Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 230/08
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 144/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Juni 2011 aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Erhöhung der Rente des Klägers aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 12. August 1978 nach einem Verschlimmerungsantrag.
Der 1949 geborene Kläger war als Lizenzfußballspieler bei dem Fußballbundesligaverein XY. beschäftigt. Am 12. August 1978 erlitt er während eines Bundesligaspiels von XY. bei ZZ. einen traumatisch bedingten Achillessehnenriss rechts. Am 5. Dezember 1978 zog sich der Kläger bei einem Testspiel eine weitere Ruptur an gleicher Stelle zu. Beide Rupturen wurden operativ versorgt.
In einem ersten Rentengutachten vom 8. Oktober 1979 nahm Dr. C. eine MdE von 30 v. H. für die Zeit vom 25. Mai bis zum 16. August 1979 und von 20 v. H. vom 17. August 1979 bis 12. August 1980 an. Am 26. Juni 1980 erstattete Dr. C. ein zweites Rentengutachten zur erstmaligen Feststellung der Dauerrente und schätzte nunmehr die MdE auf 10 v. H. ein, während der beratende Facharzt der Beklagten, Dr. D., die MdE am 16. Juli 1980 ohne weitere Begründung auf 20 v. H. bezifferte.
Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 8. August 1980 mit, statt der für den Arbeitsunfall vom 12. August 1978 gewährten vorläufigen Rente von 20 v. H. werde eine Dauerrente von 20 v. H. festgestellt. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Unter dem 6. Oktober 1981 erstattete Dr. E. ein zweites Rentengutachten zur Nachprüfung und gelangte zu dem Ergebnis, dass die MdE 10 v. H. betrage. Demgegenüber schätzte Dr. D. unter dem 11. November 1981 die MdE nach wie vor auf 20 v. H. ein.
Mit Schreiben vom 11. Juli 2007, bei der Beklagten eingegangen am 18. Juli 2007, stellte der Kläger einen Verschlimmerungsantrag wegen des Unfalls vom 12. August 1978.
Daraufhin erstattete Prof. Dr. F. unter dem am 10. Dezember 2007 ein Gutachten und kam zu dem Ergebnis, dass im Vergleich zu den der Rentengewährung vom 8. August 1980 zugrunde liegenden Befunden nun eine signifikante Beeinträchtigung bestehe, so dass der Verschlimmerungsantrag gerechtfertigt und die MdE ab dem Antragszeitpunkt auf 30 v. H. zu schätzen sei. In einer ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 4. März 2008 führte der Sachverständige aus, unabhängig von der bereits bestehenden Rentenbewilligung nach einer MdE von 20 v. H. und der eingetretenen Verschlimmerung sei die MdE bei freier Einschätzung entsprechend der Gutachtenliteratur mit 20 v. H. als korrekt anzusehen.
Nach entsprechender Anhörung vom 21. April 2008 erteilte die Beklagte einen Bescheid vom 5. Juni 2008 über die Aussparung einer Rentenerhöhung nach § 48 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) mit folgendem Tenor:
1. Der Bescheid vom 08.08.1980 über die Feststellung einer Dauerrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 % aufgrund des Arbeitsunfalles vom 12.08.1978 ist rechtswidrig. Die MdE wurde in dem Bescheid irrtümlich zu hoch festgestellt und betrug damals in Wirklichkeit nur 10 %. Zu diesem Zeitpunkt hatten Sie aufgrund des Arbeitsunfalles vom 12.08.1978 daher keinen Anspruch auf Feststellung einer (Dauer)Rente.
2. Zwischenzeitlich ist es durch eine Verschlimmerung der Unfallfolgen zu einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse zu Ihren Gunsten mit Erhöhung des Grades der MdE um 10 % gekommen. Ohne Berücksichtigung der Bestandskraft des Bescheides vom 08.08.1980 beträgt die MdE erst seit dieser wesentlichen Änderung der Verhältnisse 20 %. Trotz der Verschlimmerung erfolgt keine Erhöhung des Zahlbetrages Ihrer Rente. Der bisher aufgrund des rechtswidrigen begünstigenden Bescheides vom 08.08.1980 zu hoch berechnete Rentenbetrag wird nach §48 Abs. 3 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) von der an sich aufgrund der wesentlichen Änderung zu gewährenden Erhöhung "ausgespart". Im Ergebnis wird demnach aufgrund des Unfalles vom 12.08.1978 die laufende Rente nach einer MdE von 20% unverändert weitergezahlt.
Den hiergegen mit Schreiben vom 23. Juni 2008 eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2008 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 8. Oktober 2008 Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) erhoben.
Das Sozialgericht hat zunächst ein fachorthopädisch-unfallchirurgisches Sachverständigengutachten bei Dr. G. vom 24. Juni 2010 mit ergänzender Stellungnahme vom 2. November 2010 eingeholt. Dr. G. ist zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Kläger bereits im August 1980 die Voraussetzungen für eine MdE von nur 10 v. H. bestanden hätten und dies auch weiterhin der Fall sei.
Hierauf hat die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 24. November 2010 entschieden, gegenüber den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 11. Juni 2008 zugrunde gelegen hätten, sei es zu einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse gekommen. Ohne Berücksichtigung der Bestandskraft des rechtswidrigen Bescheides vom 8. August 1980 betrage die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) aufgrund des Versicherungsfalles vom 12. August 1978 nun wieder 10 v. H. Der aktuelle Zahlbetrag der Rente werde nach § 48 Abs. 3 SGB X von weiteren Erhöhungen in der Zukunft (z. B. durch Rentenanpassungen) so lange ausgespart, bis die rechtmäßig (ohne Berücksichtigung der Bestandskraft des Bescheides vom 8. August 1980) zu zahlende Rente diesen Betrag übersteige.
Anschließend hat das Sozialgericht ein weiteres Gutachten bei Prof. Dr. F. vom 11. März 2011 eingeholt, der zu dem Ergebnis gelangt ist, dass aufgrund der im Rahmen der Vorgutachten erhobenen Befunde bei Eintritt der Dauerrente die MdE mit 10 v. H. korrekt bewertet gewesen sei. Zum aktuellen Zeitpunkt der Verschlimmerung wäre aus gutachterlicher Sicht nunmehr von einer MdE von 20 v. H. auszugehen.
Mit einem weiteren Bescheid vom 19. Mai 2011 hat die Beklagte daraufhin den Bescheid vom 24. November 2010 aufgehoben bzw. zurückgenommen und auf der Grundlage des Bescheides vom 11. Juni 2008 im Ergebnis weiterhin eine Rente nach einer MdE von 20 v. H. gezahlt, ohne den gegenwärtigen Zahlbetrag der Rente von weiteren Erhöhungen - wie zum Beispiel Rentenanpassungen - in der Zukunft auszusparen.
