L 8 AL 1220/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 7 AL 2831/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 1220/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 22. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin einen Anspruch auf Arbeitslosengeld (Alg) ab 12.06.2011 hat.

Am 13.05.2011 meldete sich die Klägerin mit Wirkung zum 12.06.2011 arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld. Sie gab an, sie habe versicherungspflichtig zuletzt vom 20.06.2005 bis 28.02.2007 bei der H. Volksbank gearbeitet. Das jüngste Kind A. S. sei am 12.12.2007, das ältere Kind L. K. am 27.07.2004 geboren.

Mit Bescheid vom 30.06.2011 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Arbeitslosengeld ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin sei in den letzten 2 Jahren vor dem 13.05.2011 weniger als 12 Monate versicherungspflichtig gewesen und habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt (§ 123 und § 124 Drittes Buch Sozialgesetzbuch - SGB III -).

Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte geltend, sie sei in den letzten 3,5 Jahren in Elternzeit gewesen. In den 3 Jahren gesetzlicher Elternzeit sei sie versicherungspflichtig gewesen und somit 1,5 Jahre innerhalb der verlangten 2 Jahre.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2011 wurde der Widerspruch der Klägerin zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Widerspruchsführerin habe die Anwartschaftszeit nicht erfüllt, weil sie innerhalb der 2-jährigen Rahmenfrist vom 12.06.2009 bis 11.06.2011 nicht mindestens 12 Monate (= 360 Kalendertage) in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Sie habe daher keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld. Gemäß § 118 Abs. 1 SGB III habe Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit nur derjenige, der u.a. die Anwartschaftszeit erfüllt habe. Die Anwartschaftszeit erfülle, wer in der Rahmenfrist mindestens 12 Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Die Rahmenfrist betrage 2 Jahre und beginne mit dem Tage vor der Erfüllung aller sonstigen Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld (§ 124 Abs. 1 SGB III). Nach § 26 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 SGB III seien Personen in der Zeit, in der sie ein Kind, das das 3. Lebensjahr noch nicht vollendet habe, erziehen, versicherungspflichtig, wenn sie unmittelbar vor der Kindererziehung versicherungspflichtig gewesen seien, eine laufende Entgeltersatzleistung nach diesem Gesetz (Arbeitslosengeld) bezogen oder eine als Arbeitsbeschaffungsmaßnahme geförderte Beschäftigung ausgeübt hätten, die ein Versicherungspflichtverhältnis oder den Bezug einer laufenden Entgeltersatzleistung nach diesem Gesetz unterbrochen habe. Die Widerspruchsführerin erfülle die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen für Arbeitslosengeld am 12.06.2011. Die Rahmenfrist umfasse daher die Zeit vom 12.06.2009 bis 11.06.2011. Innerhalb dieser Rahmenfrist sei die Widerspruchsführerin nicht versicherungspflichtig im Sinne der §§ 24, 26 und 28a SGB III gewesen. Die Zeit der Erziehung des jüngsten Kindes A. S., geboren 12.12.2007, sei nicht versicherungspflichtig nach § 26 Abs. 2a SGB III gewesen, weil die Widerspruchsführerin unmittelbar vor der Geburt/Erziehung des Kindes, d.h. vor dem 12.12.2007 in keinem Versicherungspflichtverhältnis gestanden und auch keine Entgeltersatzleistung nach dem SGB III (Arbeitslosengeld) bezogen habe.

Dagegen erhob die Klägerin am 24.08.2011 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) und machte zur Begründung geltend, sie habe sich vom 27.07.2004 bis 26.01.2008 in Elternzeit befunden nach der Geburt des Kindes L., das am 27.07.2004 geboren sei. Nochmals habe sie sich aufgrund der Tochter A., die am 12.12.2007 geboren sei, in Elternzeit befunden vom 12.12.2007 bis 11.06.2011. Unterbrochen sei die Elternzeit durch einen befristeten Anstellungsvertrag bei der H. Volksbank für die Zeit vom 20.06.2005 bis 28.02.2007; in dieser Zeit sei sie als Halbtagskraft beschäftigt gewesen. Das Arbeitsverhältnis sei durch Aufhebungsvertrag vom 26.04.2011 zum 11.06.2011 beendet worden. Die Beklagte habe bei ihrer Entscheidung verkannt, dass sie sich mehrfach in Elternzeit befunden habe. Bei zwei sich überschneidenden Kindererziehungszeiten sei im Rahmen des § 26 Abs. 2a SGB III für die gesamte Zeit von der Geburt des älteren Kindes an bis zur Vollendung des 3. Lebensjahres des jüngeren Kindes von einer Versicherungspflicht auszugehen. Ihr stehe daher ein Anspruch auf Arbeitslosengeld zu.

