L 2 U 284/12

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Landshut (FSB)
Aktenzeichen
S 15 U 271/11
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 U 284/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zur Frage des Vorliegens eines versicherten Arbeitsunfalls in Form eines Wegeunfalls bei gespaltener Handlungstendenz.
2. Ein eingeschobener Fußweg vom eigenen Pkw hin und zurück zu einem Postbriefkasten, um private Post einzuwerfen, ist nicht als Teil der Heimfahrt mit dem eigenen Pkw anzusehen. Es liegt keine unerhebliche Unterbrechung vor.
3. Die Verrichtung des Briefeinwerfens wird tatsächlich unterbrochen, wenn der Versicherte auf halber Strecke zum Briefkasten umkehrt, um sein rollendes Auto aufzuhalten und Schaden von anderen Verkehrsteilnehmern abzuwenden.
4. Zuständiger Versicherungsträger ist hierbei jedoch die Landesunfallkasse, wenn objektiv eine gemeine Gefahr bestand.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 06. Juni 2012 aufgehoben.

II. Die Beigeladene wird verpflichtet, das Ereignis vom 11. März 2011 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

IV. Die Beigeladene hat der Klägerin die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Im Übrigen trägt die Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten selbst.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob das Ereignis vom 11.03.2011 ein Arbeitsunfall im Sinne des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) ist.

Die 1983 geborene Klägerin arbeitet seit August 2007 bei der Fa. E. Service Plus GmbH in der L.str. in B-Stadt als Sachbearbeiterin.

Am 11.03.2011 verließ sie ihren Arbeitsplatz gegen 18.45 Uhr, ging zum Firmenparkplatz, stieg in den Pkw ein, der Eigentum ihres damaligen Freundes war, und durchfuhr die Schranke, die den Parkplatz eingrenzt. Ein weiteres Betriebstor bestand nicht mehr. Sie fuhr geradeaus bis an das Ende der Ausfahrt, hielt den Pkw vor dem öffentlichen Gehweg an und stieg aus, um einen Brief in den Briefkasten zu werfen, der auf der linken Seite hinter einer Hecke am öffentlichen Gehweg stand. Der Briefkasten befand sich etwa in 5 Meter Entfernung zur Fahrertür ihres Pkws. Der Pkw stand im 90°-Winkel zum Gehweg. Beim Abstellen des Pkw hatte die Klägerin keinen Gang eingelegt und vergessen, die Handbremse anzuziehen. Als die Klägerin zum Briefkasten ging, rief ihr jemand etwa auf der Hälfte der Strecke zu, dass das Auto rollt. Sie machte sofort kehrt, rannte zu ihrem Auto zurück und beugte sich bei geöffneter Fahrertür in den Fahrerbereich des rollenden Fahrzeugs, um die Handbremse anzuziehen. Dabei rutschte sie aus und geriet mit dem linken Bein unter den linken Hinterreifen. Das Hinterrad rollte teilweise über das Knie, überrollte es aber nicht vollständig, sondern rollte wieder zurück. Weitere Personen kamen der Klägerin zu Hilfe und konnten den Pkw anhalten.

Die Klägerin wurde mit dem Krankenwagen in das Klinikum B-Stadt gebracht. Der Durchgangsarzt Dr. B. stellte nach Untersuchung am Unfalltag und Fertigung von Röntgenbildern des linken Knie, des linken Oberschenkels und des linken oberen Sprunggelenkes eine Kontusionsverletzung des linken Knie mit oberflächlichen Schürfwunden fest bei diskreter Schwellung im Innenbandbereich. Im MRT-Befund vom 21.03.2011 wurde zudem eine Ruptur des medialen Retinaculum und der medialen Gelenkkapsel, eine partielle Ruptur des anterioren Teils des Innenbandes, ein Kontusionsödem im medialen Femurkondylus sowie im medialen Tibiaplateau, ein ausgedehnter Gelenkerguss und ein Ödem bzw. Hämatom in den medialseitigen Weichteilen festgestellt.

Mit Bescheid vom 25.05.2011 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 11.03.2011 als Versicherungsfall ab. Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) könne sie nicht in Anspruch nehmen. Bei privaten Erledigungen auf dem Weg zu und von dem Ort der Tätigkeit sei der Unfallversicherungsschutz auf Tätigkeiten begrenzt, die wesentlich der Zurücklegung des versicherten Weges oder sonst einem betrieblichen Zweck dienten. Sobald der Versicherte allein eigenwirtschaftliche (private) Zwecke verfolge, die mit der versicherten Fortbewegung nicht übereinstimmten, werde der Versicherungsschutz unterbrochen bis zur Fortsetzung des Weges auf das ursprüngliche Ziel. Die eigenwirtschaftliche Handlungstendenz präge das Verhalten des Versicherten, sobald er z.B. mit dem Ziel der privaten Erledigung sein Fahrzeug verlasse, also dokumentiere, dass er sich vorläufig auf dem versicherten und direkten Weg nicht weiter fortbewegen wolle. Zum Unfallzeitpunkt habe die Klägerin bereits ihr Fahrzeug verlassen, um eine private Erledigung vorzunehmen und habe somit zum Unfallzeitpunkt nicht mehr unter Versicherungsschutz gestanden.

Den dagegen am 09.06.2011 eingelegten Widerspruch der Klägerin, der nicht weiter begründet wurde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27.09.2011 zurück.

Hiergegen hat die Klägerin am 07.10.2011 Klage beim Sozialgericht Landshut (SG) erhoben und zur Begründung ausgeführt, dass es sich bei dem Einwerfen des Briefes nur um eine unwesentliche Unterbrechung gehandelt habe und somit der Versicherungszusammenhang nicht unterbrochen worden sei. Die Klägerin habe nur kurz ihr Fahrzeug angehalten und verlassen, um den nur zwei Meter entfernten Briefkasten aufzusuchen. Das Einwerfen des Briefes sollte ganz nebenher erfolgen. Gleich nach der Ausfahrt aus dem Firmenparkplatz befinde sich nämlich der Briefkasten an der Hausmauer. Sowohl zeitlich als auch räumlich habe sich die Klägerin nur ganz geringfügig vom Arbeitsweg entfernt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 06.06.2012 hat die Klägerin den Unfallhergang geschildert. Vom Aussteigen an dürfte der ganze Vorgang ihrer Einschätzung nach nicht mehr als eine Minute gedauert haben. Der Brief, den sie einwerfen wollte, sei an ihre private Versicherung gerichtet gewesen; sei habe Abschleppkosten für den privaten Pkw geltend gemacht. Nachdem sie von einer Dienstreise in R. zurückgekehrt war und den Dienstwagen in dem entsprechenden Dienstgebäude abgestellt hatte, habe sie mit dem privaten Pkw von dort zu ihrem etwa 5 km entfernten Arbeitsplatz in einem anderen Dienstgebäude fahren wollen, um noch zu arbeiten. Als ihr Pkw nicht ansprang, habe sie den Abschleppdienst angerufen. Den Brief hatte die Klägerin nach eigenen Angaben zu Hause geschrieben und etwa zwei Wochen in ihrer Arbeitstasche herumgetragen.