Mit Gerichtsbescheid vom 14. Juni 2011 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2008 mit Ausnahme der Ziff. 2 Satz 1 des Entscheidungssatzes in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2008 sowie den Bescheid vom 19. Mai 2011 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Entschädigungsleistungen nach einer MdE von 30 v. H. ab 1. August 2007 zu zahlen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Abschmelzung sei materiell nicht haltbar. Bei dem Kläger sei zwischenzeitlich eine Verschlimmerung der Unfallfolgen eingetreten, die eine Erhöhung der Entschädigungsleistungen auf 30 v. H. zur Folge habe. Diese Verschlimmerung sei durch die Begutachtung von Prof. Dr. F. bestätigt und die Beklagte habe sie auch im Bescheid vom 11. Juni 2008, Verfügungssatz Ziffer 2 Satz 1, bestandskräftig festgestellt. Der entsprechende Anspruch des Klägers auf Erhöhung der Entschädigungsleistungen sei nicht gem. § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X ausgeschlossen. Voraussetzung für eine Abschmelzung nach § 48 Abs. 3 SGB X sei die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsaktes, die zweifelsfrei festgestellt sein müsse. Der hier maßgebliche Bescheid der Beklagten vom 8. August 1980 sei jedoch nicht ursprünglich rechtswidrig im Sinne des § 45 Abs. 1 SGB X. Demgemäß erwachse der Anspruch des Klägers aus dem bestandskräftigen Bescheid der Beklagten vom 8. August 1980. Dass eine offensichtliche Fehlerhaftigkeit des Bescheides der Beklagten dergestalt vorliege, dass eine Fehlerhaftigkeit "auf der Hand liege", sei in keiner Weise ersichtlich. Zwischen den Beteiligten sei ausschließlich die medizinische Beurteilung der Höhe der MdE stetig. Dass in diesem Zusammenhang die medizinische Beurteilung des beratenden Arztes der Beklagten vom 16. Juli 1980 und vom 11. November 1981 nach objektiven Gesichtspunkten als offensichtlich fehlerhaft zu beurteilen sei, sei für das Gericht nicht ersichtlich. So handele es sich bei den von der Beklagten vorgetragenen Argumenten ebenfalls lediglich um medizinische Auffassungen. Die Beurteilung, welche von diesen voneinander abweichenden medizinischen Lehrmeinungen richtig sei, sei nach der Rechtssprechung des BSG nicht Aufgabe des Gerichts. Könne eine Entscheidung – wie hier der Bescheid vom 8. August 1980 – demnach auf Grundlage jeder dieser beiden medizinischen Ausführungen getroffen werden, sei die Entscheidung der Beklagten, sich auf die medizinische Beurteilung des Dr. D. vom 16. Juli 1980 und vom 11. November 1981 zu stützen, nicht offensichtlich fehlerhaft, da eine solche Entscheidung jedenfalls vertretbar sei. Darüber hinaus bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 1. Juni 2008, des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2008 sowie des Bescheides vom 19. Mai 2011 unter Heranziehung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Rahmen des § 242 BGB. Aus diesem auch im Sozialrecht anerkannten Grundsatz sei das Rechtsinstitut der Verwirkung nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht zu ziehen, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend mache, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Berechtigte sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Verpflichteten habe darauf einrichten dürfen und sich eingerichtet habe, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Dies gelte aber wohl für einen Zeitraum von 28 Jahren, zumal der Leistungsträger der bereits laufend erbrachten Leistungen ermitteln müsse, ob die Voraussetzungen für die Leistungen noch vorlägen. Abgesehen davon seien im Unfallversicherungsrechtstreit die für die Bemessung der MdE maßgeblichen tatsächlichen medizinischen Verhältnisse nach längerer Zeit oft nur schwer aufklärbar. Dieser Grund, der eine möglichst zeitnahe Korrektur von Entschädigungsleistungen nahelege, sei so gewichtig, dass das Zeitmoment der Verwirkung in jedem Fall erfüllt sei, wenn Zeitabschnitte betroffen sind, die 28 Jahre zurücklägen. Neben dem Zeitmoment komme es für die Verwirkung auf das Umstandsmoment an, das heißt, es müssten besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Leistungsberechtigte sich nach Treu und Glauben darauf habe einrichten dürfen und eingerichtet habe, dass der Leistungsträger sein - vermeintliches - Recht nicht mehr geltend machen werde. Diese besonderen Umstände dürften im vorliegenden Fall in den Anpassungsmitteilungen vom 16. Dezember 1980, 15. Dezember 1981, 16. Juni 1983, 18. Juni 1984, 20. Juni 1985 zu sehen sein. Im Hinblick auf die immer wieder erfolgte Bestätigung der Ursprungsbewilligungsentscheidung vom 8. August 1980 habe der Kläger in jedem Fall darauf vertrauen können, dass die Beklagte bei ihrer Einschätzung bleiben und ihr - vermeintliches - Recht zur "Abschmelzung" nicht mehr betätigen werde.
Gegen diesen ihr am 21. Juni 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 7. Juli 2011 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt.
Die Beklagte ist der Auffassung, der Dauerrentenbescheid vom 8. August 1980 sei rechtswidrig, da der Kläger zum Zeitpunkt der Dauerrentenfeststellung keinen materiellen Rentenanspruch gehabt habe. Die rechtswidrige Feststellung beruhe auf der falschen MdE-Einschätzung des damaligen Beratungsarztes. Der Gutachter Dr. C. habe bereits damals die MdE korrekt mit 10 v. H. eingeschätzt. Die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung sei nach dem Verschlimmerungsantrag es Klägers vom 11. Juli 2007 aufgefallen und durch die Begutachtung durch Prof. Dr. F. sowie das Ergebnis der weiteren, seitens des Sozialgerichts veranlassten Begutachtungen bestätigt worden. Das erstinstanzliche Urteil laufe dem Sinn und Zweck des § 48 Abs. 3 SGB X zuwider und lasse die diesbezügliche ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung außer Betracht. Aber selbst nach den vom Sozialgericht angelegten Maßstäben, bestünden nach den vorliegenden Gutachten keine vernünftigen Zweifel an der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 8. August 1980. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts würden vorliegend auch keine voneinander abweichenden medizinischen Lehrmeinungen vertreten, sondern es liege eine falsche Anwendung der MdE-Erfahrungssätze durch den beratenden Arzt vor. Das Gericht habe aber eine Entscheidung zur Höhe der MdE zu treffen. Die unzutreffende Auffassung des Sozialgerichts führe dazu, dass nach fehlerhaften MdE-Feststellungen in Rentenbewilligungsbescheiden die Abschmelzungsvorschrift des § 48 Abs. 3 SGB X praktisch nicht mehr angewendet werden könne. Auch sei das Recht, die Verletztenrente abzuschmelzen, nicht verwirkt. Die Verwirkung eines Rechts auf Abschmelzung komme gar nicht in Betracht; dort sei es geradezu die Regel, dass die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides erst nach Jahren und mehreren Anpassungsmitteilungen, die jährlich maschinell versandt würden, bemerkt werde. § 48 Abs. 3 SGB X solle in solchen Fällen verhindern, dass eine irgendwann fehlerhaft entstandene zu hohe Zahlung durch eine Veränderung zugunsten des Betroffenen immer höher werde.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Juni 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für rechtmäßig und bezieht sich im Wesentlichen auf dessen Begründung; der Bescheid vom 8. August 1980 sei nicht rechtswidrig. Unterschiedliche Einschätzungen der MdE allein könnten rechtsdogmatisch nie eine Rechtswidrigkeit eines Bewilligungsbescheides bewirken. Zudem sei aber auch auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung bestehenden Befundlage eine MdE von 20 v. H. als angemessen anzusehen.
Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 2. Januar 2012 (Beklagte) bzw. vom 9. Januar 2012 (Prozessbevollmächtigter des Klägers) mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Senat ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere im Vorbringen der Beteiligten und in den medizinischen Unterlagen, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene, zulässige (§§ 143, 151 SGG) Berufung der Beklagten ist auch begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist rechtswidrig; die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente nach einer MdE von 30 v. H. wegen der Folgen seines anerkannten Arbeitsunfalls vom 12. August 1978. Die Beklagte durfte den Rentenanspruch des Klägers mit dem angefochtenen Bescheid vom 11. Juni 2008 "einfrieren".
Der Kläger ist vor Erlass des angefochtenen Bescheides ordnungsgemäß angehört worden (§ 24 Abs. 1 SGB X). Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X, auf den die Beklagte ihren Abschmelzungsbescheid stützt, sind vorliegend auch erfüllt.
Nach § 48 Abs. 3 SGB X darf unter der Voraussetzung, dass ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden kann und eine Änderung nach § 48 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB X zugunsten des Betroffenen eingetreten ist, die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Eine Rechtswidrigkeit i. S. des § 48 Abs. 3 SGB X ist dann anzunehmen, wenn aus damaliger Sicht der die Rente bewilligende Bescheid so nicht hätte ergehen dürfen (BSG, Urteil vom 2. November 1999 – B 2 U 47/98 R –, juris).
Der bestandskräftige Rentenbescheid vom 8. August 1980 war begünstigend. Da die Zwei-Jahres-Frist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X unzweifelhaft abgelaufen und der Kläger keinesfalls nach § 45 Abs. 4 Satz 2 Nr. i. V. m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 oder 3 SGB X bösgläubig war, konnte auch keine Rücknahme nach § 45 SGB X erfolgen.
Dass zwischenzeitlich auch eine Änderung zugunsten des Betroffenen eingetreten ist, nämlich eine Verschlimmerung der anerkannten Unfallfolgen, ist ebenfalls unstreitig vor dem Hintergrund aller vorliegenden medizinischen Unterlagen.
Der Beklagte hat jedoch zutreffend festgestellt, dass der begünstigende Verwaltungsakt rechtwidrig war.
Gemäß der auf den vorliegenden Versicherungsfall noch anzuwendenden §§ 580, 581 Reichsversicherungsordnung (RVO) wird eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und solange ein Verletzter infolge eines Versicherungsfalls über die 13. Woche nach Eintritt des Versicherungsfalls hinaus in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens 20 v. H. gemindert ist. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Hundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wenn dessen Folgen die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 548 Abs. RVO).
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist die Feststellung der Rechtswidrigkeit im Rahmen des § 48 Abs. 3 SGB X nicht auf Fälle offensichtlicher Fehlerhaftigkeit beschränkt. Vielmehr gelten hier dieselben Beweismaßstäbe wie im Rahmen der Erstfeststellung.
Wie die Beklagte zu Recht dargelegt hat, handelt es sich entgegen der Ausführungen des Sozialgerichts bei den in den Akten befindlichen unterschiedlichen ärztlichen MdE-Bewertungen keinesfalls um verschiedene medizinische Lehrmeinungen, über deren Richtigkeit das Gericht nicht zu befinden habe. Vielmehr richtet sich die MdE danach, in welchem Umfang die Unfallfolgen das körperliche und geistige Leistungsvermögen des Versicherten beeinträchtigen und seine Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindern. Steht die unfallbedingte Leistungseinbuße fest, so ist zu bewerten, wie sie sich im allgemeinen Erwerbsleben auswirkt (BSG, Urteile vom 29. November 1956, Az: 2 RU 121/56, BSGE 4, 147, 149, vom 27. Juni 2000, Az: B 2 U 14/99 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 7 und vom 2. Mai 2001, Az: B 2 U 24/00 R, SozR 3- 2200 § 581 Nr. 8). Dabei stellt die Bewertung der durch die Arbeitsunfallfolgen bedingten MdE eine tatsächliche Feststellung gemäß § 128 Abs. 2 SGG dar, die das Gericht nach freier, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnener Überzeugung zu treffen und zu begründen hat (BSGE 37, 177, 179; 41, 99, 100; ständige Rechtsprechung des Senats: bspw. Urteile vom 15. November 2000 – Az.: L 3 U 104/99, 28. September 2005, Az.: L 3 U 165/04 und vom 14. Juli 2009, Az.: L 3 U 191/07). Sie erfolgt in Anlehnung an § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) im Wege einer annäherungsweisen Schätzung. Ärztliche Sachverständigengutachten sind bei der Beantwortung dieser Frage meist unverzichtbar. Wie weit die Unfallfolgen die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Versicherten beeinträchtigen, beurteilt sich in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Um die MdE einzuschätzen, sind die Erfahrungssätze zu beachten, die die Rechtsprechung und das versicherungsrechtliche sowie versicherungsmedizinische Schrifttum herausgearbeitet haben. Auch wenn diese Erfahrungssätze das Gericht im Einzelfall nicht binden, so bilden sie doch die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis (BSG, Urteile vom 26. Juni 1985, Az: 2 RU 60/84, SozR 2200 § 581 Nr. 23, vom 26. November 1987, Az: 2 RU 22/87, SozR 2200 § 581 Nr. 27 und vom 30. Juni 1998, Az: B 2 U 41/97 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 5). Sie sind in Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und bilden die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet. Hierdurch wird gewährleistet, dass alle Betroffenen nach einheitlichen Kriterien begutachtet und beurteilt werden. Insoweit bilden sie ein geeignetes Hilfsmittel zur Einschätzung der MdE (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000, Az: B 2 U 49/99 R, HVBG-INFO 2001, 499, 500 ff.).
