Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 AL 1423/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AL 5237/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 08. November 2013 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen.
Der 1963 geborene Kläger ist gelernter Groß- und Einzelhandelskaufmann. Er ist seit Juni 1999 arbeitslos, unterbrochen durch ein Praktikum bis Juli 2000 und eine Maßnahme zur Aktivierung vom 09.11.2009 bis zum 08.04.2010. Sozialleistungen bezieht er nicht. Er war bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit als arbeitsuchend ohne Leistungsbezug (NLE) gemeldet. Unter dem 05.07.2012 schlossen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung (EV) mit der Rechtsfolgenbelehrung für NLE. Nachdem der Kläger zu einem Gespräch am 18.10.2012 nicht erschienen war, verhängte die Beklagte eine Vermittlungssperre bis zum 13.01.2013.
In einem Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 8 SB 3018/11) verglichen sich der Kläger und das Land Baden-Württemberg unter dem 10.12.2012 dahin, dass bei dem Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 20 seit dem 01.06.2012 und 30 seit dem 08.09.2012 bestehe. Zu Grunde lagen ein Diabetes mellitus (Einzel-GdB 30) und ein Tinnitus (10, vgl. die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Wolf vom 28.11.2012).
Am 07.12.2012 formlos und am 17.12.2012 mit Vordruck beantragte der Kläger bei der Beklagten Gleichstellung. Er verwies auf den GdB von 30 wegen des Diabetes. Er benötige die Gleichstellung, um seine Vermittlungschancen zu erhöhen.
Mit Bescheid vom 17.12.2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger sei derzeit nicht beschäftigt. Ob er der Gleichstellung zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes bedürfe, habe derzeit nicht geprüft werden können, da er wegen der Vermittlungssperre der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe.
Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, er könne die auf Grund der EV vorgeschlagenen Beschäftigungen als Helfer nicht ausüben, da dies zwangsläufig zu einer starken Hyperglykämie führen würde. Vermittlungsvorschläge für seinen erlernten Beruf habe er auf Grund seiner Langzeitarbeitslosigkeit schon seit längerer Zeit nicht mehr erhalten. Ein gesundheitlich geeigneter Arbeitsplatz sei dann nicht geeignet, wenn mit ihm ein sozialer Abstieg verbunden sei.
Die Beklagte erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 15.04.2013. Die behinderungsbedingten Einschränkungen des Klägers seien nicht die wesentliche Ursache für die bislang nicht erfolgte Integration in den Arbeitsmarkt. Verantwortlich dafür sei vielmehr die lange Arbeitslosigkeit.
Am 13.05.2013 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Reutlingen erhoben, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 31.05.2013 an das Sozialgericht Konstanz (SG) verwiesen hat. Der Kläger hat vorgetragen, er habe nach einer Probearbeit bei der Post Rückenschmerzen und Hyperglykämien gehabt. Er wolle nicht in unterqualifizierte Helferstellen abgeschoben werden. Er hat eine Stellenannonce der Erzdiözese Freiburg aus dem Juni 2013 für einen Verwaltungsbeauftragten (23 Wochenstunden) vorgelegt, auf die Bezug genommen wird. In einer persönlichen Anhörung am 09.10.2013 vor dem SG hat der Kläger mitgeteilt, seiner Einschätzung nach könne er seinen Ausbildungsberuf als Groß- und Einzelhandelskaufmann trotz seiner Behinderung gesundheitlich noch ausüben, ihn stelle aber kein Arbeitgeber mehr ein, weil er zu lange aus seinem Beruf ausgeschieden sei, ihm die nötige Qualifikation fehle und er zu alt werde, weswegen nur Helferstellen zur Verfügung ständen, die er aber gesundheitsbedingt nicht ausüben könne.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.11.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Da der Kläger derzeit keinen Arbeitsplatz innehabe, könne sich sein Anspruch nur auf § 2 Abs. 3 Var. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) stützen, also auf behinderungsbedingte Schwierigkeiten bei der Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes. Maßstab für die Beurteilung seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Tätigkeiten, auf welche die Beklagte ihre Vermittlungsbemühungen erstrecken dürfe. Vor diesem Hintergrund sei die Behinderung des Klägers nicht die wesentliche Bedingung für seine Nachteile auf dem Arbeitsmarkt. Niedrig qualifizierte Helferstellen könne er gesundheitsbedingt - nach seinen Angaben - nicht mehr ausüben; insoweit könne eine Gleichstellung seinen Nachteil nicht beseitigen. Die gesundheitsbedingt bzw. behinderungsbedingt in Frage kommenden höher qualifizierten Arbeitsplätze, insbesondere in seinem Ausbildungsberuf, könne der Kläger - wie er selbst angebe - wegen seiner langjährigen Arbeitslosigkeit nicht mehr erhalten. Insofern bestehe kein behinderungsbedingter Nachteil. Hierfür sprächen auch die tatsächlichen Umstände: Wegen des Diabetes müsse der Kläger morgens um 07.00 Uhr seinen Blutzucker messen. Dies sei vor Beginn üblicher Arbeitszeiten.
Gegen diesen Gerichtsbescheid, der ihm am 13.11.2013 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 04.12.2013 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Er trägt vor, er müsse seinen Diabetes seit Juni 2012 ergänzend oral mit Antidiabetika behandeln. Er verfüge nur über veraltete berufliche Kenntnisse, weswegen ihn die Beklagte als ungelernt einstufe. Ungelernte Stellen könne er jedoch behinderungsbedingt nicht ausüben. Durch seinen Diabetes ergäben sich Nachteile auf Grund der Gefahr von Hyperglykämien, behinderungsbedingter Fehlzeiten, verminderter Arbeitsleistung und Leistungseinschränkungen wie des Verbots von Schichtarbeit. Die Beklagte, konkret die Integrationsabteilung der Beklagten in der zuständigen Agentur für Arbeit, verweigere ihm - dem Kläger - seit Jahren den begehrten Vermittlungsgutschein für eine private Arbeitsvermittlung. Auch habe ein gleichgestellter Mensch Anspruch auf Unterstützung durch den Integrationsfachdienst (IFD).
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 08. November 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. April 2013 dazu zu verpflichten, ihn - den Kläger - einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und ihre Entscheidungen. Sie verweist darauf, dass der Kläger eine Klage gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund in der Berufungsinstanz beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 10 R 736/13) zurückgenommen habe, weil dort keine Ausschlag gebenden gesundheitlichen Leistungseinschränkungen für eine Tätigkeit als Groß- und Einzelhandelskaufmann hätten festgestellt werden können. Die behandelnden Ärzte hätten vielmehr eine Motivationsproblematik festgestellt und dem Kläger angeraten, seine Ansprüche an einen Arbeitsplatz zu überdenken. Auch das genannte Integrationsteam der zuständigen Agentur für Arbeit habe zuletzt einen besonderen Bedarf an motivierender persönlicher Betreuung festgestellt. Die Beklagte teilt mit, dass sich der Kläger auch nach Ablauf der Vermittlungssperre am 13.01.2013 nicht mehr bei ihr gemeldet habe.
Der Senat hat die Akten der Berufungsverfahren L 8 SB 3018/11 und L 10 R 736/13 beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte streitig über die Berufung entscheiden, auch wenn der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung am 08.03.2014 zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen war. Auf diese Möglichkeit war der Kläger in der Ladung hingewiesen worden.
Die Berufung ist nach § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig (§ 151 Abs. 1 SGG), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch gegen die Beklagte auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen zu.
Allerdings erfüllt der Kläger mit einem festgestellten GdB von 30 die Eingangsvoraussetzungen aus § 2 Abs. 3 SGB IX.
Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass für den Kläger nur der Anspruch aus der zweiten Variante dieser Norm in Betracht kommt, da er zurzeit keinen Arbeitsplatz innehat, der ggfs. in Folge der Behinderung gefährdet wäre. Ebenso zutreffend hat das SG die rechtlichen Voraussetzungen dafür beschrieben, dass ein geeigneter Arbeitsplatz in Folge der Behinderung nicht erlangt werden kann. Darauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Zu ergänzen ist nur, dass die Behinderung die wesentliche Ursache für die Notwendigkeit einer Gleichstellung sein muss und daher nicht verlangt werden kann, wenn die Arbeitsmarktprobleme unabhängig von der Behinderung bestehen, z. B. überwiegend auf allgemeine qualifikations- oder altersbedingte Einschränkungen zurückzuführen sind (Luthe, in: Juris-Praxiskommentar SGB IX, 2009, § 2 Rn. 96 m.w.N.). Wenn verschiedene Vermittlungshemmnisse aus unterschiedlichen Bereichen zusammenkommen, kann aber eine Gleichstellung in Betracht kommen, wenn plausibel gemacht werden kann, dass die Behinderung wegen befürchteter Minderleistungen eine wesentliche Ursache für die Arbeitsplatzprobleme des behinderten Menschen ist (Luthe, a.a.O. m.w.N.).
Auch der Senat ist der Ansicht, dass bei dem Kläger die nicht behinderungsbedingten Vermittlungshemmnisse im Vordergrund stehen und der wesentliche Grund für seine Erfolglosigkeit bei der Arbeitssuche sind. Der Kläger hat selbst eingeräumt, gesundheitlich stehe einer Tätigkeit in seinem Ausbildungsberuf nichts entgegen. Er selbst befürchtet also keine Einschränkungen. Soweit er nunmehr in der Berufungsinstanz pauschal auf erhöhte Krankheitszeiten hinweist, ist dies nicht nachvollziehbar. Aus den beigezogenen Akten des SB-Verfahrens ergibt sich, dass der Diabetes unter der inzwischen durchgeführten kombinierten Therapie eingestellt ist. Dr. Hausmanns hatte dort unter dem 17.09.2012 als sachverständiger Zeuge von einer Stabilisierung bzw. Besserung nach Anwendung eines Langzeitinsulins berichtet. Es ist daher nicht erkennbar, wieso erhöhte Krankheitszeiten auftreten sollten. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die ebenfalls beigezogene Akte des Rentenstreitverfahrens, in dem der Kläger eine Maßnahme der beruflichen Rehabilitation begehrt hatte und zu dem - im Berufungsverfahren - die jetzige Beklagte beigeladen war. In jenem Verfahren hatte der behandelnde Neurologe und Psychiater unter dem 18.04.2013 bekundet, seiner Einschätzung nach ständen die krankheitsbedingten Einschränkungen einer Berufstätigkeit als Groß- und Einzelhandelskaufmann nicht entgegen; der Zeuge hatte dem Kläger sogar nachdrücklich "klargemacht", dass er eine Berufstätigkeit aufnehmen solle, ggfs. zunächst eine Arbeitsgelegenheit, um allmählich wieder an einen Arbeitsplatz gewöhnt zu werden. Aus all diesen Erkenntnissen ergibt sich, dass bei dem Kläger in erster Linie die lange Arbeitslosigkeit mit einer Arbeitsentwöhnung und ein gewisser Motivationsmangel einer Eingliederung in das Erwerbsleben entgegenstehen.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen.
