Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 123/10
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 109/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Mai 2012 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) – Gonarthrose durch eine Tätigkeit in Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht.
Der 1960 geborene Kläger wurde vom 1. September 1977 bis 15. Juli 1979 zum Malergesellen ausgebildet. Nach Ableistung seines Wehrdienstes in der NVA vom 1. Juni 1980 bis 29. April 1983 war der Kläger bis 4. Oktober 1995 als Malergeselle in verschiedenen Firmen tätig. Vom 27. November 1995 bis 6. November 1996 arbeitete er als Bauhandwerker in der Betonsanierung. Im Anschluss daran war er wieder als Malergeselle und vom 1. Februar 1999 bis 31. März 2007 als selbständiger Malermeister tätig.
Mit Schreiben vom 31. Oktober 2009 meldete sich der Kläger bei der Beklagten und teilte mit, es sei bei ihm ein Schaden an der linken Kniescheibe diagnostiziert worden. Diese Erkrankung mache eine arbeitsmäßige Belastung durch berufsbedingte artverwandte Tätigkeiten kaum noch möglich. Auch die von ihm gegenwärtig ausgeübte Hausmeistertätigkeit falle ihm zurzeit schwer, weil schon nach kurzer Belastungszeit Schmerzen im Kniegelenk einsetzten. Der Kläger legte einen Bericht des Radiologen Dr. B., Gemeinschaftspraxis Radiologie und Nuklearmedizin in Frankfurt am Main, vom 29. Juni 2009 über eine Kernspintomografieuntersuchung des linken Kniegelenkes am 27. Juni 2009 vor. Darin wird als im Vordergrund stehend von einer Chondropathie Grad IV der medialen Facette der Patella mit einer deutlichen subchondralen ossären Reizreaktion sowie über eine Chondropathie Grad III an den übrigen Anteilen der Patella berichtet. In einem weiteren Bericht des Radiologen Dr. C. von der gleichen radiologischen Gemeinschaftspraxis in Frankfurt vom 19. November 2009 werden Befunde einer kernspintomografischen Untersuchung des rechten Kniegelenkes vom 19. September 2009 mitgeteilt. Unter "Beurteilung" wird ausgeführt: "Im Vordergrund stehen die chondromalazischen Knorpelveränderungen femoropatellar mit femoralseitiger Betonung und hier Zeichen einer ödematösen Spongiosareaktion. Größere Knorpeldefekte fehlen. Geringer Reizerguss."
In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme führte der Arzt für Arbeitsmedizin D. hierzu aus: "Bei der hier im MRT befundeten Chondropathia patellae handelt es sich nicht um ein Krankheitsbild im Sinne der BK 2112, wie der wissenschaftlichen Begründung zur "BK-Gonarthrose" – zu entnehmen ist. Daher handelt es sich bei einer Chondropathia patellae nicht um eine Erkrankung aus der Liste der Anlage 1 zur BKV. Es liegen somit auch keine neuen Erkenntnisse vor, nach denen eine Chondropathia patellae durch bestimmte Berufsstoffe verursacht oder bei bestimmten Berufsgruppen gehäuft beobachtet wird." Der hessische Landesgewerbearzt Prof. Dr. E. schloss sich in seiner Stellungnahme vom 12. April 2010 der Beurteilung des Arbeitsmediziners D. an und führte aus: "Am 27.6.2009 wurde in der Magnetresonanztomografie des linken Kniegelenkes eine dritt- bis viertgradige Chondropathie der Patella diagnostiziert. In der Magnetresonanztomografie des rechten Kniegelenks vom 19. März 2009 (Schreibfehler, richtig 19. September 2009) zeigte sich keine wesentliche Chontropathie im Femoropatellar- und Femorotibialgelenk. Den Zusammenhang zwischen der beruflichen Einwirkung und der Chondropathie im linken Kniegelenk nehme ich nicht mit Wahrscheinlichkeit an, weil der Befund der Magnetresonanztomografie keine Hinweise für eine Gelenkspaltverschmälerung oder Ostophyten im Femoropatellargelenk im Sinne einer Femoropatellararthrose zeigt. Insofern liegt kein geeignetes Krankheitsbild im Sinne der Berufskrankheit 2112 vor."
