Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 14 SB 5731/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 1647/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. April 2012 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist nur noch die Feststellung des Merkzeichens "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (G) streitig.
Der Beklagte hatte im Rahmen eines auf die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) gerichteten Verfahrens bei dem am 28.06.1973 geborenen Kläger unter Zugrundelegung der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Orthopäden Dr. F. vom 16.07.2008, in der als Behinderungen eine seelische Störung und funktionelle Organbeschwerden mit einem Einzel-GdB von 20, ein Bronchialasthma und eine Sarkoidose mit einem Einzel-GdB von 20, eine beidseitige Schwerhörigkeit mit einem Einzel-GdB von 10 sowie eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt und der Gesamt-GdB mit 30 eingeschätzt worden war/en, mit Bescheid vom 10.09.2008 den GdB mit 30 seit 19.03.2008 festgestellt.
Am 18.02.2010 beantragte der Kläger die Neufeststellung des GdB und die Feststellung des Merkzeichens G. Der Beklagte zog die Befundberichte des Prof. Dr. S., Ärztlicher Direktor an der Klinik für Allgemein-, Visceral- und Thoraxchirurgie des M. S., vom 29.09.2009 (Vorwölbung mit zunehmenden Schmerzen im Bereich der linken Leiste), des Prof. Dr. S., Ärztlicher Direktor der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten, Stimm- und Sprachstörungen, Plastische Operationen des K. S., vom 23.10.2009 (Mikrolaryngoskopie [mikroskopische Kehlkopf-Untersuchung]), vom 16.11.2009 (anhaltende Dysphonie und beidseitige cervikale Schmerzen) und vom 17.12.2009 (Tonsillektomie beidseits und Kontroll-Mikrolaryngoskopie) sowie des Prof. Dr. S. vom 23.02.2010 (laparoskopische Hernioplastik beidseits) bei und holte den Befundbericht des Augenarztes Dr. K. vom 11.03.2010 (Visus rechts 1,0 und links 0,8; GdB 0) ein. Dr. L. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 20.04.2010 als zusätzliche Behinderung eine Sehminderung mit einem Einzel-GdB von 10, bewertete den Gesamt-GdB weiterhin mit 30 und schlug die Feststellung des Merkzeichens G nicht vor. Gestützt hierauf lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 11.05.2010 sowohl den Antrag auf Neufeststellung des GdB als auch die Feststellung von Merkzeichen ab.
Hiergegen legte der Kläger am 09.06.2010 Widerspruch ein. Der Beklagte holte den Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. P. vom 15.06.2010 (Panikattacken, psychogener Husten, rezidivierende Depression, somatoforme autonome Funktionsstörung, respiratorisches System, Angst und depressive Störung gemischt, ausgeprägte Persönlichkeitsstörung, paranoide halluzinatorische Psychose, Somatisierungsstörung, L5/S1-Syndrom links) ein und zog die Befundberichte des Pneumologen und Allergologen Dr. H. vom 30.01.2008, 07.10.2008, 11.03.2009, 27.05.2009, 09.09.2009, 09.11.2009 und 19.05.2010 (Sarkoidose I bis II in Remission, Mixed Asthma, Milbenallergie, chronische allergische Rhinitis) bei. Dr. B. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 30.08.2010 die seelische Störung und die funktionellen Organbeschwerden nun mit einem Einzel-GdB von 40, bewertete den Gesamt-GdB mit 50 und führte aus, eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit liege nicht vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.09.2010 stellte der Beklagte den GdB mit 50 seit 18.02.2010 fest und wies den Widerspruch im Übrigen zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 13.09.2010 Klage beim Sozialgericht Stuttgart erhoben, zu deren Begründung er auf starke Lungenprobleme hingewiesen hat.