Mit Urteil vom 06.06.2012, der Beklagten zugestellt am 12.07.2012, hat das SG die Beklagte verurteilt, unter Aufhebung des Bescheides vom 25.05.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2011 das Ereignis vom 11.03.2011 als Wegeunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung anzuerkennen und entsprechende Leistungen zu erbringen. Denn die Klägerin habe ihren Weg von dem Ort ihrer Tätigkeit nur geringfügig für eine private Verrichtung unterbrochen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei auch eine ganz unerhebliche Unterbrechung des Weges zu privaten Zwecken versichert, wenn der Vorgang bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges anzusehen sei bzw. wenn die Besorgung hinsichtlich Dauer und der Art der Erledigung keine erhebliche Zäsur in der Fortbewegung von der Arbeitsstätte auf dem Weg nach Hause darstelle. Die Klägerin habe an der Ausfahrt des Betriebsparkplatzes nur kurz angehalten, um in wenigen Schritten einen Brief in einen etwa 1 m von der Fahrertür entfernten Briefkasten einzuwerfen, was allenfalls eine Minute gedauert habe. Wäre die Klägerin zu Fuß unterwegs gewesen und hätte im Vorbeigehen den Brief eingeworfen, wäre sie in jedem Fall versichert gewesen. Dass sie hier kurz mit dem Auto habe anhalten müssen, mache keinen erheblichen Unterschied. Bei unerheblichen Unterbrechungen sei der Gesichtspunkt der Risikoerhöhung in der Regel zu vernachlässigen. In aller Regel ergebe sich auch keine wesentliche Risikoerhöhung, wenn jemand kurz aus dem Auto steige, um einen Brief einzuwerfen, insbesondere wenn er dazu keine öffentliche Straße betrete. Bei der Klägerin habe es sich um ein unwahrscheinliches Missgeschick gehandelt.

Zur Begründung der dagegen am 17.07.2012 beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung hat die Beklagte ausgeführt, dass die eigenwirtschaftliche Handlungstendenz hier bereits beim Verlassen des Pkw ersichtlich werde; dies stelle eine erhebliche Zäsur in der Fortbewegung dar. Die räumliche Nähe und Kürze der Dauer spielten insofern keine Rolle.

Mit Schreiben vom 13.08.2012 hat das LSG darauf hingewiesen, dass Streitgegenstand nur sei, ob ein Arbeitsunfall vorliege. Ferner ist darauf hingewiesen worden, dass die konkrete Verrichtung der Klägerin zum Unfallzeitpunkt der Versuch gewesen sei, bei ihrem rollenden Pkw die Handbremse anzuziehen.

Die Beklagte hat in weiteren Schreiben ausgeführt, dass mit Zurücklaufen zum Fahrzeug nicht der versicherte Weg wieder aufgenommen worden sei, da die eigenwirtschaftliche Tätigkeit (Brief einwerfen) noch nicht erledigt gewesen sei. Die Klägerin habe ihren Weg nach Hause als Pkw-Fahrerin nicht nur unerheblich unterbrochen und keine Handlung nur im Vorbeigehen erledigt, da sie zuvor den Pkw anhalten, aussteigen und zum Briefkasten gehen musste und anschließend den Weg nicht zu Fuß fortsetzen wollte. Es liege eine deutliche Zäsur in der Handlungstendenz und in Richtung und Mittel der Fortbewegung vor. Die Klägerin habe während der Unterbrechung eindeutig eigenwirtschaftliche Interessen verfolgt, da sie private Kosten geltend machen wollte. Im Grunde habe sie ihre private Handlung des Briefeinwerfens noch einmal unterbrochen, um das Weiterrollen des Pkw zu verhindern. Ein betriebliches Interesse an dem Aufhalten des privaten Fahrzeugs habe nicht bestanden. Sollte die Klägerin zur Abwendung einer gemeinen Gefahr gehandelt haben, käme Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 13a Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) in Betracht, wofür aber nicht die Beklagte zuständig sei.

Der Klägerbevollmächtigte hat entgegnet, dass nach der BSG-Rechtsprechung nur eine geringfügige Unterbrechung des Arbeitswegs bestanden habe angesichts der kurzen Dauer. Die Klägerin habe verhindern wollen, dass ihr Pkw vom Bürgersteig unkontrolliert auf die Straße rollt. Diese Verrichtung sei der versicherten Tätigkeit zuzurechnen, weil die Klägerin auf jeder Heimfahrt von der Arbeit verhindern müsse, dass ihr Pkw unkontrolliert auf die Straße rollt.

In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG vom 05.12.2012 hat die Klägerin den Unfallhergang anhand der in der SG-Akte enthaltenen Lichtbilder geschildert und insbesondere klargestellt, dass sie nicht links unmittelbar neben der Hecke gehalten habe. Passanten hätten versucht, ihr Auto anzuhalten. Sie habe vor dem inneren Auge das Bild gehabt, dass das Auto auf die Straße rollt und einen Unfall verursacht. Als das Auto zum Stillstand kam, sei der Vorderreifen bereits über den Gehweg hinaus auf die Schräge gekommen.
Der Beklagtenvertreter hat erklärt, dass zu prüfen sei, welches Motiv bei der Klägerin im Vordergrund gestanden habe, als sie das Auto zum Stehen bringen wollte. Dies könne auch der Schutz des eigenen Eigentums gewesen sein. Eine unmittelbar erkennbare Gefahr habe nicht bestanden, zumal nach Angaben der Klägerin der Gehweg nur von wenigen Passanten benutzt worden sei. Der Senat hat darauf hingewiesen, dass eine gespaltene Handlungstendenz in Betracht komme, zumal die Klägerin Angst vor einem Verkehrsunfall angegeben habe. Die Bayerische Landesunfallkasse ist notwendig beigeladen worden gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Die Beigeladene hat nach Akteneinsicht mit Schreiben vom 28.02.2013 mitgeteilt, dass ein Hilfeleistungstatbestand im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII nicht anzunehmen sei. Nach dem Standort des Fahrzeugs, wie er in den Lichtbildern des SG eingezeichnet worden sei, habe sich dieses nicht auf der direkten Ausfahrtspur, sondern links daneben befunden. Von dort habe der Wagen nicht ungehindert in die L.Straße einfahren können, da sich dort eine durch quer verlaufende Holzbalken abgegrenzte Grünflächenbepflanzung und ein massiver viereckiger Pfosten befunden hätten, die ein rollendes Fahrzeug mit Sicherheit bis zum Stillstand abgebremst hätten. Außerdem sei das reflexartige Eingreifen der Klägerin in erster Linie auf die Schadensabwendung vom eigenen, erst kurz zuvor instandgesetzten Pkw gerichtet und damit eigenwirtschaftlich gewesen. Jeder Autofahrer habe die Pflicht, sein Fahrzeug gegen eine unbeabsichtigte Inbetriebnahme zu sichern. Eine konkrete Gefährdungssituation Dritter zum Unfallzeitpunkt anhand objektivierbarer Unterlagen sei bislang nicht nachgewiesen. Dabei sei zu beachten, dass der Berufsverkehr an einem Freitag Abend in B-Stadt um 19.00 Uhr weitgehend abgeschlossen gewesen sein dürfte und eher unterdurchschnittliches Verkehrsaufkommen geherrscht haben dürfte. Passanten würden durch Metallpfosten auf die Ausfahrt aufmerksam gemacht. Die Klägerin habe selbst eingeräumt, dass der Gehweg nur von wenigen Passanten benutzt worden sei.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 12.03.2013 ausgeführt, dass das Handeln der Klägerin mit großer Wahrscheinlichkeit auch zur Abwendung von Schäden am eigenen Eigentum erfolgt sei, weshalb der Versicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII für fraglich gehalten werde.

Das LSG hat die Akte der Polizeiinspektion B-Stadt über die Aufnahme des Verkehrsunfalls beigezogen. Aus den gefertigten Lichtbildaufnahmen ergibt sich, dass der Pkw nicht neben der Hecke auf der Seite des Briefkasten, sondern auf der Ausfahrtspur in etwa 5 m Entfernung zum Briefkasten stand. Laut Verkehrsunfallanzeige, die um 19.05 Uhr (ca. 5 Minuten nach dem Unfall) gefertigt wurde, waren der Klägerin Personen zu Hilfe gekommen und konnten den Pkw anhalten. Auf Nachfrage des LSG teilte Polizeihauptmeister P. mit, dass er sich zwar noch gut an den Unfall erinnern könne, die gestellten Fragen im Nachhinein aber nur zum Teil beantworten könne. An einem Freitag gegen 19.00 Uhr sei die L.Straße normalerweise "gut befahren"; nähere Angaben zum Unfalltag seien nicht möglich. Hindernisse, die ein Rollen des Fahrzeugs auf den Gehweg oder die Straße verhindert hätten, wie z.B. Pfosten, hätten nicht bestanden. Ob die Zeugen Fußgänger gewesen seien und ob der Gehweg von Fußgängern frequentiert worden sei, hat er nicht mitteilen können.