Mit Schreiben vom 17.04.2012 wies das SG die Klägerin darauf hin, dass vorliegend keine Überschneidung der Erziehungszeiten vorliege. Die Versicherungspflicht in der Zeit der Kindererziehung nach § 26 Abs. 2a SGB III beginne frühestens mit der Geburt und ende mit Ablauf des 3. Lebensjahres des Kindes. Demzufolge habe die Erziehungszeit des älteren Kindes am 27.07.2004 begonnen und geendet am 26.07.2004. Die Erziehungszeit des zweiten Kindes habe frühestens mit der Geburt am 12.12.2007 begonnen.

Mit Urteil vom 22.02.2013 wies das SG die Klage ab. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, zwar habe die Klägerin eine Anfechtungsklage erhoben, ihr Begehren sei allerdings auf die Gewährung von Arbeitslosengeld gerichtet. Daher habe das Gericht den Antrag so ausgelegt, dass neben der Aufhebung des angegriffenen Bescheides auch die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe ab dem 12.06.2011 beantragt werde. Die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage sei zulässig, aber unbegründet. Ein Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld stehe der Klägerin nicht zu, da sie nicht die notwendige Anwartschaftszeit erfüllt habe. Die Rahmenfrist umfasse die Zeit vom 12.06.2009 bis 11.06.2011. Innerhalb dieser Frist sei die Klägerin zu keinem Zeitpunkt versicherungspflichtig gewesen. Insbesondere habe auch keine Versicherungspflicht gemäß § 26 Abs. 2a S. 1 Nr. 1 SGB III vorgelegen. Dessen Voraussetzungen lägen bei der Klägerin nicht vor, weil diese vor der Zeit der Erziehung des jüngsten Kindes A. S., die mit der Geburt am 12.12.2007 begonnen habe, nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe. Die Klägerin habe zu diesem Zeitpunkt auch keine Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen. Es läge auch kein Fall sich überschneidender Erziehungszeiten vor. Die Versicherungspflicht während der Zeit der Kindererziehung gemäß § 26 Abs. 2a SGB III beginne frühestens mit der Geburt und ende mit Ablauf des 3. Lebensjahres des Kindes. Falls die Voraussetzungen dieser Vorschrift für die Erziehung des Kindes L., das am 27.07.2004 geboren worden sei, vorgelegten hätten, habe die Erziehungszeit am 26.07.2007 geendet. Das zweite Kind sei aber erst am 12.12.2007 geboren. Die Erziehungszeiten könnten sich daher nicht überschnitten haben. Auch unter diesem Aspekt liege daher keine Versicherungspflicht gemäß § 26 Abs. 2a SGB III vor.

Gegen das - dem Bevollmächtigten der Klägerin am 28.02.2013 zugestellte - Urteil hat die Klägerin am 18.03.2013 Berufung eingelegt. Sie verfolgt ihr Begehren weiter und trägt ergänzend vor, vorliegend sei eine analoge Anwendung des § 26 Abs. 2a SGB III nach Sinn und Zweck bei überschneidender Erziehungszeit anzuwenden. Die Erziehungszeit nach der Geburt des Kindes L. habe am 26.07.2007 geendet. Zu diesem Zeitpunkt sei sie bereits mit dem Kind A. schwanger gewesen, das am 12.12.2007 geboren worden sei. Für eine analoge Anwendung des § 26 Abs. 2a SGB III spreche zum einen, dass die Einführung der Versicherungspflicht nach § 26 Abs. 2 SGB III die Unterstützung der Berufsrückkehr aus Zeiten der Kindererziehung verbessern und zu diesem Zweck sicherstellen solle, dass die Förderung der beruflichen Eingliederung durch einen Anspruch auf Lohnersatzleistungen nicht mehr von Zufälligkeiten in der zeitlichen Abfolge abhänge. Ferner sei nicht berücksichtigt worden, dass die Elternzeit vom 20.06.2005 bis 28.02.2007 aufgrund der Teilzeitbeschäftigung unterbrochen worden sei und sich um diese Frist die Erziehungszeit verlängern müsse, sodass eine Überschneidung problemlos vorliege. Auch sei auf die Zeit des Mutterschutzes ab dem 21.10.2007 nicht eingegangen worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 22. Februar 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. Juni 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2011 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe ab dem 12. Juni 2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und trägt ergänzend vor, die zur Erfüllung der Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Arbeitslosengeld anrechenbare Versicherungspflicht der Kindererziehung gemäß § 26 Abs. 2a SGB III ende am Tag vor der Vollendung des 3. Lebensjahres des Kindes. Diese Regelung verstoße auch nicht gegen Artikel 3 Abs. 1 Grundgesetz. Die Erziehungszeit beginne frühestens mit der Geburt des Kindes. Die Zeit der Schwangerschaft sei keine Erziehungszeit im Sinne des § 26 Abs. 2a SGB III. Die Kindererziehung werde auch nicht durch eine Teilzeitbeschäftigung bzw. Unterbrechung der Elternzeit (die arbeitsrechtlicher und damit nicht sozialrechtlicher Natur sei) unterbrochen (vgl. Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22.06.2010 - L 13 AL 5467/09 -). Auch sei bei einer Unterbrechung von mehr als 1 Monat das Merkmal der Unmittelbarkeit nicht erfüllt.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten, der Akten des SG Ulm und der Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht Um mit dem angefochtenen Urteil vom 22.02.2013 die Klage abgewiesen. Der Klägerin steht ein Anspruch auf Arbeitslosengeld ab 12.06.2011 nicht zu, da sie die notwendige Anwartschaftszeit nicht erfüllt hat.