Mit Bescheid vom 5. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, Entschädigungsleistungen im Zusammenhang mit seiner Erkrankung der linken Kniescheibe würden abgelehnt, weil weder eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) in Verbindung mit der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) noch eine Krankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII vorliege. Der Kläger leide an einer Chondropathie (Knorpelerkrankung) der linken Kniescheibe. Isolierte Chondropathien der Kniescheibe gehörten nicht zum Krankheitsbild einer Berufskrankheit Gonarthrose (Kniegelenksarthrose), da sie nicht wie in der wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit-Nr. 2112 definiert im medialen Femorotibialgelenk (eigentliches Kniegelenk zwischen Ober- und Unterschenkelknochen), sondern an der Kniescheibe angesiedelt seien. Es lägen keine neuen medizinischen Erkenntnisse vor, nach denen isolierte und obendrein einseitige Kniescheibenchondropathien auf berufliche Einwirkungen zurückgeführt werden könnten.
Der Kläger hat hiergegen am 23. Juni 2010 beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben und geltend gemacht, seine langjährige berufliche Tätigkeit als Maler und Lackierer habe er zu einem guten Drittel aus kniender/hockender/gebückter Position ausgeübt. Daraus sei eine ständige Überlastung der Kniegelenke resultiert. Da die Kniescheibe eines der knöchernen Anteile des Kniegelenkes sei, sei sie nicht in ihrer Funktion und möglichen Erkrankung isoliert zu betrachten. Das Gegenteil sei der Fall. Die Kniescheibe sei funktional der vollen Belastung des Kniegelenkes ausgesetzt, insbesondere im Knien und in der Hocke. Auch ein Knorpelschaden an der Kniescheibe sei als Gonarthrose zu bewerten. Der Kläger legte ein fachärztliches Attest des Orthopäden Dr. G. vom 5. Juli 2010 sowie einen von Dr. G. erstellten Bericht vom 8. Februar 2010 zu den Akten.
Das Sozialgericht hat durch Gerichtsbescheid vom 14. Mai 2012 die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat gegen den ihm am 16. Mai 2012 zugestellten Gerichtsbescheid am 5. Juni 2012 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt, ein ärztliches Attest des Dr. F. vom 9. Juli 2012 vorgelegt und im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Mai 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2010 aufzuheben, die bei ihm vorliegende Erkrankung der Kniescheibe als BK nach Nr. 2112 der Anlage zur BKV festzustellen,
hilfsweise,
festzustellen, dass es sich bei der vorliegenden Knieerkrankung um eine "Wie-Berufskrankheit" im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII handelt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat durch Beschluss vom 13. August 2013 die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin übertragen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die zum Verfahren beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie konnte jedoch in der Sache keinen Erfolg haben. Die Bescheide der Beklagten und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts sind rechtens. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der an der Rückfläche der Kniescheibe festgestellten Knorpelerkrankung als Berufskrankheit im Sinne der BK Nr. 2112 der Anlage zur BKV. Es besteht auch kein Anspruch auf Feststellung der Erkrankung nach § 9 Abs. 2 SGB VII wie eine Berufskrankheit.
Bei Berufskrankheiten ist nach § 9 SGB VII zwischen "Listen-Berufskrankheiten" und "Wie-Berufskrankheiten" zu unterscheiden. Eine Listen-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII setzt voraus, dass die Krankheit als Berufskrankheit in einem Tatbestand der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) erfasst ist und diesen erfüllt. Hingegen ist eine "Wie-Berufskrankheit" nach § 9 Abs. 2 SGB VII als Versicherungsfall anzuerkennen, wenn die Krankheit nicht in der BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht erfüllt, aber nach neuen Erkenntnissen der Wissenschaft die Voraussetzungen für ihre Bezeichnung als BK in der Anlage zur BKV durch den Verordnungsgeber gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII vorliegen (vgl. BSG, Urteile vom 27.07.2001 – B 8 KN 1/00 UR in BSGE 88, 226, vom 2.12.2008 – B 2 KN 2/07 UR und vom 12.1.2010 – B 2 U 5/08 R – in juris).
Nach § 9 Abs. 1 SGB VII lassen sich für eine Listenberufskrankheit im Regelfall folgende Merkmale als Anerkennungsvoraussetzungen ableiten: Die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), außerdem müssen die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; vgl. BSG, Urteil vom 2.04.2009 – B 2 U 9/08 R – BSGE 103, 59).
Mit Wirkung vom 1. Juni 2009 wurde mit der zweiten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung als Nr. 2112 eine "Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbarer Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt 1 Stunde pro Schicht" in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen. Nach der Rückwirkungsklausel kommt eine Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr. 2112 nur in Betracht, wenn die Erkrankung nicht bereits vor dem 1. Oktober 2002 eingetreten ist (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 BKV). Zu der Berufskrankheit Nr. 2112 hat der ärztliche Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein Merkblatt verfasst (veröffentlicht in der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 30.12.2009 – IVa 4-45222-2112-GMBl 5/6/2010 Seite 98 ff.). Unter "III. Krankheitsbild und Diagnose" wird in dem Merkblatt ausgeführt: "Beim Kniegelenk handelt sich um ein komplex aufgebautes Gelenk, bestehend aus dem Tibiofemoralgelenk (sog. Kniehauptgelenk) sowie dem Retropatellargelenk. Die Arthrose des Kniegelenks (Gonarthrose) ist gekennzeichnet durch Knorpelabbau, subchondralen Knochenumbau mit Sklerose, subchondralen Knochenzysten, Osteophytenbildung im Bereich der beteiligten Knochen, Bewegungseinschränkungen im Rahmen der Beugung und Streckung des Kniegelenkes sowie Schmerzen im Kniegelenk. Die Diagnose einer Gonarthrose setzt eine klinische und röntgenologische Untersuchung des Kniegelenks voraus. Nach einer verbreiteten Klassifikation werden Veränderungen im Röntgenbild und anderen bildgebenden Verfahren in folgende vier Stadien, je nach Ausmaß der degenerativen Veränderungen, eingeteilt:
Grad I: Fragliche Verschmälerung des Kniegelenkspalts und möglich Osteophytenbildung
Grad II: definitive Osteophyten und mögliche Verschmälerung des Kniegelenkspalts
Grad III: multiple Osteophyten und definitive Verschmälerung des Kniegelenkspalts, Sklerose und mögliche Verformung der Tibia und des Femurs
Grad IV: ausgeprägte Osteophyten, starke Verschmälerung des Kniegelenkspalts, ausgeprägte Sklerose und definitive Verformung der Tibia und des Femurs. Die Diagnose einer Gonarthrose im Sinne dieser Berufskrankheit hat folgende Voraussetzungen: Chronische Kniegelenksbeschwerden Funktionsstörungen bei der orthopädischen Untersuchung in Form einer eingeschränkten Streckung oder Beugung im Kniegelenk die röntgenologische Diagnose einer Gonarthrose entsprechend Grad II bis IV der Klassifikation von Kellgren et al. Die Kniegelenksarthrose im Sinne dieser Berufskrankheit kann isoliert im medialen oder lateralen Kniehauptgelenk oder im medialen oder lateralen Retropatellargelenk auftreten. Bei schweren Erkrankungsfällen sind häufig alle Kompartimente des Kniegelenks degenerativ verändert. Bei beidseitigem Knien und vergleichbarer Kniebelastung tritt die Gonarthrose in der Regel beidseitig auf. Sofern die Kniegelenksbelastung jedoch überwiegend einseitig erfolgt, wird auch eine einseitige Gonarthrose in dem belasteten Kniegelenk beobachtet. Eine einseitige Gonarthrose spricht nicht gegen eine Berufskrankheitanzeige. "Die Chontropathia patellae, die überwiegend bei jugendlichen Patienten auftritt, ist keine Erkrankung im Sinne dieser Berufskrankheit und stellt auch keine Frühform der Gonarthrose dar. Auch die Chontromalazia patellae mit herdförmigen Veränderungen des Patellarknorpels stellt keine Retropatellararthrose im Sinne dieser Berufskrankheit dar." Die Ausführungen im Merkblatt wurden ergänzt durch eine "Wissenschaftliche Stellungnahme zu der BK-Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV" (veröffentlicht in der Bekanntmachung des BMAS vom 24.10.2011 – IVa4-45222-2112-GMBl. 2011, 983). Danach liegt neben der eingeschränkten Streckung oder Beugung im Kniegelenk auch eine Gonarthrose mit dem erforderlichen Schweregrad im Sinne der BK 2112 bei folgenden Funktionsstörungen vor: Kniegelenkerguss, Kapselentzündung mit Verdickung oder Verplumpung der Gelenkkontur, Krepitation bei der Gelenkbewegung, hinkendes Gangbild, Atrophie der Oberschenkelmuskulatur (einzeln oder in unterschiedlicher Kombination). Neben mindestens einer dieser genannten Funktionsstörungen müssen chronische Kniegelenksbeschwerden und die röntgenologische Diagnose einer Gonarthrose entsprechend Grad II bis IV der Klassifikation von Kellgren et al. (1963) für die Diagnose einer Gonarthrose im Sinne der BK-Nr. 2112 vorliege.
Der Kläger hat langjährig eine berufliche Tätigkeit als Maler ausgeübt. Dass er dabei auch Tätigkeiten im Knien im Sinne der BK-Nr. 2112 ausgeübt hat, ist glaubhaft. Ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen, d.h. eine Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt 1 Stunde pro Schicht, hier erfüllt sind bedurfte keiner weiteren Ermittlung. Denn auch bei Unterstellung, dass der Kläger durch seine berufliche Tätigkeit als Maler die genannten Voraussetzungen erfüllt hat, kann die Feststellung einer BK nach Nr. 2112 der Anlage zur BKV hier nicht erfolgen, weil es an den medizinischen Anerkennungsvoraussetzungen fehlt. Anlässlich einer Magnetresonanztomografie des linken Kniegelenkes am 27. Juni 2009 wurde bei dem Kläger eine Chondropathie Grad IV der medialen Facette der Patella mit einer deutlichen subchontralen ossären Reizreaktion und in den übrigen Anteilen der Patella eine Chontropathie Grad III festgestellt. Eine weitere Magnetresonanztomografie des rechten Kniegelenkes am 19. September 2009 zeigte chontromalazische Knorpelveränderungen femoropatellar mit femoralseitiger Betonung. Veränderungen entsprechend dem Grad II der Klassifikation nach Kellgren wurden weder im rechten noch im linken Kniehauptgelenk oder Retropatellargelenk festgestellt, denn in den Befundbeschreibungen der Magnetresonanztomografien finden sich keinerlei Hinweise für eine Gelenkspaltverschmälerung oder Osteophyten. Die im Merkblatt geforderten Veränderungen im Röntgenbild und anderen bildgebenden Verfahren entsprechend einem Grad II, Grad III oder Grad IV nach Kellgren konnten folglich im Falle des Klägers nicht diagnostiziert werden, so dass es an einem wesentlichen Diagnosekriterium zur Feststellung einer Gonarthrose im Sinne der BK-Nr. 2112 fehlt. Da das Merkblatt ausdrücklich darauf hinweist, dass eine Chontropathia patellae als auch eine Chontromalazia patellae keine Retropatellar arthrose im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2112 sind, können die Knorpelerkrankungen an den Kniescheibenrückflächen des Klägers nicht als BK festgestellt werden.
Der Senat ist bei seiner Entscheidung den übereinstimmenden arbeitsmedizinischen Beurteilungen des Beratungsarztes der Beklagten D. und des Landesgewerbearztes Prof. Dr. E. gefolgt. Da Prof. Dr. E. dem Senat als erfahrener Sachverständiger insbesondere der BK Gonarthrose bekannt ist und das Merkblatt zur BK klare Diagnosekriterien benennt, sah der Senat keinen Anlass zur Einholung eines medizinischen Gutachtens.
Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch lässt sich auch nicht auf § 9 Abs. 2 SGB VII stützen. Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit (Wie-BK) als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Diese "Öffnungsklausel" des § 9 Abs. 2 SGB VII soll nur die Regelungslücken in der BKV schließen, die sich aus den zeitlichen Abständen zwischen den Änderungen der BKV ergeben. Die Regelung ist aber keine allgemeine Härteklausel, für deren Anwendung es genügen würde, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind. Vielmehr soll die Anerkennung einer Wie-BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der Berufskrankheiten (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber aber noch nicht tätig geworden ist (so BSG, Urteil vom 12.1.2010 – B 2 U 5/08 R a.a.O.). Die Anerkennung einer Erkrankung als "Wie-BK" kann folglich auch dann nicht erfolgen, wenn berufliche Einwirkungen oder Belastungen im konkreten Einzelfall nachweislich die Krankheit verursacht haben. Erforderlich ist vielmehr, dass es aufgrund von Forschung und praktischer Erfahrung gesicherte neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, wonach Einwirkungen, denen eine bestimmte Personengruppe infolge ihrer versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, generell geeignet sind, eine solche Krankheit zu verursachen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn es gibt keine medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass eine die Knie belastende berufliche Tätigkeit generell geeignet ist, eine isoliert an der Kniescheibe auftretende Knorpelerkrankung zu verursachen. Dies belegt schon allein der Umstand, dass das Krankheitsbild der Chontropathia patellae und Chontromalazia patellae nicht der BK-Nr. 2112 zugeordnet werden können.
Da dem Begehren des Klägers nicht stattgegeben werden konnte, war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG, die über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt von der Beklagten die Feststellung einer Berufskrankheit nach Nr. 2112 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) – Gonarthrose durch eine Tätigkeit in Knien oder vergleichbare Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt einer Stunde pro Schicht.
Der 1960 geborene Kläger wurde vom 1. September 1977 bis 15. Juli 1979 zum Malergesellen ausgebildet. Nach Ableistung seines Wehrdienstes in der NVA vom 1. Juni 1980 bis 29. April 1983 war der Kläger bis 4. Oktober 1995 als Malergeselle in verschiedenen Firmen tätig. Vom 27. November 1995 bis 6. November 1996 arbeitete er als Bauhandwerker in der Betonsanierung. Im Anschluss daran war er wieder als Malergeselle und vom 1. Februar 1999 bis 31. März 2007 als selbständiger Malermeister tätig.
Mit Schreiben vom 31. Oktober 2009 meldete sich der Kläger bei der Beklagten und teilte mit, es sei bei ihm ein Schaden an der linken Kniescheibe diagnostiziert worden. Diese Erkrankung mache eine arbeitsmäßige Belastung durch berufsbedingte artverwandte Tätigkeiten kaum noch möglich. Auch die von ihm gegenwärtig ausgeübte Hausmeistertätigkeit falle ihm zurzeit schwer, weil schon nach kurzer Belastungszeit Schmerzen im Kniegelenk einsetzten. Der Kläger legte einen Bericht des Radiologen Dr. B., Gemeinschaftspraxis Radiologie und Nuklearmedizin in Frankfurt am Main, vom 29. Juni 2009 über eine Kernspintomografieuntersuchung des linken Kniegelenkes am 27. Juni 2009 vor. Darin wird als im Vordergrund stehend von einer Chondropathie Grad IV der medialen Facette der Patella mit einer deutlichen subchondralen ossären Reizreaktion sowie über eine Chondropathie Grad III an den übrigen Anteilen der Patella berichtet. In einem weiteren Bericht des Radiologen Dr. C. von der gleichen radiologischen Gemeinschaftspraxis in Frankfurt vom 19. November 2009 werden Befunde einer kernspintomografischen Untersuchung des rechten Kniegelenkes vom 19. September 2009 mitgeteilt. Unter "Beurteilung" wird ausgeführt: "Im Vordergrund stehen die chondromalazischen Knorpelveränderungen femoropatellar mit femoralseitiger Betonung und hier Zeichen einer ödematösen Spongiosareaktion. Größere Knorpeldefekte fehlen. Geringer Reizerguss."
In seiner beratungsärztlichen Stellungnahme führte der Arzt für Arbeitsmedizin D. hierzu aus: "Bei der hier im MRT befundeten Chondropathia patellae handelt es sich nicht um ein Krankheitsbild im Sinne der BK 2112, wie der wissenschaftlichen Begründung zur "BK-Gonarthrose" – zu entnehmen ist. Daher handelt es sich bei einer Chondropathia patellae nicht um eine Erkrankung aus der Liste der Anlage 1 zur BKV. Es liegen somit auch keine neuen Erkenntnisse vor, nach denen eine Chondropathia patellae durch bestimmte Berufsstoffe verursacht oder bei bestimmten Berufsgruppen gehäuft beobachtet wird." Der hessische Landesgewerbearzt Prof. Dr. E. schloss sich in seiner Stellungnahme vom 12. April 2010 der Beurteilung des Arbeitsmediziners D. an und führte aus: "Am 27.6.2009 wurde in der Magnetresonanztomografie des linken Kniegelenkes eine dritt- bis viertgradige Chondropathie der Patella diagnostiziert. In der Magnetresonanztomografie des rechten Kniegelenks vom 19. März 2009 (Schreibfehler, richtig 19. September 2009) zeigte sich keine wesentliche Chontropathie im Femoropatellar- und Femorotibialgelenk. Den Zusammenhang zwischen der beruflichen Einwirkung und der Chondropathie im linken Kniegelenk nehme ich nicht mit Wahrscheinlichkeit an, weil der Befund der Magnetresonanztomografie keine Hinweise für eine Gelenkspaltverschmälerung oder Ostophyten im Femoropatellargelenk im Sinne einer Femoropatellararthrose zeigt. Insofern liegt kein geeignetes Krankheitsbild im Sinne der Berufskrankheit 2112 vor."
Mit Bescheid vom 5. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2010 teilte die Beklagte dem Kläger mit, Entschädigungsleistungen im Zusammenhang mit seiner Erkrankung der linken Kniescheibe würden abgelehnt, weil weder eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) in Verbindung mit der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) noch eine Krankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII vorliege. Der Kläger leide an einer Chondropathie (Knorpelerkrankung) der linken Kniescheibe. Isolierte Chondropathien der Kniescheibe gehörten nicht zum Krankheitsbild einer Berufskrankheit Gonarthrose (Kniegelenksarthrose), da sie nicht wie in der wissenschaftlichen Begründung zur Berufskrankheit-Nr. 2112 definiert im medialen Femorotibialgelenk (eigentliches Kniegelenk zwischen Ober- und Unterschenkelknochen), sondern an der Kniescheibe angesiedelt seien. Es lägen keine neuen medizinischen Erkenntnisse vor, nach denen isolierte und obendrein einseitige Kniescheibenchondropathien auf berufliche Einwirkungen zurückgeführt werden könnten.
