07.11.2011 noch kosmetisch gering störende Narbenareale ohne wesentliche Pigment- und ohne wesentliche Texturveränderungen im Bereich beider Handrücken über 2% KOF, im Bereich der rechten Schulter dorsal und des Rumpfes dorsal über insgesamt 1% KOF, am Oberarm rechts dorsal über 1% KOF, am Oberarm linksdorsal über 1% KOF, am Unterarm links dorsal und radiovolar über 2% KOF und am Unterarm rechts streckseitig und radio-volar über 1,5% KOF festgestellt. Ferner hat er kosmetisch störende Narbenareale mit unregelmäßiger Pigmentierung, deutlichen Texturveränderungen und mit einem Narbenstrang am Unterarm rechts ellenbogengelenksnah streckseitig über 0,5% KOF beschrieben sowie somatische und vegetative Beschwerden gemäß dem Begutachtungsbogen Brandverletzter nach B., im Einzelnen: Trockenheit der Haut, Juckreiz, Taubheitsgefühl, vermehrte Verletzlichkeit der Haut und psychische Beschwerden gemäß dem Begutachtungsbogen Brandverletzter nach B., im Einzelnen: verändertes Aussehen. Aus den Funktionseinschränkungen nach der Neutralnullmethode ergebe sich keine MdE. Gemäß dem Untersuchungsbefund vom 04.10.2011 werde der Lokalbefund mit insgesamt 24 Punkten eingeschätzt, die vorhandenen somatischen und vegetativen Beschwerden mit zehn Punkten und die noch geklagten psychischen Beschwerden mit fünf Punkten. Daraus ergebe sich eine Gesamtpunktzahl von 39 Punkten, die einer MdE von 10 v.H. entsprächen. Bezogen auf den Zeitraum ab 17.11.2009 hat Dr. R. ausgeführt, dass damals noch ehemalige Verbrennungsareale mit noch deutlich vorhandener Pigmentstörung und ohne wesentliche Tex-turveränderung über insgesamt 7% KOF zu berücksichtigen gewesen seien; darüber hinaus auch die noch vorliegenden Verbrennungsareale ohne wesentliche Pigmentstörungen und ohne wesentliche Texturveränderungen im Bereich der beiden Hände (jeweils 1% KOF). Nach entsprechender Gewichtung mit dem Faktor Q für exponierte Körperregionen und dem entsprechenden Faktor für die Narbenqualität habe dies einen Punktwert von mehr als 40 Punkten ergeben. Im Gutachten vom 17.11.2009 seien zudem aufgrund der bestehenden somatischen und vegetativen Beschwerden und den damals vorhandenen psychischen Beschwerden entsprechend dem Begutachtungsbogen für Brandverletzte nach B. zehn Punkte bzw. fünf Punkte zu vergeben gewesen, sodass sich eine Gesamtpunktzahl zwischen 40 und 70 Punkte und dementsprechend eine MdE von 20 v.H. ergeben habe. Daher habe die Gesamt-MdE ab dem 17.11.2009 mit 20 v.H. eingestuft werden müssen. Der Unterschied zum Gutachten von Prof. Dr. S. liege darin, dass die Ausdehnung der bestehenden Narbenareale statt mit den seiner Ansicht nach noch vorhandenen 9% KOF lediglich mit insgesamt 7% KOF eingeschätzt worden sei. Darüber hinaus werde der Lokalbefund der Narbenareale in dem Gutachten vom 04.10.2010 statt mit dem im Begutachtungsbogen vorgesehenen Faktor 2 zur Bewertung der Narbenqualität der Narbenareale ("mit Pigmentveränderung, mit Narbensträngen") lediglich mit dem Faktor 1 (ohne Pigment- und wesentliche Texturveränderungen) eingestuft. Wende man die seiner Ansicht nach korrekte Einstufung der Narbenqualität des Lokalbefundes dem beschriebenen Lokalbefund entsprechend an, wäre seiner Ansicht nach eine Punktzahl für den Lokalbefund von 34 Punkten zu errechnen gewesen. Hierzu kämen zehn Punkte für die Einschätzung des somatischen und vegetativen Befundes. Eine damit erreichte Gesamtpunktzahl von 44 Punkten entspreche einer MdE von 20 v.H. Darüber hinaus habe das Tübinger Gutachten zu Unrecht die psychischen Beschwerden des Unfallverletzten bei der MdE nicht berücksichtigt.