Die Beigeladene hat mit Schreiben vom 25.03.2013 ausgeführt, dass der Verkehrsfluss in der L.Straße durch Ampelanlagen reglementiert sei. Eine erhebliche Gefährdung des Querverkehrs durch das langsam anrollende Fahrzeug sei nicht anzunehmen, da sich herannahende Fahrzeuge auf ein derartiges Hindernis trotz Dämmerung leicht hätten einstellen können. Offensichtlich hätten die Passanten das Fahrzeug ohne größere Kraftanstrengung noch 1,5 bis 2 m vor Erreichen des öffentlichen Verkehrsraums zum Stehen bringen können. Eine akute gegenwärtige Gefährdung für vorbeifahrende Verkehrsteilnehmer sei vom Fahrzeug nicht ausgegangen. Auf ein Urteil des Hessischen LSG (L 3 U 9/06) ist hingewiesen worden. Für Passanten habe keine konkrete gegenwärtige Gefahr bestanden, da Geh- und Radweg nur von wenigen Personen benutzt worden seien, die im Übrigen der Klägerin sofort zur Hilfe geeilt seien. Es handele sich offensichtlich um ein reflexartiges Handeln, ohne dass nachweislich das Abwenden einer konkreten gegenwärtigen Gefahr für Leib und Leben dritter Personen im Vordergrund gestanden hätte.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 27.03.2013 sind die erstellten Fotoaufnahmen mit den Beteiligten in Augenschein genommen worden. Die Vorsitzende hat darauf hingewiesen, dass ausweislich der Fotoaufnahmen der Polizei das Auto nicht direkt neben der Hecke, sondern auf der Ausfahrtspur gestanden hat.

Die Klägerin hat geschildert, dass die Passanten noch ein kleines Stück von ihrem Auto entfernt gewesen seien. Sie seien ihr zu Hilfe gekommen, als sie schon am Boden gelegen sei; sie seien nicht gleichzeitig mit ihr zum Auto gelaufen. Sie meine, dass sie ein Losfahren von Fahrzeugen an der Ampel gesehen habe. An ein Bremsen von Fahrzeugen hat sie sich nicht erinnert. Die Klägerin hat geschildert, dass die Passanten das Auto tatsächlich erst dann zum Stehen gebracht hatten, als es genau auf der Grenze zur Straße stand. Die untere Umrandung des Nummernschildes sei genau auf die Straße gefallen. Die Klägerin habe die Handbremse erst leicht angezogen; nachdem die Passanten das Auto noch ein Stück zurückgerollt hätten, habe sie die Handbremse fest angezogen.
Der Vertreter der Beigeladenen hat ausgeführt, es habe sich um eine reflexartige Handlung der Klägerin gehandelt, insbesondere um ihrer Verkehrssicherungspflicht nachzukommen. Diese habe nicht gehandelt, um eine konkrete Gefahr von anderen Personen abzuwenden. Da das Auto noch so rechtzeitig zum Stehen gebracht werden konnte, sehe die Beigeladene keine konkrete Gefahr des vorüberfahrenden Verkehrs. Da die Autos normal weitergefahren seien, sei nicht von einer Gefahrensituation auszugehen. Die Einvernahme der Zeugin E., die der Klägerin laut Polizeiakte geholfen habe, sei geboten, insbesondere um zu fragen, was sie gemacht habe, wann sie und die anderen Passanten eingegriffen hätten und wie sie das Fahrzeug zum Stehen gebracht hätten.
Die Klägerseite hat demgegenüber vorgetragen, dass die L.Straße für Einheimische allgemeinbekannt eine selbst an Sonntagen viel befahrene vierspurige Straße sei und bereits eine konkrete Gefahr des vorbeifahrenden Verkehrs vorgelegen habe. Leichtere Ausweichmöglichkeiten der vorbeifahrenden Autos könnten nicht ausgeschlossen werden.

Die Beklagte und Berufungsklägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 06.06.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise legt sie Anschlussberufung ein und beantragt die Beigeladene zu verpflichten, das Ereignis vom 11.03.2011 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Die Beigeladene beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 06.06.2012 aufzuheben und die Klage abzuweisen, die Anschlussberufung zurückzuweisen, hilfsweise zur weiteren Sachverhaltsaufklärung die Zeugin U. E., zu hören, sowie die Revision zuzulassen.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Sachverhalts auf die beigezogene Beklagtenakte, die Akte des Sozialgerichts und die Akte des LSG Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 27.03.2012 geworden ist.

Entscheidungsgründe:

A) Die zulässige Berufung der Beklagten erweist sich als begründet. Denn die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte darauf, dass das Ereignis vom 11.03.2011 von der Beklagten als Arbeitsunfall anerkannt wird; der Bescheid der Beklagte vom 25.05.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 27.09.2011 ist nicht zu beanstanden. Die auf Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall gegen die Beklagte gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zulässig, aber unbegründet. Die auf Entschädigungsleistungen gerichtete allgemeine Leistungsklage ist hingegen bereits unzulässig. Denn die Beklagte hat eine Entschädigung schon dem Grunde nach abgelehnt, weil kein Versicherungsfall eingetreten ist, ohne konkrete Leistungsansprüche zu prüfen und eine Entscheidung hierüber zu treffen. Das Begehren, "den Unfall zu entschädigen", hat in dieser Situation keine eigenständige Bedeutung, sondern beschreibt nur die rechtlichen Folgerungen, die sich im Falle der beantragten Feststellung ergeben. Die vom Klägerbevollmächtigten erhobene Leistungsklage ist unzulässig, weil sie nicht auf konkrete Leistungen, sondern allgemein auf Feststellung der Leistungspflicht der Beklagten gerichtet ist (vgl. BSG vom 07.09.2004 - B 2 U 35/03 R - Juris RdNr. 12).

Nach § 8 Abs. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; Satz 1). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (Satz 2). Für einen Arbeitsunfall ist danach im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten, von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis (dem Unfallereignis) geführt hat (Unfallkausalität) und das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität) (vgl. hierzu BSG vom 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R - Juris RdNr. 16 m.w.N.)

Die Klägerin war zwar zum Zeitpunkt des Unfallereignisses Beschäftigte im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII und hat am 11.03.2011 durch das Ausrutschen einen Unfall mit Folge eines Gesundheitserstschadens erlitten, nämlich zumindest eine Kontusion des linken Knies mit Schürfwunden.

Die von der Klägerin im Zeitpunkt des Unfallereignisses ausgeübte Verrichtung stand aber nicht im inneren bzw. sachlichen Zusammenhang mit ihrer versicherten Tätigkeit als abhängig beschäftigte Sachbearbeiterin der Firma E ...
Die zum Unfallzeitpunkt ausgeübte Verrichtung der Klägerin, also ihr konkretes, räumlich und zeitlich bestimmtes Verhalten, das nach seiner Art von Dritten beobachtbar ist (vgl. BSG vom 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R - Juris RdNr. 22), war das Hineinbeugen der Klägerin in die Fahrerseite des rollenden Pkw. Sie wollte dabei die Handbremse anziehen und dadurch ein Weiterrollen des Pkw auf Gehweg und Straße verhindern (innere Handlungstendenz).

1. Damit hat die Klägerin keine versicherte Tätigkeit als Beschäftigte in Eingliederung in das Unternehmen ihres Arbeitgebers zu dem Zweck verrichtet, dass die Ergebnisse ihrer Verrichtung diesem und nicht ihr selbst unmittelbar zum Vor- oder Nachteil gereichen (vgl. hierzu BSG vom 15.05.2012 - B 2 U 8/11 R - Juris RdNr. 28). Die Klägerin hat keine eigene objektiv bestehende Haupt- oder Nebenpflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllt. Insbesondere stand das rollende Fahrzeug nicht im Eigentum des Arbeitgebers. Ebensowenig ist ersichtlich, dass die Klägerin damit eine vermeintliche Pflicht aus dem Beschäftigungsverhältnis erfüllen wollte oder sie nach den besonderen Umständen der Beschäftigung zur Zeit der Verrichtung annehmen durfte, sie treffe eine solche Pflicht. Es fehlt eine objektivierte betriebliche (also beschäftigungsbezogene) Handlungstendenz der Klägerin.

