L 3 AS 3907/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
3
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 17 AS 7233/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 AS 3907/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22. August 2013 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

1. Der Senat entscheidet über die Berufung des Klägers nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Beschluss. Er hält die Berufung einstimmig für unbegründet und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für vonnöten, da die Sach- und Rechtslage geklärt ist. Die Beteiligten sind in dem Erörterungstermin vor dem Berichterstatter des Senats am 10.04.2014 zu dieser beabsichtigten Verfahrensweise gehört worden.

2. Mit dem angegriffenen Urteil hat das Sozialgericht Stuttgart (SG) drei verbundene Klagen zurückgewiesen.

Mit zweien davon wendet sich der Kläger gegen Sanktionsbescheide nach §§ 31, 31a Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) über eine Absenkung seines Arbeitslosengeldes II um 30 % des Regelbedarfs (monatlich EUR 109,20) für Dezember 2011 bis Februar 2012 (Bescheid der Beklagten vom 09.11.2011, Widerspruchsbescheid vom 16.12.2011) sowie um 60 % des Regelbedarfs (monatlich EUR 218,40) für Januar bis März 2012 (Bescheid vom 20.12.2011, Widerspruchsbescheid vom 10.02.2012). Die Sanktionsbescheide beruhen darauf, dass sich der Kläger auf die Vermittlungsvorschläge der Beklagten vom 24.10.2011 (Gabelstaplerfahrer bei Pracht & Pracht Personal-Consulting GmbH) und vom 18.11.2011 (Gabelstaplerfahrer bei go!on Zeitarbeit GmbH) nicht beworben hatte. Er trägt hierzu durchgehend vor, zuletzt in dem Erörterungstermin am 10.04.2014, er bewerbe sich nicht auf Stellen bei Zeitarbeitsfirmen. Er sei psychisch nicht in der Lage, dort zu arbeiten, weil eine solche Tätigkeit mit wechselnden Einsatzorten und ständig neuen Kollegen verbunden sei. Mit der dritten Klage begehrt der Kläger die Gewährung von Lebensmittelgutscheinen mit einem höheren Wert. Die Beklagte hatte ihm mit Bescheid vom 28.12.2011 Gutscheine über je EUR 45,30 monatlich für Januar und Februar 2012 gewährt. Der zurückweisende Widerspruchsbescheid erging am 27.01.2011. Darin ist ausgeführt, für Dezember 2011 und März 2012 bestehe kein Anspruch auf Lebensmittelgutscheine, da die Geldleistungen in diesen Monaten nicht um mehr als 30 % des Regelbedarfs abgesenkt worden seien. Der Wert der Gutscheine für Januar und Februar 2012 reiche aus.

Das SG hat ausgeführt, die Sanktionsbescheide erfüllten die formellen und inhaltlichen Voraussetzungen der §§ 31, 31a SGB II. Der Kläger habe sich in der Eingliederungsvereinbarung vom 23.05.2011 dazu verpflichtet, sich auf alle Vermittlungsvorschläge der Beklagten zu bewerben. Die angebotenen Tätigkeiten seien nicht unzumutbar im Sinne von § 10 Abs. 1 SGB II. Zeitarbeit sei eine rechtlich zugelassene Tätigkeit. Die Angebote hätten unbefristete Vollzeitstellen betroffen. Die Vergütung bei Pracht & Pracht hätte den Tarifverträgen entsprochen. Auch für eine sittenwidrig niedrige Vergütung bei go!on gebe es keine Anhaltspunkte. Gesundheitliche Gründe für eine Unzumutbarkeit seien nicht zu erkennen. Zu den Lebensmittelgutscheinen hat das SG ausgeführt, mit den auch im Januar und Februar in Geldesform gewährten Leistungen von EUR 145,60 und dem Gutscheinwert von EUR 45,30 habe der Kläger sein physisches Existenzminimum bestreiten können.

