L 5 R 696/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 21 R 7595/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 696/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.08.2011 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden keine erhoben.

Tatbestand:

Im Streit stehen Säumniszuschläge in Höhe von 2.805,00 EUR.

Der 1971 geborene M. B. (im Folgenden B.) war nach Ableistung des Grundwehrdienstes vom 01.04.1992 bis 30.09.1992 als Zeitsoldat bei der Bundeswehr. Im Anschluss absolvierte er eine Hochschulausbildung. Im Rahmen eines von B. beantragten Kontenklärungsverfahrens stellte die Beklagte fest, dass für die Zeit vom 01.04.1992 bis 30.09.1992 keine Nachversicherung erfolgt war. Nach Aufforderung durch die Beklagte (Schreiben vom 03.02.2009) übersandte die (damalige) Wehrbereichsverwaltung Süd am 20.02.2009 (Schreiben vom 13.02.2009) eine Nachversicherungsbescheinigung, wonach für B. auf Grundlage beitragspflichtiger Einnahmen in Höhe von insgesamt 16.279,10 DM (= 8.323,37 EUR) Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von 2.136,53 EUR angewiesen wurden (Wertstellung am 23.02.2009).

Mit Schreiben vom 03.04.2009 hörte die Beklagte die Klägerin zur beabsichtigten Erhebung von Säumniszuschlägen in Höhe von 2.805,00 EUR an. Die Nachversicherungsbeiträge seien am 01.10.1992 fällig geworden. Erst am 23.02.2009 seien sie jedoch bei der Beklagten eingegangen. Ausgehend von einer Säumnis seit 01.01.1995 und einer fiktiven Nachversicherungsschuld von gerundet 1.650,00 EUR ergebe sich für 170 Monate Säumnis der Säumniszuschlag von 2.805,00 EUR. Die Klägerin gab daraufhin an, eine vorsätzliche Vorenthaltung von Beiträgen sei auszuschließen. Vielmehr sei die zeitgerechte Zahlung infolge eines Bearbeitungsfehlers versäumt worden. Der vorliegende Fall sei im Zuge der Erfassung der zu bearbeitenden Nachversicherungsfälle versehentlich nicht einbezogen worden. Der Grund hierfür sei heute nicht mehr feststellbar.

Mit Bescheid vom 20.05.2009 erhob die Beklagte sodann Säumniszuschläge in Höhe von 2.805,00 EUR. Die Klägerin legte am 12.06.2009 Widerspruch ein und erhob die Einrede der Verjährung. Im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung hätten ausreichende organisatorische Vorkehrungen in Form eines Erlasses vom 15.05.1968 bestanden, in dem geregelt sei, wie die Pflicht zur Nachversicherung dem entsprechenden Zuständigkeitsbereich des Wehrbereichsgebührnisamts (WBGA) von den besoldenden Dezernaten bekannt zu geben ist. Im Regelfall seien die Mitteilungen und Nachversicherungen erfolgt. Nur wenn ausnahmsweise die für die Nachversicherung zuständige Stelle keine Kenntnis von der Pflicht zur Nachversicherung gehabt habe, sie diese unterblieben. Mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2009 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Eine unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht sei nicht glaubhaft gemacht. Allein schon aufgrund des Vortrags, nicht mehr nachvollziehen zu können, warum die Nachversicherung nicht durchgeführt worden sei, fehle es an einer Glaubhaftmachung.