2. Die konkrete Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses stand auch nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit dem versicherten Zurücklegen eines Weges von oder nach dem Ort der Beschäftigung nach Hause gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII.
Dieser besteht, wenn der Weg wesentlich zu dem Zweck zurückgelegt wird, den Ort der Tätigkeit oder nach deren Beendigung im typischen Fall die eigene Wohnung zu erreichen; die darauf gerichtete Handlungstendenz muss durch die objektiven Umstände bestätigt werden (vgl. BSG vom 02.12.2008 - B 2 U 15/07 R - Juris RdNr. 14). Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn das Handeln des Versicherten zur Fortbewegung auf dem Weg zur oder von der Arbeitsstätte gehört (vgl. BSG vom 17.02.2009 - B 2 U 26/07 R - Juris RdNr. 11). Hier hat die Klägerin beim Hineinlehnen in das rollende Fahrzeug, um die Handbremse anzuziehen, aber gerade nicht einen Teil der Wegstrecke zwischen ihrer Arbeitsstätte in ihren häuslichen Bereich zurückgelegt.

3. Die konkrete Verrichtung stand auch nicht deswegen unter Versicherungsschutz, weil sie in eine dem Beschäftigungsverhältnis zuzurechnende versicherte Tätigkeit - nämlich das Zurücklegen des Weges vom Ort der Beschäftigung nach Hause gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII - eingebettet war und diese versicherte Verrichtung nur unwesentlich unterbrochen hat.
Wird der Weg zum oder vom Ort der Tätigkeit aus eigenwirtschaftlichen Gründen unterbrochen, entfällt der innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit und damit der Versicherungsschutz. Dabei kommt es grundsätzlich nicht darauf an, ob der Versicherte lediglich seine Fortbewegung beendet, um sich an Ort und Stelle einer anderen Tätigkeit zuzuwenden, oder ob er den eingeschlagenen Weg verlässt, um an anderer Stelle einer privaten Verrichtung nachzugehen und erst danach auf den ursprünglichen Weg zurückzukehren (vgl. BSG vom 02.12.2008 - B 2 U 15/07 R - Juris RdNr. 19 m.w.N.). Eine Unterbrechung des versicherten Weges tritt schon vor dem Überschreiten der Grenze des öffentlichen Verkehrsraumes des zum versicherten Ziel führenden Weges ein, sobald deutlich wird, dass das Verhalten des Versicherten nicht mehr durch den Willen zur Fortsetzung des Weges von oder zu dem Ort der Tätigkeit, sondern durch eine andere Handlungstendenz gekennzeichnet ist. Es steht dem Versicherten nur solange frei, sich im öffentlichen Verkehrsraum beliebig zu bewegen, wie die Fortbewegung nach seiner objektivierten Handlungstendenz dazu bestimmt ist, der Zurücklegung des versicherten Weges zu dienen (vgl. BSG vom 17.02.2009 - B 2 U 26/07 R - Juris RdNr. 14 m.w.N.). Die räumliche Unterbrechung beginnt aber spätestens dann, wenn der Versicherte den öffentlichen Verkehrsraum seines Weges von dem Ort der Tätigkeit verlässt und endet erst mit dem (Wieder-) Erreichen dieses Verkehrsraumes bzw. der Wiederaufnahme der Fortbewegung in Richtung des ursprünglichen Ziels (vgl. BSG vom 02.12.2008 - B 2 U 15/07 R - Juris RdNr. 22 m.w.N.). Bei Benutzung eines Fahrzeugs (Pkw, Motorrad, Fahrrad) wird die eigenwirtschaftliche Handlungstendenz nicht erst mit dem Verlassen des öffentlichen Verkehrsraumes zu Fuß ersichtlich. Sie prägt das Verhalten des Versicherten, sobald er z.B. mit dem Ziel des Besuchs eines Geschäftes sein Fahrzeug verlässt, also dokumentiert, dass er sich vorläufig auf dem versicherten Weg nicht weiter fortbewegen will (vgl. BSG vom 09.12.2003 - B 2 U 23/03 R - Juris RdNr. 26).

Allerdings ist nach der Rechtsprechung des BSG zwischen der Unterbrechung eines bestimmten Verhaltens oder einer bestimmten Verrichtung auf der tatsächlichen Ebene und der rechtlichen Wertung und Auswirkung dieser tatsächlichen Unterbrechung auf der versicherungsrechtlichen Ebene zu unterscheiden (vgl. BSG vom 02.12.2008 - B 2 U 15/07 R - Juris RdNr. 19). So kann bei einer nur geringfügigen Unterbrechung des versicherten Weges der Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII fortbestehen (vgl. BSG vom 17.02.2009 - B 2 U 26/07 R - Juris RdNr. 15). Eine Unterbrechung ist als geringfügig zu bezeichnen, wenn sie auf einer Verrichtung beruht, die bei natürlicher Betrachtungsweise zeitlich und räumlich noch als Teil des Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit in seiner Gesamtheit anzusehen ist. Das ist der Fall, wenn sie nicht zu einer erheblichen Zäsur in der Fortbewegung in Richtung des ursprünglich aufgenommenen Ziels führt, weil sie ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werden kann (vgl. BSG vom 17.02.2009 - B 2 U 26/07 R - Juris RdNr. 15; BSG vom 09.12.2003 - B 2 U 23/03 R - Juris RdNr. 15).

Dagegen bewirkt nach der BSG-Rechtsprechung ein Richtungswechsel auf einem grundsätzlich versicherten Heimweg, mit dem sich der Versicherte wieder in entgegengesetzter Richtung von seiner Wohnung wegbewegt, eine deutliche Zäsur, weil sich die Umkehr sowohl nach ihrer Zielrichtung als auch ihrer Zweckbestimmung von dem zunächst zurückgelegten Heimweg unterscheidet (vgl. so BSG vom 17.02.2009 - B 2 U 26/07 R RdNr. 15). Ferner ist eine Unterbrechung beim Zurücklegen des Weges nicht geringfügig, wenn zur Erledigung einer privaten Verrichtung der öffentliche Verkehrsraum des Weges bzw. der Straße verlassen wird, der zum versicherten Ziel (z.B. häuslicher Bereich) führt (vgl. BSG vom 02.12.2008 - B 2 U 15/07 R - Juris RdNr. 18). In der Literatur wird ausgeführt, dass eine Unterbrechung des Versicherungsschutzes eintritt, wenn der Weg mit einem Pkw zurückgelegt wird und dieser aus privaten Gründen (z.B. Einkauf) angehalten und verlassen wird mit der Folge, dass diese Unterbrechung und die darin enthaltenen Wege nicht versichert sind, weil auch sie aus rein privaten Gründen vorgenommen werden (vgl. Becker in BG 2011, S. 462 ff., S. 466).

