L 10 R 4542/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 8 R 833/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 R 4542/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 12.09.2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung von Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung streitig.

Die am 1947 geborene Klägerin, die nach Besuch der Hauswirtschaftlichen Berufsschule ohne erlernten Beruf blieb, arbeitete zunächst als Hausangestellte und Metzgereiverkäuferin bis 1967. Nach Zeiten der Kindererziehung arbeitete sie ab 1999 wiederum geringfügig als Haushaltshilfe, dabei ab April 2005 rentenversicherungspflichtig. Seit 01.02.2013 bezieht sie Regelaltersrente.

Im November/Dezember 2009 befand sich die Klägerin nach Implantation eines künstlichen Kniegelenks links zur medizinischen Rehabilitation in der B.-Klinik Ü ... Im Entlassungsbericht vom Dezember 2009 wurde bei der Klägerin eine Gonarthrose beidseits bei Knie-TEP links November 2009, rechts 2008, eine arterielle Hypertonie, Übergewicht, eine unklare Allergie sowie chronische Lumbalgien bei Bandscheibenschäden diagnostiziert. Die Klägerin könne sowohl ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit wie auch allgemein leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr unter Berücksichtigung von qualitativen Einschränkungen ausüben.

Auf den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Erwerbsminderungsrente vom 23.03.2010 hin veranlasste die Beklagte eine Begutachtung der Klägerin auf orthopädischem Gebiet durch Dr. K ... Dieser diagnostizierte bei der Klägerin eine Polyarthrose der Hände, ein degeneratives zervikales und lumbales Wirbelsäulensyndrom, eine Coxarthrose Grad I, eine Gonarthrose mit KTEP-Implantation beidseits sowie eine obere Sprunggelenksarthrose. Die Klägerin könne leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sowie die zuletzt ausgeübte Tätigkeit in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden und mehr ausüben. Zu vermeiden seien Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie unter ungünstigen Witterungsverhältnissen. Mit Bescheid vom 20.09.2010 und Widerspruchsbescheid vom 08.03.2011 lehnte die Beklagte den Rentenantrag ab, da die Klägerin die medizinischen Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente nicht erfülle.

Die Klägerin hat hiergegen am 29.03.2011 das Sozialgericht Konstanz angerufen. Das Gericht hat die behandelnden Ärzte der Klägerin als sachverständige Zeugen schriftlich vernommen. Die Hausärztin Dr. R.-H. ist bei der Klägerin von einem aufgehobenen Leistungsvermögen ausgegangen; Grund hierfür sei die Beeinträchtigung auf orthopädischem Gebiet. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. V. hat bezüglich der neuropsychiatrischen Symptomatik eine quantitative Einschränkung der Erwerbsfähigkeit verneint. Der behandelnde Orthopäde Dr. T. hat bei der Annahme eines normalen Gehvermögens angegeben, die Klägerin könne noch leichte Tätigkeiten im Wechsel drei bis unter sechs Stunden verrichten.

Das Gericht hat weiterhin von Amts wegen eine fachorthopädische Begutachtung durch Dr. H. veranlasst. Dieser hat in seinem Gutachten nach Untersuchung im Mai 2012 bei der Klägerin eine schmerzhafte Funktionsstörung der Lendenwirbelsäule ohne objektive neurologische Ausfallerscheinungen bei fortgeschrittenem Bandscheibenverschleiß in den unteren lumbalen Etagen sowie einen Kniegelenksersatz beidseits auf Grund fortgeschrittener Kniearthrosen mit eingeschränkter Beweglichkeit festgestellt. Die Angaben der Klägerin über Art und Umfang ihrer Beschwerden und Funktionsstörungen könnten nach seiner Einschätzung ohne wesentliche Abstriche als Grundlage einer sozialmedizinischen Bewertung herangezogen werden. Danach könne die Klägerin noch leichte bis gelegentlich kurzfristige mittelschwere Tätigkeiten in unterschiedlichen Körperhaltungen unter Berücksichtigung von weiteren qualitativen Einschränkungen (insbesondere keine Zwangshaltungen der Wirbelsäule, nicht auf vibrierenden Maschinen, nicht im Knien oder in der Hocke, keine Sprungbelastung, nicht auf Leitern und Gerüsten) vollschichtig verrichten.

Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat das Gericht gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) weiterhin eine Begutachtung auf neurologisch-psychiatrischem Gebiet durch Dr. H. veranlasst. Dieser hat bei der Klägerin in seinem Gutachten nach Untersuchung im November 2012 eine anhaltende depressive Anpassungsstörung, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, ein chronisches multilokuläres Schmerzsyndrom sowie eine leichtgradige sensible Polyneuropathie ohne Befundprogredienz diagnostiziert. Die Klägerin sei sicher nicht in der Lage, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vollschichtig zu arbeiten; vielmehr sei sie maximal drei bis unter sechs Stunden täglich belastbar. Obermedizinalrat Fischer hat für die Beklagte in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme Einwendungen gegen das Gutachten des Dr. H. erhoben. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Bl. 175/176 der SG-Akte verwiesen. Das Gericht hat letztlich von Amts wegen ein weiteres neurologisch-psychiatrisches Fachgutachten bei Dr. W. eingeholt. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten nach Untersuchung im Juni 2013 eine leichtgradige Polyneuropathie unklarer Genese sowie in psychiatrischer Hinsicht eine allenfalls leichtgradige depressive Anpassungsstörung auf Grund eines chronischen Schmerzsyndroms und auf Grund der möglicherweise schweren Erkrankung des Ehemanns diagnostiziert. Gesundheitsstörungen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet, welche leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt quantitativ einschränken würden, habe er nicht feststellen können.

Mit Urteil vom 12.09.2013 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Das Gericht hat sich dabei zur Begründung im Wesentlichen auf die beiden Gutachten von Dr. H. und Dr. W. gestützt. Dem Gutachter Dr. H. ist das Gericht dagegen nicht gefolgt. Dieser sei den subjektiven Beschwerdeangaben und Selbstbeurteilungen der Klägerin zu unkritisch gefolgt und habe den für die sozialmedizinische Leistungseinschätzung wichtigen Tagesablauf nicht hinreichend ermittelt bzw. nicht berücksichtigt. Auch sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin sich weiterhin nicht in der wiederholt empfohlenen psychotherapeutischen Behandlung befinde. Der Klägerin komme auch kein Berufsschutz zu.

Die Klägerin hat gegen das ihrer Bevollmächtigten am 19.09.2013 zugestellte Urteil am 18.10.2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie sinngemäß vorgetragen, die Sachverständigen hätten ihre Gesundheitsbeeinträchtigungen im Bereich der Lendenwirbelsäule in ihrem Ausmaß verkannt und insgesamt das Ausmaß ihrer Beschwerden nicht zutreffend gewürdigt.

Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 12.09.2013 und den Bescheid der Beklagten vom 20.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.03.2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung vom 01.03.2010 bis 31.01.2013 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie beruft sich zur Begründung auf ihren Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

