L 9 U 5464/11

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 3859/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 5464/11
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. November 2011 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung der Folgen eines Arbeitsunfalles und die Gewährung einer Verletztenrente.

Der 1940 geborene Kläger erlitt am 17.06.1999 als Fahrer eines LKW einen Verkehrsunfall, der von der Beklagten als Arbeitsunfall anerkannt wurde. Mit Bescheid vom 23.02.2001 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen dieses Unfalls ab mit der Begründung, dass eine Minderung der Erwerbsfähigkeit in rentenberechtigendem Grad über die 26. Woche hinaus nicht eingetreten sei. Als Unfallfolgen wurden eine Schädelprellung sowie oberflächliche Schnittwunden über dem Grundgelenk des linken Zeigefingers, dem rechten Arm und dem rechten Handrücken festgestellt, weswegen in der Zeit vom 17.06.1999 bis 16.07.1999 Arbeitsunfähigkeit bestand. Weitere Unfallfolgen wurden nicht anerkannt. Die hiergegen beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhobene Klage wurde durch Gerichtsbescheid vom 23.06.2004 (S 14 U 966/02) abgewiesen.

Am 04.10.2005 wurden beim Kläger ein Bandscheibenvorfall sowie eine Stenose im Bereich C5/6 durch ventrale Fusion C5/6 mikroneurochirurgisch entfernt (Operationsbericht vom 06.10.2005).

Am 05.10.2006 erlitt der Kläger im Rahmen seiner Tätigkeit als LKW-Fahrer bei der Spedition Herbert M. KG einen weiteren Unfall, als an einer Steigung ein anderer LKW von hinten auf den von ihm gesteuerten LKW auffuhr. Im Durchgangsarztbericht vom selben Tag diagnostizierte der Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie Prof. Dr. H. eine Halswirbelsäulendistorsion beim Kläger. Es bestand ein leichter Schwindel bei neurologisch unauffälligem Befund sowie aktiv und passiv freier Beweglichkeit des Kopfes. Das Röntgenbild der Halswirbelsäule in zwei Ebenen ergab einen Zustand nach Inlay C5/6, jedoch keinen Anhalt für eine frische Knochenverletzung. Bei einer Nachuntersuchung am 06.10.2006 bei Dr. H. gab der Kläger Schmerzen in der Halswirbelsäule mit Einstrahlung in den Hinterkopf und die seitliche Halswirbelsäule sowie Schluckbeschwerden und Kopfschmerzen an. Dr. Herzog diagnostizierte eine Zerrung der Halswirbelsäulenmuskulatur nach Auffahrunfall.

Weiterhin teilte der Kläger unter Vorlage eines Befundberichts seines Zahnarztes Dr. B. vom 26.02.2007 mit, dass bei ihm aufgrund des Auffahrunfalls eine Notfallbehandlung am 06.10.2006 erforderlich gewesen sei, da der Zahn Nr. 44 eine Gerüstfraktur erlitten habe.

Am 16.04.2007 stellte sich der Kläger zur Nachuntersuchung bei den Durchgangsärzten B., H. und J. vor. Die Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule in zwei Ebenen ergaben im Vergleich zu den Voraufnahmen (Oktober 2006) eine unveränderte Position des Cages im Segment C5/6, eine ventrale Längsbandverknöcherung bei C4/5 und C5/6 sowie deutliche Spondyl- und Uncovertebralarthrosen. Bei der Befunderhebung war die Halswirbelsäule schmerzhaft eingeschränkt, es bestand kein sensomotorisches Defizit der oberen Extremitäten.

Der behandelnde Neurologe und Psychiater Dr. K. teilte der Beklagten auf Anfrage unter dem 14.06.2007 mit, dass ihm nur der Verkehrsunfall vom 17.06.1999 bekannt sei. Die Beschwerden des Klägers seien durch eine psychische Belastung überlagert.

