L 2 AL 23/13 B

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 6 AL 298/10
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 2 AL 23/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
wegen Ordnungsgeld
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 8. Januar 2013 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Beschwerde richtet sich gegen die Verhängung von Ordnungsgeld.
In dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Nürnberg ist der Bescheid der Beklagten vom 26. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Mai 2010 streitgegenständlich, mit dem Anträge auf Erstattung von Reisekosten aus dem Vermittlungsbudget abgelehnt wurden.
Das Sozialgericht hat den Kläger und Beschwerdeführer (im Folgenden: Bf.), der zum Zeitpunkt der Klageerhebung seinen Wohnsitz in E. hatte, zu einem Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 18. Dezember 2012 geladen und dessen persönliches Erscheinen angeordnet. Die Ladung war mit dem Hinweis versehen, dass gegen den Bf. ein Ordnungsgeld bis zu 1.000 EUR festgesetzt werden kann, falls er ohne genügende Entschuldigung nicht erscheint. Die Ladung ist dem Bf. am 4. Dezember 2012 an dessen neuer Wohnanschrift durch Einlegung in den zur Wohnung gehörenden Briefkasten mit Zustellungsurkunde zugestellt worden.
Der Bf. hat sich per E-Mail vom 10. Dezember 2012, eingegangen um 19.14 Uhr bei Gericht, nach dem Gegenstand des Verfahrens erkundigt sowie um Auskünfte über Fahrtkostenerstattung, Übernachtungsvergütung und Übernahme von Verdienstausfall erbeten, obwohl diese teilweise bereits in der Ladung enthalten waren.
Mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2012, welcher der Bitte des Bf. nach einer schnellen Antwort entsprechend vorab an seine E-Mail-Adresse versendet wurde, hat ihm das Gericht u.a. den Streitgegenstand mitgeteilt und ihn darüber informiert, dass das Gericht sein persönliches Erscheinen für erforderlich halte und ihm für seine Anreise Reisekostenerstattung nach den gesetzlichen Vorschriften gewährt werde.
In einer weiteren E-Mail vom 13. Dezember 2012 hat der Bf. zur Kenntnis gegeben, dass nach seiner Ansicht nach Aktenlage zu entscheiden wäre und dabei auch auf die Zeitplanung seines aktuellen Arbeitgebers hingewiesen, die der Wahrnehmung des Termins entgegenstehen könnte. Im Übrigen wären nach seiner Auffassung die mit seiner Anreise verbundenen Aufwendungen im Hinblick auf den (geringen) Streitwert unangemessen. Falls das Gericht sein Erscheinen dennoch wünschte, hat er um einen neuen Termin gebeten.
Ebenfalls per E-Mail vom 17. Dezember 2012, abgesendet um 09.33 Uhr, hat das Gericht dem Bf. die Aufrechterhaltung des Termins mitgeteilt und nochmals auf mögliche Folgen seiner Säumnis hingewiesen.
Im Termin zur Sitzung am 18. Dezember 2012 ist der Bf. nicht erschienen. Der Vorsitzende hat die ordnungsgemäße Ladung festgestellt und nach geheimer Beratung mit Beschluss die mündliche Verhandlung vertagt. Das Gericht hat sich ausweislich der Niederschrift die Verhängung eines Ordnungsgeldes für den Fall, dass dieser sein Fernbleiben vom Termin nicht ausreichend entschuldigen kann, vorbehalten.
Im Rahmen der Anhörung hat der Bf. mit E-Mail vom 21. Dezember 2012 u.a. nochmals Erklärungen zu der Klage selbst abgegeben. In einer weiteren Mail vom 22. Dezember 2012 hat er sein Unverständnis hinsichtlich der nicht erfolgten Terminsabsetzung geäußert und dem Gericht für den Fall einer Neuterminierung seinen Wunschtermin mit Zeitangabe mitgeteilt. Um Rückantwort bis Freitag (28. Dezember 2012) hat er gebeten.
Mit Beschluss vom 7. Januar 2013 hat das Sozialgericht gegen den Bf. ein Ordnungsgeld in Höhe von 350.- EUR festgesetzt. Seinen Schriftsätzen ließen sich keinerlei Gründe entnehmen, die sein Ausbleiben im Sinne des § 381 Abs. 1 S. 1 der Zivilprozessordnung (ZPO) ausreichend entschuldigen könnten. Der Bf. habe jedenfalls neun Tage vor dem Termin tatsächlich Kenntnis von der Ladung gehabt; im Übrigen sei es seine Sache, seine postalische Erreichbarkeit sicherzustellen. Das Gericht habe in keinem seiner Schriftsätze zu erkennen gegeben, dass es gedenke, den Verhandlungstermin abzusetzen oder das persönliche Erscheinen aufzuheben. Zum anderen sei der Wahrnehmung gerichtlich angeordneter Verhandlungstermine grundsätzlich Vorrang gegenüber privaten Interessen oder beruflichen Terminen einzuräumen, soweit nicht ein ganz besonderer Ausnahmefall vorliege. Allein die Absicht, einen Arbeitgeber vor dem mit der Teilnahme an einem Gerichtstermin verbundenen Arbeitsausfall zu verschonen, genüge jedenfalls nicht. Auch im Hinblick auf Funktionalität und Effizienz des Gerichtsbetriebs sei das Gericht nicht gehalten, in Absprache mit den Beteiligten einen für sie optimalen bzw. geringst möglich belastenden Zeitpunkt auszuwählen.