Die Beklagte hat hierauf eine ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. S. und Dr. N. vom 13.01.2012 vorgelegt. Diese haben darauf hingewiesen, dass es, je dicker die vorliegende Akte anwachse, immer nur um Punktwerte gehe, die sich aus der Addition von starren Zahlen der Nennungen ergäben und um einen Faktor Q, mit dem die Prozentzahl der noch vorhandenen Narbenareale auf der KOF multipliziert werden soll. Offensichtlich sei Dr. R. durch die unglückliche Verknüpfung von Pigmentveränderungen und der Narbenbeschaffenheit im "B.´schen Verbrennungsbogen" überfordert und verunsichert gewesen. Während er nämlich in seinem Gutachten vom 07.12.2009 die noch verbliebenen 9% der KOF als kosmetisch störende Narbenareale ohne Pigment- und ohne wesentliche Texturveränderung beschrieben und diese folgerichtig in die erste Zeile der Bewertung des Lokalbefundes im B.´schen Verbrennungsbogen eingetragen habe, was zu einer MdE von 10 v.H. geführt habe, habe er in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 05.03.2010 die MdE auf 20 v.H. abgeändert, weil jetzt 7% der 9% KOF mit Pigmentveränderungen und ohne wesentliche Texturveränderungen bewertet worden seien. Mit anderen Worten: Nur, weil Dr. R. jetzt 7% der KOF mit Pigmentveränderungen gesehen habe, solle die Narbe auch instabil und hypertroph sein. Weil es völlig absurd klinge, dass wegen einer nur diskreten Pigmentveränderung aus einer Narbe "ohne wesentliche Texturveränderung" (erste Zeile des B.´schen Bogens unter "Narbenareale") eine Narbe mit "Instabilität und Hypertrophie" werden soll, seien sie zum Äußersten geschritten und hätten Prof. Dr. J. C. B. angerufen und zu der hier vorliegenden Problematik befragt. Dabei habe Prof. B. mitgeteilt, dass die Pigmentveränderungen gegenüber der Narbenqualität eine untergeordnete Rolle spielten. Lediglich in der vierten Zeile spiele die Pigmentveränderung eine wesentliche Rolle, weil bei Instabilitäten und Hypertrophie der Narbenareale die Pigmentveränderung eine Präkanzerose darstelle. In den übrigen Zeilen 1 bis 3 des B.´schen Bogens seien Pigmentveränderungen primär kein Negativum und erhielten deshalb die Bezeichnung "ohne". Es sei daher absolut nicht gerechtfertigt, nur wegen der diskreten Pigmentveränderungen eines Teils der Narbenareale diese selbst als instabil und hypertroph aufzuwerten, diese in Zeile 4 zu übernehmen und dann mit dem Faktor 3 zu multiplizieren. Die Narbenareale blieben sämtlich ohne wesentliche Texturveränderungen und müssten deshalb in die erste Zeile einsortiert werden und mit dem Faktor 1 multipliziert werden, auch wenn diskrete Pigmentstörungen vorlägen. Besonders bedenklich erscheine die eigenmächtige Veränderung des B.´schen Bogens, die Dr. R. in der dritten Zeile der Narbenareale im Anhang zu seinem Gutachten vorgenommen habe und hier kurzerhand das Wort "ohne" durchgestrichen und einfach das Wort "mit" darübergeschrieben habe. Solche Manipulationen von Dokumenten sollten in einem Gutachten nicht vorkommen.

Mit Urteil vom 09.07.2012 hat das SG den Bescheid vom 23.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28.10.2010 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 17.11.2009 bis 03.10.2011 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass unter Berücksichtigung des Befundes bei der Untersuchung am 17.11.2009 und unter Zugrundelegung des Punkteschemas nach B. sowie unter Berücksichtigung der Angaben des Sachverständigen zehn Punkte für den Lokalbefund (Narbenareale ohne Pigment- und wesentliche Texturveränderung an Gesicht und Händen) sowie 42 Punkte für die Lokalbefunde mit Pigmentveränderung, Instabilität und Hypertrophie anzusetzen seien. Als somatische und vegetative Beschwerden seien weitere zehn Punkte zu berücksichtigen. Unter Berücksichtigung der psychischen Beschwerden erachte die Kammer eine Gesamt-MdE von 20 v.H. für überzeugend. Prof. Dr. S. könne insoweit nicht gefolgt werden, als er die psychischen Beschwerden des Klägers nicht berücksichtige. Ferner sei ab dem Begutachtungszeitpunkt vom 14.10.2011 nur noch von einer Verletztenrente nach einer MdE von 10 v.H. auszugehen. Unter Berücksichtigung der von Dr. R. erhobenen Befunde liege lediglich eine Gesamtpunktzahl von 39 Punkten und damit eine MdE von 10 v.H. vor.