Der Kläger legte außerdem einen Bericht des Radiologen Dr. S. (Radiologisches Zentrum W.) vom 18.11.2008 vor, in dem dieser über eine CT-Untersuchung der Halswirbelsäule berichtete, bei welcher er feststellte, dass die rechte Deckplatte des C5 keilförmig imprimiert war im Sinne einer Deckplattenimpressionsfraktur "möglicherweise auf dem Boden des zweiten Unfalls". Weiter legte der Kläger einen Befundbericht des Neurochirurgen Dr. Z. (A.-Praxis-Klinik H.) vom 27.04.2009 vor. Dr. Z. diagnostizierte beim Kläger eine cervicale Spondylose C4/5 ventral sowie eine cervicale Spondylose und Subluxation C5/6. Die von den radiologischen Kollegen auf den Aufnahmen vom 18.11.2008 beschriebenen - im Nativröntgen nicht sichtbaren - Befunde im Segment C4/5 seien ohne Zweifel Unfallfolge, ebenso die überschießende Verknöcherung um das Implantat herum.

Daraufhin veranlasste die Beklagte eine Zusammenhangsbegutachtung durch den Facharzt für Neurochirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. S. (Orthopädische Klinik M.). Dieser führte im Gutachten vom 23.12.2009 aus, der Kläger habe Kopf- und Nackenschmerzen sowie eine Kraftminderung der rechten Hand mit Problemen bei der Fingerstreckung angegeben. Die vom Kläger angegebenen Beschwerden seien durch das Unfallereignis vom 05.10.2006 jedoch nur vorübergehend verschlimmert worden. Beim Kläger hätten bereits vor dem Unfall hochgradige degenerative Halswirbelsäulenveränderungen bestanden. Bereits acht Monate vor dem Unfall seien radiologisch insbesondere im Segment C4/5 ausgeprägte ventralseitige osteophytäre Randanbauten zu erkennen. Das CT der Halswirbelsäule vom 24.11.2005 zeige ebenfalls erhebliche degenerative Veränderungen mit begleitenden Foramenstenosen der Segmente C4 bis C6. Der neurochirurgische Bericht der Atos-Klinik von Dr. Z. vom September 2005 beschreibe vom Patienten angegebene Kopfschmerzen sowie eine angedeutete Krallenhand nach peripherer Verletzung. Die radiologischen Unfallaufnahmen der Halswirbelsäule in zwei Ebenen zeigten keinen Anhalt für eine frische knöcherne Verletzung bzw. sonstige objektivierbare Unfallfolgen. Im Vergleich zu den Voraufnahmen sei sogar das Segment C5/6 ventral des Cages knöchern überbaut, so dass hier von einer absolut stabilen Situation auszugehen sei. In den MRT- und CT-Aufnahmen aus dem Jahr 2008 (April 2008 bzw. 18.11.2008) fänden sich ebenfalls die ausgeprägten degenerativen Veränderungen, ohne Nachweis einer Traumafolge. Die Röntgenverlaufsbilder von 2008 und 2009 ließen ebenfalls lediglich degenerativ bedingte Veränderungen erkennen. Die vom Kläger angegebenen Beschwerden seien daher degenerativ bedingt. Das Unfallereignis vom 05.10.2006 sei lediglich für eine vorübergehende Gesundheitsstörung die wesentliche Ursache. Der Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit infolge des Unfalls sei auf 14 Tage einzuschätzen.

Mit Bescheid vom 26.03.2010 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen der Folgen des Arbeitsunfalles ab. Zur Begründung führte sie aus, dass eine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit und Behandlungsbedürftigkeit für maximal 14 Tage nach dem Unfall vorgelegen habe. Die darüber hinaus geklagten Beschwerden seien unfallunabhängiger Natur, da beim Kläger ausgeprägte degenerative Veränderungen der Halswirbelsäule, insbesondere im Bereich der Segmente C4 bis C6 vorlägen. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 06.08.2010 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 16.09.2010 Klage zum SG erhoben und ergänzend eine Diagrammauswertung des Geschwindigkeitsschreibers (wonach die Geschwindigkeit des von ihm geführten LKW durch den Unfall von 34 km/h auf 51 km/h angehoben wurde) vorgelegt sowie ein Attest des Durchgangsarztes Dr. Müller vom 03.11.2006, der ausführt, dass er bei der Behandlung am 05.10.2006 eine deutliche Verspannung im Bereich der Halswirbelsäule festgestellt habe. Die Röntgenuntersuchung habe keinen Hinweis für frische Knochenverletzungen im Bereich der Halswirbelsäule ergeben. Ob der Unfall einen Dauerschaden hinterlasse, erscheine höchst unwahrscheinlich. Eine sichere Aussage könne jedoch frühestens zwei Jahre nach dem Unfallereignis gemacht werden. Des Weiteren hat der Kläger ein ärztliches Attest des behandelnden Allgemeinmediziners Dr. H. vom 07.04.2011 vorgelegt, in dem dieser bestätigt, dass die Halswirbelsäulenbeschwerden des Klägers ebenso wie die Krallenhand drei Monate nach der Operation am 04.10.2005 im Prinzip nicht mehr vorhanden gewesen seien.

Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG den Radiologen Dr. S. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat daraufhin unter dem 21.02.2011 zu den Beweisfragen dahingehend Stellung genommen, er habe den Kläger am 22.04.2008 und am 18.11.2008 jeweils als Auftragsleistung untersucht und dabei eine absolute Spinalkanalstenose im Segment C5/6 und eine Dorsalversetzung des oberen Anteils der Halswirbelsäule (C0 bis C4) gegenüber dem unteren Anteil festgestellt. Es könne durchaus sein, dass nach dem zweiten Unfall erneut ein leichtes dorsales Versetzen der oberen Halswirbelsäule stattgefunden habe, welches womöglich wieder zu der identischen Spinalstenose führe, wie sie vor der Operation vorgelegen habe. Seine Angaben beruhten auf der Tatsache, dass der Kläger bei der Untersuchung am 22.04.2008 eine Zunahme des Beschwerdebildes nach dem zweiten Unfall angegeben habe. Die Wahrscheinlichkeit dieser Annahme könne von ihm nicht beurteilt werden. Ob die Beschwerden auf die Unfallfolgen zurückzuführen seien, könne von seiner Seite weder bejaht noch ausgeschlossen werden.

Das SG hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 07.11.2011 abgewiesen und sich zur Begründung dem Gutachten von Dr. S. angeschlossen. Der Kläger habe aufgrund seines Arbeitsunfalles vom 05.10.2006 lediglich eine nach zwei Wochen ausgeheilte HWS-Distorsion erlitten. Darüber hinaus beim Kläger bestehende Schmerzzustände im HWS-Bereich und rechten Arm (nebst Verkrallung der rechten Hand) seien Folgen einer bereits vor dem Unfallzeitpunkt vorgelegenen ausgeprägten degenerativen Veränderung der Halswirbelsäule.

Gegen den ihm am 10.11.2011 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am Montag, den 12.12.2011 Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, er sei nach der Operation am 04.10.2005 beschwerdefrei gewesen. Durch den Unfall habe er eine Deckplattenimpressionsfraktur C4/C5 erlitten. Es lägen keine ausgeprägten degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule vor. Vielmehr habe der Unfall vom 05.10.2006 zu einer Schädigung der Halswirbelsäule geführt.

Zur weiteren Begründung hat der Kläger u.a. folgende Befundberichte vorgelegt: Bericht des Neurochirurgen Dr. K. vom 01.12.2005 (Diagnose: Zustand nach cervicaler Bandscheiben- und Stenoseoperation bei präoperativer Myelonschädigung; Dr. K. führt aus, dass sich durch die Operation die Krallenhandkonfiguration rechts gebessert habe, wobei noch eine Schwäche vorhanden sei, hier sei jedoch im Hand-/Unterarmbereich der Zustand nach einer Fraktur gegeben), Befundbericht des Neurochirurgen Dr. K. vom 29.11.2005 über ein CT der Halswirbelsäule vom 24.11.2005 sowie einen Befundbericht des Neurologen Dr. H. vom 16.01.2006 (über Untersuchungen des Klägers am 21.12.2005 und am 14.05.2006). Dieser hat beim Kläger ein HWS-Syndrom diagnostiziert; nach der Operation des Klägers im Oktober 2005 sei im Verlauf eine erhebliche Besserung der bislang bestehenden Schwäche und Bewegungseinschränkung im Bereich der rechten Hand eingetreten. Geschildert würden noch Nackenbeschwerden und Halswirbelsäulenbeschwerden. Neurographisch sei eine Läsion des Nervus medianus nachweisbar.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 7. November 2011 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 26. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. August 2010 zu verurteilen, die Schmerzzustände im HWS-Bereich und im rechten Arm nebst Verkrallung der rechten Hand als Folgen des Arbeitsunfalls vom 05. Oktober 2006 anzuerkennen und ihm eine Verletztenrente nach einer MdE von wenigstens 20 v.H. zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf den angefochtenen Gerichtsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gerichtsakten des SG der Verfahren S 14 U 966/02 sowie S 4 U 3859/10 und die Senatsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässig.

Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das SG hat die Klage auf Feststellung von Unfallfolgen und Gewährung einer Verletztenrente als Folge des Unfalles vom 05.10.2006 zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 26.03.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.08.2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche nach dem Versicherungsfall hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, haben nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) Anspruch auf eine Rente. Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Die Folgen eines Versicherungsfalls sind nach § 56 Abs. 1 Satz 3 SGB VII nur zu berücksichtigen, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um wenigstens 10 v.H. mindern. Gemäß § 72 Abs. 1 SGB VII wird die Rente von dem Tag an gezahlt, der auf den Tag folgt, an dem entweder der Anspruch auf Verletztengeld endet oder der Versicherungsfall eingetreten ist, wenn kein Anspruch auf Verletztengeld entstanden ist.

Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Die Bemessung der MdE hängt also von zwei Faktoren ab (vgl. Bundessozialgericht (BSG) Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 14/03 R in SozR 4-2700 § 56 Nr. 1): Den verbliebenen Beeinträchtigungen des körperlichen und geistigen Leistungsvermögens und dem Umfang der dadurch verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten. Entscheidend ist nicht der Gesundheitsschaden als solcher, sondern vielmehr der Funktionsverlust unter medizinischen, juristischen, sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, haben keine verbindliche Wirkung, sie sind aber eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, vor allem soweit sie sich darauf beziehen, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Erst aus der Anwendung medizinischer und sonstiger Erfahrungssätze über die Auswirkungen bestimmter körperlicher und seelischer Beeinträchtigungen auf die verbliebenen Arbeitsmöglichkeiten des Betroffenen auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens und unter Berücksichtigung der gesamten Umstände des Einzelfalles kann die Höhe der MdE im jeweiligen Einzelfall geschätzt werden. Diese zumeist in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung sowie dem versicherungsrechtlichen und versicherungsmedizinischen Schrifttum herausgearbeiteten Erfahrungssätze sind bei der Beurteilung der MdE zu beachten; sie sind zwar nicht für die Entscheidung im Einzelfall bindend, bilden aber die Grundlage für eine gleiche, gerechte Bewertung der MdE in zahlreichen Parallelfällen der täglichen Praxis und unterliegen einem ständigen Wandel.

Voraussetzung der Anerkennung einer Gesundheitsstörung als Folge eines Arbeitsunfalles und Berücksichtigung derselben bei der Bemessung der MdE ist u. a. ein wesentlicher ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Unfallereignis, dem dadurch eingetretenen Gesundheitserstschaden (sog. haftungsbegründende Kausalität) und der fortdauernden Gesundheitsstörung (sog. haftungsausfüllende Kausalität). Dabei müssen die anspruchsbegründenden Tatsachen, zu denen - neben der versicherten Tätigkeit - der Gesundheitserstschaden und die eingetretenen fortdauernden Gesundheitsstörungen gehören, mit einem der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit erwiesen sein. Für die Bejahung eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen dem Gesundheitserstschaden und den fortdauernden Gesundheitsstörungen gilt in der gesetzlichen Unfallversicherung die Kausalitätstheorie der "wesentlichen Bedingung". Diese hat zur Ausgangsbasis die naturwissenschaftlich-philosophische Bedingungstheorie. In einem ersten Schritt ist zu prüfen, ob das Ereignis nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Auf Grund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen. Nach der Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben. Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens abgeleitet werden (vgl. die zusammenfassende Darstellung der Kausalitätstheorie der wesentlichen Bedingung im Urteil des BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R - SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = BSGE 96, 196-209 und in Juris).