Vor diesem Hintergrund stand die konkrete Verrichtung der Klägerin zum Unfallzeitpunkt nicht unter Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII.

a) Vor der zum Unfall führenden Verrichtung hatte die Klägerin zu Fuß den Weg von ihrem abgestellten Pkw zu dem Briefkasten zurückgelegt, um (innere Handlungstendenz) einen Brief einzuwerfen. Diese Verrichtung hat die Klägerin unterbrochen, als sie auf halber Strecke umdrehte und zum Wagen zurücklief, bevor sie noch den Brief in den Briefkasten eingeworfen hatte.
Das beabsichtigte Einwerfen des Briefes und damit das Zurücklegen dieses Weges zwischen Pkw und Briefkasten war eine rein eigenwirtschaftliche und damit keine betriebliche Verrichtung. Mit dem zu Hause geschriebenen Brief machte die Klägerin Erstattungsansprüche gegenüber ihrer privaten Versicherung für Abschleppkosten für den von ihr genutzten privaten Pkw ihres Freundes geltend. Dass dieser Pkw zu einem Zeitpunkt nicht angesprungen war, als die Klägerin mit ihm einen Dienstweg von einem Betriebsgebäude zum anderen zurücklegen wollte, begründet keinen inneren bzw. sachlichen Zusammenhang ihres privaten Erstattungsanspruchs mit ihrer abhängigen Beschäftigung. Insbesondere ist nicht ersichtlich, weshalb der Arbeitgeber für Mängel des Privat-Pkw und Abschleppkosten einstehen sollte, zumal sie nicht auf einem Arbeitsunfall beruhen.

b) Ein innerer bzw. sachlicher Zusammenhang mit einer versicherten Verrichtung liegt weiter nicht deswegen vor, weil die vor der streitgegenständlichen Verrichtung zum Unfallzeitpunkt (Hineinbeugen in das Auto) vorgenommene konkrete Verrichtung (Weg zum Briefkasten) ihrerseits eine versicherte Verrichtung nur unwesentlich unterbrochen hat und daher noch unter Versicherungsschutz stand.
Zwar hatte die Klägerin zunächst den gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII versicherten Heimweg mit dem Pkw angetreten. Denn sie hatte mit Durchfahren der Schranke den nicht öffentlich zugänglichen Teil des Betriebsgeländes verlassen und war bis etwa auf die Höhe des links hinter einer Hecke gelegenen Briefkasten gefahren. Dabei wollte sie sowohl den Weg zum Briefkasten (private Handlungstendenz) als auch den Weg nach Hause zurücklegen (betriebliche Handlungstendenz), so dass sie mit sogenannter gespaltener Handlungstendenz vorging. Eine Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz steht dann im inneren bzw. sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre, wenn also die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der betrieblichen Handlungstendenz findet (vgl. BSG vom 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R - Juris RdNr. 24); es ist zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt. Das war hier der Fall, denn das Zurücklegen der Wegstrecke mit dem privaten Pkw vom Firmenparkplatz Richtung Ausfahrt lässt bereits die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen, den Heimweg mit dem Pkw zurückzulegen.

Entgegen der Auffassung des Sozialgerichts wurde die versicherte Verrichtung - das Zurücklegen des Heimwegs mit dem Pkw - aber nicht nur geringfügig unterbrochen, als die Klägerin ihren Pkw anhielt und ausstieg, um den Brief in den ca. 5 m entfernten Briefkasten einzuwerfen, selbst wenn diese Verrichtung voraussichtlich weniger als 5 Minuten gedauert hätte. Das Anhalten und Aussteigen aus dem Pkw sowie das Zurücklegen der Wegstrecke zum Briefkasten mit Richtungswechsel sprechen für eine erhebliche Zäsur in der Fortbewegung in Richtung Wohnung, so dass der Versicherungsschutz unterbrochen wird (vgl. hierzu Becker a.a.O.). Auch bei natürlicher Betrachtungsweise ist der eingeschobene Fußweg hin und zurück zum Briefkasten nicht als Teil der Heimfahrt mit dem eigenen Pkw anzusehen. Da die Klägerin den Heimweg nicht zu Fuß, sondern mit ihrem Pkw zurücklegen wollte, hatte sie mit Aussteigen aus dem Pkw und Betreten des Gehweges außerdem den von ihr gewählten öffentlichen Verkehrsraum für den Heimweg verlassen. Ob bei einem Zurücklegen des Heimwegs zu Fuß Versicherungsschutz der Klägerin für ein Einwerfen des Briefs bestanden hätte, ist nicht von Belang; denn zu prüfen ist nicht eine hypothetische (Ersatz-) Verrichtung, sondern jeweils die konkret vorgenommene Verrichtung. Mit Urteil vom 09.12.2003 (B 2 U 23/03 R, veröffentlicht bei Juris) hat das BSG wegen der vielschichtigen Abgrenzungsprobleme auch nicht mehr an seiner früheren Rechtsprechung festgehalten, die für Fußgänger entwickelten Kriterien aus Gründen der Gleichbehandlung auf Nutzer von Kraftfahrzeugen zu übertragen.

Selbst wenn aber dem SG darin gefolgt wird, dass für das Einwerfen des Briefes als unerhebliche Unterbrechung des Heimwegs noch Versicherungsschutz fortbestand, besteht kein Versicherungsschutz mehr für die zum Unfallzeitpunkt vorgenommene Verrichtung.

Denn die private Verrichtung des Briefeinwerfens hat die Klägerin nochmals tatsächlich unterbrochen, als sie auf halber Strecke zum Briefkasten umkehrte, um ihr rollendes Auto aufzuhalten und Schaden von anderen Verkehrsteilnehmern abzuwenden. Angesichts der neu gefassten Handlungstendenz und des Richtungswechsels ist eine wesentliche Zäsur eingetreten, die einen ggf. zuvor noch fortwirkenden Versicherungsschutz beendet. Außerdem ist selbst bei engem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang der Versuch, einen bereits rollenden Pkw aufzuhalten, bei natürlicher Betrachtungsweise keine Verrichtung, die "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" beim Zurücklegen eines Heimwegs erledigt werden kann. Gegen die Einbeziehung dieser Verrichtung in den Versicherungsschutz für das Zurücklegen des Weges von der Arbeit in den häuslichen Bereich spricht vor allem, dass der Anlass dafür nicht das Zurücklegen des Heimweges war, sondern im Gegenteil gerade die aus privaten Gründen vorgenommene und damit grundsätzlich nicht unter Versicherungsschutz fallende Unterbrechung des Heimweges.

c) Die Verrichtung zur Zeit des Unfalls ist auch keine versicherte Vorbereitungshandlung für das Zurücklegen des (weiteren) Heimweges. Das gilt selbst dann, falls die Absicht der Klägerin auch darauf gerichtet gewesen sein sollte, den Eintritt eines Schadens von ihrem Pkw abzuwenden, der der Fortsetzung ihrer Heimfahrt entgegengestanden hätte. Vorbereitungshandlungen sind Maßnahmen, die einer versicherten Tätigkeit vorangehen und ihre Durchführung erleichtern oder überhaupt erst ermöglichen (vgl. BSG vom 17.02.2009 - B 2 U 26/07 R - Juris RdNr. 22). Bestimmte typische Vorbereitungshandlungen sind nach § 8 Abs. 2 SGB VII versichert. Handelt es sich hingegen - wie hier - um eine von dieser Bestimmung nicht erfasste vorbereitende Tätigkeit, kommt eine Ausweitung des Versicherungsschutzes auf weitere Vorbereitungshandlungen nur in Betracht, wenn diese mit der eigentlichen versicherten Tätigkeit oder der kraft Gesetzes versicherten Vorbereitungshandlung so eng verbunden sind, dass sie bei natürlicher Betrachtungsweise eine Einheit bilden (vgl. BSG vom 17.02.2009 a.a.O.). Hierfür ist ein besonders enger sachlicher, örtlicher und zeitlicher Zusammenhang zu fordern, der die Vorbereitungshandlung nach den Gesamtumständen selbst bereits als Bestandteil der versicherten Tätigkeit erscheinen lässt (vgl. BSG vom 28.04.2004 - B 2 U 26/03 R - Juris RdNr. 16 f.). So hat das BSG Versicherungsschutz bejaht, wenn Hindernisse beseitigt werden müssen, um den Weg fortsetzen zu können, z.B. beim Aufsuchen einer Tankstelle auf der Fahrt nach oder von der Arbeitsstätte bei unvorhergesehenem Treibstoffmangel, für das Instandsetzen und anschließende Ausprobieren eines Kraftfahrzeugs, das unterwegs unvorhergesehen betriebsunfähig geworden war oder beim Steckenbleiben in einer Schneeverwehung (vgl. BSG vom 28.06.1988 - 2 RU 14/88 - Juris RdNr. 16). Auch insoweit ist aber zu beachten, dass die drohende Gefahr eines Schadens am Kfz hier im Wesentlichen gerade auf der privat motivierten Unterbrechung der versicherten Tätigkeit beruhte und aus der privaten Sphäre stammte. Außerdem bildet das Anhalten eines rollenden Pkw wegen seiner Gefährlichkeit bei natürlicher Betrachtungsweise keine Einheit mit dem Zurücklegen des Heimwegs, so dass diese Verrichtung nicht als Vorbereitungshandlung in den Schutz nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII einzubeziehen ist.

d) Der für den Weg von oder zu der Arbeit verwendete privater Pkw ist auch kein Arbeitsgerät im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 5 SGB VII (vgl. BSG vom 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R - Juris RdNr. 32 m.w.N.).