3. Die Berufung des Klägers ist statthaft (§ 143 SGG), insbesondere war sie nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulassungsbedürftig. In Streit stehen Absenkungen des monatlichen Arbeitslosengeldes um dreimal EUR 109,20 und dreimal EUR 218,40. Bereits hierdurch ist der Kläger um mehr als EUR 750,00 beschwert, nämlich um EUR 982,80. Der Wert der gewährten Lebensmittelgutscheine schmälert seine Beschwer nicht, denn er begehrt primär höhere Leistungen in Geld.

Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die drei Klagen abgewiesen. Zur Begründung verweist der Senat nach § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die zutreffenden Ausführungen in dem angegriffenen Urteil. Ferner ist auf die Ausführungen in seinem Beschluss vom 07.01.2014 zu verweisen, mit dem der Senat den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren abgelehnt hat. Ergänzend ist lediglich auf folgende Punkte hinzuweisen:

Auch die konkreteren Ausführungen des Klägers in dem Erörterungstermin am 10.04.2014 führen nicht dazu, die vorgeschlagenen Stellen als unzumutbar einzustufen. Es mag sein, dass auch eine psychische Beeinträchtigung zu bestimmten qualitativen Leistungseinbußen führt, sodass z. B. Tätigkeiten mit verstärktem Umgang mit Vorgesetzen/Kollegen oder Kunden oder Tätigkeiten mit erhöhten Anforderungen an die Konzentrationsfähigkeit unzumutbar sein können. Aber - wie dem Kläger in dem Erörterungstermin ausführlich dargelegt - kommt es bei dieser Beurteilung immer auf die konkrete Stelle an. Es geht nicht an, Tätigkeiten bei Zeitarbeitsunternehmen generell unter Hinweis auf psychische Probleme zu verweigern. Wechselnde Tätigkeiten und unterschiedliche Kollegen kommen auch in Beschäftigungen außerhalb des Bereichs der Zeitarbeit vor.

Die Höhe der gewährten Lebensmittelgutscheine hat ausgereicht. Es hat sich zwar im Berufungsverfahren herausgestellt, dass dem Kläger tatsächlich im Januar und Februar 2012 je nur EUR 112,31 überwiesen wurden und nicht, wie vom SG wohl angenommen, EUR 145,60. Dies beruht allerdings darauf, dass die Beklagte - auf Grund einer früher erteilten Zustimmung des Klägers - durchgängig direkt EUR 334,17 an den Vermieter und EUR 102,00 an den Energieversorger gezahlt hat, wodurch auch Teile des Regelbedarfs nicht mehr an den Kläger ausgezahlt wurden. Der noch in Geldesform gewährte Regelbedarf betrug tatsächlich EUR 145,60 im Monat. Ferner waren in dem Regelbedarf eines Alleinstehenden in den Jahren 2011 und 2012 etwa EUR 130,- bis EUR 140,- für Ernährung und Getränke enthalten. Zusammen mit den Gutscheinen reichte daher auch die tatsächliche Auszahlung von je EUR 112,31 aus, das physische Existenzminimum zu decken. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Kläger ausweislich des Kontoauszugs Nr. 3/2012, den er in dem Erörterungstermin vorgelegt hat, im Februar insgesamt EUR 152,13 überwiesen wurden, nämlich weitere EUR 40,- Erstattung für Bewerbungskosten.

Hinzuweisen ist abschließend darauf, dass die Beklagte die beiden laufenden Sanktionen in den beiden "Überlappungsmonaten" Januar und Februar 2012 nicht etwa addiert und den Regelbedarf um 90 % gekürzt hat, sondern nur die höhere Sanktion von 60 % vollzogen hat. Ferner hat sich aus den von ihr vorgelegten Auszahlungsanweisungen ergeben, dass im März 2012 sogar nur 30 % vollzogen wurden, obwohl - auch - in diesem Monat noch eine Sanktion von 60 % festgesetzt war.

Die weiteren Unklarheiten, die der Kläger im Berufungsverfahren vorgetragen hat - nämlich der Verbleib der Februarzahlung - haben sich in dem Erörterungstermin aufgeklärt. Die fragliche Zahlung von EUR 112,31 war in der Überweisung vom 27.01.2012 in Höhe von EUR 152,13 enthalten. Diese Frage war ohnehin nicht streitgegenständlich.

4. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.

5. Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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