Der 1963 geborene Kläger ist gelernter Groß- und Einzelhandelskaufmann. Er ist seit Juni 1999 arbeitslos, unterbrochen durch ein Praktikum bis Juli 2000 und eine Maßnahme zur Aktivierung vom 09.11.2009 bis zum 08.04.2010. Sozialleistungen bezieht er nicht. Er war bei der beklagten Bundesagentur für Arbeit als arbeitsuchend ohne Leistungsbezug (NLE) gemeldet. Unter dem 05.07.2012 schlossen die Beteiligten eine Eingliederungsvereinbarung (EV) mit der Rechtsfolgenbelehrung für NLE. Nachdem der Kläger zu einem Gespräch am 18.10.2012 nicht erschienen war, verhängte die Beklagte eine Vermittlungssperre bis zum 13.01.2013.
In einem Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 8 SB 3018/11) verglichen sich der Kläger und das Land Baden-Württemberg unter dem 10.12.2012 dahin, dass bei dem Kläger ein Grad der Behinderung (GdB) von 20 seit dem 01.06.2012 und 30 seit dem 08.09.2012 bestehe. Zu Grunde lagen ein Diabetes mellitus (Einzel-GdB 30) und ein Tinnitus (10, vgl. die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. Wolf vom 28.11.2012).
Am 07.12.2012 formlos und am 17.12.2012 mit Vordruck beantragte der Kläger bei der Beklagten Gleichstellung. Er verwies auf den GdB von 30 wegen des Diabetes. Er benötige die Gleichstellung, um seine Vermittlungschancen zu erhöhen.
Mit Bescheid vom 17.12.2012 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Kläger sei derzeit nicht beschäftigt. Ob er der Gleichstellung zur Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes bedürfe, habe derzeit nicht geprüft werden können, da er wegen der Vermittlungssperre der Arbeitsvermittlung nicht zur Verfügung stehe.
Im Widerspruchsverfahren trug der Kläger vor, er könne die auf Grund der EV vorgeschlagenen Beschäftigungen als Helfer nicht ausüben, da dies zwangsläufig zu einer starken Hyperglykämie führen würde. Vermittlungsvorschläge für seinen erlernten Beruf habe er auf Grund seiner Langzeitarbeitslosigkeit schon seit längerer Zeit nicht mehr erhalten. Ein gesundheitlich geeigneter Arbeitsplatz sei dann nicht geeignet, wenn mit ihm ein sozialer Abstieg verbunden sei.
Die Beklagte erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 15.04.2013. Die behinderungsbedingten Einschränkungen des Klägers seien nicht die wesentliche Ursache für die bislang nicht erfolgte Integration in den Arbeitsmarkt. Verantwortlich dafür sei vielmehr die lange Arbeitslosigkeit.
Am 13.05.2013 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Reutlingen erhoben, das den Rechtsstreit mit Beschluss vom 31.05.2013 an das Sozialgericht Konstanz (SG) verwiesen hat. Der Kläger hat vorgetragen, er habe nach einer Probearbeit bei der Post Rückenschmerzen und Hyperglykämien gehabt. Er wolle nicht in unterqualifizierte Helferstellen abgeschoben werden. Er hat eine Stellenannonce der Erzdiözese Freiburg aus dem Juni 2013 für einen Verwaltungsbeauftragten (23 Wochenstunden) vorgelegt, auf die Bezug genommen wird. In einer persönlichen Anhörung am 09.10.2013 vor dem SG hat der Kläger mitgeteilt, seiner Einschätzung nach könne er seinen Ausbildungsberuf als Groß- und Einzelhandelskaufmann trotz seiner Behinderung gesundheitlich noch ausüben, ihn stelle aber kein Arbeitgeber mehr ein, weil er zu lange aus seinem Beruf ausgeschieden sei, ihm die nötige Qualifikation fehle und er zu alt werde, weswegen nur Helferstellen zur Verfügung ständen, die er aber gesundheitsbedingt nicht ausüben könne.