Die nach diesen Grundsätzen vorzunehmende Wertung führt aber vorliegend zur Überzeugung des Senats dazu, dass bei dem Kläger aufgrund der bestehenden Unfallfolgen jedenfalls im Zeitpunkt des Erlasses des bestandskräftigen Bescheides vom 8. August 1980 eine MdE von 20 v. H. nicht festzustellen war und deshalb die gegenteilige Entscheidung im Bescheid vom 8. August 1980 rechtswidrig war.
Nach Ruptur der Achillessehne sehen die anzuwenden Bewertungskriterien (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 402) je nach Funktionsbehinderung eine MdE von 20 bis 30 v. H. vor, wenn die Verletzung nur durch narbiges Bindegewebe ausgeheilt ist, eine MdE von bis zu 10 v. H., wenn sie gut und ohne Funktionsbehinderung verheilt ist, auch bei einer gewissen Muskelminderung. Eine nur durch narbiges Bindegewebe erfolgte Ausheilung wird nirgends beschrieben. Die gutachterliche Untersuchung durch Dr. C. im Rahmen des zweiten Rentengutachtens am 2. Juni 1980 ergab eine Beweglichkeit im rechten oberen Sprunggelenk von 10 – 0 – 30°. Dies wäre allein noch nicht MdE-relevant; eine MdE von 10 v. H. ist erst festzustellen, wenn bei einer Fußsenkung von 30° eine Fußhebung aus der 0°-Stellung nicht mehr möglich ist (vgl. zur Bewertung von Beeinträchtigung der Sprunggelenksfunktion: Schönberger u. a., a.a.O. S. 678). Auch zeigten sich in der Untersuchung im Übrigen im Bereich der Sprunggelenke und der Füße nahezu seitengleiche Verhältnisse. Der isolierte Stand auf beiden Füßen und der Zehen- und Hackenstand waren gut möglich; es zeigten sich keine wesentliche Blutumlaufstörung, seitengleiche Pulse, keine Ödeme und keine Sensibilitätsstörungen. Beidseits fand sich eine leichte Knickfußdeformität und eine stärkere Spreizfußstellung sowie eine Supinations-Adduktions-Kontrakturstellung. Die Beschwielung zog sich seitengleich von der Ferse über den Fußaußenrand zum Vorfuß. Beidseits war die Fußsohlenmuskulatur vor allem an der Innenseite druckschmerzhaft und nach stärkerer Vorspannung kam es zu Krämpfen. Nur unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich die Muskulatur im Bereich des rechten Beines zwar im Vergleich zu der früheren Untersuchung vom 16. August 1979 wieder auftrainiert, jedoch gegenüber links noch vermindert und kraftgemindert sowie schneller ermüdbar zeigte, lässt sich hier im Ergebnis noch eine MdE von 10 v. H. begründen, keinesfalls aber eine solche von 20 v. H. Der von Dr. D. vorgenommenen MdE-Einschätzung mit 20 kann vor diesem Hintergrund nicht gefolgt werden. Diese stimmt nicht mit den vorliegenden Befunden überein und wird seitens des beratenden Arztes auch weder auf der Grundlage der vorhandenen Befunde noch durch abweichende Befunde begründet. Die Feststellung, dass die Befunde vom 2. Juni 1980 keine MdE von 20 bedingten, wird so auch bestätigt durch den beratenden Chirurgen Dr. H., den Sachverständigen Prof. Dr. F. und den Sachverständigen Dr. G ... Vor diesem Hintergrund steht für den Senat fest, dass bereits zum Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides vom 8. August 1980 bei dem Kläger im Bereich des rechten Sprunggelenks nach der dort unfallbedingt erlittenen Achillessehnenruptur keine Funktionsbeeinträchtigungen mehr vorlagen, die einen MdE in rentenberechtigendem Ausmaß hätten begründen können.
Der Kläger kann sich gegenüber der Abschmelzungsentscheidung der Beklagten auch nicht auf Vertrauensschutz (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz - GG - ) berufen. Geschützt werden nur Rechtspositionen, die dem Betroffenen bereits zustehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Mai 1988, Az.: 2 BvR 579/84, BVerGE 78, 205, 211; Beschlüsse vom 31. Oktober 1984, Az.: BvR 35/82, BVerfGE 68, 193, 222 und vom 22. Januar 1997, Az.: 2 BvR 1915/91, BVerfGE 173, 187f.). Die Eigentumsgarantie gewährleistet allein den konkret vorhandenen Bestand, also den bisherigen Rentenzahlbetrag, keinesfalls aber die zukünftige MdE-Erhöhung. Hier kommt auch keine Verwirkung des Rechts auf Abschmelzung in Betracht. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist Ausfluss des allgemeinen (auch im Sozialversicherungsverhältnis) geltenden Grundsatzes von "Treu und Glauben" (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -) und setzt ein so genanntes Zeit- und Umstandsmoment voraus (vgl. dazu Heinrichs in: Palandt, BGB, 66. Aufl. 2003, § 242 Rn. 93 und 95). Im Zusammenhang mit einer Abschmelzung kann aber - unabhängig von einem Zeitmoment – ein schutzwürdiges Vertrauen nicht entwickelt worden sein, solange nicht der Leistungsträger einen Verzicht auf ein solches Recht erklärt hat. Denn der Betroffene hat über den gesamten vorhergehenden Zeitraum Leistungen in der – rechtswidrig – festgestellten Höhe bezogen und wird diese auch zukünftig beziehen. Dies gilt entgegen der Auffassung des Sozialgerichts auch vor dem Hintergrund etwaiger zwischenzeitlich erfolgter Rentenanpassungsentscheidungen, denn auch insoweit bleiben die Leistungsansprüche des Klägers durch die Abschmelzungsentscheidung unberührt.
Nach alledem war die Entscheidung des Sozialgerichts aufzuheben
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Erhöhung der Rente des Klägers aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls vom 12. August 1978 nach einem Verschlimmerungsantrag.
Der 1949 geborene Kläger war als Lizenzfußballspieler bei dem Fußballbundesligaverein XY. beschäftigt. Am 12. August 1978 erlitt er während eines Bundesligaspiels von XY. bei ZZ. einen traumatisch bedingten Achillessehnenriss rechts. Am 5. Dezember 1978 zog sich der Kläger bei einem Testspiel eine weitere Ruptur an gleicher Stelle zu. Beide Rupturen wurden operativ versorgt.