Das Sozialgericht hat die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört und diverse Arztbriefe beigezogen. Augenarzt Dr. K. hat am 22.10.2010 ausgeführt, der Schweregrad der Behinderung einer geringen generellen Erhöhung der Wahrnehmungsschwelle sei momentan bei leicht bis mittel anzusetzen, wobei die Prognose dubios sei. Der Pneumologe Dr. H. hat am 03.11.2010 dargelegt, die Erkrankung der Atmungsorgane bedinge Einschränkungen mittleren Grades, durch das gemischtförmige Asthma bestünden eher leichte Anfälle, die Atembehinderungen bewirkten eine Einschränkung bei mittelschwerer Leistung, beispielsweise forschem Gehen mit 5 bis 6 km/h, der Kläger könne aber ohne Schwierigkeiten und Gefahren eine Wegstrecke von 2 km im Ortsverkehr in 30 Minuten zurücklegen. Der Praktische Arzt Dr. T. hat am 09.11.2010 einen Nierengrieß rechts, eine Nabelfistel, ein Mixed Asthma, eine Sarkoidose, Depressionen, eine Uveitis intermedia, einen Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule L5/S1 und eine Somatisierungsstörung beschrieben. Der Neurologe und Psychiater Dr. P. hat mit Schreiben vom 30.11.2010 die langjährige psychiatrische Erkrankung des Klägers beschrieben und ausgeführt, es bestünden deutliche Störungen der Orientierung, der Aufmerksamkeit, der Konzentration, des Antriebs und insbesondere der Affektivität. Der Kläger leide an Einschränkungen besonders im Bereich der sozialen Integrität und der lebenspraktischen Fertigkeiten, aber auch im familiären und außerfamiliären sozialen Umfeld, so dass eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit schwerer sozialer Anpassungsstörung vorliege. Die Panikattacken träten nicht mehr so deutlich auf. Er sei aber in der Lage, ohne erhebliche Schwierigkeiten beziehungsweise ohne Gefahren für sich oder andere eine Wegstrecke von 2 km im Ortsverkehr in 30 Minuten zurückzulegen. Der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. A. hat am 28.12.2010 ausgeführt, beim Kläger liege seitens seines Fachgebiets keine Behinderung vor. Prof. Dr. K., Leitender Dipl.-Psych. an der M.-B.-K. K., hat am 15.06.2011 eine rezidivierende depressive Störung mit psychotischen Symptomen, eine somatoforme autonome Funktionsstörung sowie respiratorische Systeme beschrieben und ausgeführt, das Asthma bronchiale habe Einfluss auf die Gehfähigkeit, der Kläger habe deswegen am Lauftreffen nicht teilgenommen.
Der Beklagte hat hierzu die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 23.09.2011 vorgelegt, der die Einschätzung vertreten hat, die Voraussetzungen für das Merkzeichen G seien weiterhin nicht gegeben.
Der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dipl.-Med. D. hat am 13.12.2011 eine dauernde Heiserkeit durch Hustenattacken und atemrelevante Störungen durch den Hustenreiz beschrieben, die letzte Behandlung sei am 07.01.2010 erfolgt.
Sodann hat das Sozialgericht von Amts wegen das Gutachten des Internisten, Betriebsmediziners und Sozialmediziners Dr. S. vom 12.03.2012 samt Zusatzgutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 31.01.2012 eingeholt. Dr. S. hat eine rezidivierende depressive Störung mit einem Einzel-GdB von 40, ein Bronchialasthma und eine Sarkoidose mit einem Einzel-GdB von 40, eine Schwerhörigkeit beidseits mit einem Einzel-GdB von 10, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 10 sowie eine Sehminderung mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt, den Gesamt-GdB mit 50 beurteilt und ausgeführt, keine der Gesundheitsstörungen wirke sich objektiv in relevanter Weise auf die Gehfähigkeit aus. Eine "Entkleidungsdyspone" sei nicht zu beobachten, der Kläger habe während der gesamten Untersuchung nur einmal gehustet, das habe sich dann gesteigert. Der Kläger habe ein lockeres Gangbild bei symmetrischer Entwicklung der Muskulatur gezeigt, die Beweglichkeit sei in keinem Gelenk der unteren Extremität merklich eingeschränkt. Ein Anhalt für eine respiratorische Insuffizienz habe nicht bestanden. Es bestehe nur eine depressive Symptomatik, der Kläger sei zeitlich örtlich und zur Person voll orientiert, könne sich selbst versorgen, Anhaltspunkte für kognitive Störungen bestünden nicht. Nach dem Medikamentenspiegel nehme er die angegebenen Medikamente offenbar nicht ein.