Gegen das der Beklagten am 30.08.2012 zugestellte Urteil hat diese am 26.09.2012 Berufung eingelegt.

Die Beklagte hält daran fest, dass auch im Zeitraum vom 17.11.2009 bis 03.10.2011 kein Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE von 20 v.H. bestehe. Sie erhebt Einwendungen gegen die rein rechnerische Ermittlung der MdE, welche das SG zugrunde gelegt habe. Darüber hinaus macht die Beklagte geltend, dass das SG den Inhalt des Gutachtens der ärztlichen Sachverständigen des M.hospitals S. vom 07.12.2009 auf S. 15 und 16 der Urteilsbegründung falsch wiedergegeben habe. Dies bedinge, dass das Gesamturteil damit zu einem falschen Ergebnis komme. Denn in dem der gutachterlichen Untersuchung am 17.11.2009 zugrunde liegenden "B.´schen Bogen" sei der Lokalbefund der Rubrik B gerade nicht "mit Pigmentveränderung, Instabilität und Hypertrophie" eingestuft worden. Vielmehr sei auf S. 5 des entsprechenden Gutachtens ausgeführt worden, dass die Verbrennungsareale vollständig abgeheilt und auch keine wesentliche Hypertrophieneigung bestand. Auf S. 10 und 11 des Gutachtens seien die sichtbaren Verbrennungsfolgen "ohne wesentliche Texturveränderungen" und mit "kosmetisch störende Narbenareale ohne Pigment- und ohne wesentliche Texturveränderung" beschrieben worden. Es ergäben sich daher nicht, wie vom Gericht angegeben, 42 Punkte, sondern lediglich 24 Punkte. Daher werde die MdE von den Gutachtern ab dem 17.11.2009 zutreffend mit 10 v.H. angegeben. Im Übrigen verweist sie auf die vorgelegte ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. S. und Dr. N. vom 04.01.2013. Diese haben darauf hingewiesen, dass die unglückliche Verknüpfung von zwei völlig unterschiedlichen Dingen (Pigmentveränderungen und Hauttexturveränderungen) die Grundlage des vorliegenden Rechtsstreites sei. Weil nämlich die Pigmentveränderungen im Gegensatz zu der Hauttexturbeschaffenheit nicht in vier zunehmend schwerere Stadien eingeteilt würden (in den ersten drei Zeilen ohne Pigmentveränderungen und nur in der letzten Zeile mit Pigmentveränderung), könne jemand ohne medizinischen Sachverstand auf die Idee kommen, ein ehemals verbranntes Hautareal ohne wesentliche Texturveränderung (erste Zeile) nur wegen vorliegender Pigmentveränderungen in die letzte Zeile (mit Pigmentveränderung, Instabilität und Hypertrophie) einzuordnen. Dies sei jedoch völlig unsinnig, weil Pigmentveränderungen im Gegensatz zu Veränderungen der Hauttexturbeschaffenheit eine untergeordnete Rolle spielten. Lediglich bei Hautveränderungen in der vierten Zeile (mit Instabilität und Hypertrophie) spielten Pigmentveränderungen eine Rolle, weil bei einer schwersten instabilen und hypertrophen Narbenbeschaffenheit der Haut und nach einer Verbrennung bei zusätzlich vorliegenden Pigmentveränderungen diese Pigmente zu einer Präkanzerose (Hautkrebs, Melanom) führen könnten. Dieser unglücklichen Verknüpfung sei der Gutachter Dr. R. zum Opfer gefallen. Hinsichtlich der Texturbeschaffenheit der ehemals verbrannten Hautareale seien sich die bisherigen Gutachter einig. Denn die ehemals verbrannten Hautareale würden abgesehen von der 12 x 2 cm großen Narbe in der gesamten Akte ohne wesentliche Texturveränderung beschrieben und müssten deshalb in die erste Zeile des B.´schen Verbrennungsbogens eingetragen und mit dem Faktor 1 multipliziert werden. Weil noch alle sichtbaren ehemaligen Verbrennungsareale außer der 12 x 2 cm großen Narbe am rechten Unterarm ohne wesentliche Texturveränderungen vorlägen, seien sie unter "B" in die erste Zeile des B.´schen Verbrennungsbogens einzutragen. Dabei könnten die Veränderungen an beiden Handrücken (insgesamt 2%) mit dem Faktor 5 (für Gesicht und Hände) multipliziert werden. Dies ergebe eine Gesamtpunktzahl von zehn. Die übrigen noch sichtbaren Areale (7%) würden mit dem Faktor 2 multipliziert (für Brust und Arme) = 14 Punkte. Damit könne sich am Untersuchungstag vom 17.11.2009 bei damals noch 9% der KOF sichtbaren ehemaligen Verbrennungsarealen maximal ein Punktwert von 24 ergeben. Prof. S. und Dr. N. haben darüber hinaus ausgeführt, dass die somatischen und vegetativen Beschwerden sowie die psychischen Beschwerden entsprechend den zum Untersuchungstag tatsächlich noch vorliegenden Unfallfolgen zu berücksichtigen seien. Selbst wenn man diese gutachterliche Regelung außer Acht ließe und für die somatischen und vegetativen und psychischen Beschwerden das starre B.´sche Schema anwende, ergebe sich aber eine Gesamtpunktzahl von 39, die dann auch starr in den Zehnprozentspielraum einzusortieren wäre. Bei freier Einschätzung seien sie der Überzeugung, dass zum Untersuchungszeitpunkt 17.11.2009 die MdE mit 10 v.H. ab dem 17.11.2009 einzuschätzen sei. Eine höhere Einschätzung sei gutachterlicherseits nicht zu vertreten. Die diskreten Pigmentveränderungen spielten keine wesentliche Rolle.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 9. Juli 2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Sach- und Streitstand wurde mit den Beteiligten am 23.04.2013 erörtert. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogene Akte der Beklagten sowie auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung der Beklagten, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Dem Kläger steht über den 16.11.2009 kein Anspruch auf die Gewährung einer Verletztenrente zu.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern. Gemäß § 72 Abs. 1 SGB VII wird die Rente von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem entweder der Anspruch auf Verletztengeld endet oder der Versicherungsfall eingetreten ist, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist.

Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. BSG, Urteil vom 22.6.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Voraussetzung für die Berücksichtigung einer Gesundheitsstörung bzw. Funktionseinschränkung bei der Bemessung der MdE ist u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis bzw. dem dadurch eingetretenen Gesundheitserstschaden und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Gesundheitserstschaden und den fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf Grund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. die zusammenfassende Darstellung der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung im Urteil des BSG vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209 und in Juris).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht dem Kläger wegen der Folgen des von der Beklagten anerkannten Arbeitsunfalles über den 16.11.2009 hinaus keine Rente zu. Der Senat stützt seine Überzeugung dabei im Wesentlichen auf das Gutachten von Prof. Dr. S., Dr. N. und Dr. V. vom 04.10.2010, das der Senat im Wege des Urkundenbeweises verwertet, und deren ergänzende Stellungnahmen vom 11.04.2011, 13.01.2012 und 04.01.2013, aber auch auf das Gutachten von Priv. Doz. Dr. L. und Dr. R. vom 07.12.2009, weil sie in diesem Gutachten zutreffend zu dem Ergebnis gelangt sind, dass die MdE am Untersuchungstag (17.11.2009) keine 20 v.H. mehr beträgt. Die von diesen Sachverständigen in ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 05.03.2010 (MdE um 20 v.H. auf Dauer) sowie die von Dr. R. im Gutachten vom 07.11.2011 vertretene Auffassung (MdE um 20 v.H. über den 16.11.2009 hinaus bis 03.10.2011) vermag hingegen nicht zu überzeugen.