In einem ersten Rentengutachten vom 8. Oktober 1979 nahm Dr. C. eine MdE von 30 v. H. für die Zeit vom 25. Mai bis zum 16. August 1979 und von 20 v. H. vom 17. August 1979 bis 12. August 1980 an. Am 26. Juni 1980 erstattete Dr. C. ein zweites Rentengutachten zur erstmaligen Feststellung der Dauerrente und schätzte nunmehr die MdE auf 10 v. H. ein, während der beratende Facharzt der Beklagten, Dr. D., die MdE am 16. Juli 1980 ohne weitere Begründung auf 20 v. H. bezifferte.
Daraufhin teilte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 8. August 1980 mit, statt der für den Arbeitsunfall vom 12. August 1978 gewährten vorläufigen Rente von 20 v. H. werde eine Dauerrente von 20 v. H. festgestellt. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
Unter dem 6. Oktober 1981 erstattete Dr. E. ein zweites Rentengutachten zur Nachprüfung und gelangte zu dem Ergebnis, dass die MdE 10 v. H. betrage. Demgegenüber schätzte Dr. D. unter dem 11. November 1981 die MdE nach wie vor auf 20 v. H. ein.
Mit Schreiben vom 11. Juli 2007, bei der Beklagten eingegangen am 18. Juli 2007, stellte der Kläger einen Verschlimmerungsantrag wegen des Unfalls vom 12. August 1978.
Daraufhin erstattete Prof. Dr. F. unter dem am 10. Dezember 2007 ein Gutachten und kam zu dem Ergebnis, dass im Vergleich zu den der Rentengewährung vom 8. August 1980 zugrunde liegenden Befunden nun eine signifikante Beeinträchtigung bestehe, so dass der Verschlimmerungsantrag gerechtfertigt und die MdE ab dem Antragszeitpunkt auf 30 v. H. zu schätzen sei. In einer ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme vom 4. März 2008 führte der Sachverständige aus, unabhängig von der bereits bestehenden Rentenbewilligung nach einer MdE von 20 v. H. und der eingetretenen Verschlimmerung sei die MdE bei freier Einschätzung entsprechend der Gutachtenliteratur mit 20 v. H. als korrekt anzusehen.
Nach entsprechender Anhörung vom 21. April 2008 erteilte die Beklagte einen Bescheid vom 5. Juni 2008 über die Aussparung einer Rentenerhöhung nach § 48 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Verwaltungsverfahren – (SGB X) mit folgendem Tenor:
1. Der Bescheid vom 08.08.1980 über die Feststellung einer Dauerrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 % aufgrund des Arbeitsunfalles vom 12.08.1978 ist rechtswidrig. Die MdE wurde in dem Bescheid irrtümlich zu hoch festgestellt und betrug damals in Wirklichkeit nur 10 %. Zu diesem Zeitpunkt hatten Sie aufgrund des Arbeitsunfalles vom 12.08.1978 daher keinen Anspruch auf Feststellung einer (Dauer)Rente.
2. Zwischenzeitlich ist es durch eine Verschlimmerung der Unfallfolgen zu einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse zu Ihren Gunsten mit Erhöhung des Grades der MdE um 10 % gekommen. Ohne Berücksichtigung der Bestandskraft des Bescheides vom 08.08.1980 beträgt die MdE erst seit dieser wesentlichen Änderung der Verhältnisse 20 %. Trotz der Verschlimmerung erfolgt keine Erhöhung des Zahlbetrages Ihrer Rente. Der bisher aufgrund des rechtswidrigen begünstigenden Bescheides vom 08.08.1980 zu hoch berechnete Rentenbetrag wird nach §48 Abs. 3 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) von der an sich aufgrund der wesentlichen Änderung zu gewährenden Erhöhung "ausgespart". Im Ergebnis wird demnach aufgrund des Unfalles vom 12.08.1978 die laufende Rente nach einer MdE von 20% unverändert weitergezahlt.
Den hiergegen mit Schreiben vom 23. Juni 2008 eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 19. September 2008 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 8. Oktober 2008 Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Sozialgericht) erhoben.
Das Sozialgericht hat zunächst ein fachorthopädisch-unfallchirurgisches Sachverständigengutachten bei Dr. G. vom 24. Juni 2010 mit ergänzender Stellungnahme vom 2. November 2010 eingeholt. Dr. G. ist zu dem Ergebnis gelangt, dass bei dem Kläger bereits im August 1980 die Voraussetzungen für eine MdE von nur 10 v. H. bestanden hätten und dies auch weiterhin der Fall sei.
Hierauf hat die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 24. November 2010 entschieden, gegenüber den Verhältnissen, die dem Bescheid vom 11. Juni 2008 zugrunde gelegen hätten, sei es zu einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse gekommen. Ohne Berücksichtigung der Bestandskraft des rechtswidrigen Bescheides vom 8. August 1980 betrage die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) aufgrund des Versicherungsfalles vom 12. August 1978 nun wieder 10 v. H. Der aktuelle Zahlbetrag der Rente werde nach § 48 Abs. 3 SGB X von weiteren Erhöhungen in der Zukunft (z. B. durch Rentenanpassungen) so lange ausgespart, bis die rechtmäßig (ohne Berücksichtigung der Bestandskraft des Bescheides vom 8. August 1980) zu zahlende Rente diesen Betrag übersteige.
Anschließend hat das Sozialgericht ein weiteres Gutachten bei Prof. Dr. F. vom 11. März 2011 eingeholt, der zu dem Ergebnis gelangt ist, dass aufgrund der im Rahmen der Vorgutachten erhobenen Befunde bei Eintritt der Dauerrente die MdE mit 10 v. H. korrekt bewertet gewesen sei. Zum aktuellen Zeitpunkt der Verschlimmerung wäre aus gutachterlicher Sicht nunmehr von einer MdE von 20 v. H. auszugehen.
Mit einem weiteren Bescheid vom 19. Mai 2011 hat die Beklagte daraufhin den Bescheid vom 24. November 2010 aufgehoben bzw. zurückgenommen und auf der Grundlage des Bescheides vom 11. Juni 2008 im Ergebnis weiterhin eine Rente nach einer MdE von 20 v. H. gezahlt, ohne den gegenwärtigen Zahlbetrag der Rente von weiteren Erhöhungen - wie zum Beispiel Rentenanpassungen - in der Zukunft auszusparen.