Am 12.11.2009 hat die Klägerin beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen, nach den damals im Bereich der Bundeswehrverwaltung geltenden Durchführungsbestimmungen zur Nachversicherung gemäß Erlass des Bundesministers der Verteidigung vom 12.09.1988 (= Neufassung der seit dem 1968 bestehenden Erlasslage) sei das für die Dienstbezüge zuständige WBGA verpflichtet gewesen, im Falle eines Nachversicherungstatbestands dem für die Nachversicherung zuständigen WBGA eine "Mitteilung zur Nachversicherung" und eine "Bescheinigung über das Diensteinkommen" zur weiteren Veranlassung zu übersenden. Dies sei vorliegend aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen ausnahmsweise nicht geschehen. Die Besoldungsakte sei bereits bestimmungsgemäß vernichtet worden. Durch den Erlass vom 12.09.1988 habe die Klägerin ausreichende organisatorische Vorkehrungen getroffen, um den Informationsfluss von den besoldenden Dezernaten zu dem für die Nachversicherung zuständigen WBGA zu gewährleisten. Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass der Nachversicherungsbearbeitungsstand im Jahr 1991 rund 44.000 Fälle mit monatlichen Neuzugängen von rund 2.000 Fällen betragen habe. Die vorliegende Unkenntnis der Klägerin lasse vor diesem Hintergrund kein Verschulden erkennen. Auch eine Wissenszurechnung zwischen den besoldenden und den nachversichernden Dienststellen komme im Hinblick auf die organisatorischen Maßnahmen zur Gewährleistung des internen Informationsaustausches nicht in Betracht. Ein Organisationsverschulden, eine verschuldete Kenntnis von der Versicherungspflicht und ein auch nur bedingt vorsätzliches Vorenthalten lägen nicht vor. Darüber hinaus sei der geltend gemachte Anspruch auch verjährt.

Mit Urteil vom 22.08.2011 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Voraussetzungen, unter denen das Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) die Erhebung von Säumniszuschlägen vorschreibe, lägen vor. Die Erhebung des Säumniszuschlags sei nicht nach § 24 Abs. 2 SGB IV ausgeschlossen. Bereits das Außerachtlassen ausreichender organisatorischer Vorkehrungen (sog. Organisationsverschulden) schließe eine unverschuldete Unkenntnis im Sinne des § 24 Abs. 2 SGB IV aus. Die Behörde müsse dafür Sorge tragen, dass Akteninhalte auch zugänglich seien. Der Verwaltungsträger müsse die interne Kommunikation und die Binneninformationsverteilung ordnungsgemäß organisieren und entsprechende Strukturen vorhalten (unter Verweis auf Rspr. des BGH). Fehlten derartige organisatorische Maßnahmen, genüge bereits einfache Fahrlässigkeit, um der Organisation das (aktenmäßige) Wissen einzelner, auch nicht unmittelbar mit dem streitigen Vorgang befasster Mitarbeiter zurechnen zu können (unter Verweis auf BSG Urt. v 01.07.2010 – B 13 R 67/09 R). Die Klägerin habe vorliegend keine ausreichenden organisatorischen Vorkehrungen getroffen. Sie habe die Nichtabführung der Beiträge trotz bestehender Versicherungspflicht, zumindest billigend in Kauf genommen. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, im Streitzeitraum regelmäßig Überprüfungen dahingehend durchgeführt zu haben, dass beispielsweise die Zahl der ausscheidenden Zeitsoldaten mit der Zahl der an die Rentenversicherungsträger gemeldeten Nachversicherungsfälle abgeglichen worden seien, um etwaige Fehlbestände zu lokalisieren, oder in irgendeiner Form sicherzustellen, dass das für die Nachversicherung zuständige WBGA bei dem für die Dienstbezüge zuständigen WBGA die Meldung von ausgeschiedenen Soldaten angefragt oder gar angemahnt hätte. Dem Anspruch der Beklagten stünde auch nicht die Einrede der Verjährung entgegen. Für die 30-jährige Verjährungsfrist genüge bedingter Vorsatz, der vorliegend gegeben sei. Ihre grundsätzliche Verpflichtung, als Arbeitgeber Beiträge zu zahlen, sei der Klägerin bekannt gewesen. Die festgestellte Hinnahme eines ersichtlich unzureichenden Nachversicherungsmanagements rechtfertige den Schluss, dass die Klägerin der Angelegenheit nicht die erforderliche Bedeutung beigemessen und damit eine Verzögerung der Durchführung der Nachversicherung bewusst in Kauf genommen habe. Die Klägerin habe auch mindestens mit der Möglichkeit gerechnet, dass sie von der Pflicht zur Zahlung der Beiträge nicht befreit worden sei.

