L 6 SF 1846/13 E

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
6
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 6 SF 1846/13 E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Erinnerung wird die Feststellung der Gebührenschuld (Pauschgebühr) durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Thüringer Landessozialgerichts vom 12. November 2013 hinsichtlich des Verfahrens L 5 SB 444/05 aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt. &8195;

Gründe:

I.

Unter dem 12. November 2013 übersandte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle (UdG) dem Erinnerungsführer einen "Auszug aus dem Verzeichnis der Rechtsstreite (§ 189 SGG)" und forderte ihn auf, für folgende 8 Verfahren insgesamt 1.125,00 Euro Gerichtsgebühren zu zahlen: L 5 SB 1266/10 112,50 Euro L 5 SB 444/05 112,50 Euro L 5 SB 134/08 112,50 Euro L 5 SB 249/09 225,00 Euro L 5 SB 1207/10 112,50 Euro L 5 SB 165/10 112,50 Euro L 5 SB 883/11 225,00 Euro L 5 SB 834/12 112,50 Euro.

Das Berufungsverfahren L 5 SB 1266/10 erledigte sich am 14. August 2013 durch Annahme eines Anerkenntnisses. Die Kläger nahmen ihre Berufungen in den Verfahren L 5 SB 444/05 am 6. November 2008 bzw. L 5 SB 834/12 am 22. November 2012 zurück. Durch überein-stimmende Erledigungserklärungen wurden die Verfahren L 5 SB 134/08 am 11. März 2011 und L 5 SB 165/10 am 5. Mai 2011 erledigt. Abgeschlossen wurden die Verfahren L 5 SB 249/09 und L 5 SB 883/11 durch Urteile vom 5. April bzw. 20. Dezember 2012. Das Verfah-ren L 5 SB 1207/10 erledigte sich am 14. Januar 2012 (Austragung nach dem Tod des Klä-gers).

Gegen die Feststellungen im Auszug vom 12. November 2013 hat der Erinnerungsführer am 5. Dezember 2013 Erinnerung eingelegt und vorgetragen, die Gebührenforderung für das Ver-fahren L 5 SB 444/05 sei verjährt. Im Übrigen sei die Geltendmachung der Pauschgebühren verwirkt. Die Justizverwaltung habe seit der Kommunalisierung der Schwerbehindertenver-fahren zum 1. Mai 2008 davon abgesehen, Pauschgebühren geltend zu machen. Er habe nach Ablauf dieses Zeitraums nicht mehr damit rechnen müssen, ex tunc zu den Pauschgebühren herangezogen zu werde. Die Heranziehung verstoße gegen Treu und Glauben und sei allen-falls für die Zukunft gerechtfertigt. Da ihm die angeforderten Pauschgebühren nicht bekannt gewesen seien, habe er sie bei der Berechnung der Mehrbelastungspauschale vom Freistaat Thüringen nicht in Ansatz bringen können.

Die UdG hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Verfügung vom 5. Dezember 2013) und dem Senat zu Entscheidung vorgelegt.

II.

Zuständig für die Entscheidung ist nach § 66 Abs. 6 S 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) in Verbindung mit der Geschäftsverteilung des Thüringer LSG und der senatsinternen Ge-schäftsverteilung (zuletzt Beschluss vom 19. Dezember 2013) der Senatsvorsitzende.

Zur Vollständigkeit wird darauf hingewiesen, dass der Auszug aus dem Verzeichnis der Rechtsstreite angesichts der Monatsfrist des § 189 Abs. 2 S. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nach § 63 Abs. 1 SGG hätte zugestellt werden müssen. Konsequenzen hat diese Unter-lassung hier nicht.

Die Erinnerung ist zulässig und nur hinsichtlich der Pauschgebühren für das Verfahren L 5 SB 444/05 begründet. Zum Zeitpunkt der Kostenerhebung war bei ihm der Kostenanspruch verjährt. Nach § 5 Abs. 1 GKG verjähren Ansprüche auf Zahlung von Kosten in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem das Verfahren durch rechtskräftige Entscheidung über die Kosten, durch Vergleich oder in sonstiger Weise beendet ist. Hier wurde es am 6. Novem-ber 2008 durch Rücknahme beendet und die Verjährungsfrist lief am 31. Dezember 2012 ab. Der Erinnerungsführer hat rechtzeitig die Einrede der Verjährung erhoben.

Im Übrigen ist die Erinnerung nicht begründet. Zu Recht hat die UdG die Pauschgebühren nach § 189 Abs. 1 SGG festgestellt. Danach werden die Gebühren für die Streitsachen in ei-nem Verzeichnis zusammengestellt (Satz 1); die Mitteilung eines Auszugs aus diesem Ver-zeichnis an die nach § 184 Abs. 1 Gebührenpflichtigen gilt als Feststellung der Gebühren-schuld und als Aufforderung, den Gebührenbetrag binnen eines Monats an die in der Mittei-lung angegebenen Stelle zu zahlen (Satz 2). Nach § 184 Abs. 1 S. 1 SGG haben Kläger und Beklagte, die nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, für jede Streitsache eine Gebühr zu entrichten. Nach § 183 S. 1 SGG sind Verfahren vor den Gerichten der Sozi-algerichtsbarkeit für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleis-tungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger kostenfrei, sofern sie in dieser Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Die o.g. Berufungsverfahren waren selbständige gebührenpflichtige Streitsachen und der am Verfahren beteiligte Erinne-rungsführer gehört nicht zum Personenkreis des § 183 S. 1 SGG.