Mit Gerichtsbescheid vom 14. Juni 2011 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2008 mit Ausnahme der Ziff. 2 Satz 1 des Entscheidungssatzes in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2008 sowie den Bescheid vom 19. Mai 2011 abgeändert und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Entschädigungsleistungen nach einer MdE von 30 v. H. ab 1. August 2007 zu zahlen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, die Abschmelzung sei materiell nicht haltbar. Bei dem Kläger sei zwischenzeitlich eine Verschlimmerung der Unfallfolgen eingetreten, die eine Erhöhung der Entschädigungsleistungen auf 30 v. H. zur Folge habe. Diese Verschlimmerung sei durch die Begutachtung von Prof. Dr. F. bestätigt und die Beklagte habe sie auch im Bescheid vom 11. Juni 2008, Verfügungssatz Ziffer 2 Satz 1, bestandskräftig festgestellt. Der entsprechende Anspruch des Klägers auf Erhöhung der Entschädigungsleistungen sei nicht gem. § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X ausgeschlossen. Voraussetzung für eine Abschmelzung nach § 48 Abs. 3 SGB X sei die Rechtswidrigkeit des begünstigenden Verwaltungsaktes, die zweifelsfrei festgestellt sein müsse. Der hier maßgebliche Bescheid der Beklagten vom 8. August 1980 sei jedoch nicht ursprünglich rechtswidrig im Sinne des § 45 Abs. 1 SGB X. Demgemäß erwachse der Anspruch des Klägers aus dem bestandskräftigen Bescheid der Beklagten vom 8. August 1980. Dass eine offensichtliche Fehlerhaftigkeit des Bescheides der Beklagten dergestalt vorliege, dass eine Fehlerhaftigkeit "auf der Hand liege", sei in keiner Weise ersichtlich. Zwischen den Beteiligten sei ausschließlich die medizinische Beurteilung der Höhe der MdE stetig. Dass in diesem Zusammenhang die medizinische Beurteilung des beratenden Arztes der Beklagten vom 16. Juli 1980 und vom 11. November 1981 nach objektiven Gesichtspunkten als offensichtlich fehlerhaft zu beurteilen sei, sei für das Gericht nicht ersichtlich. So handele es sich bei den von der Beklagten vorgetragenen Argumenten ebenfalls lediglich um medizinische Auffassungen. Die Beurteilung, welche von diesen voneinander abweichenden medizinischen Lehrmeinungen richtig sei, sei nach der Rechtssprechung des BSG nicht Aufgabe des Gerichts. Könne eine Entscheidung – wie hier der Bescheid vom 8. August 1980 – demnach auf Grundlage jeder dieser beiden medizinischen Ausführungen getroffen werden, sei die Entscheidung der Beklagten, sich auf die medizinische Beurteilung des Dr. D. vom 16. Juli 1980 und vom 11. November 1981 zu stützen, nicht offensichtlich fehlerhaft, da eine solche Entscheidung jedenfalls vertretbar sei. Darüber hinaus bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 1. Juni 2008, des Widerspruchsbescheides vom 19. September 2008 sowie des Bescheides vom 19. Mai 2011 unter Heranziehung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Rahmen des § 242 BGB. Aus diesem auch im Sozialrecht anerkannten Grundsatz sei das Rechtsinstitut der Verwirkung nach allgemeinen Grundsätzen in Betracht zu ziehen, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend mache, obwohl er dazu in der Lage wäre, und der Berechtigte sich mit Rücksicht auf das gesamte Verhalten des Verpflichteten habe darauf einrichten dürfen und sich eingerichtet habe, dass dieser sein Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Dies gelte aber wohl für einen Zeitraum von 28 Jahren, zumal der Leistungsträger der bereits laufend erbrachten Leistungen ermitteln müsse, ob die Voraussetzungen für die Leistungen noch vorlägen. Abgesehen davon seien im Unfallversicherungsrechtstreit die für die Bemessung der MdE maßgeblichen tatsächlichen medizinischen Verhältnisse nach längerer Zeit oft nur schwer aufklärbar. Dieser Grund, der eine möglichst zeitnahe Korrektur von Entschädigungsleistungen nahelege, sei so gewichtig, dass das Zeitmoment der Verwirkung in jedem Fall erfüllt sei, wenn Zeitabschnitte betroffen sind, die 28 Jahre zurücklägen. Neben dem Zeitmoment komme es für die Verwirkung auf das Umstandsmoment an, das heißt, es müssten besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer der Leistungsberechtigte sich nach Treu und Glauben darauf habe einrichten dürfen und eingerichtet habe, dass der Leistungsträger sein - vermeintliches - Recht nicht mehr geltend machen werde. Diese besonderen Umstände dürften im vorliegenden Fall in den Anpassungsmitteilungen vom 16. Dezember 1980, 15. Dezember 1981, 16. Juni 1983, 18. Juni 1984, 20. Juni 1985 zu sehen sein. Im Hinblick auf die immer wieder erfolgte Bestätigung der Ursprungsbewilligungsentscheidung vom 8. August 1980 habe der Kläger in jedem Fall darauf vertrauen können, dass die Beklagte bei ihrer Einschätzung bleiben und ihr - vermeintliches - Recht zur "Abschmelzung" nicht mehr betätigen werde.
Gegen diesen ihr am 21. Juni 2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Beklagte am 7. Juli 2011 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt.
Die Beklagte ist der Auffassung, der Dauerrentenbescheid vom 8. August 1980 sei rechtswidrig, da der Kläger zum Zeitpunkt der Dauerrentenfeststellung keinen materiellen Rentenanspruch gehabt habe. Die rechtswidrige Feststellung beruhe auf der falschen MdE-Einschätzung des damaligen Beratungsarztes. Der Gutachter Dr. C. habe bereits damals die MdE korrekt mit 10 v. H. eingeschätzt. Die Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung sei nach dem Verschlimmerungsantrag es Klägers vom 11. Juli 2007 aufgefallen und durch die Begutachtung durch Prof. Dr. F. sowie das Ergebnis der weiteren, seitens des Sozialgerichts veranlassten Begutachtungen bestätigt worden. Das erstinstanzliche Urteil laufe dem Sinn und Zweck des § 48 Abs. 3 SGB X zuwider und lasse die diesbezügliche ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf dem Gebiet der gesetzlichen Unfallversicherung außer Betracht. Aber selbst nach den vom Sozialgericht angelegten Maßstäben, bestünden nach den vorliegenden Gutachten keine vernünftigen Zweifel an der Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 8. August 1980. Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts würden vorliegend auch keine voneinander abweichenden medizinischen Lehrmeinungen vertreten, sondern es liege eine falsche Anwendung der MdE-Erfahrungssätze durch den beratenden Arzt vor. Das Gericht habe aber eine Entscheidung zur Höhe der MdE zu treffen. Die unzutreffende Auffassung des Sozialgerichts führe dazu, dass nach fehlerhaften MdE-Feststellungen in Rentenbewilligungsbescheiden die Abschmelzungsvorschrift des § 48 Abs. 3 SGB X praktisch nicht mehr angewendet werden könne. Auch sei das Recht, die Verletztenrente abzuschmelzen, nicht verwirkt. Die Verwirkung eines Rechts auf Abschmelzung komme gar nicht in Betracht; dort sei es geradezu die Regel, dass die Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides erst nach Jahren und mehreren Anpassungsmitteilungen, die jährlich maschinell versandt würden, bemerkt werde. § 48 Abs. 3 SGB X solle in solchen Fällen verhindern, dass eine irgendwann fehlerhaft entstandene zu hohe Zahlung durch eine Veränderung zugunsten des Betroffenen immer höher werde.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Juni 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für rechtmäßig und bezieht sich im Wesentlichen auf dessen Begründung; der Bescheid vom 8. August 1980 sei nicht rechtswidrig. Unterschiedliche Einschätzungen der MdE allein könnten rechtsdogmatisch nie eine Rechtswidrigkeit eines Bewilligungsbescheides bewirken. Zudem sei aber auch auf der Grundlage der zum Zeitpunkt der Bescheiderteilung bestehenden Befundlage eine MdE von 20 v. H. als angemessen anzusehen.