Die Klägerin hat daher keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Feststellung eines Versicherungsfalls als (Leistungs-) Rechtsverhältnis zwischen dem Versicherten und der Beklagten als Leistungsträger. Durch den Versicherungsfall wird ein Gesundheitserstschaden einer bestimmten versicherten Tätigkeit und dadurch zum Einen dem Versicherten zugerechnet, der (nur) unfallversichert ist, wenn und solange er eine versicherte Tätigkeit verrichtet; zum Anderen wird der Gesundheitserstschaden einem bestimmten Unfallversicherungsträger zugerechnet, dessen Verbandszuständigkeit für diesen Versicherungsfall und alle gegenwärtig und zukünftig aus ihm entstehenden Rechte dadurch begründet wird (vgl. BSG vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R - Juris RdNr. 18). Die Klägerin hat den Unfall nicht bei einer versicherten Tätigkeit erlitten, die der Beklagten als Unfallversicherungsträger zuzurechnen ist.

B) Die Klägerin hat jedoch gegen die Beigeladene einen Anspruch auf Feststellung des Ereignisses vom 11.03.2011 als Arbeitsunfall, weil die konkrete Verrichtung zum Unfallzeitpunkt - das Hineinlehnen, um die Handbremse anzuziehen - eine versicherte Verrichtung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB VII war und dafür gemäß § 128 Abs. 1 Nr. 7 SGB VII i.V.m. § 16 der Bayerischen Verordnung zur Ausführung der Sozialgesetze (vom 02.12.2008, AVSG) die Bayerische Landesunfallkasse (BayLUK) Unfallversicherungsträger ist. Die Zuordnung des Versicherungsfalls zur BayLUK als Unfallversicherungsträger ist nicht nachrangig, weil - wie dargelegt - die Verrichtung nicht der nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 5 SGB VII vorrangigen Versicherung aus dem Beschäftigungsverhältnis unterfällt.

1. Die Verurteilung der im Berufungsverfahren gemäß § 75 Abs. 2 2. Alt. SGG Beigeladenen als zuständigem Leistungsträger zur Feststellung des Arbeitsunfalls ist gemäß § 75 Abs. 5 SGG zulässig, obwohl kein Verwaltungsverfahren durchgeführt worden ist (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer , 10. Auflage zu § 75 RdNr. 18 und 18b). Soweit darin eine Klageänderung gesehen wird bzw. die Klägerin einen Beklagtenwechsel vornimmt, ist eine solche Klageänderung auch ohne Zustimmung der Beigeladenen im Berufungsverfahren zulässig (vgl. Leitherer in ML zu § 99 RdNr. 6; Littmann in Lüdtke Nomos-Kommentar zum SGG, 4, Auflage, zu § 75 RdNr. 16; Pawlak in Hennig, Kommentar zum SGG, zu § 99 RdNr. 16).

2. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB VII sind Personen kraft Gesetzes versichert, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten. Die Einbeziehung dieses Personenkreises in den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung sollte das gemäß § 323c StGB strafbewehrte Gebot absichern, bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe zu leisten (vgl. hierzu ausführlich BSG vom 12.12.2006 - B 2 U 39/05 R - Juris RdNr. 14 ff.).

a) Ein Unglücksfall ist ein plötzlich auftretendes Ereignis, das eine erhebliche Gefahr für Menschen oder Sachen mit sich bringt oder hervorzurufen droht (vgl. BSG vom 15.06.2010 - B 2 U 12/09 R - Juris RdNr. 19 m.w.N.; BSG vom 10.10.2002 - B 2 U 8/02 R - Juris RdNr. 22). Für einen Unglücksfall genügt es, dass ein Schaden an anderen Individualrechtsgütern als der körperlichen Unversehrtheit eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht; auch muss ein Schaden noch nicht eingetreten sein; vielmehr genügt, dass er einzutreten droht (vgl. BSG ebenda). Zwar sollen bloße Bagatellschäden an Sachen demgegenüber nicht genügen (vgl. Bieresborn in Juris Praxiskommentar zu § 2 SGB VII RdNr. 180); anders wird dies aber bei bedeutenden Sachwerten beurteilt (vgl. hierzu BSG vom 13.09.2005 - B 2 U 6/05 R - Juris RdNr. 21; vgl. auch Fischer, Kommentar zum StGB, 57. Auflage, zu § 323 c, RdNr. 3 m.w.N.).
Eine gemeine Gefahr liegt vor, wenn nach den objektiv gegebenen Umständen wegen einer ungewöhnlichen (akuten) Gefahrenlage ohne sofortiges Eingreifen eine erhebliche Schädigung von Personen oder bedeutenden Sachwerten unmittelbar droht und eine unbestimmte Vielzahl von Personen (Allgemeinheit) betroffen ist, die in den Gefahrenbereich gelangen oder sich in ihm befinden (vgl. BSG vom 15.06.2010 - B 2 U 12/09 R - Juris RdNr. 18; vgl. BSG vom 13.09.2005 - B 2 U 6/05 R - Juris RdNr. 21). Dies ist bereits dann der Fall, wenn die Gefahr in einem Bereich droht, welcher der Allgemeinheit zugänglich ist, wobei es genügt, dass nur eine einzige Person in diesen Bereich gerät oder gefährdet erscheint (vgl. BSG vom 29.09.1998 - 2 RU 44/91 - Juris RdNr. 21).
Da die Einbeziehung dieses Personenkreises das durch § 323c StGB strafbewehrte Gebot absichern soll, bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe zu leisten, ist der Versicherungsschutz auf solche Notsituationen beschränkt, in denen aufgrund der Art und des Ausmaßes der Gefährdung jedermann von Gesetzes wegen zur Hilfeleistung verpflichtet ist (vgl. BSG vom 13.09.2005 - B 2 U 6/05 R - Juris RdNr. 20). Dagegen greift das Hilfegebot des § 323c StGB nicht schon bei alltäglichen Gefahrensituationen, deren Risiken die Betroffenen kennen und auf die sie sich einrichten können, sondern erst dann, wenn es aufgrund ungewöhnlicher Umstände zu einer nicht vorhersehbaren und ohne fremde Hilfe nicht beherrschbaren Gefahrenlage kommt, wenn also die Selbstschutzmöglichkeiten deutlich vermindert sind (vgl. BSG ebenda). Dabei setzt der Tatbestand der gemeinen Gefahr nicht voraus, dass objektiv eine gemeine Gefahr vorgelegen hat, verlangt jedoch, dass die Einschätzung des Handelnden bei lebensnaher Betrachtung anhand der objektiven Sachlage nachvollziehbar ist; eine ohne objektive Anhaltspunkte rein subjektive Vorstellung des Handelnden, es bestehe eine gemeine Gefahr und er wolle insoweit Hilfe leisten, kann den Versicherungsschutz hingegen nicht begründen (vgl. BSG vom 13.09.2005 - B 2 U 6/05 R - Juris RdNr. 23).