Die Gebührenpflicht entfällt nicht nach § 184 Abs. 3 SGG, wonach § 2 GKG entsprechend anwendbar ist. Nach § 2 Abs. 1 S. 1 GKG sind in Verfahren vor den Gerichten der Sozialge-richtsbarkeit der Bund und die Länder sowie die nach Haushaltsplänen des Bundes oder eines Landes verwalteten öffentlichen Anstalten und Kassen von der Zahlung der Kosten befreit. Kommunale Gebietskörperschaften unterfallen - auch im übertragenen Wirkungskreis - diesem Befreiungstatbestand nicht (vgl. BSG, Beschluss vom 29. Mai 2013 - B 13 SF 1/13 S m.w.N., Senatsbeschluss vom 24. Februar 2014 - L 6 SF 1393/13 E; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 11. Juni 2008 - L 7 SB 129/06, nach juris; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage 2012, § 184 Rdnr. 4).

Nicht einschlägig ist § 2 Abs. 5 S. 2 GKG, nach dem Kosten nicht zu erheben sind, soweit eine von der Zahlung der Kosten befreite Partei Kosten des Verfahrens übernimmt. Hierfür ist nichts vorgetragen oder ersichtlich.

Eine Gebührenbefreiung erfolgt nicht nach § 3 Abs. 1 GKG in Verbindung mit dem bis 7. November 2013 geltenden Thüringer Justizkostengesetz (ThürJKostG). Nach § 7 Abs. 1 Nr. 2 ThürJKostG beinhaltet die dortige Gebührenbefreiung nur Verfahren vor den ordentlichen Gerichten und Justizverwaltungsbehörden; Sozialgerichte werden nicht erwähnt. Sonstige landesrechtliche Gebührenbefreiungsvorschriften sind nicht ersichtlich.

Dieses Ergebnis ist im Ergebnis nicht unbillig. Die Befreiung von der Pauschgebühr über § 2 GKG wurde nach der Gesetzesbegründung eingeführt, um dem allgemeinen Grundsatz Rech-nung zu tragen, dass der Träger der Gerichtshoheit, der für die Gerichte finanziell aufzukom-men hat, also der Bund oder die Länder, nicht in die eigene Kasse Gebühren zu zahlen hat (vgl. BT-Drucks. 14/5943 S. 35 zu Art. 1 Nr. 62 unter Hinweis auf BSG, Beschluss vom 10. Dezember 1956 - 8 RV 391/54, nach juris). Die Befreiung kommt entsprechend in Thüringen nur bei Klagen gegen den Freistaat oder gegen unselbständige Behörden des Freistaats in Be-tracht. Der Gebührenerhebung steht nicht der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes entgegen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. Februar 2014 - L 6 SF 1945/13 E und L 6 SF 1393/13 E), denn er setzt voraus, dass vom Empfängerhorizont gesehen ein besonderer Vertrauenstatbe-stand gesetzt wurde, der andere darauf tatsächlich vertraute und sich darauf einrichtete. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass der Freistaat einen Vertrauenstatbestand ge-schaffen und der Erinnerungsführer darauf vertraut hat. Die Unkenntnis der Gebührenpflicht bzw. der Rechtsansicht im Beschluss des BSG vom 29. Mai 2013 - B 13 SF 1/13 S kann we-der den Vertrauenstatbestand noch das Vertrauen des Erinnerungsführers begründen.

Die vorgetragene Verwirkung kommt insofern ebenfalls nicht in Betracht. Sie ist eine Aus-prägung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 des Bürgerlichen Gesetzbuchs) und setzt als Unterfall der unzulässigen Rechtsausübung voraus, dass der Berechtigte die Aus-übung seines Rechts während eines längeren Zeitraums unterlassen hat und weitere besondere Umstände hinzutreten, die nach den Besonderheiten des Einzelfalls und des in Betracht kom-menden Rechtsgebiets das verspätete Geltendmachen des Rechts nach Treu und Glauben dem Verpflichteten gegenüber als illoyal erscheinen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2010 - B 13 R 67/09 R, nach juris; Senatsbeschluss vom 27. November 2012 - L 6 R 1045/12 B ER). Solche die Verwirkung auslösenden "besonderen Umstände" liegen vor, wenn der Verpflich-tete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten (Verwirkungsverhalten) darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nicht mehr geltend machen werde (Vertrauensgrundla-ge) und der Verpflichtete tatsächlich darauf vertraute, dass das Recht nicht mehr ausgeübt wird (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in seinen Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat (Vertrauensverhalten), dass ihm durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Es werden strenge Anforderungen an das Verwirkungsverhalten gestellt. Hier trägt der Erinnerungsführer im Ergebnis nur vor, er habe nach seit der Kommunalisierung zum 1. Mai 2008 von der Justizverwaltung keine Anforde-rung von Pauschgebühren erhalten. Das damit vorgetragene "bloße Nichtstun" reicht als Ver-wirkungsverhalten aber nicht aus. Zusätzlich erforderlich wäre ein konkretes Verhalten des Gläubigers, das bei dem Schuldner die berechtigte Erwartung erweckt hat, dass eine Forde-rung nicht besteht oder nicht geltend gemacht wird (vgl. BSG, Urteil vom 27. Juli 2011 - B 12 R 16/09 R m.w.N., nach juris). Hierfür ist nichts ersichtlich. Wenn der Erinnerungsführer im Übrigen vorträgt, die Verpflichtung zur Tragung von Pauschgebühren sei ihm nicht bekannt gewesen, verneint er selbst den Vertrauenstatbestand und das Vertrauensverhalten.

Es ist nicht ersichtlich oder konkret vorgetragen, dass der Erinnerungsführer durch die Leis-tungspflicht übermäßig belastet oder in seinem Vermögen grundlegend beeinträchtigt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. Juli 1987 - 1 BvL 21/82, nach juris).

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 66 Abs. 3 S. 3 GKG)
Rechtskraft
Aus
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