L 15 SO 344/13 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 92 SO 1213/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 15 SO 344/13 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 31. Oktober 2013 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

Die Beschwerde ist bereits nicht statthaft, weshalb sie als unzulässig zu verwerfen war.

Gemäß § 172 Abs. 2 Nr. 2 Buchstabe b) Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der ab 25. Oktober 2013 geltenden Fassung des Art. 7 Nr. 11 Buchstabe b) i.V. mit Art. 17 Abs. 1 des Gesetzes zur Neuorganisation der bundesunmittelbaren Unfallkassen, zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und zur Änderung anderer Gesetze (BUK-Neuorganisationsgesetz – BUK-NOG) vom 19. Oktober 2013 (BGBl. Nr. 63 vom 24. Oktober 2013, S. 3836) ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedurfte.

Die Vorschrift in dieser Fassung ist anwendbar. Aus dem Grundsatz des intertemporalen Prozessrechts folgt, dass eine Änderung des Verfahrensrechts grundsätzlich auch anhängige Rechtsstreitigkeiten erfasst (stellvertretend hierzu wie generell zum folgenden Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 7. Juli 1992 – 2 BvR 1631/90 und 2 BvR 1728/90, BVerfGE 87, 48 mit zahlreichen Nachweisen; hieran anschließend etwa den Beschluss des Senats vom 28. April 2008 - L 15 B 94/08 SO -).

Der genannte Grundsatz erfährt im vorliegenden Fall keine verfassungsrechtlich gebotenen Einschränkungen. Ein Instanzenzug wird durch das Grundgesetz (GG) nicht, im Besonderen auch nicht durch dessen Art. 19. Abs. 4, gewährleistet (ständige Rechtsprechung des BVerfG seit BVerfGE 1, 433; weitere Nachweise auch hierzu in BVerfGE 87, 48). Dem Gesetzgeber ist es deshalb nicht verwehrt, ein bisher statthaftes Rechtsmittel abzuschaffen oder den Zugang zu einem an sich eröffneten Rechtsmittel von neuen einschränkenden Voraussetzungen abhängig zu machen.

Aus den sich aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG ergebenden Grundsätzen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes lässt sich lediglich für Rechtsmittelverfahren, welche im Zeitpunkt einer Gesetzesänderung bereits anhängig sind, eine generelle einschränkende Konkretisierung des Grundsatzes des intertemporalen Prozessrechts ableiten: Fehlen abweichende Bestimmungen, führt eine nachträgliche Beschränkung von Rechtsmitteln gerade nicht dazu, dass die Statthaftigkeit eines bereits eingelegten Rechtsmittels entfällt (Prinzip der Rechtsmittelsicherheit).

Auch aus dem Postulat der Rechtsmittelklarheit, welches sich ebenfalls aus dem Gebot der Rechtssicherheit ableitet und besagt, dass der Rechtssuchenden in klarer Abgrenzung der Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen zu weisen ist (s. BVerfGE 49, 148 [164]), ergibt sich nichts anderes. Die Klägerin hätte erkennen können, dass eine Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts nur noch unter den Voraussetzungen des bei Einlegung des Rechtsmittels geltenden Rechts statthaft war: In diesem Zeitpunkt, war das Gesetz, welches auf ihre vormalige prozessuale Lage einwirkte, bereits veröffentlicht und galt damit auch ihr gegenüber als bekannt ("formelle Publizität"). Dass die Gesetzesänderung alsbald in Kraft treten und damit den Zugang zur Beschwerde verschließen würde, war absehbar. Der Bundestag hatte bereits am 30. Juni 2013 den Gesetzesbeschluss zum BUK-NOG angenommen (BT-Plenarprotokoll 17/250 S. 31942D; Unterrichtung des Bundesrates am 30. August 2013, BR-Drs 633/13). Der Bundesrat hatte am 20. September 2013 und damit noch vor der Entscheidung des Sozialgerichts beschlossen, den Vermittlungsausschuss nicht anzurufen (BR-Drs 633/13 [Beschluss]). Damit hing das Wirksamwerden des Gesetzes nur noch davon ab, wie lange das Ausfertigungs- und Veröffentlichungsverfahren dauern würde.