Der Kläger hat hiergegen am 23. Juni 2010 beim Sozialgericht Frankfurt am Main Klage erhoben und geltend gemacht, seine langjährige berufliche Tätigkeit als Maler und Lackierer habe er zu einem guten Drittel aus kniender/hockender/gebückter Position ausgeübt. Daraus sei eine ständige Überlastung der Kniegelenke resultiert. Da die Kniescheibe eines der knöchernen Anteile des Kniegelenkes sei, sei sie nicht in ihrer Funktion und möglichen Erkrankung isoliert zu betrachten. Das Gegenteil sei der Fall. Die Kniescheibe sei funktional der vollen Belastung des Kniegelenkes ausgesetzt, insbesondere im Knien und in der Hocke. Auch ein Knorpelschaden an der Kniescheibe sei als Gonarthrose zu bewerten. Der Kläger legte ein fachärztliches Attest des Orthopäden Dr. G. vom 5. Juli 2010 sowie einen von Dr. G. erstellten Bericht vom 8. Februar 2010 zu den Akten.
Das Sozialgericht hat durch Gerichtsbescheid vom 14. Mai 2012 die Klage abgewiesen.
Der Kläger hat gegen den ihm am 16. Mai 2012 zugestellten Gerichtsbescheid am 5. Juni 2012 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt, ein ärztliches Attest des Dr. F. vom 9. Juli 2012 vorgelegt und im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen wiederholt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 14. Mai 2012 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. Mai 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 2010 aufzuheben, die bei ihm vorliegende Erkrankung der Kniescheibe als BK nach Nr. 2112 der Anlage zur BKV festzustellen,
hilfsweise,
festzustellen, dass es sich bei der vorliegenden Knieerkrankung um eine "Wie-Berufskrankheit" im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII handelt.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat durch Beschluss vom 13. August 2013 die Berufung gemäß § 153 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) der Berichterstatterin übertragen.
Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und die zum Verfahren beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie konnte jedoch in der Sache keinen Erfolg haben. Die Bescheide der Beklagten und der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts sind rechtens. Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung der an der Rückfläche der Kniescheibe festgestellten Knorpelerkrankung als Berufskrankheit im Sinne der BK Nr. 2112 der Anlage zur BKV. Es besteht auch kein Anspruch auf Feststellung der Erkrankung nach § 9 Abs. 2 SGB VII wie eine Berufskrankheit.
Bei Berufskrankheiten ist nach § 9 SGB VII zwischen "Listen-Berufskrankheiten" und "Wie-Berufskrankheiten" zu unterscheiden. Eine Listen-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 1 SGB VII setzt voraus, dass die Krankheit als Berufskrankheit in einem Tatbestand der Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) erfasst ist und diesen erfüllt. Hingegen ist eine "Wie-Berufskrankheit" nach § 9 Abs. 2 SGB VII als Versicherungsfall anzuerkennen, wenn die Krankheit nicht in der BKV bezeichnet ist oder die dort bestimmten Voraussetzungen nicht erfüllt, aber nach neuen Erkenntnissen der Wissenschaft die Voraussetzungen für ihre Bezeichnung als BK in der Anlage zur BKV durch den Verordnungsgeber gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII vorliegen (vgl. BSG, Urteile vom 27.07.2001 – B 8 KN 1/00 UR in BSGE 88, 226, vom 2.12.2008 – B 2 KN 2/07 UR und vom 12.1.2010 – B 2 U 5/08 R – in juris).
Nach § 9 Abs. 1 SGB VII lassen sich für eine Listenberufskrankheit im Regelfall folgende Merkmale als Anerkennungsvoraussetzungen ableiten: Die Verrichtung einer versicherten Tätigkeit muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), außerdem müssen die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität; vgl. BSG, Urteil vom 2.04.2009 – B 2 U 9/08 R – BSGE 103, 59).