Zutreffend hat das SG in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils die für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblichen Rechtsvorschriften dargestellt und ausgeführt, dass die Klägerin die sonstigen Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Arbeitslosengeld am 12.06.2011 erfüllt hat, weshalb die Rahmenfrist die Zeit vom 12.06.2009 bis 11.06.2011 umfasst, und dass die Klägerin innerhalb der Rahmenfrist nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden ist, da sie in der Zeit vom 12.06.2009 bis 11.06.2011 zu keinem Zeitpunkt versicherungspflichtig gewesen ist. Das SG hat auch zutreffend entschieden, dass keine Versicherungspflicht gemäß § 26 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB III vorgelegen hat, da die Klägerin vor der Zeit der Erziehung des jüngsten Kindes, A. S., die mit der Geburt am 12.12.2007 begonnen hat, nicht in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat und da sie zu diesem Zeitpunkt auch keine Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen hat. Darüber hinaus hat das SG zutreffend dargelegt, dass vorliegend auch kein Fall sich überschneidender Erziehungszeiten gegeben ist. Denn die Erziehungszeit des Kindes Lucia, dass am 27.07.2004 geboren wurde, endete am 26.07.2007 und das zweite Kind wurde erst am 12.12.2007 geboren.

Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zu demselben Ergebnis. Er nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen zur Begründung seiner eigenen Entscheidung auf die Entscheidungsgründe im angefochtenen Urteil Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

Das Vorbringen im Berufungsverfahren führt zu keiner anderen Beurteilung. Soweit die Klägerin geltend macht, eine analoge Anwendung der Grundsätze für zwei sich überschneidende Erziehungszeiten sei anzuwenden, da bei Beendigung der Erziehungszeit für das Kind L. am 26.07.2007 sie zu diesem Zeitpunkt bereits mit dem Kind A. schwanger gewesen sei, vermag der Senat dem nicht zuzustimmen. Denn die Zeit der Schwangerschaft stellt keine Erziehungszeit im Sinne des § 26 Abs. 2 a SGB III dar. Die Erziehungszeit für das jüngste Kind konnte daher frühestens ab Geburt am 12.12.2007 beginnen. Da das Ende der Erziehungszeit für das erste Kind am 26.07.2007 geendet hat, liegen zwei sich überschneidende Erziehungszeiten nicht vor und nach Sinn und Zweck kommt auch eine analoge Anwendung in dem Sinne, dass eine Schwangerschaftszeit als Erziehungszeit anzunehmen sei, nicht in Betracht.

Soweit die Klägerin geltend gemacht hat, die Elternzeit vom 20.06.2005 bis 28.02.2007 sei durch eine Teilzeitbeschäftigung unterbrochen worden, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Denn eine Verlängerung der Erziehungszeit durch eine Teilzeitbeschäftigung während der Erziehungszeit ist nicht vorgesehen. Auch unter Berücksichtigung der am 21.10.2007 beginnenden Mutterschutzzeit ergibt sich keine Überschneidung mit der am 26.07.2007 endenden Erziehungszeit des ältesten Kindes.

In der Rahmenfrist vom 12.06.2009 bis 11.06.2011 liegen für die Klägerin somit keine versicherungspflichtigen Beschäftigungen vor.

Nach alledem konnte die Berufung der Klägerin keinen Erfolg haben und sie war mit der Kostenentscheidung aus § 193 SGG zurückzuweisen.

Anlass, die Revision zuzulassen, besteht nicht.
Rechtskraft
Aus
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