Am 15.02.2012 hat die Klägerin gegen das ihr am 19.01.2012 zugestellte Urteil beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und zur Begründung vorgetragen, bei einem öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber dürfe ein bedingter Vorsatz in Bezug auf das Vorenthalten der Beiträge nicht ohne Weiteres unterstellt werden. Der Behörde sei die Nachversicherungspflicht im konkreten Fall gar nicht bekannt gewesen. Das LSG Saarland habe in einer Entscheidung (Urt. v. 11.11.2004 – L 1 RA 65/02) ausgeführt, dass sogar dann, wenn die Akte aus der die Nachversicherungspflicht eindeutig hervor gehe, versehentlich geschlossen werde, kein bedingter Vorsatz sondern nur Fahrlässigkeit angenommen werden könne. Die Klägerin habe nicht mit bedingtem Vorsatz nicht nachversichert. Vielmehr sei aufgrund eines Versehens, was bei Massenvorgängen leider vorkomme, die Nachversicherung nicht erfolgt. Sie habe gemäß ihrer Kenntnis alle Personen, die nachzuversichern waren, nachversichert. Dies allein zeige, dass die Klägerin nicht mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe. Auf die vorgelegte Stellungnahme des VDR "Fachausschuss für Versicherung und Rente" vom 01.06.2004 werde verwiesen. Die Klägerin habe gar kein Interesse daran, Personen nicht nachzuversichern. Das Urteil des BSG vom 01.07.2010 (B 13 R 67/09) könne für die Beantwortung der Frage, ob der Klägerin bedingter Vorsatz vorgeworfen werden könne, nicht herangezogen werden. Aus einem fahrlässigen Organisationsverschulden könne nicht auf einen bedingten Vorsatz geschlossen werden. Dies laufe auf eine Beweislastumkehr hinaus. Darüber hinaus werde das Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des BSG in der Sache B 5 R 96/11 R beantragt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 22.08.2011 und den Bescheid der Beklagten vom 20.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.10.2009 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hat die Beklagte im Wesentlichen auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils und ihren bisherigen Vortrag verwiesen. Ergänzend wird auf das Urteil des BSG vom 27.06.2012 (B 5 R 88/11 R) verwiesen, wonach die Einrede der Verjährung des Beitragsanspruchs gegen Treu und Glauben verstoße, wenn die rechtzeitige Information des Rentenversicherungsträgers nicht nachgewiesen werden könne. Der Säumniszuschlag teile das Schicksal der Hauptforderung. Selbst wenn das Urteil des BSG nicht zur Anwendung käme, würde der am 01.01.1995 fällig gewordene Säumniszuschlag erst in 30 Jahren verjähren (unter Verweis auf BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07). Ein Ruhen des Verfahrens sei nicht erforderlich, da es in dem Verfahren B 5 R 96/11 R nicht um Säumniszuschläge, sondern um die Zahlung von Nachversicherungsbeiträgen gehe.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG), ist statthaft. Es liegt keine Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden vor (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG), so dass es auch bei der vorliegenden Beschwer von unter 10.000,00 EUR keiner Zulassung der Berufung bedurfte. Zwar sind an dem Rechtsstreit zwei juristische Personen des öffentlichen Rechts beteiligt. Es handelt sich bei der Geltendmachung von Säumniszuschlägen aber nicht um einen Erstattungsanspruch (BSG Urt. v. 01.07.2010 – B 13 R 67/09 R - SozR 4-2400 § 24 Nr. 5, juris-Rn. 15).

Die Berufung ist auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 20.05.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 07.10.2009 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Voraussetzungen für den erhobenen Säumniszuschlag sind gegeben. Verjährung ist nicht eingetreten.

Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist für Beiträge, die der Zahlungspflichtige nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstags gezahlt hat, für jeden angefangenen Monat ein Säumniszuschlag von 1 vH des rückständigen, auf 50,00 EUR nach unten abgerundeten Betrags zu zahlen. Auch auf verspätet entrichtete Nachversicherungsbeiträge sind Säumniszuschläge zu zahlen (§ 184 Abs. 1 Satz 2 SGB VI idF des Gesetzes vom 19.12.2007, BGBl. I S 3024; für die Zeit vor 01.01.2008: BSG Urt. v. 12.02.2004 – B 13 RJ 28/03 R, BSGE 92, 150). Dies gilt auch für Körperschaften des öffentlichen Rechts (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, BSGE 100, 215). Die Nachversicherungsbeiträge sind gemäß § 184 Abs. 1 Satz 1 SGB VI zu zahlen ("fällig"), wenn die Voraussetzungen für die Nachversicherung eingetreten sind, insbesondere Gründe für einen Aufschub der Beitragszahlung nicht gegeben sind. Die Beiträge sind regelmäßig mit dem unversorgten Ausscheiden aus einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zu zahlen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI).