II.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 SGG zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchten Rente dargelegt (§§ 43, 240 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch - SGB VI) und ebenso zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine solche Rente nicht erfüllt, weil sie zumindest leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen - zu vermeiden sind Arbeiten, die mit länger andauernden Zwangshaltungen der Wirbelsäule einhergehen, das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, Arbeiten auf vibrierenden Maschinen, Arbeiten, die mehr als kurzfristiges Bücken erfordern, Arbeiten im Knien oder in Hockstellung bzw. solche, die mit Sprungbelastungen einhergehen, das Besteigen von Leitern und Gerüsten, Arbeiten, die unter Einfluss von Kälte, Nässe und Zugluft durchgeführt werden, sowie Arbeiten unter Akkord- und Fließbandbedingungen und im Schichtbetrieb - noch vollschichtig ausüben kann und auch keinen besonderen Berufsschutz genießt. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Das Vorbringen der Klägerin zur Begründung der Berufung rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Soweit die Klägerin geltend macht, der Sachverständige Dr. H. habe nicht vollständig ihre Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Gebiet erfasst und hierzu auf das arthrotische Geschehen im Bereich von Schulter, Eckgelenk, Ellbogen, Hüft- und Fußgelenk sowie auf das entzündliche/degenerative Leiden im Bereich der Lendenwirbelsäule verweist, verkennt sie, dass für die Beurteilung der Erwerbsminderung nicht Diagnosen, sondern Funktionseinschränkungen maßgeblich sind. Dr. H. hat in seinem Gutachten die Bewegungsmaße sowohl des Rumpfes wie auch der Extremitäten umfassend erhoben und dabei insbesondere auch eine Beweglichkeitsprüfung der Schultern (Bl. 104 der SG-Akte), der Ellenbogen (Bl. 105 der SG-Akte) sowie der Hüft-, Knie- und Sprunggelenke (Bl. 107 f. der SG-Akte) durchgeführt. Angesichts der von ihm festgestellten fehlenden bzw. allenfalls endgradigen Bewegungseinschränkungen im Bereich dieser Gliedmaßen hat der Sachverständige - für den Senat schlüssig und nachvollziehbar - eine rentenrelevante Funktionseinschränkung verneint. Der von der Klägerin vorgelegte Arztbericht des Radiologen Dr. L. vom Dezember 2012 über den Befund einer durchgeführten Skelettszintigraphie ist ohne Belang. Dr. T. hat in einer von der Klägerin vorgelegten "fachärztlichen Bescheinigung" vom Januar 2014 (Bl. 29 LSG-Akte), gestützt auf den Befund des Dr. L. , ausgeführt, im Hinblick auf die entzündlichen Veränderungen habe die Szintigraphie keinen "wesentlichen Befund" ergeben. Auch die Klägerin hat keine Verschlechterung der bei ihr vorliegenden Gesundheitsstörungen im Vergleich zur Begutachtung durch Dr. H. behauptet Auch die Kritik des Dr. W. daran, dass Dr. H. die Beeinträchtigungen der Klägerin im Bereich der Finger und der Hüfte nicht berücksichtigt habe, geht fehl. Dr. H. hat sehr wohl eine Beweglichkeitsprüfung der Hand- und Fingergelenke vorgenommen (vgl. hierzu Bl. 105 der SG-Akte). Dabei hat der Sachverständige einen relativ kräftigen Faustschluss beidseits festgestellt; eine Bewegungseinschränkung hat nicht vorgelegen. Der Klägerin ist das Abspreizen/Heranführen in der Handebene sowie rechtwinklig zur Handebene möglich gewesen; sie hat mit allen Langfingerkuppen sowohl rechts wie links die Daumenspitze erreichen können. Komplexbewegungen wie beispielsweise Nackengriff oder Schürzengriff sowie Faust-, Spitz- und Schlüsselgriff der Hände hat die Klägerin beidseits ausführen können. Vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Bedenken, dass Dr. H. aus der vorhandenen Fingerpolyarthrose keine rentenrelevante Leistungseinschränkung abgeleitet hat. Gleiches gilt für die Hüftgelenke. Ungeachtet der radiologischen Auffälligkeiten hat sich die Beweglichkeit der Hüftgelenke nur endgradig eingeschränkt gezeigt, weshalb mangels Funktionsstörungen auch insoweit keine quantitative Einschränkung des Leistungsvermögens besteht.