Der Beschluss ist dem Bf. am 11. Januar 2013 zugestellt worden. Die Beschwerde hat der Bf. zunächst am 14. Januar 2013 per E-Mail ohne Signatur beim Bayer. Landessozialgericht eingelegt, auf gerichtlichen Hinweis vom 21. Januar 2013 am 26. Januar 2013 lediglich den E-Mail-Ausdruck per Fax übermittelt. Der Ordnungsbeschluss sei gemäß dem E-Mail-Verkehr nachweislich unbegründet. Da er auf seine Mail vom 22. Dezember 2012, mit der er um Rückantwort bis Freitag (d.h. 28. Dezember 2013) gebeten habe, keine Erwiderung vom Sozialgericht bekommen habe, habe er davon ausgehen müssen, dass die Wahrnehmungspflicht zu dem Termin nicht mehr bestehe. Er habe sich gemäß dem Einladungsschreiben verhalten und sich konstruktiv der Sache gestellt.

II.

Die Beschwerde ist aufgrund der innerhalb der Beschwerdefrist nachgereichten Einlegung durch Telefax zwar in schriftlicher Form im Sinne des § 173 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG), aber nicht in unterschriebener Form eingereicht worden. Schriftform im Sinne des § 173 S. 1 SGG beinhaltet einen eigenhändig unterschriebenen Schriftsatz (vgl. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 173 Rdnr. 3). Ein Telefax muss dabei grundsätzlich die Unterschrift wiedergeben. Dies ist vorliegend nicht der Fall, da der Bf. nur einen Ausdruck des einfachen E-Mail-Verkehrs übersandte, der keine Unterschrift enthielt. Die Einreichung der Beschwerde durch einfache E-Mail ist ebenfalls nicht ausreichend (BSG v. 15.11.2010, Az.: B 8 SO 71/10 B). Auch der am 11. Februar 2013 eingegangene Schriftsatz bestand nur aus dem E-Mail-Ausdruck ohne Unterschrift. Die Beschwerde ist daher als unzulässig anzusehen.
Der Senat kann offen lassen, ob vorliegend Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 67 SGG in Betracht kommen. Zwar hat das Gericht mit Schreiben vom 21. Januar 2013 innerhalb der Beschwerdefrist auf die Notwendigkeit der schriftlichen Einlegung - oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle - hingewiesen, nicht jedoch ausdrücklich auf das Erfordernis einer eigenhändigen Unterschrift. Denn jedenfalls wäre die Beschwerde dann als unbegründet zurückzuweisen.
Das Gericht konnte das persönliche Erscheinen des Klägers anordnen. Nach §§ 111, 202 SGG i.V.m. § 141 ZPO kann das persönliche Erscheinen eines Beteiligten zur mündlichen Verhandlung angeordnet werden und derjenige, der der Anordnung nicht Folge leistet, mit Ordnungsgeld wie ein im Vernehmungstermin nicht erschienener Zeuge belegt werden. Ob der Vorsitzende eine Anordnung nach § 111 SGG treffen will, steht in seinem pflichtgemäßen Ermessen. Nach § 141 Abs. 1 S. 1 ZPO ist die Anordnung des persönlichen Erscheinens eines Beteiligten dann ermessensfehlerfrei, wenn dies zur Aufklärung des Sachverhalts geboten erscheint. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist dabei der Ermessensspielraum weit. Da das Gericht gehalten ist, in einer mündlichen Verhandlung eine Entscheidung zu treffen, bedarf es vielfach der Anordnung des persönlichen Erscheinens, um die Sach- und Rechtslage zu klären und/oder zu sachdienlichen Anträgen zu gelangen. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens des Bf. ist insofern ermessensfehlerfrei, zumal Zweck der Anordnung des persönlichen Erscheinens auch die Herbeiführung einer vergleichsweisen Erledigung sein kann (so z.B. auch Meyer-Ladewig/Keller/Leithe-rer, a.a.O., § 111 Rdnr. 2). Die Höhe der Klageforderung ist dabei für das Gericht ohne Bedeutung.
Die Verhängung von Ordnungsgeld kann in Ausnahmefällen auch im Bürowege, d.h. außerhalb der mündlichen Verhandlung erfolgen. Eine solche Verfahrensweise kann z.B. dann geboten sein, wenn - wie hier ausweislich der Sitzungsniederschrift - dem säumigen Beteiligten zuvor rechtliches Gehör gewährt werden soll (Bayer. Landessozialgericht, Beschluss vom 15. Dezember 2010, Az.: L 2 KR 83/10 B). Bei dem im Büroweg ergehenden Beschluss sind Mitwirkungsrechte von an der Sitzung teilnehmenden ehrenamtlichen Richtern nicht berührt und ein Verstoß gegen § 129 SGG nicht gegeben (zur notwendigen Mitwirkung ehrenamtlicher Richter bei Ordnungsgeldbeschlüssen im Rahmen mündlicher Verhandlungen: Bayer. Landessozialgericht, Breith. 1967, 1064, 1066; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Breith. 1997, 921).