Nach dem somit geltenden Recht ist die Beschwerde nicht statthaft. In der Hauptsache bedürfte die Berufung der Zulassung. Die Klägerin wendet sich gegen die Höhe von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, die vom Beklagten für die Dauer eines Jahres bewilligt worden sind. Damit sind nicht im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen.

Es ist auch nicht dargelegt, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 EUR übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts kann nicht auf den Auffangstreitwert zurückgegriffen werden, welchen das Gerichtskostengesetz für gerichtskostenpflichtige Verfahren vorsieht. Es handelt sich insoweit um einen rein fiktiven Wertansatz, um eine Gebührenberechnung in bestimmten Fällen zu ermöglichen.

Soweit die Klägerin mit ihrer Klage ausdrücklich geltend macht, es seien ihr Leistungen "in gesetzlicher Höhe" zu gewähren, ergibt sich eine Beschwer von vornherein nicht, weil der Beklagte gerade Leistungen in der Höhe gewährt, die das (einfache) Gesetz vorsieht. Den Ausführungen der Klägerin zur Begründung des Klageantrags ist lediglich abstrakt zu entnehmen, dass sie den einfachgesetzlichen Rechtszustand bezüglich der Höhe des Regelbedarfs als verfassungswidrig ansieht, dagegen nicht, welche Leistungshöhe aus ihrer Sicht (mindestens) den verfassungsgemäßen Zustand darstellen würde. Von sich aus ist das Gericht nicht gehalten, darüber Vermutungen anzustellen. Dies gilt umso mehr, als der Wert von 750 EUR nur dann überschritten würde, wenn die Klägerin einen Regelbedarf in Höhe von monatlich weiteren 62,51 EUR (für die Dauer eines Jahres = 750,12 EUR), also einen mehr als 15 % höheren als bisher beanspruchen würde.

Der Umstand, dass das Sozialgericht die Beschwerde, ausgehend von seiner Rechtsauffassung, als statthaft ansah und dem angefochtenen Beschluss eine entsprechende Rechtsmittelbelehrung angefügt hat, ist ohne Belang. Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit eines Rechtsmittels ergeben sich allein aus dem Gesetz.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 SGG. Hierbei war zu berücksichtigen, dass die Beschwerde - wäre sie statthaft gewesen - auch in der Sache ohne Erfolg geblieben wäre. Das Sozialgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass das Bundessozialgericht für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Höhe des Regelbedarfs für Alleinstehende für die Zeit ab 1. Januar 2011 nicht als in verfassungswidriger Weise zu niedrig festgesetzt ansah (s. neben dem Urteil vom 12. Juli 2012 - B 14 AS 153/11 R -, SozR 4-4200 § 20 Nr. 17, das vom selben Tag zum Az. B 14 AS 189/11 R -, sowie die Urteile vom 28. März 2013 - B 4 AS 12/12 R -, SozR 4-4200 § 20 Nr. 18, und B 4 AS 47/12 R). Das BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden gegen die Urteile vom 12. Juli 2012 nicht zur Entscheidung angenommen (nicht veröffentlichte Beschlüsse vom 20. November 2012 - 1 BvR 2203/12 - und vom 27. Dezember 2012 - 1 BvR 2471/12). Weil die Sätze der Regelbedarfe in der Grundsicherung für Arbeitsuchende und bei den Hilfen zum Lebensunterhalt der Sozialhilfe (einschließlich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung) identisch sind, gibt es keinen Grund, die genannte Rechtsprechung nicht auf Fälle aus dem Bereich der Sozialhilfe zu übertragen. Allein die Möglichkeit, dass das Bundesverfassungsgericht in einem Verfahren der Verfassungsbeschwerde (1 BvR 1691/13) oder im - von vornherein keine alleinstehenden Hilfebedürftigen betreffenden - Verfahren der Richtervorlage (1 BvL 10/12) zu einer abweichenden verfassungsrechtlichen Beurteilung gelangen könnte, bietet noch keine hinreichende Aussicht auf Erfolg für das hier anhängige Klageverfahren. Es reicht vielmehr auch von Verfassungs wegen aus, die Erfolgsaussichten anhand der vorhandenen Rechtsprechung des zuständigen obersten Fachgerichts zu beurteilen (BVerfG, Beschluss vom 30. August 2006 - 1 BvR 2393/05 -).

Gegen diesen Beschluss gibt es kein Rechtsmittel (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved