L 13 VG 12/13

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
13
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 33 VG 110/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 13 VG 12/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 9 V 21/14 B (Beschluss - )
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. März 2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Versorgungsleistungen als Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs auf der Grundlage des Opferentschädigungsgesetzes (OEG) in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Der 1949 geborene Kläger ist von Beruf Lehrer und seit Oktober 2007 Rentenbezieher.

Am 12. Juni 2009 wurde der Kläger im Eingangsbereich der Reha-Klinik St. M in Bad B in Baden-Württemberg von zwei Polizeibeamten zur Durchsetzung eines Platzverweises in Gewahrsam genommen, wobei ihm Handschellen angelegt wurden und er anschließend mit einem Einsatzfahrzeug zu einer Obdachlosenunterkunft verbracht wurde.

Nachdem der Kläger am 24./25. Juni 2009 u.a. gegen die die Maßnahmen durchführenden Polizeibeamten Strafanzeige wegen Körperverletzung und Freiheitsberaubung erstattet hatte, lehnte die Staatsanwaltschaft F mit Verfügungen vom 28. Juli 2009 und 14. August 2009 (Az.: ) die Einleitung des strafprozessualen Ermittlungsverfahrens ab, da keine zureichenden Anhaltspunkte für eine strafbare Handlung vorlägen. Das hiergegen vom Kläger eingeleitete Beschwerdeverfahren zur Generalstaatsanwaltschaft K blieb erfolglos (Az.: ). Den am 9. November 2009 gestellten Antrag des Klägers auf eine Versorgung nach dem OEG aufgrund erlittener Verletzungen unter anderem durch das Anlegen von Handschellen im Rahmen der Gewahrsamnahme sowie eines erlittenen Traumas lehnte das zuständige Landratsamt L mit Bescheid vom 21. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums SL vom 24. März 2010 ab. Ein Anspruch auf eine Beschädigtenversorgung nach dem OEG bestehe nicht, da ein vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG nicht erwiesen sei. In Auswertung der strafrechtlichen Ermittlungsakten stehe die Rechtmäßigkeit der polizeilichen Maßnahmen vom 12. Juni 2009 gegen den Kläger außer Zweifel.

Der Kläger hat am 26. April 2010 Klage vor dem Sozialgericht F (Az.: ) erhoben, das mit Beschluss vom 31. Mai 2010 den Rechtsstreit an das für den Wohnsitz des Klägers zuständige örtliche Sozialgericht Berlin verwiesen hat.

Zur Begründung seiner Klage hat der Kläger vorgetragen, das gegen ihn im Zuge der Ingewahrsamnahme erteilte Hausverbot sowie auch alle übrigen gegen ihn ausgesprochenen Hausverbote verschiedener Einrichtungen und Kureinrichtungen in Bad B entbehrten jeglicher Grundlage. Die angefertigten Polizeiberichte entsprächen nicht der Wahrheit. Er sei Opfer polizeilicher Maßnahmen geworden und habe sich deswegen in ärztliche Behandlung begeben müssen. So sei er noch am Abend des Vorfalles bis zum Folgetag stationär im Kreiskrankenhaus R behandelt worden.

Mit Urteil vom 12. März 2013 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf eine Versorgung nach dem OEG aufgrund der polizeilichen Maßnahme vom 12. Juni 2009. Ein Anspruch scheide aus, weil der Nachweis, dass der polizeiliche Einsatz vom 12. Juni 2009 ein vorsätzlich, rechtswidriger tätlicher Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG gewesen sei, nicht erbracht sei. Der diesbezüglichen Behauptung des Klägers stünden die Darstellungen der Vorkommnisberichte der handelnden Polizeibeamten vom 12. Juni 2009 entgegen. Danach sei die zwangsweise Ingewahrsamnahme und anschließende Verbringung des Klägers zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, insbesondere zur Durchsetzung eines erteilten Platzverweises nach Feststellung eines Hausfriedensbruchs und weiterer Störungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung durch den Kläger auf dem privaten Klinikgelände erforderlich gewesen. Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit oder die Unverhältnismäßigkeit der eingeleiteten Maßnahmen bestünden nicht. Dies werde auch durch die Einstellungsverfügungen der Staatsanwaltschaft bestätigt. Gründe, weshalb die handelnden Polizeibeamten eine falsche Sachverhaltsdarstellung abgegeben haben sollten, seien nicht ersichtlich. Auch der Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses R vom 24. Juni 2009 spräche dagegen, dass der Kläger Opfer einer vorsätzlich, rechtswidrigen Tat gewesen sei.

Gegen das ihm am 23. März 2013 zugestellte Urteil hat der Kläger am 12. April 2013 Berufung eingelegt, mit der er Ansprüche auf Versorgung nach dem OEG weiter verfolgt.

Zur Begründung seiner Berufung trägt der Kläger vor, das erteilte Hausverbot sei grundlos erfolgt. Er habe die Klinik St. M lediglich betreten, um als Pilger in der dortigen Kapelle zu beten. Aufgrund der gegen ihn durchgeführten polizeilichen Maßnahmen sei es zu zahlreichen gesundheitlichen Beeinträchtigungen gekommen, die sich in der Folgezeit verschlimmert hätten. Er nimmt insoweit auf die zu den Akten gereichten Atteste und Befundberichte Bezug.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. März 2013 und den Bescheid des Landratsamtes L vom 21. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Regierungspräsidiums / Landesversorgungsamt vom 24. März 2010 aufzuheben, und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger aufgrund der durch die polizeilichen Maßnahme vom 12. Juni 2009 erlittenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen Versorgung nach einem Grad der Schädigungsfolgen von 100 ab dem 9. November 2009 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Die Akten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts ist zutreffend. Der angefochtene Bescheid vom 21. Dezember 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. März 2010 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Gewährung von Versorgungsleistungen nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG.

Nach § 1 Abs.1 OEG setzt der Anspruch auf Versorgung nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG voraus, dass jemand infolge eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat.

Daran fehlt es hier. Zu Recht hat das Sozialgericht ausgeführt, dass entsprechende Ansprüche des Klägers nicht bestehen, weil nicht der Nachweis geführt ist, dass die polizeilichen Maßnahmen, die gegen den Kläger am 12. Juni 2009 durchgeführt worden sind, die Voraussetzungen eines vorsätzlich, rechtswidrigen tätlichen Angriffes erfüllen.

Die durch die Ingewahrsamnahme des Klägers herbeigeführte freiheitsentziehende Maßnahme findet ihre Rechtsgrundlage in § 28 Abs. 1 Nr. 1 des Polizeigesetzes Baden-Württemberg, da der Kläger einem zuvor auf der Grundlage des § 27 a Abs. 1 Polizeigesetz Baden-Württemberg beanstandungsfrei ausgesprochenen Platzverweis durch die handelnden Polizeibediensteten nicht nachgekommen ist. Anhaltspunkte dafür, dass der polizeiliche Einsatz gegen den Kläger am 12. Juni 2009 grundlos oder rechtswidrig erfolgte, liegen nicht vor. Vielmehr spricht das von dem Kläger selbst nicht bestrittene gegen ihn ausgesprochene Hausverbot dafür, dass der polizeiliche Einsatz erforderlich und verhältnismäßig war. Mit der bloßen Behauptung des Klägers, er sei Opfer unrechtmäßiger polizeilicher Maßnahmen geworden, lässt sich angesichts der dem entgegenstehenden staatsanwaltlichen und sonstigen Feststellungen nicht der Nachweis führen, dass die Voraussetzungen des § 1 OEG gegeben sind. Dies geht zu Lasten des Klägers, der insoweit die objektive Beweislast trägt.

Der Kläger kann sich hinsichtlich des Vorliegens der Voraussetzungen des § 1 OEG auch nicht erfolgreich auf die Beweiserleichterungen des § 15 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG) berufen. Soweit danach die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, der Entscheidung zugrunde zu legen sind, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verloren gegangen sind, scheidet vorliegend eine entsprechende Unterstellung der Angaben des Klägers zu den polizeilichen Maßnahmen vom 12. Juni 2009 als wahr aus, weil die Angaben des Klägers zur Überzeugung des Senats nach eingehender und sorgfältiger Würdigung des Gesamtergebnisses des Berufungsverfahrens (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 128 Abs. 1 SGG) nach den Umständen des vorliegenden Falles nicht als glaubhaft erscheinen. Anhaltspunkte dafür, dass die ergriffenen polizeilichen Maßnahmen gegen den Kläger rechtswidrig gewesen sein könnten, ergeben sich aufgrund der Ermittlungen und der Aktenlage unter keinem denkbaren Gesichtspunkt.

Insoweit ist insbesondere auch nicht nachgewiesen bzw. glaubhaft, dass im Zuge der polizeilichen Maßnahmen durch die handelnden Polizeibeamten vorsätzlich und rechtswidrig gegenüber dem Kläger eine Körperverletzung begangen worden ist. Dagegen spricht zudem auch der Entlassungsbericht des Kreiskrankenhauses R vom 24. Juni 2009, wo der Kläger unmittelbar nach dem Geschehensablauf vom 12. Juni 2009 körperlich untersucht worden ist. Nach dem Befundbericht waren beide Handgelenke frei beweglich, es befanden sich keine Hämatome und keine Prellmarken. Im Bereich des rechten Handgelenkes zeigten sich nur leichte ältere Spuren von Handschellen, die mithin offensichtlich mit dem Geschehnis vom 12. Juni 2009 in keinerlei Zusammenhang stehen.

Überdies ist vorliegend ein Versagungsgrund nach § 2 Abs. 1 OEG gegeben. Die Verurteilung zur Gewährung von Leistungen nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG wäre unbillig. Dem Kläger war das erteilte Hausverbot bekannt. Er hätte sich mithin nach Eintreffen der Polizei der Situation selbst entziehen und die Einleitung weiterer polizeilicher Maßnahmen nach Aussprache des Platzverweises gegen ihn verhindern können, indem er das Klinikgebäude und -gelände verlässt, auch wenn er die Gründe des Hausverbotes, so sein Vortrag, nicht nachvollziehen konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe gemäß § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG nicht gegeben sind.
Rechtskraft
Aus
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