Die Beteiligten haben sich mit Schriftsätzen vom 2. Januar 2012 (Beklagte) bzw. vom 9. Januar 2012 (Prozessbevollmächtigter des Klägers) mit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch den Senat ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere im Vorbringen der Beteiligten und in den medizinischen Unterlagen, wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht erhobene, zulässige (§§ 143, 151 SGG) Berufung der Beklagten ist auch begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts ist rechtswidrig; die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente nach einer MdE von 30 v. H. wegen der Folgen seines anerkannten Arbeitsunfalls vom 12. August 1978. Die Beklagte durfte den Rentenanspruch des Klägers mit dem angefochtenen Bescheid vom 11. Juni 2008 "einfrieren".
Der Kläger ist vor Erlass des angefochtenen Bescheides ordnungsgemäß angehört worden (§ 24 Abs. 1 SGB X). Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 3 Satz 1 SGB X, auf den die Beklagte ihren Abschmelzungsbescheid stützt, sind vorliegend auch erfüllt.
Nach § 48 Abs. 3 SGB X darf unter der Voraussetzung, dass ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 SGB X nicht zurückgenommen werden kann und eine Änderung nach § 48 Abs. 1 oder Abs. 2 SGB X zugunsten des Betroffenen eingetreten ist, die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Eine Rechtswidrigkeit i. S. des § 48 Abs. 3 SGB X ist dann anzunehmen, wenn aus damaliger Sicht der die Rente bewilligende Bescheid so nicht hätte ergehen dürfen (BSG, Urteil vom 2. November 1999 – B 2 U 47/98 R –, juris).
Der bestandskräftige Rentenbescheid vom 8. August 1980 war begünstigend. Da die Zwei-Jahres-Frist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X unzweifelhaft abgelaufen und der Kläger keinesfalls nach § 45 Abs. 4 Satz 2 Nr. i. V. m. Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 oder 3 SGB X bösgläubig war, konnte auch keine Rücknahme nach § 45 SGB X erfolgen.
Dass zwischenzeitlich auch eine Änderung zugunsten des Betroffenen eingetreten ist, nämlich eine Verschlimmerung der anerkannten Unfallfolgen, ist ebenfalls unstreitig vor dem Hintergrund aller vorliegenden medizinischen Unterlagen.
Der Beklagte hat jedoch zutreffend festgestellt, dass der begünstigende Verwaltungsakt rechtwidrig war.
Gemäß der auf den vorliegenden Versicherungsfall noch anzuwendenden §§ 580, 581 Reichsversicherungsordnung (RVO) wird eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung in der dem Grad der Erwerbsminderung entsprechenden Höhe gewährt, wenn und solange ein Verletzter infolge eines Versicherungsfalls über die 13. Woche nach Eintritt des Versicherungsfalls hinaus in seiner Erwerbsfähigkeit um wenigstens 20 v. H. gemindert ist. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Hundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wenn dessen Folgen die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v. H. mindern. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 548 Abs. RVO).
Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts ist die Feststellung der Rechtswidrigkeit im Rahmen des § 48 Abs. 3 SGB X nicht auf Fälle offensichtlicher Fehlerhaftigkeit beschränkt. Vielmehr gelten hier dieselben Beweismaßstäbe wie im Rahmen der Erstfeststellung.
Wie die Beklagte zu Recht dargelegt hat, handelt es sich entgegen der Ausführungen des Sozialgerichts bei den in den Akten befindlichen unterschiedlichen ärztlichen MdE-Bewertungen keinesfalls um verschiedene medizinische Lehrmeinungen, über deren Richtigkeit das Gericht nicht zu befinden habe. Vielmehr richtet sich die MdE danach, in welchem Umfang die Unfallfolgen das körperliche und geistige Leistungsvermögen des Versicherten beeinträchtigen und seine Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens vermindern. Steht die unfallbedingte Leistungseinbuße fest, so ist zu bewerten, wie sie sich im allgemeinen Erwerbsleben auswirkt (BSG, Urteile vom 29. November 1956, Az: 2 RU 121/56, BSGE 4, 147, 149, vom 27. Juni 2000, Az: B 2 U 14/99 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 7 und vom 2. Mai 2001, Az: B 2 U 24/00 R, SozR 3- 2200 § 581 Nr. 8). Dabei stellt die Bewertung der durch die Arbeitsunfallfolgen bedingten MdE eine tatsächliche Feststellung gemäß § 128 Abs. 2 SGG dar, die das Gericht nach freier, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnener Überzeugung zu treffen und zu begründen hat (BSGE 37, 177, 179; 41, 99, 100; ständige Rechtsprechung des Senats: bspw. Urteile vom 15. November 2000 – Az.: L 3 U 104/99, 28. September 2005, Az.: L 3 U 165/04 und vom 14. Juli 2009, Az.: L 3 U 191/07). Sie erfolgt in Anlehnung an § 287 Zivilprozessordnung (ZPO) im Wege einer annäherungsweisen Schätzung. Ärztliche Sachverständigengutachten sind bei der Beantwortung dieser Frage meist unverzichtbar. Wie weit die Unfallfolgen die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Versicherten beeinträchtigen, beurteilt sich in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet. Um die MdE einzuschätzen, sind die Erfahrungssätze zu beachten, die die Rechtsprechung und das versicherungsrechtliche sowie versicherungsmedizinische Schrifttum herausgearbeitet haben. Auch wenn diese Erfahrungssätze das Gericht im Einzelfall nicht binden, so bilden sie doch die Grundlage für eine gleiche und gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis (BSG, Urteile vom 26. Juni 1985, Az: 2 RU 60/84, SozR 2200 § 581 Nr. 23, vom 26. November 1987, Az: 2 RU 22/87, SozR 2200 § 581 Nr. 27 und vom 30. Juni 1998, Az: B 2 U 41/97 R, SozR 3-2200 § 581 Nr. 5). Sie sind in Rententabellen oder Empfehlungen zusammengefasst und bilden die Basis für einen Vorschlag, den der medizinische Sachverständige zur Höhe der MdE unterbreitet. Hierdurch wird gewährleistet, dass alle Betroffenen nach einheitlichen Kriterien begutachtet und beurteilt werden. Insoweit bilden sie ein geeignetes Hilfsmittel zur Einschätzung der MdE (vgl. BSG, Urteil vom 19. Dezember 2000, Az: B 2 U 49/99 R, HVBG-INFO 2001, 499, 500 ff.).