Nachversicherungsschuldner und damit zahlungspflichtig ist die Klägerin als ehemalige Dienstherrin des B. Die Nachversicherungsschuld der Klägerin ist am 01.10.1992 entstanden, da B. am 30.09.1992 aus dem Soldatenverhältnis unversorgt ausschied. Damit wurden die Beiträge zur Nachversicherung fällig; Gründe für einen Aufschub lagen nicht vor. Der hiervon abweichend festgesetzte spätere Beginn der Säumnis ab 01.01.1995 beruht auf § 184 Abs. 1 Satz 3 SGB VI und hat den Hintergrund, dass erst mit Wirkung zu diesem Zeitpunkt aufgrund der Neufassung von § 24 Abs. 1 SGB IV (durch das 2. Gesetz zur Änderung des Sozialgesetzbuchs vom 13.06.1994, BGBl. I 1229) Säumniszuschläge bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen zwingend zu zahlen sind und ihre Erhebung nicht mehr – wie noch nach der Vorläufervorschrift – in das Ermessen des Versicherungsträgers gestellt war.

Eine unverschuldete Unkenntnis von der Zahlungspflicht hat die Klägerin nicht glaubhaft gemacht.

Nach § 24 Abs. 2 SGB IV ist bei einer durch Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit festgestellten Beitragsforderung ein Säumniszuschlag nicht zu erheben, soweit der Beitragsschuldner glaubhaft macht, dass er unverschuldet keine Kenntnis von der Zahlungspflicht hatte. Diese Vorschrift ist auf Nachversicherungsbeiträge entsprechend anzuwenden (BSG Urt. v. 12.02.2004 – B 13 RJ 28/03 R, BSGE 92, 150; BSG Urt. v. 29.11.2007 – B 13 R 48/06 R, BSGE 99, 227). Eine Körperschaft öffentlichen Rechts kann genauso wenig selbst "Kenntnis" bestimmter Umstände haben wie eine juristische Person des Privatrechts; abzustellen ist zunächst auf die Kenntnis des zuständigen Amtswalters (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 18 m.w.N.). Hatte der zuständige Amtswalter keine Kenntnis, schließt dies aber eine unverschuldete Unkenntnis seitens der Körperschaft nicht aus. Denn diese hat sicherzustellen, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 19 m.w.N.). Bei Körperschaften des öffentlichen Rechts schließt deshalb das Außerachtlassen ausreichender organisatorischer Vorkehrungen (sogenanntes Organisationsverschulden) eine unverschuldete Unkenntnis im Sinne von § 24 Abs. 2 SGB IV aus. Das Fehlen notwendiger organisatorischer Maßnahmen bedingt, dass sich die Organisation das Wissen einzelner Mitarbeiter zurechnen lassen muss. Jede am Rechtsverkehr teilnehmende Organisation hat daher sicherzustellen, dass die ihr ordnungsgemäß zugehenden, rechtserheblichen Informationen von ihren Entscheidungsträgern zur Kenntnis genommen werden können. Sie muss es deshalb so einrichten, dass ihre Repräsentanten, die dazu berufen sind, im Rechtsverkehr bestimmte Aufgaben in eigener Verantwortung wahrzunehmen, die erkennbar erheblichen Informationen tatsächlich an die entscheidenden Personen weiterleiten. Hieraus folgt die Notwendigkeit eines internen Informationsaustausches. Die Notwendigkeit eines Informationsaustausches bedingt entsprechende organisatorische Maßnahmen. Jedenfalls dann, wenn es an derartigen organisatorischen Maßnahmen fehlt, muss sich die Organisation das Wissen einzelner Mitarbeiter, auf welcher Ebene auch immer diese angesiedelt sind, zurechnen lassen (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 19).