An diesem Prüfungsmaßstab orientiert hat der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente, da der Unfall vom 05.10.2006 zu keinen Unfallfolgen im Sinne des Herbeiführens oder der Verschlimmerung eines Gesundheitsschadens geführt hat, die eine MdE um wenigstens 20 v.H. erreichten bzw. noch erreichen.

Der Senat stellt hierzu fest, dass der Kläger am 05.10.2006 im Rahmen einer versicherten Tätigkeit als Kraftfahrer einen Auffahrunfall erlitten hat, durch den ein Gesundheitserstschaden in Form einer HWS-Distorsion verursacht worden ist. Der Senat vermag allerdings ebenso wie das SG nicht festzustellen, dass das Unfallereignis zu weiteren Gesundheitsschädigungen geführt hat und die vom Kläger beklagten Beschwerden und Schmerzen daher mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dem Unfallereignis als hierdurch wesentlich verursacht zuzuordnen sind.

Denn über die beschriebene HWS-Distorsion hinaus ist kein dem Unfall zuzuordnender struktureller Gesundheitserstschaden dokumentiert. Im Durchgangsarztbericht vom 05.10.2006 wird ausgeführt, dass kein Anhalt für eine frische Knochenverletzung aus den Röntgenaufnahmen der Halswirbelsäule vom Unfalltag ersichtlich ist. Diese Aufnahmen zeigten ein korrekt einliegendes Implantat im Bereich C5/6 mit beginnender knöcherner Überbauung ventral ohne Anhaltspunkt für objektivierbare strukturelle Unfallfolgen. Es sind nach dem Unfall auch keine relevanten Einschränkungen dokumentiert; die Kopfbeweglichkeit war aktiv und passiv frei, der neurologische Befund war - wie bei späteren Nachuntersuchungen - unauffällig. Dafür sind, worauf Dr. S. in seinem vom Senat urkundsbeweislich verwerteten Gutachten nachvollziehbar hingewiesen hat, bereits für den Unfallzeitpunkt bzw. das Jahr 2005 erhebliche degenerative Veränderungen mit begleitenden Foramenstenosen der Segmente C4 bis C6 dokumentiert, insbesondere waren im Segment C4/5 ausgeprägte ventralseitige osteophytäre Randanbauten zu erkennen. Wie Dr. S. weiter ausführt, finden sich auch in den MRT- und CT-Aufnahmen von Dr. S. aus dem Jahr 2008 die ausgeprägten degenerativen Veränderungen ohne Nachweis einer Traumafolge. Mit Blick auf diese unfallunabhängigen Vorschädigungen lassen sich die von Dr. S. (erstmals) im Jahr 2008 festgestellten Schädigungen der Halswirbelsäule (Subluxation im Bereich C5/6 sowie Deckenplattenimpressionsfraktur C5 auf der rechten Seite) nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dem Unfallereignis vom 05.10.2006 zuordnen. Die gegenteilige Auffassung von Dr. Z. (Befundbericht vom 27.04.2009), dem offenbar nur seine eigenen und die CT-Aufnahmen vom 18.11.2008 zur Verfügung standen - und nicht die Aufnahmen von 2005 und 2006 -, entbehrt zumal mit Blick auf die nachgewiesenen degenerativen Vorschädigungen aus diesem Zeitraum und das Fehlen knöcherner Unfallverletzungen durch den Unfall jeder objektivierbaren Grundlage. Vielmehr ist der Auffassung von Dr. S. zu folgen, der - auf der Grundlage von mehreren (Verlaufs-) Aufnahmen der Halswirbelsäule im Zeitraum Oktober 2005 bis November 2009 - den fortschreitenden degenerativen Verlauf der Schädigungen nachvollziehbar beschrieben und daraus schlüssig und überzeugend hergeleitet hat, dass durch den Unfall vom 05.10.2006 allenfalls eine vorübergehende Verschlimmerung im Sinne einer zunehmenden Schmerzsymptomatik im Bereich der Wirbelsäule eintrat, die weiterhin beklagten Unfallfolgen und Beschwerden aber degenerativ bedingt sind.