Dabei steht dem Versicherungsschutz der Klägerin selbst grob fahrlässiges Mitwirken an der Entstehung der Gefahr bzw. das Vorliegen einer Ordnungswidrigkeit, z.B. wegen des fehlenden Anziehens der Handbremse, nicht entgegen (§ 7 Abs. 2 SGB VII; vgl. BSG vom 11.12.1973 - 2 RU 30/73 - Juris RdNr. 20). Ein vorsätzliches Verhalten der Klägerin bestand nicht. Ebensowenig scheidet Versicherungsschutz aus, wenn der Betroffene mit der Hilfeleistung oder Rettung einer rechtlichen Verpflichtung nachkommt (vgl. hierzu Kruschinsky in Becker u.a., Kommentar zum SGB VII, zu § 2 RdNr. 633 ff. sowie unter Abgrenzung von der anderslautenden Vorgängervorschrift BSG vom 12.12.2006 - B 2 U 39/05 R - Juris RdNr. 14 ff.).

Nach Überzeugung des Senats bestand hier objektiv eine gemeine Gefahr. Denn der Pkw der Klägerin, den sie an der Grenze zum Gehweg abgestellt hatte, war aufgrund der Schräglage bereits angerollt und drohte führerlos über den Gehweg frontal in einem 90°-Winkel auf die L.Straße zu geraten. Die Straße war nach den überzeugenden Angaben der Klägerin auch zum Unfallzeitpunkt, einem Freitag gegen 19.00 Uhr, stark befahren. Es handelt sich um eine mehrspurige, innerörtliche Ausfallstraße. Auch der aufnehmende Polizeibeamte hat auf Nachfrage bestätigt, dass die Straße an einem Freitag gegen 19.00 Uhr normalerweise "gut befahren" ist. Ferner hat die Klägerin wahrgenommen, dass Autos losgefahren sind. Hindernisse, die ein Rollen des Pkw auf die Straße verhindert hätten, bestanden nach Angabe des Polizeibeamten und ausweislich der von der Polizei gefertigten Lichtbilder angesichts des Standortes des Pkw nicht. Die zunächst geäußerte Annahme der Beigeladenen, dass Pfosten bzw. eine Absperrung ein Rollen auf die Straße verhindert hätten, beruhte darauf, dass in den vom SG gefertigten Lichtbildern der Standort des Pkw unzutreffend eingetragen worden war. Dies konnte jedoch nach Einsicht in die zeitnahen Aufnahmen der Polizeibeamten geklärt werden.

Der Standort des Pkw, Gehweg und Straße waren öffentlicher Verkehrsraum im Sinne der Straßenverkehrordnung, denn dazu gehören auch private Flächen, die der Allgemeinheit zu Verkehrszwecken offenstehen. Der gesamte Bereich war daher der Allgemeinheit, d.h. einer unbestimmten Anzahl von Personen, zugänglich und es bestand die konkrete Gefahr, dass der Pkw auf die befahrene Straße rollte und dort mit einem anderen, vorfahrtberechtigten Verkehrsteilnehmer kollidierte. Nach allgemeiner Lebenserfahrung droht aber bei der Kollision von Kraftfahrzeugen miteinander selbst bei nur geringer Geschwindigkeit des die Vorfahrt missachtenden Fahrzeugs eine erhebliche Schädigung einer Vielzahl von Personen und von bedeutenden Sachwerten, nämlich Körperverletzungen der Fahrer und Beifahrer sowie Sachschäden am Pkw. Zudem besteht in diesen Fällen nach allgemeiner Lebenserfahrung stets die Gefahr, dass bei Ausweich- oder Bremsmanövern anderer Fahrzeuge weitere Personen geschädigt werden, insbesondere durch Auffahrunfälle. Betroffen von dieser Gefahr von Gesundheitsschäden und erheblichen Sachschäden waren daher nach Überzeugung des Senats eine Vielzahl von Personen, die mit ihren Fahrzeugen auf der Straße fuhren.

Daher bestand ein Zustand, bei dem aufgrund tatsächlicher Umstände bei natürlicher Weiterentwicklung der Eintritt eines Schadens sicher bzw. höchstwahrscheinlich war, falls nicht alsbald Abwehrmaßnahmen ergriffen werden bzw. der Eintritt eines Schadens konnte nur durch sofortiges Handeln abgewendet werden. Der Senat vermag sich der Ansicht der Beigeladenen nicht anzuschließen, dass deswegen noch keine entsprechende Gefahr bestanden haben soll, weil der Pkw der Klägerin noch sehr langsam gerollt sei und von Passanten rechtzeitig zum Stehen gebracht werden konnte, bevor er auf die Straße geraten ist. Zum einen war das Auto, als es zum Stillstand kam, bereits über den Gehweg hinausgeraten und kam kurz vor der Straße zum Stehen. Zum anderen ist eine Gefahr nicht deswegen zu verneinen, weil der Schadenseintritt durch beherztes und rechtzeitiges Eingreifen von anderen Personen tatsächlich verhindert worden ist. Eine Gefahr setzt den Eintritt eines Schadens gerade nicht voraus. Ferner ist eine Gefahr nicht deswegen ausgeschlossen, weil sich neben der Klägerin auch andere Personen um ein Anhalten des Fahrzeugs bemüht haben, denn offensichtlich war das Fahrzeug noch nicht zum Stehen gekommen und damit die Gefahr noch nicht abgewendet, als die Klägerin versuchte, die Handbremse anzuziehen.

Dass ein führerloses Fahrzeug auf die Straße rollt, ist nach Ansicht des Senats auch keine alltägliche Gefahrensituation, deren Risiken die anderen Verkehrsteilnehmer kennen und auf die sie sich einrichten können; das gilt selbst wenn man ein langsames Tempo des führerlosen Fahrzeugs unterstellt. Im Gegenteil dürfte ein Verkehrsteilnehmer auf vorfahrtsberechtigter Straße, der sieht, wie sich ein Fahrzeug langsam aus einer Ausfahrt seiner Fahrbahn nähert, angesichts der niedrigen Geschwindigkeit annehmen, dass der Fahrer die Vorfahrt beachten wird.

Angesichts der gemeinen Gefahr für Gesundheitsschäden und erhebliche Sachschäden für Verkehrteilnehmer des Querverkehrs auf der Straße kann der Senat offenlassen, ob darüber hinaus auf dem Gehweg zum Unfallzeitpunkt Passanten einer konkreten Gefahr durch das anrollende Fahrzeug ausgesetzt waren oder ob ein bedeutender Sachschaden an dem rollenden Pkw einzutreten drohte, dessen Alleineigentümer der damalige Lebensgefährte der Klägerin war.

b) Die Klägerin hat durch den Versuch, von außen in den Pkw zu greifen und die Handbremse anzuziehen, nach Überzeugung des Senats auch Hilfe geleistet.
Das Hilfeleisten ist eine Unterstützungshandlung, die dem Zweck dienen soll, einen Unglücksfall, eine gemeine Gefahr oder eine gemeine Not zu beseitigen oder abzuwenden. Erforderlich ist, dass die subjektive Handlungstendenz auf den Schutz von Dritten gerichtet ist, wobei keine mehr oder minder längere Überlegung zur Durchführung der Hilfe vorausgesetzt wird. Dies ist auch bei reflexartigen Handlungsabläufen wie z.B. Ausweichmanövern möglich, wenn die automatische Handlung im Unterbewusstsein wesentlich, also nicht nur in äußerst geringem Maße, von der inneren Absicht getragen ist, lebensrettend zu handeln (vgl. BSG vom 02.11.1999 - B 2 U 42/98 R). Dabei kann nach der BSG-Rechtsprechung auch ein reflexartiges Ausweichmanöver im Straßenverkehr den Tatbestand des § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB VII erfüllen, wenn die konkrete Gefahrenlage bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv geeignet ist, eine Rettungshandlung auszulösen. Eine Rettungsabsicht als Handlungsmotiv scheidet indessen aus, wenn der Betroffene instinktiv reagiert, ohne genaue Kenntnis der Situation und ohne zu wissen, ob überhaupt andere Menschen gefährdet sind und sein Verhalten nur als eine dem Selbsterhaltungstrieb folgende automatische Abwehr- oder Fluchtreaktion gewertet werden kann (vgl. BSG vom 10.10.2006 - B 2 U 20/05 R - Juris RdNr. 29).