Nach vorangegangener Anhörung hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 16.04.2012 die Klage abgewiesen. Es hat in Bezug auf die begehrte Feststellung des Merkzeichens G dargelegt, dessen Voraussetzungen lägen ausweislich der übereinstimmenden Feststellungen des Dr. H. und des Dr. S. nicht vor.
Der Kläger hat gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts am 18.04.2012 Berufung eingelegt und begehrt nur noch die Feststellung des Merkzeichens G. Er hat ausgeführt, er sehe sich als wesentlich massiver belastet, als dies durch die Ärzte festgestellt worden sei. Aufgrund der vorliegenden Erkrankungen sei er in seiner Lebensführung erheblich eingeschränkt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. April 2012 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 11. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, das Merkzeichen "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat ausgeführt, die Voraussetzungen einer erheblichen Gehbehinderung seien nicht gegeben.
Der Berichterstatter hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten am 19.12.2012 erörtert. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten und der Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens G. Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Feststellung von Merkzeichen richtet sich nach den Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Auf Antrag des behinderten Menschen treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden, wenn neben dem Vorliegen einer Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind, die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die gesundheitlichen Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX). Zu diesen Merkmalen gehört auch das Merkzeichen G. Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert (§ 145 Abs. 1 SGB IX). In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (§ 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
Der seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretenen Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) lassen sich im Ergebnis keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Merkzeichens G entnehmen. Denn die VG sind hinsichtlich der getroffenen Regelungen für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche "Berechtigung für eine ständige Begleitung" (B), G, "außergewöhnliche Gehbehinderung" (aG), "Gehörlosigkeit" (Gl) und "Blindheit" (Bl) unwirksam, da es insoweit an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung fehlt. Eine solche Ermächtigung findet sich nämlich - mit Ausnahme des Merkzeichens "Hilflosigkeit" (H) - weder in § 30 Abs. 17 BVG in der Fassung bis zum 30.06.2011 beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab dem 01.07.2011 noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX (Urteile des Senats vom 09.06.2011 - L 6 SB 6140/09, vom 04.11.2010 - L 6 SB 2556/09; Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 09.05.2011 - L 8 SB 2294/10, vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08, vom 24.09.2010 - L 8 SB 4533/09; Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4).
Der Senat stellt daher auf die von der Rechtsprechung für die Feststellung des Merkzeichens G entwickelten Kriterien ab. Danach sind als üblicherweise noch zu Fuß zurückzulegende Wegstrecken im Ortsverkehr im Sinne des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall, Wegstrecken von bis zu 2 Kilometern mit einer Gehdauer von etwa 30 Minuten anzusehen (BSG, Urteil vom 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 - juris; BSG, Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVS 1/96 - juris).
An einer das Merkzeichen G rechtfertigenden Einschränkung der Gehfähigkeit leidet der Kläger nicht. Denn es trifft nicht zu, dass der Kläger Wegstrecken im Ortsverkehr von bis zu 2 Kilometern mit einer Gehdauer von etwa 30 Minuten infolge einer Einschränkung des Gehvermögens ohne erhebliche Schwierigkeiten oder ohne Gefahren für sich oder andere nicht zurückzulegen vermag. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. S. samt Zusatzgutachten des Dr. S ... Danach leidet der Kläger auf orthopädischem Fachgebiet lediglich an einer mit einem Einzel-GdB von 10 zu beurteilenden Funktionsbehinderung der Wirbelsäule. So hat Dr. S. dargelegt, dass die Bewegungsprüfungen der Brust- und Lendenwirbelsäule in allen Ebenen keine Einschränkungen der Entfaltbarkeit oder Drehfähigkeit gezeigt haben und ohne Schmerzangaben durchgeführt worden sind. An den Hüftgelenken sind keine Auffälligkeiten zu erkennen gewesen. In keinem Gelenk der unteren Extremitäten ist die Beweglichkeit merklich eingeschränkt gewesen. Die Muskulatur der unteren Extremitäten hat der Gesamtkonstitution entsprochen und ist symmetrisch entwickelt gewesen. Das Gangbild ist locker erschienen. Ferner hat Dr. S. weder pathologische Reflexe noch Paresen der Extremitäten oder segmentale Reiz- oder Ausfallserscheinungen beschrieben. Insbesondere sind Zehen-, Fersen-, Seiltänzer- und Blindgang, letztere auch in Kombination, unauffällig gewesen. Aufgrund dieses körperlich-neurologisch unauffälligen Befundes haben die Sachverständigen überzeugend dargelegt, dass Rückwirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Gehfähigkeit des Klägers nicht vorliegen. Dasselbe gilt für die von Dr. S. mit einem Einzel-GdB von 40 bewertete rezidivierende depressive Störung und die von Dr. S. mit einem Einzel-GdB von 40 bewerteten Leiden Bronchialasthma und Sarkoidose. Diese Gesundheitsstörungen wirken sich, wie die Sachverständigen schlüssig dargelegt haben, nicht in objektiv relevanter Weise auf die Gehfähigkeit des Klägers aus.