Die beschriebenen erheblichen degenerativen Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule führten bereits am 06.10.2005 zu einer mikroneurochirurgischen Entfernung eines Bandscheibenvorfalls C5/6 und einer Stenose im Bereich C5/6. Wie der Vergleich der Röntgenaufnahmen vom 06.10.2005 und vom Unfalltag am 05.10.2006 zeigt, sind - worauf Dr. Schätz hinweist - die degenerativen Veränderungen in diesem Jahr weiter fortgeschritten, da neben der ventralen Spangenbildung C4/5 am Unfalltag auch eine knöcherne Überbauung im Bereich C5/6 feststellbar war. Mit Blick auf diese Vorbefunde ist die Annahme von Dr. Fink, dass die Verknöcherung um das Implantat (C5/6) auf den Unfall zurückzuführen sei, durch nichts belegt. Etwas anderes folgt auch nicht aus den Feststellungen des Dr. Schneider, der zwar unter dem 22.04.2008 aufgrund der Angaben des Klägers über eine Zunahme des Beschwerdebildes nach dem zweiten Unfall ein leichtes dorsales Versetzen der oberen HWS für möglich gehalten bzw. bei der CT-Untersuchung am 18.11.2008 Schädigungen der Halswirbelsäule (Deckplattenimpressionsfraktur) "möglicherweise auf dem Boden des zweiten Unfalls" festgestellt hat, sich nach Beauftragung durch das SG unter dem 21.02.2011 aber nicht in der Lage sah, zu beurteilen, ob die Beschwerden des Klägers hierauf zurückzuführen sind und eine Verursachung weder bejahen noch ausschließen konnte.

Der Kläger war auch nicht nach der Operation am 06.10.2005 vollständig beschwerdefrei. Wie sich aus dem Befundbericht des Neurologen Dr. H. vom 16.01.2006 ergibt, war zwar eine Besserung der Paresen im Finger- und Handbereich feststellbar, es war jedoch neurographisch weiterhin eine Läsion des Nervus medianus nachweisbar. Dr. K. stellte am 01.12.2005 eine fortbestehende Schwäche im Bereich der rechten Hand fest. Dr. H. berichtet zudem auch nach der Operation im Oktober 2005 über - allerdings gebesserte - Nacken- und HWS-Beschwerden beim Kläger. Vergleicht man den neurologischen Befund, den Dr. H. am 16.01.2006 erhoben hat, mit dem von Dr. S. am 04.11.2009 erhobenen Befund, ist zudem keine erhebliche Verschlechterung durch den Unfall nachweisbar. Bei der Untersuchung durch Dr. H. am 21.12.2005 war im Bereich der Finger- und Handstrecker rechts ein Kraftgrad IV bis V feststellbar, es bestanden keine reproduzierbaren Sensibilitätsstörungen. Bei der Untersuchung durch Dr. S. am 04.11.2009 war rechtsseitig der Händedruck fraglich abgeschwächt, die vollständige Extension der Langfinger war aktiv endgradig nicht möglich, wobei die dorsale Extension im Handgelenk sowie die Streckung im Ellenbogengelenk nicht eingeschränkt war. Eine Sensibilitätsstörung war nicht feststellbar und weitere Muskelschwächen am Untersuchungstag nicht nachzuweisen. Es bestehen daher auch unter diesem Gesichtspunkt keine Hinweise für eine unfallbedingte Herbeiführung oder Verschlechterung der Beschwerdesymptomatik des Klägers, weder im Bereich der Halswirbelsäule noch in der rechten Hand.

Insgesamt lassen sich daher zur Überzeugung des Senats weder die Schädigungen der Halswirbelsäule noch die vom Kläger angegebenen sonstigen Einschränkungen und Beschwerden mit hinreichender Wahrscheinlichkeit dem Unfallereignis als hierdurch wesentlich verursacht zuordnen.

Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG war daher nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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