Entgegen der Auffassung der Klägerin lässt sich auch aus den Gesundheitsstörungen auf nervenfachärztlichem Gebiet keine quantitative Erwerbsminderung ableiten. Die bei der Klägerin bestehende leichtgradige Polyneuropathie geht nicht mit relevanten Funktionsbehinderungen einher und kann daher keine Erwerbsminderung begründen. Gleiches gilt für die allenfalls leichtgradige depressive Anpassungsstörung der Klägerin. Die entsprechende Diagnose des Sachverständigen Dr. W. wird von dem von ihm erhobenen Befund getragen. Dr. W. hat bei der Klägerin einen durchaus strukturierten und ausgefüllten Tagesablauf erheben können, aus dem hervorgeht, dass die Klägerin im Wesentlichen den Haushalt inklusive der Gartenpflege, mitunter mit Hilfe ihres schwer erkrankten Ehemannes, bewerkstelligt. Ein relevanter sozialer Rückzug ist nicht ersichtlich geworden. Im psychischen Befund hat sich die Klägerin im Hinblick auf Aufmerksamkeit und Konzentration ungestört gezeigt; die Stimmungslage ist zwar fühlbar gedrückt gewesen; dabei ist aber keine tiefgreifende depressive Verstimmung nachweisbar gewesen. Psychomotorik und Antrieb haben sich bei der Klägerin ungestört gezeigt. Dieser Befund des Sachverständigen steht im Übrigen in Einklang mit den Feststellungen im Reha-Entlassungsbericht sowie den Bekundungen der behandelnden Nervenärzte. Weder im Rahmen des stationären Aufenthalts in der B.-Klinik in Ü. 2009 noch von der behandelnden Hausärztin sowie dem früheren Nervenarzt Dr. Adam und dem aktuellen Behandler Dr. V. sind irgendwelche psychiatrischen Auffälligkeiten bei der Klägerin beschrieben worden.

Unabhängig davon, ob die von der Klägerin geklagten Schmerzen über die organpathologischen Befunde vollständig erklärbar sind, wie Dr. W. annimmt, oder aber darüber hinausgehend eine eigenständige psychosomatische Schmerzstörung vorliegt, ist auch insoweit entscheidend, welche Funktionsbeeinträchtigungen dadurch verursacht werden. Auch insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin die täglichen Haushaltsarbeiten noch weitgehend bewältigt und ihr daneben noch die Pflege des Gartens gelingt. Im Explorationsgespräch bei Dr. W. hat die Klägerin in einem Polstersessel mit Armlehne gesessen, ohne dabei schmerzbedingte Ausgleichsbewegungen vorzunehmen. Bei regelrechter Gestik sind keine Bewegungseinschränkungen im Bereich der oberen Extremitäten erkennbar geworden. Gegenüber Dr. H. hat die Klägerin angegeben, auf einem guten Stuhl bis zu 45 Minuten lang sitzen zu können, um dann sich einige Minuten bewegen zu müssen, bevor wieder eine Sitzposition eingenommen werden kann. Andererseits steht die Klägerin nach ihren eigenen Angaben gegenüber Dr. H. beim Kochen ca. eine halbe bis dreiviertel Stunde lang am Herd und kommt damit gut zurecht. Das Aus- und Ankleiden in der Untersuchungssituation ist der Klägerin selbstständig möglich gewesen; der Entkleidungsvorgang ist nach Angaben von Dr. H. lediglich relativ langsam und kontrolliert abgelaufen. Gerade unter Berücksichtigung des im privaten Umfeld und der jeweiligen Untersuchungs¬situationen gezeigten verbliebenen Leistungsvermögens stimmt der Senat Dr. H. zu, wenn dieser im Hinblick auf die subjektiven Beschwerden der Klägerin - ungeachtet der Schwierigkeit bei ihrer Objektivierung - keine überzeugende Begründung dafür finden kann, warum eine vollschichtige Tätigkeit an einem leidensgerechten Arbeitsplatz nicht zumutbar sein sollte.