Dass der Kläger durch die Lungenerkrankung nennenswert in seiner Gehfähigkeit beeinträchtigt ist, hat der behandelnde Pneumologe Dr. H. zutreffend verneint und eine Einschränkung nur bei mittelschwerer Leistung gesehen, also bei forschem Gehen mit 5 bis 6 km/h. Auch soweit Prof. Dr. K. einen Einfluss des Asthma bronchiale auf die Gehfähigkeit der Gestalt beschrieben hat, dass dem Kläger eine Teilnahme am Lauftreff nicht möglich war, bestätigt diese Einschätzung. Die vom Kläger geforderte Wegstrecke von bis zu 2 Kilometern kann er ohne Weiteres in 30 Minuten zurücklegen. Anhaltspunkte für die vom Kläger mit seiner Klagebegründung geltend gemachte Verschlimmerung der Lungenprobleme liegen ebenfalls nicht vor. Vielmehr hat die letzte Lungenfunktionsprüfung bei Dr. H. nur eine leichte obstruktive Ventilationsstörung erbracht, was der Senat dem Arztbrief vom 03.11.2010 entnimmt.
Dass aus dem seelischen Leiden eine Gehbeeinträchtigung resultiert (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 12.10.2011 - L 6 SB 3032/11), diese mithin organisch bedingt eingeschränkt ist, ist ebenfalls nicht nachgewiesen. Der Senat stützt sich insoweit auf das Gutachten von Dr. S., der seitens seines Fachgebietes keine sich in relevanter Weise auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionseinschränkung gesehen hat. Die von Dr. P. beschriebene deutliche Störung der Orientierung ist in Anbetracht des Umstands, dass sich der allein lebende Kläger selbständig versorgen kann, nicht nachvollziehbar. Vielmehr war er bei der Untersuchung durch Dr. S. voll orientiert.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist nur noch die Feststellung des Merkzeichens "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" (G) streitig.
Der Beklagte hatte im Rahmen eines auf die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) gerichteten Verfahrens bei dem am 28.06.1973 geborenen Kläger unter Zugrundelegung der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Orthopäden Dr. F. vom 16.07.2008, in der als Behinderungen eine seelische Störung und funktionelle Organbeschwerden mit einem Einzel-GdB von 20, ein Bronchialasthma und eine Sarkoidose mit einem Einzel-GdB von 20, eine beidseitige Schwerhörigkeit mit einem Einzel-GdB von 10 sowie eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt und der Gesamt-GdB mit 30 eingeschätzt worden war/en, mit Bescheid vom 10.09.2008 den GdB mit 30 seit 19.03.2008 festgestellt.