Bei der Beurteilung der MdE nach Brandverletzungen orientiert sich der Senat an den Vorgaben der Rentenliteratur und insofern an dem z.B. in Schönberger/Mehrtens/Valentin (Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, S. 839 - so auch: Fritze/Mehrhoff, Die ärztliche Begutachtung, 7. Aufl. 2008, S. 819, Mehrhoff/Meindl/Murr, 12. Aufl. 2010, S. 196) wiedergegebenen Schema, das seinerseits im Wesentlichen den Begutachtungsbogen Brandverletzter nach B., modifiziert aber nach Henkel v. Donnersmarck, Hörbrandt, berücksichtigt und welches auf eine Absprache mit der Deutschen Gesellschaft für Verbrennungsmedizin zurückgeht. Dieses Schema gibt aber - so ausdrücklich Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O.) - allein nur einen Anhalt für die Bewertung der MdE und trägt damit dem berechtigten Einwand von Prof. Dr. S. Rechnung, wonach die MdE-Bewertung nie eine nur starre Anwendung einer Rechenoperation sein kann, sondern die individuellen Verhältnisse berücksichtigen muss. Die vom SG im Urteil wiedergegebenen Bewertungsgrundlagen sind daher nicht zu beanstanden und entsprechen dem Stand der medizinischen Wissenschaft. Die hiergegen von der Beklagten und Prof. Dr. S. vorgebrachten Einwendungen verkennen die Modifikation des B.´schen Verbrennungsbogens und setzen sich nicht mit den Erläuterungen z.B. in Schönberger/Mehrtens/Valentin auseinander. Es bleibt aber festzuhalten, dass das beschriebene Schema in den Rubriken A, B und C und deren Punktebewertung identisch ist mit dem Begutachtungsbogen Brandverletzter nach B ... Es enthält letztlich nur die Rubrik D nicht mehr, welche die psychischen Beschwerden zusätzlich durch Vergabe von Punktwerten für die Nennung von Einschränkungen wie "verändertes Aussehen", "vermindertes Selbstbewusstsein", "Angst vor Ablehnung durch verändertes Aussehen", "Angst zu versagen im Beruf", "Minderwertigkeitsgefühl", "Selbstvorwürfe" und "Mutlosigkeit" berücksichtigt. Werden beispielsweise mehr als fünf dieser acht Begriffe auf Frage des Untersuchers bejaht oder benannt, erreichen die psychischen Beschwerden bereits einen Punktwert von 20; eine MdE von 20 v.H. wird ab einem Punktwert von 40 erreicht. Der Senat hält die Bewertung nach der Rubrik D des Begutachtungsbogens Brandverletzter nach B. nicht für aussagekräftig und für überbewertet. Die vorgegebenen Begriffe überschneiden sich. Es ist schon nicht nachzuvollziehen, dass "verändertes Aussehen" neben "Angst vor Ablehnung durch verändertes Aussehen" und "vermindertes Selbstbewusstsein" jeweils eigenständig einen Punktwert von 1 rechtfertigen sollen. Wonach eine Abgrenzung von "Minderwertigkeitsgefühl" und "vermindertes Selbstbewusstsein" tatsächlich erfolgen soll, ergibt sich aus dem Bewertungsschema ebenfalls nicht. Folgerichtig kann es nicht darauf ankommen, wie viele der vorgegebenen acht Begriffe benannt werden; entscheidend muss sein, ob neben dem vorliegenden Hautbefund (auch) eine rechtlich wesentlich auf den Unfall zurückzuführende psychische Erkrankung vorliegt. Dementsprechend ist - wie bei allen Unfallfolgen - zu prüfen, ob psychische Unfallfolgen ggfs. mittelbar auf den Unfall zurückzuführen sind. Für eine zusätzliche Bewertung innerhalb eines Prüfungsbogens, der sich mit den Verbrennungsfolgen an der Haut auseinandersetzen soll, ist daher kein Raum, weswegen diese Rubrik in dem modifizierten Schema zu Recht nicht fortgeführt wurde.

Ausgehend hiervon ist für die MdE-Bewertung zunächst der Zustand der Haut des Klägers zum Zeitpunkt der Begutachtung am 17.11.2009 und unter Berücksichtigung der nachfolgenden Untersuchungen und Bewertungen der MdE-Bewertung zugrundezulegen.