Nicht folgen kann der Senat dagegen der Beurteilung des Dr. H ... Der psychopathologische Befund, den der Sachverständige bei der Klägerin erhoben hat, ist nicht geeignet, eine wenigstens mittelgradige depressive Episode zu belegen. Zutreffend hat Obermedizinalrat Fischer in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme für die Beklagte darauf verwiesen, dass die Beschreibung eines charakteristischen Tagesablaufs fehlt, sich nur in geringem Umfang tatsächliche psychopathologische Befunde finden und stattdessen subjektive Beschwerdeangaben und Selbstbeurteilungen durch die Klägerin überwiegen. Bemerkenswerterweise ist Dr. H. im Rahmen der Psychometrie zum Ergebnis einer nur leichten depressiven Episode gelangt, ohne dieses Ergebnis zu kommentieren. Die vom Sachverständigen u.a. als Ursache für die von ihm angenommene Leistungsminderung ins Feld geführte Belastbarkeitsminderung findet in seinem Gutachten gleichfalls keine Objektivierung, beispielsweise durch eine nach Untersuchung beobachtete erhebliche Erschöpfung der Klägerin. Zutreffend verweist Obermedizinalrat Fischer auf das Fehlen einer Beschreibung indirekter Beobachtungen außerhalb gezielter Untersuchungssituationen (wie z.B. Beschreibung des Sitzverhaltens bei der Befragung, Beschreibung der Bewegungsmuster beim Ent- und Bekleiden etc.). Vielmehr findet sich auch hier nur die Einschätzung der Klägerin, dass sie sich als rasch erschöpfbar erlebe. Zusammenfassend teilt der Senat die Einschätzung des Obermedizinalrats Fischer, wonach sich dem Gutachten des Dr. H. eine quantitative Beeinträchtigung der Belastbarkeit der Klägerin im Berufsleben nicht entnehmen lässt.

Nachdem eine quantitative Leistungsminderung auf nervenärztlichem Gebiet zu verneinen ist, kommt es auf die Frage, ob die seelisch bedingte Störung durch die Klägerin bei der ihr zuzumutenden Willensanspannung aus eigener Kraft oder unter ärztlicher Mithilfe sogleich oder innerhalb eines halben Jahres überwunden werden kann, schon nicht an. Allerdings dürften die Behandlungsmöglichkeiten, wie von Dr. W. ausgeführt, von Seiten des nervenärztlichen Fachgebiets bei Weitem nicht ausgeschöpft sein. So sucht die Klägerin lediglich im Zweimonatsrhythmus ihren Nervenfacharzt Dr. V. auf. Eine Psychotherapie nimmt sie seit vielen Jahren nicht mehr in Anspruch und sie erhält auch keine regelmäßige Schmerzmedikation bzw. es stehen noch diverse Medikamente neben dem von ihr bedarfsorientiert eingenommenen Voltaren Resinat zur Verfügung, mit denen die Schmerzsymptomatik positiv beeinflusst werden könnte.

Auch die von der Klägerin im Zuge der Berufungsbegründung in Zweifel gezogene Wegefähigkeit als das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (hierzu BSG, Urteil vom 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R m.w.N.) steht der Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht entgegen. So hat Dr. H. - angesichts der von ihm erhobenen Befunde nachvollziehbar - aus orthopädischer Sicht keine Gründe erkennen können, weshalb die Klägerin nicht imstande sein sollte, viermal arbeitstäglich eine Wegstrecke von 500 m in weniger als 20 Minuten zurückzulegen. In der Untersuchung hat sich Dr. H. ein mäßig flottes, sicheres Gangbild ohne Hinken und ohne offenkundige Schwindelerscheinungen gezeigt. Auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet liegt andererseits schon keine Gesundheitsstörung vor, die Einfluss auf die Wegefähigkeit nehmen könnte; dies übrigens auch nach Einschätzung des Dr. H ... Im Übrigen verfügt die Klägerin über einen Führerschein sowie ein Kraftfahrzeug, kann nach eigener Einschätzung - gegenüber Dr. H. - wenigstens drei- oder viermal arbeitstäglich selbstständig Distanzen von 15 bis 20 km mit dem PKW zurücklegen und führt - nachdem ihr Ehemann gesundheitsbedingt kein Kraftfahrzeug mehr führen darf - bei den notwendigen Fahrten in ihrer Wohngemeinde und der näheren Umgebung das Fahrzeug selbst.

Damit steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin noch zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen verrichten kann. Der Sachverhalt ist somit geklärt, eine weitere Sachaufklärung, insbesondere das zuletzt von der Klägerin angeregte psychiatrische Gutachten ist nicht erforderlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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