Am 18.02.2010 beantragte der Kläger die Neufeststellung des GdB und die Feststellung des Merkzeichens G. Der Beklagte zog die Befundberichte des Prof. Dr. S., Ärztlicher Direktor an der Klinik für Allgemein-, Visceral- und Thoraxchirurgie des M. S., vom 29.09.2009 (Vorwölbung mit zunehmenden Schmerzen im Bereich der linken Leiste), des Prof. Dr. S., Ärztlicher Direktor der Klinik für Hals-Nasen-Ohrenkrankheiten, Stimm- und Sprachstörungen, Plastische Operationen des K. S., vom 23.10.2009 (Mikrolaryngoskopie [mikroskopische Kehlkopf-Untersuchung]), vom 16.11.2009 (anhaltende Dysphonie und beidseitige cervikale Schmerzen) und vom 17.12.2009 (Tonsillektomie beidseits und Kontroll-Mikrolaryngoskopie) sowie des Prof. Dr. S. vom 23.02.2010 (laparoskopische Hernioplastik beidseits) bei und holte den Befundbericht des Augenarztes Dr. K. vom 11.03.2010 (Visus rechts 1,0 und links 0,8; GdB 0) ein. Dr. L. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 20.04.2010 als zusätzliche Behinderung eine Sehminderung mit einem Einzel-GdB von 10, bewertete den Gesamt-GdB weiterhin mit 30 und schlug die Feststellung des Merkzeichens G nicht vor. Gestützt hierauf lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 11.05.2010 sowohl den Antrag auf Neufeststellung des GdB als auch die Feststellung von Merkzeichen ab.
Hiergegen legte der Kläger am 09.06.2010 Widerspruch ein. Der Beklagte holte den Befundbericht des Neurologen und Psychiaters Dr. P. vom 15.06.2010 (Panikattacken, psychogener Husten, rezidivierende Depression, somatoforme autonome Funktionsstörung, respiratorisches System, Angst und depressive Störung gemischt, ausgeprägte Persönlichkeitsstörung, paranoide halluzinatorische Psychose, Somatisierungsstörung, L5/S1-Syndrom links) ein und zog die Befundberichte des Pneumologen und Allergologen Dr. H. vom 30.01.2008, 07.10.2008, 11.03.2009, 27.05.2009, 09.09.2009, 09.11.2009 und 19.05.2010 (Sarkoidose I bis II in Remission, Mixed Asthma, Milbenallergie, chronische allergische Rhinitis) bei. Dr. B. berücksichtigte in der versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 30.08.2010 die seelische Störung und die funktionellen Organbeschwerden nun mit einem Einzel-GdB von 40, bewertete den Gesamt-GdB mit 50 und führte aus, eine erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit liege nicht vor. Mit Widerspruchsbescheid vom 09.09.2010 stellte der Beklagte den GdB mit 50 seit 18.02.2010 fest und wies den Widerspruch im Übrigen zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 13.09.2010 Klage beim Sozialgericht Stuttgart erhoben, zu deren Begründung er auf starke Lungenprobleme hingewiesen hat.
Das Sozialgericht hat die den Kläger behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen gehört und diverse Arztbriefe beigezogen. Augenarzt Dr. K. hat am 22.10.2010 ausgeführt, der Schweregrad der Behinderung einer geringen generellen Erhöhung der Wahrnehmungsschwelle sei momentan bei leicht bis mittel anzusetzen, wobei die Prognose dubios sei. Der Pneumologe Dr. H. hat am 03.11.2010 dargelegt, die Erkrankung der Atmungsorgane bedinge Einschränkungen mittleren Grades, durch das gemischtförmige Asthma bestünden eher leichte Anfälle, die Atembehinderungen bewirkten eine Einschränkung bei mittelschwerer Leistung, beispielsweise forschem Gehen mit 5 bis 6 km/h, der Kläger könne aber ohne Schwierigkeiten und Gefahren eine Wegstrecke von 2 km im Ortsverkehr in 30 Minuten zurücklegen. Der Praktische Arzt Dr. T. hat am 09.11.2010 einen Nierengrieß rechts, eine Nabelfistel, ein Mixed Asthma, eine Sarkoidose, Depressionen, eine Uveitis intermedia, einen Bandscheibenvorfall in der Lendenwirbelsäule L5/S1 und eine Somatisierungsstörung beschrieben. Der Neurologe und Psychiater Dr. P. hat mit Schreiben vom 30.11.2010 die langjährige psychiatrische Erkrankung des Klägers beschrieben und ausgeführt, es bestünden deutliche Störungen der Orientierung, der Aufmerksamkeit, der Konzentration, des Antriebs und insbesondere der Affektivität. Der Kläger leide an Einschränkungen besonders im Bereich der sozialen Integrität und der lebenspraktischen Fertigkeiten, aber auch im familiären und außerfamiliären sozialen Umfeld, so dass eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit mit schwerer sozialer Anpassungsstörung vorliege. Die Panikattacken träten nicht mehr so deutlich auf. Er sei aber in der Lage, ohne erhebliche Schwierigkeiten beziehungsweise ohne Gefahren für sich oder andere eine Wegstrecke von 2 km im Ortsverkehr in 30 Minuten zurückzulegen. Der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. A. hat am 28.12.2010 ausgeführt, beim Kläger liege seitens seines Fachgebiets keine Behinderung vor. Prof. Dr. K., Leitender Dipl.-Psych. an der M.-B.-K. K., hat am 15.06.2011 eine rezidivierende depressive Störung mit psychotischen Symptomen, eine somatoforme autonome Funktionsstörung sowie respiratorische Systeme beschrieben und ausgeführt, das Asthma bronchiale habe Einfluss auf die Gehfähigkeit, der Kläger habe deswegen am Lauftreffen nicht teilgenommen.