Die nach diesen Grundsätzen vorzunehmende Wertung führt aber vorliegend zur Überzeugung des Senats dazu, dass bei dem Kläger aufgrund der bestehenden Unfallfolgen jedenfalls im Zeitpunkt des Erlasses des bestandskräftigen Bescheides vom 8. August 1980 eine MdE von 20 v. H. nicht festzustellen war und deshalb die gegenteilige Entscheidung im Bescheid vom 8. August 1980 rechtswidrig war.
Nach Ruptur der Achillessehne sehen die anzuwenden Bewertungskriterien (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Auflage 2010, S. 402) je nach Funktionsbehinderung eine MdE von 20 bis 30 v. H. vor, wenn die Verletzung nur durch narbiges Bindegewebe ausgeheilt ist, eine MdE von bis zu 10 v. H., wenn sie gut und ohne Funktionsbehinderung verheilt ist, auch bei einer gewissen Muskelminderung. Eine nur durch narbiges Bindegewebe erfolgte Ausheilung wird nirgends beschrieben. Die gutachterliche Untersuchung durch Dr. C. im Rahmen des zweiten Rentengutachtens am 2. Juni 1980 ergab eine Beweglichkeit im rechten oberen Sprunggelenk von 10 – 0 – 30°. Dies wäre allein noch nicht MdE-relevant; eine MdE von 10 v. H. ist erst festzustellen, wenn bei einer Fußsenkung von 30° eine Fußhebung aus der 0°-Stellung nicht mehr möglich ist (vgl. zur Bewertung von Beeinträchtigung der Sprunggelenksfunktion: Schönberger u. a., a.a.O. S. 678). Auch zeigten sich in der Untersuchung im Übrigen im Bereich der Sprunggelenke und der Füße nahezu seitengleiche Verhältnisse. Der isolierte Stand auf beiden Füßen und der Zehen- und Hackenstand waren gut möglich; es zeigten sich keine wesentliche Blutumlaufstörung, seitengleiche Pulse, keine Ödeme und keine Sensibilitätsstörungen. Beidseits fand sich eine leichte Knickfußdeformität und eine stärkere Spreizfußstellung sowie eine Supinations-Adduktions-Kontrakturstellung. Die Beschwielung zog sich seitengleich von der Ferse über den Fußaußenrand zum Vorfuß. Beidseits war die Fußsohlenmuskulatur vor allem an der Innenseite druckschmerzhaft und nach stärkerer Vorspannung kam es zu Krämpfen. Nur unter Berücksichtigung des Umstandes, dass sich die Muskulatur im Bereich des rechten Beines zwar im Vergleich zu der früheren Untersuchung vom 16. August 1979 wieder auftrainiert, jedoch gegenüber links noch vermindert und kraftgemindert sowie schneller ermüdbar zeigte, lässt sich hier im Ergebnis noch eine MdE von 10 v. H. begründen, keinesfalls aber eine solche von 20 v. H. Der von Dr. D. vorgenommenen MdE-Einschätzung mit 20 kann vor diesem Hintergrund nicht gefolgt werden. Diese stimmt nicht mit den vorliegenden Befunden überein und wird seitens des beratenden Arztes auch weder auf der Grundlage der vorhandenen Befunde noch durch abweichende Befunde begründet. Die Feststellung, dass die Befunde vom 2. Juni 1980 keine MdE von 20 bedingten, wird so auch bestätigt durch den beratenden Chirurgen Dr. H., den Sachverständigen Prof. Dr. F. und den Sachverständigen Dr. G ... Vor diesem Hintergrund steht für den Senat fest, dass bereits zum Zeitpunkt der Erteilung des Bescheides vom 8. August 1980 bei dem Kläger im Bereich des rechten Sprunggelenks nach der dort unfallbedingt erlittenen Achillessehnenruptur keine Funktionsbeeinträchtigungen mehr vorlagen, die einen MdE in rentenberechtigendem Ausmaß hätten begründen können.
Der Kläger kann sich gegenüber der Abschmelzungsentscheidung der Beklagten auch nicht auf Vertrauensschutz (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz - GG - ) berufen. Geschützt werden nur Rechtspositionen, die dem Betroffenen bereits zustehen (vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Mai 1988, Az.: 2 BvR 579/84, BVerGE 78, 205, 211; Beschlüsse vom 31. Oktober 1984, Az.: BvR 35/82, BVerfGE 68, 193, 222 und vom 22. Januar 1997, Az.: 2 BvR 1915/91, BVerfGE 173, 187f.). Die Eigentumsgarantie gewährleistet allein den konkret vorhandenen Bestand, also den bisherigen Rentenzahlbetrag, keinesfalls aber die zukünftige MdE-Erhöhung. Hier kommt auch keine Verwirkung des Rechts auf Abschmelzung in Betracht. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist Ausfluss des allgemeinen (auch im Sozialversicherungsverhältnis) geltenden Grundsatzes von "Treu und Glauben" (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -) und setzt ein so genanntes Zeit- und Umstandsmoment voraus (vgl. dazu Heinrichs in: Palandt, BGB, 66. Aufl. 2003, § 242 Rn. 93 und 95). Im Zusammenhang mit einer Abschmelzung kann aber - unabhängig von einem Zeitmoment – ein schutzwürdiges Vertrauen nicht entwickelt worden sein, solange nicht der Leistungsträger einen Verzicht auf ein solches Recht erklärt hat. Denn der Betroffene hat über den gesamten vorhergehenden Zeitraum Leistungen in der – rechtswidrig – festgestellten Höhe bezogen und wird diese auch zukünftig beziehen. Dies gilt entgegen der Auffassung des Sozialgerichts auch vor dem Hintergrund etwaiger zwischenzeitlich erfolgter Rentenanpassungsentscheidungen, denn auch insoweit bleiben die Leistungsansprüche des Klägers durch die Abschmelzungsentscheidung unberührt.
Nach alledem war die Entscheidung des Sozialgerichts aufzuheben
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 SGG.
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