Mit Wirkung vom 1. Juni 2009 wurde mit der zweiten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung als Nr. 2112 eine "Gonarthrose durch eine Tätigkeit im Knien oder vergleichbarer Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt 1 Stunde pro Schicht" in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommen. Nach der Rückwirkungsklausel kommt eine Anerkennung der Berufskrankheit nach Nr. 2112 nur in Betracht, wenn die Erkrankung nicht bereits vor dem 1. Oktober 2002 eingetreten ist (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 BKV). Zu der Berufskrankheit Nr. 2112 hat der ärztliche Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten" beim Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein Merkblatt verfasst (veröffentlicht in der Bekanntmachung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) vom 30.12.2009 – IVa 4-45222-2112-GMBl 5/6/2010 Seite 98 ff.). Unter "III. Krankheitsbild und Diagnose" wird in dem Merkblatt ausgeführt: "Beim Kniegelenk handelt sich um ein komplex aufgebautes Gelenk, bestehend aus dem Tibiofemoralgelenk (sog. Kniehauptgelenk) sowie dem Retropatellargelenk. Die Arthrose des Kniegelenks (Gonarthrose) ist gekennzeichnet durch Knorpelabbau, subchondralen Knochenumbau mit Sklerose, subchondralen Knochenzysten, Osteophytenbildung im Bereich der beteiligten Knochen, Bewegungseinschränkungen im Rahmen der Beugung und Streckung des Kniegelenkes sowie Schmerzen im Kniegelenk. Die Diagnose einer Gonarthrose setzt eine klinische und röntgenologische Untersuchung des Kniegelenks voraus. Nach einer verbreiteten Klassifikation werden Veränderungen im Röntgenbild und anderen bildgebenden Verfahren in folgende vier Stadien, je nach Ausmaß der degenerativen Veränderungen, eingeteilt:
Grad I: Fragliche Verschmälerung des Kniegelenkspalts und möglich Osteophytenbildung
Grad II: definitive Osteophyten und mögliche Verschmälerung des Kniegelenkspalts
Grad III: multiple Osteophyten und definitive Verschmälerung des Kniegelenkspalts, Sklerose und mögliche Verformung der Tibia und des Femurs
Grad IV: ausgeprägte Osteophyten, starke Verschmälerung des Kniegelenkspalts, ausgeprägte Sklerose und definitive Verformung der Tibia und des Femurs. Die Diagnose einer Gonarthrose im Sinne dieser Berufskrankheit hat folgende Voraussetzungen: Chronische Kniegelenksbeschwerden Funktionsstörungen bei der orthopädischen Untersuchung in Form einer eingeschränkten Streckung oder Beugung im Kniegelenk die röntgenologische Diagnose einer Gonarthrose entsprechend Grad II bis IV der Klassifikation von Kellgren et al. Die Kniegelenksarthrose im Sinne dieser Berufskrankheit kann isoliert im medialen oder lateralen Kniehauptgelenk oder im medialen oder lateralen Retropatellargelenk auftreten. Bei schweren Erkrankungsfällen sind häufig alle Kompartimente des Kniegelenks degenerativ verändert. Bei beidseitigem Knien und vergleichbarer Kniebelastung tritt die Gonarthrose in der Regel beidseitig auf. Sofern die Kniegelenksbelastung jedoch überwiegend einseitig erfolgt, wird auch eine einseitige Gonarthrose in dem belasteten Kniegelenk beobachtet. Eine einseitige Gonarthrose spricht nicht gegen eine Berufskrankheitanzeige. "Die Chontropathia patellae, die überwiegend bei jugendlichen Patienten auftritt, ist keine Erkrankung im Sinne dieser Berufskrankheit und stellt auch keine Frühform der Gonarthrose dar. Auch die Chontromalazia patellae mit herdförmigen Veränderungen des Patellarknorpels stellt keine Retropatellararthrose im Sinne dieser Berufskrankheit dar." Die Ausführungen im Merkblatt wurden ergänzt durch eine "Wissenschaftliche Stellungnahme zu der BK-Nr. 2112 der Anlage 1 zur BKV" (veröffentlicht in der Bekanntmachung des BMAS vom 24.10.2011 – IVa4-45222-2112-GMBl. 2011, 983). Danach liegt neben der eingeschränkten Streckung oder Beugung im Kniegelenk auch eine Gonarthrose mit dem erforderlichen Schweregrad im Sinne der BK 2112 bei folgenden Funktionsstörungen vor: Kniegelenkerguss, Kapselentzündung mit Verdickung oder Verplumpung der Gelenkkontur, Krepitation bei der Gelenkbewegung, hinkendes Gangbild, Atrophie der Oberschenkelmuskulatur (einzeln oder in unterschiedlicher Kombination). Neben mindestens einer dieser genannten Funktionsstörungen müssen chronische Kniegelenksbeschwerden und die röntgenologische Diagnose einer Gonarthrose entsprechend Grad II bis IV der Klassifikation von Kellgren et al. (1963) für die Diagnose einer Gonarthrose im Sinne der BK-Nr. 2112 vorliege.
