L 1 KR 394/13 ER KL

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 394/13 ER KL
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen die Genehmigung einer Satzungsänderung hinsichtlich der Sitzverlegung der Beigeladenen durch die Antragsgegnerin.

Der BKK Landesverband Hessen betreute als Dachorganisation die Betriebskrankenkassen in Hessen. Am 1. Januar 2014 fusionierte er mit dem BKK Landesverband Baden-Württemberg zum Antragsteller.

Die Beigeladene hatte ihren Sitz zunächst in Neu-Isenburg und war (bis zum 31. Dezember 2013) Mitglied des BKK Landesverbandes Hessen.

Mit Schreiben vom 12. November 2013 informierte die Antragsgegnerin den BKK Landesverband Hessen über den beabsichtigten Antrag der Beigeladenen auf Genehmigung des 32. Satzungsnachtrages (Sitzverlegung von Neu-Isenburg nach München zum 16. Dezember 2013) und bat um umgehende Stellungnahme. Auf den Antrag des BKK Landesverbandes Hessen auf Akteneinsicht vom 18. November 2013 teilte die Antragsgegnerin unter dem 22. November 2013 mit, dass der Verband kein Verfahrensbeteiligter sei und ihm deshalb kein Akteneinsichtsrecht zustehe. Unter dem 6. Dezember 2013 bezog der BKK Landesverband Hessen Stellung.

Am 19. Dezember 2013 genehmigte die Antragsgegnerin die Satzungsänderung der Beigeladenen mit Wirkung zum 30. Dezember 2013 und informierte hierüber mit Schreiben vom 19. Dezember 2013 den BKK Landesverband Hessen.

Am 23. Dezember 2013 hat der BKK Landesverband Hessen vor dem Hessischen Landessozialgericht Klage gegen die Genehmigung der Antragsgegnerin vom 19. Dezember 2013 erhoben (L 1 KR 395/13 KL) und zugleich beantragt, die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen. Er, der Landesverband, sei von der Genehmigung unmittelbar betroffen, da diese in seine Finanz- und Satzungshoheit eingreife. Auch habe er ein schützenswertes Interesse an der Feststellung, welche Betriebskrankenkassen in seinen Zuständigkeitsbereich fielen. Das Rechtsschutzbedürfnis sei gegeben, da die Antragsgegnerin jegliche Beteiligtenrechte verneine. Zudem habe die Antragsgegnerin sein Recht auf ordnungsgemäße Anhörung gemäß § 172 Abs. 1 Satz 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch - Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V verletzt. Denn trotz entsprechender Beantragung mit Schreiben vom 13. November 2013 sei zunächst keine umfassende Akteneinsicht gewährt worden. Damit sei das Recht auf rechtliches Gehör verletzt. Da dem BKK Landesverband Baden-Württemberg in einem Parallelverfahren im Rahmen der Amtshilfe Akteneinsicht durch die Antragsgegnerin gewährt worden sei, sei zudem das Recht auf Gleichbehandlung verletzt. Eine unterbliebene oder nicht ordnungsgemäß durchgeführte Anhörung ziehe die Rechtswidrigkeit der entsprechenden Aufsichtsentscheidung und somit die Anfechtbarkeit derselben nach sich. Denn die Anhörung der Landesverbände im Falle von Organisationsänderungen bei ihren Mitgliedskassen sei aufgrund der im mitgliedschaftlichen Sinne unmittelbaren Betroffenheit der Landesverbände zwingend. Der Antrag sei zudem begründet. Auf die Ausführungen in der Antragsschrift wird insoweit verwiesen.

Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Genehmigung der Antragsgegnerin vom 19. Dezember 2013 hinsichtlich der Satzungsänderung der Beigeladenen wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass der Antrag mangels Antragsbefugnis unzulässig sei. Eine Antragsbefugnis setze entsprechend der Klagebefugnis im Hauptsacheverfahren die generelle Möglichkeit einer Rechtsverletzung des Antragstellers in seinen eigenen Rechten voraus. Vorliegend verstoße die Genehmigung gegen keine Rechtsnorm, die zumindest auch den Schutz individueller Interessen eines Drittbetroffenen, hier des Antragstellers, bezwecke. Der Antragsteller sei nicht Beteiligter des Genehmigungsverfahrens. Im Übrigen sei der Antrag unzulässig, weil sich die Klage gegen die Genehmigung erledigt habe. Die Genehmigung sei grundsätzlich unwiderruflich, sobald sie wirksam geworden sei, vorliegend mit dem Zugang beim Versicherungsträger. Die Satzung sei mit Zugang des Genehmigungsbescheides in der geänderten Form in Kraft getreten, der Bescheid sei damit vollzogen worden. Über das Eintreten dieser Gestaltungswirkung gehe von dem Bescheid keine Rechtswirkung mehr aus. Darüber hinaus sei der Antrag auch unbegründet.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie hält den Antrag ebenfalls für unzulässig und unbegründet. Der Antragsteller sei durch die Genehmigung nicht beschwert. Er sei weder Adressat der Satzungsgenehmigung, noch könne er sich als Dritter auf die Verletzung von Normen, die ihn schützten, berufen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Akte im Verfahren L 1 KR 395/13 KL sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin, die Gegenstand der Beratung waren, Bezug genommen.

II.

Gemäß § 29 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheidet das Landessozialgericht im ersten Rechtszug.

Der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gemäß § 86b SGG ist unzulässig. Dem Antragsteller fehlt die Antragsbefugnis gemäß dem im Eilrechtsschutzverfahren entsprechend anzuwendenden § 54 SGG.