Mit Gerichtsbescheid vom 08.11.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Da der Kläger derzeit keinen Arbeitsplatz innehabe, könne sich sein Anspruch nur auf § 2 Abs. 3 Var. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) stützen, also auf behinderungsbedingte Schwierigkeiten bei der Erlangung eines geeigneten Arbeitsplatzes. Maßstab für die Beurteilung seien nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) die Tätigkeiten, auf welche die Beklagte ihre Vermittlungsbemühungen erstrecken dürfe. Vor diesem Hintergrund sei die Behinderung des Klägers nicht die wesentliche Bedingung für seine Nachteile auf dem Arbeitsmarkt. Niedrig qualifizierte Helferstellen könne er gesundheitsbedingt - nach seinen Angaben - nicht mehr ausüben; insoweit könne eine Gleichstellung seinen Nachteil nicht beseitigen. Die gesundheitsbedingt bzw. behinderungsbedingt in Frage kommenden höher qualifizierten Arbeitsplätze, insbesondere in seinem Ausbildungsberuf, könne der Kläger - wie er selbst angebe - wegen seiner langjährigen Arbeitslosigkeit nicht mehr erhalten. Insofern bestehe kein behinderungsbedingter Nachteil. Hierfür sprächen auch die tatsächlichen Umstände: Wegen des Diabetes müsse der Kläger morgens um 07.00 Uhr seinen Blutzucker messen. Dies sei vor Beginn üblicher Arbeitszeiten.
Gegen diesen Gerichtsbescheid, der ihm am 13.11.2013 zugestellt worden ist, hat der Kläger am 04.12.2013 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg erhoben. Er trägt vor, er müsse seinen Diabetes seit Juni 2012 ergänzend oral mit Antidiabetika behandeln. Er verfüge nur über veraltete berufliche Kenntnisse, weswegen ihn die Beklagte als ungelernt einstufe. Ungelernte Stellen könne er jedoch behinderungsbedingt nicht ausüben. Durch seinen Diabetes ergäben sich Nachteile auf Grund der Gefahr von Hyperglykämien, behinderungsbedingter Fehlzeiten, verminderter Arbeitsleistung und Leistungseinschränkungen wie des Verbots von Schichtarbeit. Die Beklagte, konkret die Integrationsabteilung der Beklagten in der zuständigen Agentur für Arbeit, verweigere ihm - dem Kläger - seit Jahren den begehrten Vermittlungsgutschein für eine private Arbeitsvermittlung. Auch habe ein gleichgestellter Mensch Anspruch auf Unterstützung durch den Integrationsfachdienst (IFD).
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 08. November 2013 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17. Dezember 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15. April 2013 dazu zu verpflichten, ihn - den Kläger - einem schwerbehinderten Menschen gleichzustellen.
die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt den angegriffenen Gerichtsbescheid und ihre Entscheidungen. Sie verweist darauf, dass der Kläger eine Klage gegen die Deutsche Rentenversicherung Bund in der Berufungsinstanz beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (L 10 R 736/13) zurückgenommen habe, weil dort keine Ausschlag gebenden gesundheitlichen Leistungseinschränkungen für eine Tätigkeit als Groß- und Einzelhandelskaufmann hätten festgestellt werden können. Die behandelnden Ärzte hätten vielmehr eine Motivationsproblematik festgestellt und dem Kläger angeraten, seine Ansprüche an einen Arbeitsplatz zu überdenken. Auch das genannte Integrationsteam der zuständigen Agentur für Arbeit habe zuletzt einen besonderen Bedarf an motivierender persönlicher Betreuung festgestellt. Die Beklagte teilt mit, dass sich der Kläger auch nach Ablauf der Vermittlungssperre am 13.01.2013 nicht mehr bei ihr gemeldet habe.
Der Senat hat die Akten der Berufungsverfahren L 8 SB 3018/11 und L 10 R 736/13 beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte streitig über die Berufung entscheiden, auch wenn der Kläger trotz ordnungsgemäßer Ladung am 08.03.2014 zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen war. Auf diese Möglichkeit war der Kläger in der Ladung hingewiesen worden.
Die Berufung ist nach § 105 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und auch sonst zulässig (§ 151 Abs. 1 SGG), aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG) abgewiesen. Dem Kläger steht kein Anspruch gegen die Beklagte auf Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen zu.
Allerdings erfüllt der Kläger mit einem festgestellten GdB von 30 die Eingangsvoraussetzungen aus § 2 Abs. 3 SGB IX.
Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass für den Kläger nur der Anspruch aus der zweiten Variante dieser Norm in Betracht kommt, da er zurzeit keinen Arbeitsplatz innehat, der ggfs. in Folge der Behinderung gefährdet wäre. Ebenso zutreffend hat das SG die rechtlichen Voraussetzungen dafür beschrieben, dass ein geeigneter Arbeitsplatz in Folge der Behinderung nicht erlangt werden kann. Darauf wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG). Zu ergänzen ist nur, dass die Behinderung die wesentliche Ursache für die Notwendigkeit einer Gleichstellung sein muss und daher nicht verlangt werden kann, wenn die Arbeitsmarktprobleme unabhängig von der Behinderung bestehen, z. B. überwiegend auf allgemeine qualifikations- oder altersbedingte Einschränkungen zurückzuführen sind (Luthe, in: Juris-Praxiskommentar SGB IX, 2009, § 2 Rn. 96 m.w.N.). Wenn verschiedene Vermittlungshemmnisse aus unterschiedlichen Bereichen zusammenkommen, kann aber eine Gleichstellung in Betracht kommen, wenn plausibel gemacht werden kann, dass die Behinderung wegen befürchteter Minderleistungen eine wesentliche Ursache für die Arbeitsplatzprobleme des behinderten Menschen ist (Luthe, a.a.O. m.w.N.).
Auch der Senat ist der Ansicht, dass bei dem Kläger die nicht behinderungsbedingten Vermittlungshemmnisse im Vordergrund stehen und der wesentliche Grund für seine Erfolglosigkeit bei der Arbeitssuche sind. Der Kläger hat selbst eingeräumt, gesundheitlich stehe einer Tätigkeit in seinem Ausbildungsberuf nichts entgegen. Er selbst befürchtet also keine Einschränkungen. Soweit er nunmehr in der Berufungsinstanz pauschal auf erhöhte Krankheitszeiten hinweist, ist dies nicht nachvollziehbar. Aus den beigezogenen Akten des SB-Verfahrens ergibt sich, dass der Diabetes unter der inzwischen durchgeführten kombinierten Therapie eingestellt ist. Dr. Hausmanns hatte dort unter dem 17.09.2012 als sachverständiger Zeuge von einer Stabilisierung bzw. Besserung nach Anwendung eines Langzeitinsulins berichtet. Es ist daher nicht erkennbar, wieso erhöhte Krankheitszeiten auftreten sollten. Bestätigt wird diese Einschätzung durch die ebenfalls beigezogene Akte des Rentenstreitverfahrens, in dem der Kläger eine Maßnahme der beruflichen Rehabilitation begehrt hatte und zu dem - im Berufungsverfahren - die jetzige Beklagte beigeladen war. In jenem Verfahren hatte der behandelnde Neurologe und Psychiater unter dem 18.04.2013 bekundet, seiner Einschätzung nach ständen die krankheitsbedingten Einschränkungen einer Berufstätigkeit als Groß- und Einzelhandelskaufmann nicht entgegen; der Zeuge hatte dem Kläger sogar nachdrücklich "klargemacht", dass er eine Berufstätigkeit aufnehmen solle, ggfs. zunächst eine Arbeitsgelegenheit, um allmählich wieder an einen Arbeitsplatz gewöhnt zu werden. Aus all diesen Erkenntnissen ergibt sich, dass bei dem Kläger in erster Linie die lange Arbeitslosigkeit mit einer Arbeitsentwöhnung und ein gewisser Motivationsmangel einer Eingliederung in das Erwerbsleben entgegenstehen.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten im Berufungsverfahren beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
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