Der Klägerin ist ein solches Organisationsverschulden vorzuwerfen (so schon LSG Baden-Württemberg Beschl. v. 08.03.2012 – L 10 R 4107/10 und Urt. v. 22.01.2013 – L 11 R 4757/10). Die Mitarbeiter des für die Besoldung zuständigen Hauptsachgebiets des damaligen WBGA hatten Kenntnis von den die Nachversicherungspflicht begründenden Tatsachen, da dort das unversorgte Ausscheiden des B. bekannt war. Die Mitarbeiter des für die Nachversicherung zuständigen Hauptsachgebiets hatten dagegen Kenntnis von der Rechtspflicht, im Fall eines unversorgten Ausscheidens, Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nachzuentrichten. Somit lagen insgesamt alle notwendigen Informationen für die Beitragspflicht innerhalb der Behörde vor; es fehlte aber an hinreichenden Vorkehrungen, die gewährleisteten, dass zwischen beiden Zuständigkeitsbereichen die Informationen auch ausgetauscht wurden. Insbesondere war nicht sichergestellt, dass die Information über das unversorgte Ausscheiden des B. vom Hauptsachgebiet "Besoldung" an das Hauptsachgebiet "Nachversicherung" gelangte. Die Klägerin beruft sich im vorliegenden Fall allein auf den Ministererlass vom 12.09.1988. In dem Ministererlass sind zwar Regelungen über die Zuständigkeit der für die Durchführung der Nachversicherung zuständigen Dienststellen enthalten, jedoch nur rudimentäre Regelungen zur entsprechenden Verfahrensweise getroffen worden. Insoweit ist unter Abschnitt G "Feststellungen zur Nachversicherung" unter Punkt 10 geregelt: "Das WBGA, das zuletzt die Dienstbezüge gezahlt hat, stellt fest, ob ein Anspruch auf lebenslängliche Versorgung besteht. Besteht ein solcher Anspruch nicht, so übersendet es dem für die Nachversicherung zuständigen WBGA (V) eine "Mitteilung zur Nachversicherung" und eine "Bescheinigung über das Einkommen ..." Weiterführende verfahrensrechtliche Bestimmungen, insbesondere Kontroll- und Sicherungsmechanismen, dass die vorgeschriebene Verfahrensweise auch eingehalten wird, enthält der Ministererlass nicht.

Soweit die Klägerin im Verfahren L 11 R 4757/10 darüber hinaus Dienstanweisungen der WBGA V und VI vorgelegt hat, sind diese im vorliegenden Fall ohne Relevanz, da diese nur den Zeitraum bis 1988 betreffen. Soweit sich die Klägerin in den Verfahren L 10 R 4107/10 und L 11 R 4757/10 auf das Verfahren der "Entlassungslisten" berief, wurde nach den Feststellungen der Senate auch insoweit keine ausreichende organisatorische Vorkehrung dafür getroffen, dass die Meldungen tatsächlich vollständig an das für die Nachversicherung zuständige WBGA gelangten. Tatsächlich wurde über den Kontrollvermerk der Sachgebietsleitung nur sichergestellt, dass die Listen vollständig ausgefüllt waren; eine Überprüfung anhand der Besoldungsakte war nicht vorgesehen, wenn auch Stichproben der Sachgebietsleitung freistanden.

Damit fehlte es an einer hinreichenden Verzahnung in organisatorischer Hinsicht zwischen dem für die Besoldung zuständigen WBGA und dem für die Nachversicherung zuständigen WBGA. Letzteres kann erst dann tätig werden, wenn ihm tatsächlich der entsprechende Nachversicherungsfall gemeldet wird. Hier war über organisatorische Maßnahmen nicht sichergestellt, dass die Mitteilung über das unversorgte Ausscheiden aus dem Dienst, dessen Erledigung mehreren Stellen oblag, auch tatsächlich das für die abschließende Bearbeitung zuständige Hauptsachgebiet "Nachversicherung" des WBGA erreichte. Die Klägerin muss sich daher die Kenntnis ihrer einzelnen Mitarbeiter zurechnen lassen. Da somit von einer Kenntnis der Klägerin auszugehen ist, entfällt die Exkulpationsmöglichkeit des § 24 Abs. 2 SGB IV von vornherein.

Der Erhebung von Säumniszuschlägen steht nicht die Einrede der Verjährung entgegen.