Der Beklagte hat hierzu die versorgungsärztliche Stellungnahme von Dr. W. vom 23.09.2011 vorgelegt, der die Einschätzung vertreten hat, die Voraussetzungen für das Merkzeichen G seien weiterhin nicht gegeben.
Der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dipl.-Med. D. hat am 13.12.2011 eine dauernde Heiserkeit durch Hustenattacken und atemrelevante Störungen durch den Hustenreiz beschrieben, die letzte Behandlung sei am 07.01.2010 erfolgt.
Sodann hat das Sozialgericht von Amts wegen das Gutachten des Internisten, Betriebsmediziners und Sozialmediziners Dr. S. vom 12.03.2012 samt Zusatzgutachten des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 31.01.2012 eingeholt. Dr. S. hat eine rezidivierende depressive Störung mit einem Einzel-GdB von 40, ein Bronchialasthma und eine Sarkoidose mit einem Einzel-GdB von 40, eine Schwerhörigkeit beidseits mit einem Einzel-GdB von 10, eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 10 sowie eine Sehminderung mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt, den Gesamt-GdB mit 50 beurteilt und ausgeführt, keine der Gesundheitsstörungen wirke sich objektiv in relevanter Weise auf die Gehfähigkeit aus. Eine "Entkleidungsdyspone" sei nicht zu beobachten, der Kläger habe während der gesamten Untersuchung nur einmal gehustet, das habe sich dann gesteigert. Der Kläger habe ein lockeres Gangbild bei symmetrischer Entwicklung der Muskulatur gezeigt, die Beweglichkeit sei in keinem Gelenk der unteren Extremität merklich eingeschränkt. Ein Anhalt für eine respiratorische Insuffizienz habe nicht bestanden. Es bestehe nur eine depressive Symptomatik, der Kläger sei zeitlich örtlich und zur Person voll orientiert, könne sich selbst versorgen, Anhaltspunkte für kognitive Störungen bestünden nicht. Nach dem Medikamentenspiegel nehme er die angegebenen Medikamente offenbar nicht ein.
Nach vorangegangener Anhörung hat das Sozialgericht mit Gerichtsbescheid vom 16.04.2012 die Klage abgewiesen. Es hat in Bezug auf die begehrte Feststellung des Merkzeichens G dargelegt, dessen Voraussetzungen lägen ausweislich der übereinstimmenden Feststellungen des Dr. H. und des Dr. S. nicht vor.
Der Kläger hat gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts am 18.04.2012 Berufung eingelegt und begehrt nur noch die Feststellung des Merkzeichens G. Er hat ausgeführt, er sehe sich als wesentlich massiver belastet, als dies durch die Ärzte festgestellt worden sei. Aufgrund der vorliegenden Erkrankungen sei er in seiner Lebensführung erheblich eingeschränkt.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 16. April 2012 aufzuheben, den Bescheid des Beklagten vom 11. Mai 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. September 2010 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, das Merkzeichen "erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hat ausgeführt, die Voraussetzungen einer erheblichen Gehbehinderung seien nicht gegeben.