Die Klagebefugnis für eine Anfechtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG besteht, wenn der Kläger behaupten kann, durch den angefochtenen, von ihm als rechtswidrig angesehenen Verwaltungsakt beschwert zu sein. Beschwert in diesem Sinne kann auch ein Drittbetroffener sein, in dessen Rechtssphäre durch den an einen anderen gerichteten Verwaltungsakt eingegriffen wird. Eine rein wirtschaftliche Betroffenheit reicht dafür jedoch nicht aus. Die Klagebefugnis fehlt, wenn die als verletzt angesehene Rechtsnorm keinen drittschützenden Charakter in dem Sinne hat, dass sie zumindest auch der Verwirklichung individueller Interessen des Klägers zu dienen bestimmt ist. Es müssen entweder die geltend gemachten rechtlichen Interessen des Dritten vom Schutzzweck der dem Verwaltungsakt zugrundeliegenden Norm erfasst oder es muss eine weitergehende Grundrechtsverletzung des Dritten möglich sein. Von dem Verwaltungsakt dürfen in Bezug auf die Dritten nicht nur Rechtsreflexe ausgehen (s. BSG, Urteil vom 11. September 2012, B 1 A 2/11 R, BSGE 111, 280 ff., mwN).

Ein in diesem Sinne rechtlich geschütztes Individualinteresse des Antragstellers besteht nicht. Ein solches Recht folgt nicht aus den Vorschriften, die für die Bildung und die Arbeit der Landesverbände der Betriebskrankenkassen gelten. Dies gilt insbesondere auch für § 194 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, wonach die Satzung der Krankenkasse deren Sitz bestimmen muss. Der Antragsteller hat auch kein subjektives Recht auf eine bestimmte Anzahl von Mitgliedskassen. Auch soweit der Antragsteller vorträgt, dass sich durch die Genehmigung der Sitzverlegung das zu seiner Finanzierung herangezogene Finanzvolumen mindere, begründet dies keine Klagebefugnis. Insoweit macht der Antragsteller nur Reflexfolgen der Sitzverlegung geltend (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 18. März 2009, L 1 KR 35/08 KL, mwN; BSG, Urteil vom 25. Februar 1966, 3 RK 38/65, BSGE 24, 266; Peters in: Kassler Kommentar, § 195 SGB V, Rn. 8 ff.; Schneider-Danwitz in: jurisPK, § 195 SGB V, Rn 32; Baier in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung Pflegeversicherung, Kommentar, § 195 SGB V, Rn. 11). Auch aus § 172 Abs. 1 Satz 2 SGB V folgt kein subjektives Recht des Antragstellers. Nach dieser Vorschrift sind die Verbände der beteiligten Krankenkassen zu hören, wenn eine Krankenkasse ihren Sitz in den Bezirk eines anderen Verbandes verlegen will. Mit der Einführung dieses Anhörungsrechts wollte der Gesetzgeber die mit der Sitzverlegung oft einhergehende Änderung der Haftungszuständigkeiten der Verbände berücksichtigen (vgl. BT-Drucks 15/1525 S. 136 zu Nummer 132). Mit Wirkung zum 1. Juli 2008 ist die Haftung der Verbände abgeschafft worden. Nach der Neufassung des § 155 Abs. 4 SGB V haften statt der Kassenverbände nunmehr die übrigen Betriebskrankenkassen. Der vom Gesetzgeber angegebene Grund für die Informationsrechte der Verbände bei einer Sitzverlegung ist daher entfallen. Gleichwohl wurde das Anhörungsrecht der Verbände beibehalten. Es dient nach der seit dem 1. Juli 2008 geltenden Rechtslage nur mehr der vollständigen Sachverhaltsermittlung im Sinne des § 21 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X. Durch die Anhörung werden die Verbände jedoch nicht Beteiligte im Sinne der §§ 12, 24 SGB X, mit der möglichen Konsequenz einer Anfechtbarkeit der jeweiligen Verwaltungsakte im Falle der unterbliebenen Anhörung (vgl. BSG, Urteil vom 11. September 2012, a.a.O., mwN; vorhergehend LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 8. September 2011, L 5 KR 24/10 KL; LSG Hamburg, a.a.O., mwN; Baier, a.a.O., § 172 SGB V, Rn. 3; hinsichtlich der Versicherten vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 12. Mai 2000, L 4 KR 4625/99). Im Übrigen vermitteln die verfahrensrechtlichen Normen der §§ 12, 24 SGB X grundsätzlich keinen Drittschutz, sondern setzen ihn vielmehr voraus (vgl. BSG, Urteil vom 11. September 2012, a.a.O.). Schließlich lässt sich auch aus dem Gesamtkontext mit der Regelung des § 172 Abs. 2 und 3 SGB V keine weitergehende Anfechtbarkeit durch einen Landesverband als Konsequenz eines drittschützenden Charakters der Norm herleiten. Auch aus der organisationsrechtlichen Regelung über die Bildung und Vereinigung von Landesverbänden (§ 207 SGB V) kann ein Drittschutz für den Landesverband oder für die letztverbleibende Mitgliedskasse nicht abgeleitet werden (hierzu ausführlich BSG, Urteil vom 11. September 2012, a.a.O.). Ob darüber hinaus der Antrag wegen Erledigung des Klageverfahrens unzulässig ist, kann bei dieser Sach- und Rechtslage dahinstehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt, so dass ihr keine Kosten zu erstatten sind, § 154 Abs. 3 VwGO.

Die Festsetzung des Regelstreitwertes folgt aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 52 Abs. 2 GKG, da der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwertes keine genügenden Anhaltspunkte bietet (vgl. Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit C. II. 4.1 mit Verweis auf LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 9. September 2005, L 24 B 1038/05).

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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