Danach ist zunächst festzuhalten, dass alle gehörten Sachverständigen sämtliche ehemals verbrannten Hautareale (im Bereich der rechten Schulter, der Oberarmmitte rechts dorsal, des linken distalen Oberarmes dorsal, im Bereich beider Unterarme radial-volar und dorsal und im Bereich beider Handrücken) - abgesehen von dem 12 x 2 cm großen Narbenareal (teilweise auch als nur 10 x 2 cm groß beschrieben) auf der Streckseite des rechten körpernahen Unterarmes - als ohne Narbenstränge und ohne Texturveränderung wie z.B. bei einem Meshgraft beschrieben haben. Mit Prof. Dr. S. sind daher diese Veränderungen, weil ohne wesentliche Texturveränderung in die erste Zeile des Schemas einzutragen ("Narbenareale ohne Pigment- und wesentliche Texturveränderung"). Ausgehend hiervon sind nach dem vorliegenden Schema die Veränderungen an den beiden Handrücken, die am 17.11.2009 mit jeweils 1 % der KOF angegeben wurden, mit dem Faktor 5 für Narbenareale im Gesicht und an den Händen und dem Faktor 1 für die Bewertung des Lokalbefundes des Narbenareals zu multiplizieren. Damit ist für den Bereich der Hände ein Punktwert von 10 (2% KOF x 5 x 1) festzustellen. Für die übrigen Bereiche lagen ausgehend von den Feststellungen von Priv.-Doz. Dr. L. und Dr. R. am Untersuchungstag weitere 7% sichtbare Areale vor, die ebenfalls in Zeile 1 einzutragen waren und mit einem Faktor 2 für Narbenareale an Brust und Armen sowie dem Faktor 1 für die Bewertung des Lokalbefundes des Narbenareals zu multiplizieren waren, woraus sich ein Punktwert von 14 (7% KOF x 2 x 1) und insgesamt für die Rubrik B ein Punktwert von 24 ergibt. Darin ist der sowohl von Prof. Dr. S. als auch von Dr. R. beschriebene Narbenstrang über 0,5 % KOF (bei einer Größe von 10-12 x 2 cm entspricht dieser in etwa der Länge und Breite eines Mittelfingers einer männlichen Hand; die Hand wird insgesamt mit 1 % der KOF gewertet (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin a.a.O., S. 835 [sog.: Handflächenregel]) bereits enthalten, was der Senat der Bemessung der MdE für die Zeit ab dem 04.10.2011 durch Dr. R. in dessen Gutachten vom 17.11.2011 entnimmt (vgl. Blatt 18 des Gutachtens). Denn dort hat er unter Berücksichtigung dieses Narbenstrangs und unter Berücksichtigung von auch weiterhin vorliegenden Narbenarealen von 9% KOF einen Punktwert von 24 in der Rubrik B errechnet (freilich unter Berücksichtigung des Faktors für den Lokalbefund von jeweils 1 für die Zeit ab 04.10.2011, also unter Berücksichtigung der Vorgaben des Spiegelstriches 1(!)).

Soweit Priv. Doz. Dr. L. und Dr. R. in der ergänzenden Stellungnahme vom 05.03.2010 zu einem abweichenden Ergebnis gekommen sind, blieb diese ohne nachvollziehbare Begründung. Aus ihr ergibt sich lediglich, dass sie (unverändert) von kosmetisch störenden Narbenarealen ohne Pigment und wesentliche Texturveränderung für den Bereich beider Handrücken über 2% KOF ausgegangen sind (was auch weiterhin einem Punktwert von 10 entspricht) und für die weiteren 7% KOF nun kosmetisch störende Narbenareale mit Pigmentveränderungen und ohne wesentliche Texturveränderung zugrunde gelegt haben. Weshalb sich hierdurch ihre Bewertung änderte, haben sie in dieser Stellungnahme nicht näher erläutert.

Soweit Dr. R. dann in seinem Gutachten vom 17.11.2011 darauf hinweist, dass die Begutachtung 2009 Narbenareale mit ehemaligen Verbrennungsarealen über 7 % der KOF mit noch deutlich vorhandener Pigmentstörung und ohne wesentliche Texturveränderung festgestellt und sich nach Gewichtung mit dem Faktor Q und dem Faktor für die Narbenqualität ein Punktwert von mehr als 40 errechnet habe, bleibt er die Erläuterung des Ansatzes im Einzelnen schuldig. Aus Blatt 24 seines Gutachtens lässt sich entnehmen, dass er unter Abänderung des von ihm verwendeten Begutachtungsbogens Brandverletzter nach B. den dritten Spiegelstrich der Rubrik "B" ("ohne Pigmentveränderung mit Narbenstrang") abgeändert und die von ihm beschriebenen Pigmentveränderungen mit dem Faktor 2 (Narbenareale) und dem Faktor Q = 2 gewichtet hat. Hierfür ersetzte er unter dem dritten Spiegelstrich das Wort "ohne" ( Pigmentveränderung ) durch "mit". Hieraus errechnete er einen Punktwert von 34 (Blatt 25 des Gutachtens) sowie unter Berücksichtigung des somatischen und vegetativen Befundes (Punktwert 10) einen Gesamtpunktwert von Rubrik B und C von 44 Punkten, was nach den Vorgaben des Begutachtungsbogens Brandverletzter nach B. und des nach Schönberger/Mehrtens/Valentin verwandten Schemas eine MdE von 20 v.H. rechtfertigen könnte. Dabei ist nicht ganz ersichtlich, ob er die in Rede stehenden 7% KOF nun mit dem Faktor 2 bei Faktor Q=2 gewichtet hat, was insoweit einen Punktwert von 38 (7x2x2=28 + 10 für den Bereich der Hände) ergeben hätte oder - worauf der Berechnungsbogen auf Bl. 112 d. Akten hindeuten könnte - er hier sogar einen Faktor 3 (bei Faktor Q = 2) in Ansatz gebracht hat (7x3x2=42 + 10=52). Unabhängig davon, ob Dr. R. nun eine Einstufung im Bereich der "Narbenareale mit Pigmentveränderung, Instabilität und Hypertrophie" oder im Bereich des von ihm veränderten 3. Spiegelstrichs der Rubrik B (so wohl die Begründung im Gutachten vom 07.11.2011) vorgenommen hat, vermochte sich der Senat dem nicht anzuschließen.