Da der Bf. im Sitzungstermin nicht erschienen ist, sind die Voraussetzungen des § 111 SGG i.V.m. §§ 141 Abs. 3, 380, 381 ZPO erfüllt. Die Ladung wurde dem Bf. auch am 4. Dezember 2012 ausweislich der Zustellungsurkunde ordnungsgemäß zugestellt.
Nach § 380 ZPO sind einem ordnungsgemäß geladenen Kläger, der nicht erscheint, die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten sowie ein Ordnungsgeld aufzuerlegen. § 381 ZPO nennt die Gründe, nach denen die Auferlegung eines Ordnungsgeldes zu unterbleiben hat bzw. nachträglich aufzuheben ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Beteiligte sein Ausbleiben genügend entschuldigen kann. Entschuldigt er sein Fernbleiben rechtzeitig, d.h. so rechtzeitig, dass der Termin aufgehoben und die übrigen Beteiligten hiervon noch unterrichtet werden können, so hat die Festsetzung eines Ordnungsgeldes zu unterbleiben. Erfolgt die Entschuldigung nicht rechtzeitig, so entfällt die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nur dann, wenn glaubhaft gemacht wird, dass den Betroffenen an der Verspätung der Entschuldigung kein Verschulden trifft und die Entschuldigung hinreichend ist.
Was als Entschuldigung gilt, entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen und unter Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfalls. Für die genügende Entschuldigung müssen Umstände vorliegen, die das Ausbleiben nicht als pflichtwidrig erscheinen lassen.
Soweit der Bf. eine Verlegung des Termins begehrte, ist dies nicht als Entschuldigungsgrund geeignet, da das Sozialgericht mit Mail und Schreiben vom 17. Dezember 2012 unmissverständlich zu erkennen gegeben hat, dass der Termin bestehen bleibt. Es hat auch zu Recht darauf hingewiesen, dass der Umstand, dass der Bf. sein persönliches Erscheinen nicht für erforderlich hält, weder dazu führt, dass der Termin abgesetzt wird noch dass nach Lage der Akten entschieden werden müsste. Dass die Kammer das persönliche Erscheinen des Klägers für erforderlich gehalten hat, wird auch dadurch deutlich, dass der Rechtsstreit in der mündlichen Verhandlung vertagt wurde. Die prozessuale Verfahrensgestaltung liegt insgesamt in der Hand des Gerichts.
Der Bf. kann dabei auch keine Rechte aus seiner E-Mail vom 22. Dezember 2012 mit Fristsetzung bis Freitag ableiten. Zum einen war nämlich die Nachricht vom Sozialgericht vom 17. Dezember 2012 eindeutig, zum anderen obliegt es nicht dem Bf., faktisch dem Gericht Fristen zu setzen mit der Folge des Nichterscheinens zu einem Termin bei Nichtbeantwortung. Im Übrigen datiert diese Mail nach dem Sitzungstermin vom 18. Dezember 2012.
Zutreffend hat das Sozialgericht auch die übrigen Entscheidungsgründe, die vom Bf. im Beschwerdeverfahren wiederholt werden, als nicht ausreichend für die Annahme einer Entschuldigung im Sinne des § 381 Abs. 1 ZPO angesehen. Der Senat verweist auf die Gründe dieses Beschlusses und sieht gemäß § 142 Abs. 2 S. 3 SGG von einer weiteren Begründung ab.
Die Höhe des Ordnungsgeldes richtet sich nach Art. 6 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch (EGStGB). Danach ist ein Rahmen von 5,00 EUR bis 1.000,00 EUR vorgegeben, innerhalb dessen sich das Ordnungsgeld bewegen kann. Bei der Zumessung hat das Gericht die Umstände, die für oder gegen den Bf. sprechen, gegeneinander abzuwägen. Dabei ist auf das Maß der Pflichtwidrigkeit, die Art des Verstoßes und dessen schuldhafte Auswirkungen, auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Bf. sowie auf das Verhalten nach dem Ordnungsverstoß abzustellen. In der Regel bedarf es keiner eingehenden Begründung dieser Ermessensentscheidung, wenn sich das Ordnungsgeld im unteren Mittel des vorgegebenen Rahmens bewegt. Dies ist hier bei der Festsetzung von Ordnungsgeld in Höhe von 350.- EUR der Fall.
Vor diesem Hintergrund und in Anbetracht der Tatsache, dass der Bf. keine Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes erhoben hat, hält der Senat den Beschluss des Sozialgerichts für rechtmäßig.

Die Kostenentscheidung erfolgt analog § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
Rechtskraft
Aus
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