Nach § 25 Abs. 1 SGB IV verjähren Ansprüche auf Beiträge in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden sind. In 30 Jahren tritt Verjährung ein, wenn die Beiträge vorsätzlich vorenthalten worden sind (§ 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Nebenleistungen teilen das Schicksal der Hauptforderung, so dass die Regelungen auch auf die Säumniszuschläge Anwendung finden; der Beitragsschuldner kann auf die Hauptleistung zahlen, etwa weil er hierzu nach beamtenrechtlichen Grundsätzen verpflichtet ist, sich aber gleichwohl wegen einer Nebenforderung auf die Verjährung berufen (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 24). Für die 30jährige Verjährungsfrist genügt bedingter Vorsatz (BSG Urt. v. 30.03.2000 – B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7). Für den bedingten Vorsatz im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV ist ausreichend, dass der Beitragsschuldner seine Beitragspflicht nur für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen hat; ferner reicht es aus, wenn ein anfänglich gutgläubiger Beitragsschuldner vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist bösgläubig geworden ist (BSG Urt. v. 30.03.2000 – B 12 KR 14/99 R, SozR 3-2400 § 25 Nr. 7). Jedenfalls wenn feststeht, dass der Schuldner zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der kurzen Verjährungsfrist Kenntnis von der Beitragspflicht hatte und die Zahlung nicht sichergestellt hat, obwohl er hierzu in der Lage war, indiziert dies den im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV erforderlichen Vorsatz (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 31). Andernfalls liefe die Verlängerung der Verjährung auch bei bedingtem Vorsatz weitgehend ins Leere, denn dann könnte sich ein Schuldner nach Ablauf von vier Jahren seiner Zahlungspflicht stets mit der Behauptung entziehen, er habe zwar zunächst von seiner Zahlungspflicht gewusst, die geplante Zahlung sei jedoch unterblieben, weil er die Unterlagen verlegt und dann den Vorgang vergessen habe (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 32). Daher muss es für die Annahme eines vorsätzlichen Vorenthaltens im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV auch bei einer juristischen Person oder Körperschaft öffentlichen Rechts ausreichen, dass dieser die Kenntnis von der Beitragspflicht zugerechnet wird. Denn ebenso wie bei der Frage, ob § 24 SGB IV auf Körperschaften öffentlichen Rechts als Nachversicherungsschuldner anzuwenden ist, besteht auch im Rahmen des § 25 SGB IV kein Grund zu ihrer Bevorzugung (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 33). Im Gegenteil obliegt dem früheren Dienstherrn des nachzuversichernden Beamten diesem gegenüber eine nachwirkende Fürsorgepflicht, die Nachversicherung nicht nur überhaupt, sondern auch unverzüglich durchzuführen; denn der Betroffene bedarf bereits unmittelbar nach dem Ausscheiden einer tragfähigen Absicherung gegen die Risiken einer Erwerbsminderung oder des Todes (insoweit für die Hinterbliebenen). Auch der Realisierung dieser Verpflichtung dient ihre möglichst effektive Bewehrung mit Säumniszuschlägen (BSG Urt. v. 17.04.2008 – B 13 R 123/07 R, juris-Rn. 34). Wenn der Klägerin demnach die Kenntnis von der Beitragsnachentrichtungspflicht zuzurechnen ist, folgt hieraus auch, dass die verlängerte Verjährungsfrist eingreift.

Vorliegend steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Klägerin, vermittelt über ihre Mitarbeiter, innerhalb der kurzen Verjährungsfrist Kenntnis von der Beitragspflicht hatte und die Zahlung nicht sichergestellt hat, obwohl sie hierzu in der Lage war (s.o.). Damit wird Vorsatz im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV indiziert. Besondere, im Einzelfall zu prüfende Umstände, die diesen Vorwurf aus ihrer Sicht entkräften, wie Zahlungsunfähigkeit oder ein nicht zuzurechnendes Verschulden Dritter hat die Klägerin nicht vorgetragen; hierzu ist auch nichts ersichtlich.

Die Berechnung der Höhe der Säumniszuschläge ist zutreffend. Der Senat verweist auf die Berechnung im angefochtenen Bescheid. Einwände hat die Klägerin insoweit nicht erhoben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 1, Abs. 2 Nr. 3, 2, Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Hs. 1 Gerichtskostengesetz).

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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