Für ersteres besteht schon deshalb kein Raum, weil mit Instabilität und Hypertrophie vergleichbare Einschränkungen nicht vorliegen. Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O.) weisen in einer Anmerkung zum 4. Spiegelstrich der Rubrik B des Schemas darauf hin, dass leichte Veränderungen des Hautkolorits bei der Bewertung nicht gleichzusetzen sind mit einer oft erheblichen Hyperpigmentierung einer hypertrophen Narbe. Nur diese rechtfertigt den Multiplikator 3, welcher in dieser Variante 4 der Rubrik B vorgesehen ist. Dies bestätigt die von Prof. Dr. S. vertretene Auffassung, wonach es für die Bewertung des Lokalbefundes nicht wesentlich auf die Pigmentierung ankommt, sondern auf die Veränderung der Hautbeschaffenheit (ohne und mit Texturveränderungen, mit Narbensträngen, mit Instabilität und Hypertrophie). Dr. R. hat schon nicht nachvollziehbar begründet, weshalb er eine Abweichung vom vorgegebenen Bogen für erforderlich hielt. Hierzu hätte es einer vertieften Auseinandersetzung bedurft, weshalb die vorgegebenen Alternativen eine adäquate Beurteilung der verbliebenen Einschränkungen nicht gewährleisten. In diesem Zusammenhang hätte es insbesondere der Darlegung bedurft, weshalb die Pigmentstörungen für sich genommen die Erhöhung des Faktors für die Bewertung des Lokalbefundes zwingend erforderlich gemacht haben und in ihren Auswirkungen den anderen Vorgaben (ohne und mit Texturveränderungen, mit Narbensträngen, mit Instabilität und Hypertrophie) gleichstehen. Der Senat hält die Einlassungen von Prof. Dr. S. für überzeugend, der darauf hinweist, dass die Pigmentstörungen in den Vorgaben keiner Steigerung unterliegen. Nur unter dem 4. Spiegelstrich - für den Faktor 3 - wird das Vorliegen von Pigmentveränderungen gefordert. Diese - hohe - Bewertung macht in der Tat nur dann Sinn, wenn hierdurch eine zusätzliche Einschränkung Berücksichtigung finden muss. Eine solche liegt gerade im Zusammenspiel von Pigmentveränderung und Instabilität und Hypertrophie, weil bei zusätzlich vorliegenden Pigmentveränderungen diese Pigmente zu einer Präkanzerose (Hautkrebs, Melanom) führen können. Dann erscheint der Ansatz eines Faktors 3 auch gerechtfertigt. Die Vorgaben des 4. Spiegelstriches liegen hier aber schon deshalb nicht vor, weil für die noch zu beurteilenden 7% der KOF weder eine Instabilität noch eine hypertrophe Narbenbeschaffenheit nachgewiesen ist (vgl. insoweit nur die Berichte von Prof. Dr. D. vom 20.09.2007 und 15.08.2008). Dementsprechend macht auch die Abänderung des Spiegelstriches 3 in "mit Pigmentveränderungen" mit Blick auf die Bedeutung der Pigmentveränderungen für die Bewertung der MdE keinen Sinn. Eine Notwendigkeit, Pigmentveränderungen bei der Bewertung mit "Narbensträngen" gleichzustellen und ebenfalls mit Faktor 2 zu bewerten, erschließt sich dem Senat daher ebenfalls nicht.

Einigkeit besteht zwischen den Sachverständigen insoweit, als für die somatischen und vegetativen Beschwerden aufgrund der vorliegenden Trockenheit der Haut, des Spannungsgefühls, des Juckreizes, der vermehrten Verletzlichkeit der Haut und des Taubheitsgefühls (fünf Nennungen der vorgegebenen neun Einschränkungen) - den Vorgaben des Schemas entsprechend - weitere 10 Punkte anzusetzen waren. Dies entspricht den Feststellungen in den jeweiligen Gutachten, weshalb der Senat keinen Anlass sieht, hiervon abzuweichen.