Der Kläger hat langjährig eine berufliche Tätigkeit als Maler ausgeübt. Dass er dabei auch Tätigkeiten im Knien im Sinne der BK-Nr. 2112 ausgeübt hat, ist glaubhaft. Ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen, d.h. eine Kniebelastung mit einer kumulativen Einwirkungsdauer während des Arbeitslebens von mindestens 13.000 Stunden und einer Mindesteinwirkungsdauer von insgesamt 1 Stunde pro Schicht, hier erfüllt sind bedurfte keiner weiteren Ermittlung. Denn auch bei Unterstellung, dass der Kläger durch seine berufliche Tätigkeit als Maler die genannten Voraussetzungen erfüllt hat, kann die Feststellung einer BK nach Nr. 2112 der Anlage zur BKV hier nicht erfolgen, weil es an den medizinischen Anerkennungsvoraussetzungen fehlt. Anlässlich einer Magnetresonanztomografie des linken Kniegelenkes am 27. Juni 2009 wurde bei dem Kläger eine Chondropathie Grad IV der medialen Facette der Patella mit einer deutlichen subchontralen ossären Reizreaktion und in den übrigen Anteilen der Patella eine Chontropathie Grad III festgestellt. Eine weitere Magnetresonanztomografie des rechten Kniegelenkes am 19. September 2009 zeigte chontromalazische Knorpelveränderungen femoropatellar mit femoralseitiger Betonung. Veränderungen entsprechend dem Grad II der Klassifikation nach Kellgren wurden weder im rechten noch im linken Kniehauptgelenk oder Retropatellargelenk festgestellt, denn in den Befundbeschreibungen der Magnetresonanztomografien finden sich keinerlei Hinweise für eine Gelenkspaltverschmälerung oder Osteophyten. Die im Merkblatt geforderten Veränderungen im Röntgenbild und anderen bildgebenden Verfahren entsprechend einem Grad II, Grad III oder Grad IV nach Kellgren konnten folglich im Falle des Klägers nicht diagnostiziert werden, so dass es an einem wesentlichen Diagnosekriterium zur Feststellung einer Gonarthrose im Sinne der BK-Nr. 2112 fehlt. Da das Merkblatt ausdrücklich darauf hinweist, dass eine Chontropathia patellae als auch eine Chontromalazia patellae keine Retropatellar arthrose im Sinne der Berufskrankheit Nr. 2112 sind, können die Knorpelerkrankungen an den Kniescheibenrückflächen des Klägers nicht als BK festgestellt werden.
Der Senat ist bei seiner Entscheidung den übereinstimmenden arbeitsmedizinischen Beurteilungen des Beratungsarztes der Beklagten D. und des Landesgewerbearztes Prof. Dr. E. gefolgt. Da Prof. Dr. E. dem Senat als erfahrener Sachverständiger insbesondere der BK Gonarthrose bekannt ist und das Merkblatt zur BK klare Diagnosekriterien benennt, sah der Senat keinen Anlass zur Einholung eines medizinischen Gutachtens.
Der von dem Kläger geltend gemachte Anspruch lässt sich auch nicht auf § 9 Abs. 2 SGB VII stützen. Nach § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der BKV bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit (Wie-BK) als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII erfüllt sind. Diese "Öffnungsklausel" des § 9 Abs. 2 SGB VII soll nur die Regelungslücken in der BKV schließen, die sich aus den zeitlichen Abständen zwischen den Änderungen der BKV ergeben. Die Regelung ist aber keine allgemeine Härteklausel, für deren Anwendung es genügen würde, dass im Einzelfall berufsbedingte Einwirkungen die rechtlich wesentliche Ursache einer nicht in der BK-Liste bezeichneten Krankheit sind. Vielmehr soll die Anerkennung einer Wie-BK nur erfolgen, wenn die Voraussetzungen für die Aufnahme der betreffenden Einwirkungs-Krankheits-Kombination in die Liste der Berufskrankheiten (vgl. § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII) erfüllt sind, der Verordnungsgeber aber noch nicht tätig geworden ist (so BSG, Urteil vom 12.1.2010 – B 2 U 5/08 R a.a.O.). Die Anerkennung einer Erkrankung als "Wie-BK" kann folglich auch dann nicht erfolgen, wenn berufliche Einwirkungen oder Belastungen im konkreten Einzelfall nachweislich die Krankheit verursacht haben. Erforderlich ist vielmehr, dass es aufgrund von Forschung und praktischer Erfahrung gesicherte neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse gibt, wonach Einwirkungen, denen eine bestimmte Personengruppe infolge ihrer versicherten Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, generell geeignet sind, eine solche Krankheit zu verursachen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Denn es gibt keine medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse, dass eine die Knie belastende berufliche Tätigkeit generell geeignet ist, eine isoliert an der Kniescheibe auftretende Knorpelerkrankung zu verursachen. Dies belegt schon allein der Umstand, dass das Krankheitsbild der Chontropathia patellae und Chontromalazia patellae nicht der BK-Nr. 2112 zugeordnet werden können.
Da dem Begehren des Klägers nicht stattgegeben werden konnte, war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG, die über die Nichtzulassung der Revision aus § 160 SGG.
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