Die Klägerin wollte das rollende Auto zum Stehen bringen und hat damit nach Überzeugung des Senats sowohl versicherte als auch nichtversicherte Zwecke verfolgt (sogenannten gespaltene Handlungstendenz, s.o.). Nach ihren Angaben, die der Senat für überzeugend und glaubhaft hält, wollte sie vor allem verhindern, dass das Auto auf die Straße rollt und einen Unfall verursacht, zumal sie ein Losfahren von Autos auf der Straße wahrgenommen hatte. Wesentlicher Zweck ihres Handelns war daher, die drohende gemeine Gefahr für Gesundheit oder Sachschäden anderer Verkehrsteilnehmer abzuwenden. Zugleich wollte sie Schäden am Fahrzeug ihres Freundes verhindern und der ihr obliegenden Pflicht zur Verkehrssicherung des Fahrzeugs nachträglich nachkommen. Dabei handelte sie wegen drohender Schadensersatzansprüche auch im eigenen Interesse.
Eine Verrichtung mit gespaltener Handlungstendenz steht dann im inneren bzw. sachlichen Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, wenn die konkrete Verrichtung auch dann vorgenommen worden wäre, wenn die private Motivation des Handelns entfallen wäre, wenn also die Verrichtung nach den objektiven Umständen in ihrer konkreten, tatsächlichen Ausgestaltung ihren Grund in der versicherten Handlungstendenz - hier das Abwenden von Gefahren von anderen - findet (vgl. BSG vom 09.11.2010 - B 2 U 14/10 R - Juris RdNr. 24); es ist zu fragen, ob die Verrichtung, so wie sie durchgeführt wurde, objektiv die versicherungsbezogene Handlungstendenz erkennen lässt. Als objektive Anhaltspunkte können von Bedeutung sein die drohenden Gefahren für andere (z.B. Art und Ausmaß der Gefahr, Bedeutung der gefährdeten Rechtsgüter, Anzahl der betroffenen Personen), die Bedeutung der Eigeninteressen des Handelnden und die drohende Gefahr für den Handelnden selbst (nach Art und Ausmaß) vor dem Eingreifen zur Gefahrabwehr bzw. durch das Eingreifen.

Durch das Rollen des Pkw auf die Straße bestand - wie dargelegt - eine erhebliche, konkrete Gefahr für eine unbestimmte Menge von Personen auf der stark befahrenen Straße, sowohl für deren Gesundheit als auch für erhebliche Sachschäden, während die Klägerin selbst vor ihrem Eingreifen nur finanzielle Schäden in Form von Schadensersatzansprüchen bzw. einen Sachschaden an dem Pkw des Freundes befürchten musste. Soweit die Beigeladene angenommen hat, wesentliches Motiv sei die Rettung des Pkw gewesen, auch weil dieser erst vor kurzem repariert worden war, hat die Klägerin klargestellt, dass die aufgewandte Summe nur etwa 120 Euro betragen hatte. Erst durch ihr Eingreifen hat sich die Klägerin in eine Gefahr für ihre eigene Gesundheit begeben; dass das Hineingreifen in ein rollendes Fahrzeug mit der Gefahr einer Körperverletzung verbunden ist, ist naheliegend. Dabei handelte es sich nicht um eine nur dem Selbsterhaltungstrieb folgende automatische Abwehr- oder Fluchtreaktion.

Vor diesem Hintergrund ist der Senat zur Überzeugung gelangt, dass die Verrichtung wesentlich von der Absicht der Klägerin getragen war, Gefahren von Leib und Leben sowie erhebliche Sachschäden von anderen Verkehrsteilnehmern abzuwenden, und die eigennützigen Motive demgegenüber nur eine völlig untergeordnete Rolle gespielt haben. Dass die Klägerin angesichts der gebotenen Eile reflexartig gehandelt hat und nicht zuvor im Einzelnen geprüft hat, wie weit weitere Fahrzeuge bzw. Personen entfernt waren, steht der Hilfeleistungsabsicht nicht entgegen, zumal nur bei schneller und rechtzeitiger Reaktion der anrollende Pkw noch aufgehalten werden konnte.

Dass die konkrete Gefahrenlage bei natürlicher Betrachtungsweise objektiv geeignet war, eine Rettungshandlung auszulösen, wird im Übrigen dadurch bestätigt, dass weitere Personen der Klägerin geholfen haben, den Pkw zum Stehen zu bringen, wie die Unterlagen der Polizei bestätigt haben.

Soweit sich die Beigeladene auf das Urteil des Hessischen Landessozialgericht vom 21.11.2006 (L 3 U 9/06) gestützt hat, ergibt sich daraus keine andere Bewertung. Denn dort bestand nach den Feststellungen des LSG auch nach den eigenen Angaben des Klägers keine gegenwärtige Gefahr für andere Personen.

c) Dass die Klägerin bei dieser versicherten Verrichtung ausgerutscht und unter das Hinterrad geraten ist, ist ein von außen auf den Körper einwirkendes Unfallereignis und hat wesentlich zumindest zu dem Gesundheitserstschaden einer Kontusion des linken Knies mit Schürfwunden geführt. Ob darüberhinaus weitergehende Gesundheitserstschäden bzw. Folgen des Arbeitsunfalls bestanden, ist der Prüfung und Feststellung der Beigeladenen vorbehalten.

3. Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren gemäß § 103 SGG nicht geboten. Der hilfsweise von der Beigeladenen gestellte Antrag, Frau E. als Zeugin "zur weiteren Sachverhaltsaufklärung" zu vernehmen, ist ein Beweisermittlungsantrag und kein Beweisantrag im Sinne von § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 373 Zivilprozessordnung (ZPO). Denn er lässt offen, welche Tatsachen durch die Zeugeneinvernahme bewiesen werden sollen und konkretisiert das Beweisthema nicht hinreichend. Vielmehr zielt der Antrag auf eine Ausforschung durch allgemeine Befragung der Zeugin, um vielleicht im Anschluss bestimmte Tatsachen zu behaupten und unter Beweis zu stellen (vgl. dazu BSG vom 05.02.2009 - B 13 RS 85/08 B, Juris RdNr. 18; BSG vom 19.10.2011 - B 13 R 33/11 R - Juris RdNr. 23 ff.). Auch soweit der Vertreter der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, Frau E. solle "insbesondere" dazu befragt werden, was sie genau getan habe, wann sie bzw. die anderen Passanten eingegriffen hatten und wie sie das Fahrzeug zum Stehen gebracht hatten, wird nicht vorgetragen, welche Tatsachen konkret bewiesen werden sollen. Daher war der Senat nicht verpflichtet, diesem Antrag nachzukommen (vgl. BSG vom 19.10.2011 - B 13 R 33/11 R - Juris RdNr. 23 ff.). Außerdem vermag der Senat die Entscheidungserheblichkeit der aufgeworfenen Fragen nicht zu erkennen. Dass es den Passanten gelungen, ist, den Pkw der Klägerin rechtzeitig zum Stehen zu bringen bevor er auf die Straße rollte, steht zur Überzeugung des Senats bereits ausweislich der Polizeiakte und des Vortrags der Klägerin fest und ist zwischen den Beteiligten unstrittig, so dass sich eine Beweisaufnahme insoweit erübrigt.

C) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass die zur Anerkennung eines Arbeitsunfalls zu verpflichtende und damit unterliegende Beigeladene im erstinstanzlichen Verfahren noch nicht beigeladen war und dass die vor dem SG nur gegen die Beklagte gerichtete Klage keinen Erfolg hatte.

D) Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Insbesondere weicht der Senat nicht von der Rechtsprechung des BSG zur objektivierten Handlungstendenz ab.
Rechtskraft
Aus
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