Gleiches gilt für die Bewertung der MdE aus Funktionseinschränkungen nach der Neutral-Null-Methode, die unter Rubrik A des Bewertungsbogens aufgeführt ist und sich auch bei dem Schema nach Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O.) findet. Auch hier sind die Sachverständigen nach ausführlicher Untersuchung in den Gutachten vom 07.12.2009, 04.10.2010 und 07.11.2011 übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt, dass durch die Brandverletzung funktionelle Einschränkungen, insbesondere im Bereich der Gliedmaßen, nicht zurückgeblieben sind. Die Funktionen aller großen und kleinen Gelenke waren insoweit unbeeinträchtigt, die Kraftentwicklung seitengleich ausgeprägt, die Greiffunktionen der Hand erhalten, sodass für die Rubrik A keine weitere (Teil-)MdE zu vergeben war. Im Bereich der Rubrik A sind darüber hinaus weitere Einschränkungen nicht zu berücksichtigen. Soweit Schönberger/Mehrtens/Valentin (a.a.O., S. 838) in dieser Rubrik auch eine Beeinträchtigung der normalen Temperaturregelung von Haut und Unterhaut, Störung der Sensibilität, Reduzierung der Elastizität und Gleitfähigkeit auf Muskel- und Sehnengewebe sowie Fehlen von Hautanhanggebilden berücksichtigt haben will, vermag sich der Senat dem nicht anzuschließen, da dies zu einer weitgehenden Mehrfachberücksichtigung dieser Einschränkungen führte. Denn in der Rubrik C des auf Seite 839 abgedruckten Schemas werden diese Einschränkungen bereits im Wesentlichen bei den Fragen nach somatischen und vegetativen Beschwerden berücksichtigt.

Für rentenrelevante Einschränkungen auf psychiatrischem Fachgebiet liegen keine Anhaltspunkte vor. Entsprechende Diagnosen oder die Notwendigkeit einer fachpsychiatrischen Behandlung finden sich weder in den Gutachten noch sonst in den Akten, noch wird entsprechendes vom Kläger behauptet. Allein die Feststellung, Probleme mit dem veränderten Aussehen zu haben, und sich "teilweise" auch Selbstvorwürfe wegen des erlittenen Unfalles zu machen (Feststellungen von Priv.-Doz. Dr. L. und Dr. R.) rechtfertigen nicht die Annahme einer eigenständigen MdE auf psychiatrischem Fachgebiet. Daher sind weitere Folgen des Unfalles bei der Bewertung der MdE auch nicht zu berücksichtigen.

Ausgehend von den Vorgaben des Begutachtungsbogens ist die MdE daher zunächst aus der Punktzahl der Rubriken B (24) + C (10) zu bilden. Bei den erreichten 34 Punkten sieht dieses Schema eine MdE von 10 v.H. vor. Eine MdE von 20 v.H. wird erst bei einer Punktzahl von 40 vergeben, wobei offenbleiben kann, ob hierfür 40 Punkte oder 41 Punkte zu fordern sind. Eine MdE um 10 v.H. wird den vorliegenden, auf den Unfall zurückzuführenden Einschränkungen auch in vollem Umfang gerecht. Ein Abweichen nach oben ist angesichts der verbliebenen Folgen nicht gerechtfertigt. Im Hinblick auf die Erwerbsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, die dieser MdE-Einschätzung zugrunde zu liegen hat, weist der Senat darauf hin, dass der Kläger in seinem Beruf als Mechatroniker seit 30.07.2007 wieder vollschichtig einsetzfähig ist. An funktionellen Einschränkungen bestehen noch Sensibilitätsstörungen, Juckreiz und Spannungsgefühle in den Narbenbereichen. Die Verbrennungsareale - 9 % der KOF - müssen noch täglich morgens und abends mit einer Fettcreme behandelt werden. Schließlich muss der Kläger direkte Sonneneinstrahlung meiden. Damit ist der Kläger aber deutlich weniger in seiner Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt als Versicherte, die für den Verlust des Daumens im Grundgelenk oder einer Handgelenksversteifung in günstiger Stellung mit einer Rente nach einer MdE um 20 v.H. entschädigt werden.

Damit hat das SG die Beklagte zu Unrecht verurteilt, eine Verletztenrente bis 03.10.2011 zu gewähren. Das Urteil war daher abzuändern und die Klage in vollem Umfang abzuweisen. Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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