Der Berichterstatter hat den Rechtsstreit mit den Beteiligten am 19.12.2012 erörtert. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten des Beklagten und der Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung des Merkzeichens G. Der angefochtene Bescheid des Beklagten ist daher rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Die Feststellung von Merkzeichen richtet sich nach den Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX).
Auf Antrag des behinderten Menschen treffen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden, wenn neben dem Vorliegen einer Behinderung weitere gesundheitliche Merkmale Voraussetzung für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen sind, die erforderlichen Feststellungen (§ 69 Abs. 4 SGB IX). Auf Antrag des behinderten Menschen stellen die zuständigen Behörden auf Grund einer Feststellung der Behinderung einen Ausweis über die gesundheitlichen Merkmale aus (§ 69 Abs. 5 SGB IX). Zu diesen Merkmalen gehört auch das Merkzeichen G. Schwerbehinderte Menschen, die infolge ihrer Behinderung in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt oder hilflos oder gehörlos sind, werden von Unternehmern, die öffentlichen Personenverkehr betreiben, gegen Vorzeigen eines entsprechend gekennzeichneten Ausweises nach § 69 Abs. 5 SGB IX im Nahverkehr im Sinne des § 147 Abs. 1 SGB IX unentgeltlich befördert (§ 145 Abs. 1 SGB IX). In seiner Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt ist, wer infolge einer Einschränkung des Gehvermögens (auch durch innere Leiden oder infolge von Anfällen oder von Störungen der Orientierungsfähigkeit) nicht ohne erhebliche Schwierigkeiten oder nicht ohne Gefahren für sich oder andere Wegstrecken im Ortsverkehr zurückzulegen vermag, die üblicherweise noch zu Fuß zurückgelegt werden (§ 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
Der seit 01.01.2009 an die Stelle der bis zum 31.12.2008 im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung als antizipierte Sachverständigengutachten angewandten Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX) 2008" (AHP) getretenen Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 der Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG vom 10.12.2008 - BGBl. I. S. 2412 (Versorgungsmedizin-Verordnung; VersMedV) lassen sich im Ergebnis keine weiteren Beurteilungskriterien für die Feststellung der gesundheitlichen Voraussetzungen des begehrten Merkzeichens G entnehmen. Denn die VG sind hinsichtlich der getroffenen Regelungen für die nach dem Schwerbehindertenrecht zu beurteilenden Nachteilsausgleiche "Berechtigung für eine ständige Begleitung" (B), G, "außergewöhnliche Gehbehinderung" (aG), "Gehörlosigkeit" (Gl) und "Blindheit" (Bl) unwirksam, da es insoweit an einer gesetzlichen Verordnungsermächtigung fehlt. Eine solche Ermächtigung findet sich nämlich - mit Ausnahme des Merkzeichens "Hilflosigkeit" (H) - weder in § 30 Abs. 17 BVG in der Fassung bis zum 30.06.2011 beziehungsweise § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab dem 01.07.2011 noch in sonstigen Regelungen des BVG oder des SGB IX (Urteile des Senats vom 09.06.2011 - L 6 SB 6140/09, vom 04.11.2010 - L 6 SB 2556/09; Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 09.05.2011 - L 8 SB 2294/10, vom 14.08.2009 - L 8 SB 1691/08, vom 24.09.2010 - L 8 SB 4533/09; Dau, jurisPR-SozR 4/2009, Anm. 4).
Der Senat stellt daher auf die von der Rechtsprechung für die Feststellung des Merkzeichens G entwickelten Kriterien ab. Danach sind als üblicherweise noch zu Fuß zurückzulegende Wegstrecken im Ortsverkehr im Sinne des § 146 Abs. 1 Satz 1 SGB IX, ohne Berücksichtigung von geographischen Besonderheiten im Einzelfall, Wegstrecken von bis zu 2 Kilometern mit einer Gehdauer von etwa 30 Minuten anzusehen (BSG, Urteil vom 10.12.1987 - 9a RVs 11/87 - juris; BSG, Urteil vom 13.08.1997 - 9 RVS 1/96 - juris).
