L 5 RS 115/13

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 35 RS 849/11
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RS 115/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz - Arbeitsentgelt - Prämie anlässlich der Verleihung des Ordens "Banner der Arbeit"

Prämien anlässlich der Verleihung des Ordens "Banner der Arbeit" stellen kein berücksichtigungsfähiges Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV dar, weil sie nicht aus der Beschäftigung erzielt wurden und keine Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistungen beinhalteten.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 13. Dezember 2012 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten – im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens – über die Verpflichtung der Beklagten als weiteres Entgelt des Klägers für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz für das Jahr 1979 eine Prämie in Höhe von 500 Mark anlässlich der Verleihung des Ordens "Banner der Arbeit" (Stufe III) festzustellen.

Der Kläger ist seit dem 4. November 1976 berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieur" in der Fachrichtung "Hochbau" zu führen. Er war vom 1. Januar 1975 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Bauleiter im volkseigenen Betrieb (VEB) L D beschäftigt. Er war zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen. Er bezieht seit 1. Mai 2002 Altersrente wegen Arbeitslosigkeit bzw. nach Altersteilzeit.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 27. September 2001 die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. November 1976 bis 30. Juni 1990 als nachgewiesene Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest.

Mit Schreiben vom 12. November 2007 beantragte der Kläger die Überprüfung der im Bescheid vom 27. September 2001 festgestellten Arbeitsentgelte mit dem Begehren, die ihm jährlich gezahlten Jahresendprämien einzubeziehen und legte dazu ein Bestätigungsschreiben der Nachfolgeeinrichtung seines Beschäftigungsbetriebes, der Firma D B , vor. Mit Bescheid vom 20. Oktober 2008 stellte die Beklagte die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 27. September 2001 sowie die Nichtanwendbarkeit von § 1 AAÜG mit der Begründung fest, am 30. Juni 1990 habe die betriebliche Voraussetzungen für einen fiktiven Einbeziehungsanspruch nicht bestanden, so dass es bei den rechtswidrigen Feststellungen im Bescheid vom 27. September 2001 verbleibe und weitere Rechte nicht herleitbar seien. Den Widerspruch des Klägers vom 19. November 2008 wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 13. Februar 2009 zurück. Die hiergegen am 4. März 2009 erhobene Klage wurde durch Vergleich beendet, in dem die Beklagte die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG feststellte, sich zur Aufhebung des Bescheides vom 20. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2009 sowie dazu verpflichtete, nach Verfahrensabschluss zu überprüfen, in welchem Umfang höhere Verdienste festzustellen seien.

In Ausführung des Vergleichs hob die Beklagte mit Bescheid vom 9. Dezember 2010 den Bescheid vom 20. Oktober 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Februar 2009 auf, stellte fest, dass der Bescheid vom 27. September 2001 rechtmäßig sei und lehnte die Feststellung höherer Entgelte für die bereits festgestellten Zeiträume der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz mit der Begründung ab, der Zufluss weiterer Entgelte in Form von Prämien sei weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht worden. Den hiergegen am 11. Januar 2011 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 2011 zurück. Im Widerspruchsverfahren legte der Kläger eine "Urkunde für vorbildliche sozialistische Arbeit verbunden mit aktiver gesellschaftlicher Aktivität" zur Verleihung des "Ehrentitels Aktivist der sozialistischen Arbeit" vom 7. Oktober 1970 sowie eine vom Vorsitzenden des Staatsrates der DDR verliehene "Urkunde als Mitglied eines sozialistischen Kollektivs" zur Verleihung des "Ordens Banner der Arbeit Stufe III in Anerkennung herausragender Leistungen und Ergebnisse im sozialistischen Wettbewerb zu Ehren des 30. Jahrestages der DDR" vom 7. Oktober 1979 vor.

Die am 6. Mai 2011 erhobene Klage, die sich ursprünglich auf die Berücksichtigung höherer Entgelte für gezahlte Jahresendprämien, einer Aktivistenprämie sowie einer Prämie anlässlich der Verleihung des Ordens "Banner der Arbeit" richtete, hat der Kläger am 21. Oktober 2011 teilweise zurückgenommen und verfolgt nur noch das Begehren der Berücksichtigung eines höheren Entgeltes für das Jahr 1979 anlässlich der Verleihung der Prämie zum Orden "Banner der Arbeit" weiter. Die Klage hat das Sozialgericht Dresden mit Urteil vom 13. Dezember 2012 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Es sei bereits fraglich, ob die Prämie anlässlich der Verleihung des Ordens "Banner der Arbeit" eine Einnahme aus dem Arbeitsverhältnis sei. Der Ordnung über die Verleihung des Ordens "Banner der Arbeit" lasse sich entnehmen, dass der Orden nicht zwingend als Gegenleistung für die vom Werktätigen erbrachte Arbeitsleistung einzustufen sei. Die Prämie sei auch anders als die Jahresendprämie nicht aus einem Betriebsprämienfond sondern aus dem Staatshaushalt finanziert worden. Treueprämien, die keine Gegenleistung des Betriebes für geleistete Arbeit darstellen würden, unterfielen nicht dem Entgeltbegriff des AAÜG (Verweis auf Sächsisches LSG, Urteil vom 7. August 2012, L 5 RS 45/10). Die Frage könne jedoch letztlich offen bleiben, da die Zahlung der Prämie zum Zeitpunkt des Zuflusses lohnsteuerfrei gewesen sei und sich nicht auf die Altersversorgung ausgewirkt habe. Entgegen der Auffassung des 4. Senates des Bundessozialgerichts (BSG) in der Entscheidung vom 23. August 2007 (B 4 RS 4/06 R) könne es bei der Frage der Lohnsteuerpflicht nicht auf die steuerrechtlichen Regelungen der am 1. August 1991 geltenden bundesdeutschen Gesetze ankommen (ausführlicher Verweisung auf das Urteil der 24. Kammer des SG Leipzig vom 15. Dezember 2010, S 24 RS 1540/99).

Gegen das ihm am 9. Januar 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8. Februar 2013 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Er habe 1979 die Auszeichnung "Banner der Arbeit" (Stufe III) erhalten, die nach den gesetzlichen Vorschriften der DDR mit der Zahlung einer Geldprämie von 500 Mark verbunden gewesen sei. Diese Prämie sei entgegen der Auffassung der Beklagten und des Sozialgerichts Entgelt im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Das Sozialgericht weiche in seiner Entscheidung von der Rechtsprechung des BSG zur Berücksichtigung von einmalig gezahltem Arbeitsentgelt ab. Zwar sei die Prämie für die Auszeichnung "Banner der Arbeit" aus dem Staatshaushalt gezahlt worden, jedoch habe die Verleihung der Auszeichnung entsprechend den Rechtsvorschriften der DDR auf den besonders herausragenden Arbeitsleistungen des Klägers beruht, die er für seinen Arbeitgeber erbracht habe und somit einen entsprechenden betrieblichen Vorschlag bei den zuständigen Staatsorganen vorausgesetzt. Es habe sich damit um eine Gegenleistung für erbrachte Arbeitsleistungen gehandelt. Dass diese Gegenleistung nicht unmittelbar vom Arbeitgeber, sondern aus dem Staatshaushalt geleistet wurden sei, ändere nichts daran, dass es sich um einen Vorteil gehandelt habe, der aus dem Beschäftigungsverhältnis und seiner dort erbrachten Leistungen resultiere. Dass Zahlungen aus dem Staatshaushalt dem Entgeltbegriff grundsätzlich nicht entgegenstünden, habe das BSG im Übrigen bereits in seiner Entscheidung vom 24. Juli 2003 (B 4 RA 40/02 R) festgestellt.

Der Kläger beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 13. Dezember 2012 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 9. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2011 zu verurteilen, für das Kalenderjahr 1979 zusätzliches Entgelt in Höhe von 500 Mark der DDR festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend und führt ergänzend aus, dass sie der Rechtsprechung des BSG zwar folge, im Ergebnis aber keine andere Feststellung treffen könne. Bei der mit der staatlichen Auszeichnung "Banner der Arbeit" (Stufe III) gezahlten Geldprämie in Höhe von 500 Mark habe es sich nicht um eine unmittelbar aus der Beschäftigung resultierende oder im Zusammenhang mit der Beschäftigung erzielte übliche Zuwendung gehandelt. Es habe sich um eine gänzlich betriebsfremde Leistung durch einen Dritten, den Staatsratsvorsitzenden der DDR, gehandelt. Die beanspruchte Prämie sei keine, die nach bundesrepublikanischem Steuerrecht als ein Vorteil gelte, der für eine Beschäftigung im privaten Dienst gewährt worden sei.

Mit Schriftsätzen vom 7. März 2013, 6. Februar 2014 und 21. Februar 2014 haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

Die Berufung des Klägers ist unbegründet, weil das Sozialgericht Dresden die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat. Der Überprüfungsbescheid der Beklagten vom 9. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. April 2011 ist rechtmäßig, weil mit dem Feststellungsbescheid vom 27. September 2001 weder das Recht unrichtig angewandt, noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist (§ 44 des Zehntes Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]). Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung eines zusätzlichen Entgeltes in Höhe von 500 Mark der DDR für das Kalenderjahr 1979 im Rahmen der bereits anerkannten Beschäftigungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz.

Gemäß § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren (§ 149 SGB VI) ähnlichen Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit dem Feststellungsbescheid vom 27. September 2001 Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Die dem Kläger im Jahr 1979 in Höhe von 500 Mark der DDR gewährte Prämie anlässlich der Verleihung des Ordens "Banner der Arbeit" (Stufe III) hat sie jedoch zu Recht nicht berücksichtigt.

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Die Norm definiert den Begriff des Arbeitsentgeltes zwar nicht selbst, aus dem Wort "erzielt" folgt aber im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln muss, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden ist (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 19). Dabei muss es sich um eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung handeln, wobei unerheblich ist, ob das erzielte Arbeitsentgelt in der DDR einer Beitrags- oder Steuerpflicht unterlag (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 19). Die inhaltliche Bedeutung des Begriffs "Arbeitsentgelt" im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG bestimmt sich nach dem bundesdeutschen Arbeitsentgeltbegriff nach § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - SGB IV - (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 24), wobei maßgeblich die Rechtslage ist, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG am 1. August 1991 bestand (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 35); die hieran auch vom Sozialgericht Dresden im angefochtenen Urteil vom 13. Dezember 2012 geübte Kritik teilt das Gericht nicht. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden.

Die bundesrechtliche Qualifizierung der Prämie anlässlich der Verleihung des Ordens "Banner der Arbeit" (Stufe III) als Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist ausgeschlossen, weil sie nicht aus der Beschäftigung erzielt wurde und keine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung darstellt.

Die Prämie anlässlich der Verleihung des Ordens "Banner der Arbeit" (Stufe III) war nach § 3 Abs. 2 der "Ordnung über die Verleihung des Ordens ‚Banner der Arbeit‘ (nachfolgend: OO-BdA)" als Bestandteil der "Bekanntmachung der Ordnungen über die Verleihung der bereits gestifteten staatlichen Auszeichnungen" vom 28. Juni 1978 (DDR-GBl. 1978, Sonderdruck Nr. 952, S. 7) eine Komponente, die zur Verleihung des Ordens "Banner der Arbeit" an Kollektive mit bis zu 20 Mitgliedern gehörte. Danach gehörten zur Verleihung des Ordens für jedes Mitglied ein Orden, eine Urkunde und eine Prämie von 500 Mark der DDR für die Stufe III. Der Orden "Banner der Arbeit" konnte nach § 1 Abs. 1 OO-BdA für hervorragende und langjährige Leistungen bei der Stärkung und Festigung der DDR, insbesondere für hohe Arbeitsergebnisse und vorbildliche Initiativen im sozialistischen Wettbewerb zur allseitigen Erfüllung und gezielten Überbietung des Volkswirtschaftsplanes sowie für beispielgebende Leistungen und Ergebnisse beim sozialistischen Arbeiten, Lernen und Leben, verliehen werden.

Aus diesem in einem staatlichen Regelwerk der DDR niedergelegten und damit durch das DDR-Recht selbst vorgegebenen Zweck (vgl. zur maßgeblichen Heranziehung dieses Aspekts exemplarisch: BSG, Urteil vom 18. Dezember 2003 - B 4 RA 18/03 R - SozR 4-8570 § 1 AAÜG Nr. 1 = JURIS-Dokument, RdNr. 24) wird deutlich, dass mit dem Orden, und als Bestandteil des Ordens auch mit der verbundenen Prämie, nicht die im Betrieb erbrachte Arbeitsleistung als Gegenleistung aus dem Beschäftigungsverhältnis honoriert wurde, sondern die gesellschaftliche, nämlich sozialistische, Unterstützung des staatlichen Systems in Form der Stärkung und Festigung der DDR. Honoriert wurde damit staatliche Linien-, Regime- und Systemtreue. Es trifft zwar zu, dass als Prämierungszweck die Erreichung "hoher Arbeitsergebnisse" ausdrücklich aufgeführt war. Diese Arbeitsergebnisse wurden aber nicht aufgrund ihres Charakters als Arbeitsleistung sondern aufgrund ihres, das staatliche System stützenden Charakters prämiert. Denn die "hohen Arbeitsergebnisse" wurden wegen der "Überbietung des Volkswirtschaftsplanes", also der Stärkung der Grundlagen der sozialistischen Gesellschaftsordnung, als beispielgebende Initiativen belohnt. Besonders deutlich wird dieser Zusammenhang der Belohnung als System- und Regimeanerkennung, wenn man den Blick, neben den mit der Ordensverleihung verbundenen Zwecken auf die Anspruchsvoraussetzungen der Ordensverleihung richtet: Nach § 1 Abs. 3 OO-BdA konnte der Orden "Banner der Arbeit" an Arbeitskollektive verliehen werden, die mit dem Ehrentitel "Kollektiv der sozialistischen Arbeit" ausgezeichnet wurden und diesen erfolgreich verteidigt haben, wenn sie - beispielgebende Leistungen vollbringen, den hohen moralischen, ethischen und politisch-ideologischen Ansprüchen der sozialistischen Lebensweise durch das Verhalten jedes einzelnen Kollektivmitgliedes entsprechen und bei denen Keime der kommunistischen Einstellung zur Arbeit besonders ausgeprägt sind, oder - in ihrem Betrieb Maßstäbe für die Entwicklung des sozialistischen Arbeitens, Lernens und Lebens setzen und an der Spitze im sozialistischen Wettbewerb stehen.

Die Belohnung, und damit die Prämie, floss den Belohnten nicht aus dem durch einen Arbeitsvertrag begründeten Beschäftigungsverhältnis, sondern aus dem durch die sozialistische Staatsverfassung der DDR begründeten "festen Bündnis der Arbeiterklasse mit der Klasse der Genossenschaftsbauern, den Angehörigen der Intelligenz und den anderen Schichten des Volkes" zu, bei dem es sich um eine der "unantastbaren Grundlagen der sozialistischen Gesellschaftsordnung" handelte (vgl. Art. 2 Abs. 2 der Verfassung der DDR vom 6. April 1968 in der Fassung des Gesetzes zur Ergänzung und Änderung der Verfassung der DDR vom 7. Oktober 1974 [DDR-GBl. I Nr. 47 S. 432]). Dies wird dadurch deutlich, dass die Verleihung des Ordens "Banner der Arbeit" und die mit dieser Verleihung verbundene Ausreichung der Geldprämie - entsprechend der Systematik eine "staatlich gestiftete Auszeichnung" – und damit nicht vergleichbar der Jahresendprämie eine im "Betriebskollektivvertrag" (vgl. § 118 Abs. 1 des Arbeitsgesetzbuches der DDR [AGB-DDR] vom 16. Juni 1977 [DDR-GBl. I Nr. 18 S. 185]) vereinbarte Prämie – war (vgl. die Gesetzesüberschrift: "Bekanntmachung der Ordnungen über die Verleihung der bereits gestifteten staatlichen Auszeichnungen", - aus dem "Staatshaushalt" – und damit nicht vergleichbar der Jahresendprämie aus dem Betriebsprämienfond (vgl. § 116 Abs. 1 AGB-DDR) – finanziert war (§ 3 Abs. 4 OO-BdA: "Die Prämien werden aus dem Staatshaushalt finanziert und sind durch die Abteilung Kader beim Ministerrat zu planen."), - auf Vorschlag der "zentralen Leitungen der Parteien und gesellschaftlichen Organisationen, der Minister und Leiter der anderen zentralen Staatsorgane sowie der Vorsitzenden der Räte der Bezirke" erfolgte (§ 4 Abs. 1 OO-BdA) – und damit nicht vergleichbar der Jahresendprämie auf einer "Festlegung des Betriebsleiters" (§ 118 Abs. 2 Satz 1 DDR-AGB) beruhte – und - durch den "Vorsitzenden des Staatsrates" – und damit nicht vergleichbar der Jahresendprämie durch den Betrieb – erfolgte (§ 5 Abs. 1 OO-BdA).

Soweit der Kläger-Prozessbevollmächtigte unter Verweis auf die Entscheidung des BSG vom 24. Juli 2003 (B 4 RA 40/02 R) meint, dass BSG habe festgestellt, dass Zahlungen aus dem Staatshaushalt dem Entgeltbegriff grundsätzlich nicht entgegenstehen, trifft dies in dieser Allgemeinheit nicht zu und verkennt die weiteren im hier konkreten Fall vorliegenden maßgeblichen Umstände, weshalb der Verweis nicht geeignet ist, zur einer anderen Bewertung zu führen. Das BSG hatte sich in seiner Entscheidung vom 24. Juli 2003 (B 4 RA 40/02 R) mit einer sog. Entsendungskonstellation (Delegierung) befasst und ausgeführt, dass sich der Arbeitgeber zur Erfüllung der Entgeltzahlungspflicht, als Hauptpflicht aus dem Arbeitsverhältnis, grundsätzlich auch Dritter bedienen kann und daher eine "entgeltliche Beschäftigung" auch während der Zeiten einer Entsendung jedenfalls dann bestanden haben kann, wenn der DDR-Arbeitgeber weiterhin dafür Gehalt gezahlt hat bzw. nach DDR-Vorgaben hätte zahlen müssen, und ferner, wenn ein Dritter (zum Beispiel der Staat) die Zahlungen übernommen hätte oder wenn der Entsendete darin eingewilligt hätte, dass ein Dritter an Stelle des Arbeitgebers das Gehalt – unter Umständen mit niedrigerem Betrag – zahlen sollte (BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 40/02 R - SozR 4-8570 § 5 Nr. 1 = JURIS-Dokument, RdNr. 48). Deutlich hat das BSG aber hinzugefügt: "Wenn nach den Gegebenheiten des Einzelfalles oder hilfstatsächlich nach den allgemeinen Vorgaben in der DDR die Zahlungen von dritter Seite nicht die Entgeltzahlung durch den Arbeitgeber bewirken oder ersetzen sollten, sondern anderen Zwecken als denen des Arbeitsentgelts dienten, waren sie kein Entgelt im Sinne von § 5 AAÜG, also kein Arbeitsverdienst aus der Systembeschäftigung." (BSG, Urteil vom 24. Juli 2003 - B 4 RA 40/02 R - SozR 4-8570 § 5 Nr. 1 = JURIS-Dokument, RdNr. 48). Vor diesem Hintergrund geht der Einwand im vorliegenden Fall von vornherein ins Leere, weil die Prämienausreichung anlässlich der Verleihung des Ordens "Banner der Arbeit" weder die Entgeltzahlung des Arbeitgebers bewirken noch ersetzen sollte.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

Jacobi Dr. Schnell Dr. Lau
Rechtskraft
Aus
Saved