An einer das Merkzeichen G rechtfertigenden Einschränkung der Gehfähigkeit leidet der Kläger nicht. Denn es trifft nicht zu, dass der Kläger Wegstrecken im Ortsverkehr von bis zu 2 Kilometern mit einer Gehdauer von etwa 30 Minuten infolge einer Einschränkung des Gehvermögens ohne erhebliche Schwierigkeiten oder ohne Gefahren für sich oder andere nicht zurückzulegen vermag. Dies entnimmt der Senat dem Gutachten des Dr. S. samt Zusatzgutachten des Dr. S ... Danach leidet der Kläger auf orthopädischem Fachgebiet lediglich an einer mit einem Einzel-GdB von 10 zu beurteilenden Funktionsbehinderung der Wirbelsäule. So hat Dr. S. dargelegt, dass die Bewegungsprüfungen der Brust- und Lendenwirbelsäule in allen Ebenen keine Einschränkungen der Entfaltbarkeit oder Drehfähigkeit gezeigt haben und ohne Schmerzangaben durchgeführt worden sind. An den Hüftgelenken sind keine Auffälligkeiten zu erkennen gewesen. In keinem Gelenk der unteren Extremitäten ist die Beweglichkeit merklich eingeschränkt gewesen. Die Muskulatur der unteren Extremitäten hat der Gesamtkonstitution entsprochen und ist symmetrisch entwickelt gewesen. Das Gangbild ist locker erschienen. Ferner hat Dr. S. weder pathologische Reflexe noch Paresen der Extremitäten oder segmentale Reiz- oder Ausfallserscheinungen beschrieben. Insbesondere sind Zehen-, Fersen-, Seiltänzer- und Blindgang, letztere auch in Kombination, unauffällig gewesen. Aufgrund dieses körperlich-neurologisch unauffälligen Befundes haben die Sachverständigen überzeugend dargelegt, dass Rückwirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Gehfähigkeit des Klägers nicht vorliegen. Dasselbe gilt für die von Dr. S. mit einem Einzel-GdB von 40 bewertete rezidivierende depressive Störung und die von Dr. S. mit einem Einzel-GdB von 40 bewerteten Leiden Bronchialasthma und Sarkoidose. Diese Gesundheitsstörungen wirken sich, wie die Sachverständigen schlüssig dargelegt haben, nicht in objektiv relevanter Weise auf die Gehfähigkeit des Klägers aus.
Dass der Kläger durch die Lungenerkrankung nennenswert in seiner Gehfähigkeit beeinträchtigt ist, hat der behandelnde Pneumologe Dr. H. zutreffend verneint und eine Einschränkung nur bei mittelschwerer Leistung gesehen, also bei forschem Gehen mit 5 bis 6 km/h. Auch soweit Prof. Dr. K. einen Einfluss des Asthma bronchiale auf die Gehfähigkeit der Gestalt beschrieben hat, dass dem Kläger eine Teilnahme am Lauftreff nicht möglich war, bestätigt diese Einschätzung. Die vom Kläger geforderte Wegstrecke von bis zu 2 Kilometern kann er ohne Weiteres in 30 Minuten zurücklegen. Anhaltspunkte für die vom Kläger mit seiner Klagebegründung geltend gemachte Verschlimmerung der Lungenprobleme liegen ebenfalls nicht vor. Vielmehr hat die letzte Lungenfunktionsprüfung bei Dr. H. nur eine leichte obstruktive Ventilationsstörung erbracht, was der Senat dem Arztbrief vom 03.11.2010 entnimmt.
Dass aus dem seelischen Leiden eine Gehbeeinträchtigung resultiert (vgl. dazu Beschluss des Senats vom 12.10.2011 - L 6 SB 3032/11), diese mithin organisch bedingt eingeschränkt ist, ist ebenfalls nicht nachgewiesen. Der Senat stützt sich insoweit auf das Gutachten von Dr. S., der seitens seines Fachgebietes keine sich in relevanter Weise auf die Gehfähigkeit auswirkende Funktionseinschränkung gesehen hat. Die von Dr. P. beschriebene deutliche Störung der Orientierung ist in Anbetracht des Umstands, dass sich der allein lebende Kläger selbständig versorgen kann, nicht nachvollziehbar. Vielmehr war er bei der Untersuchung durch Dr. S. voll orientiert.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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