L 6 U 1657/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 6077/09
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 1657/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. März 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Feststellung weiterer Unfallfolgen sowie die Gewährung einer Verletztenrente im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X).

Die 1962 geborene Klägerin italienischer Staatsangehörigkeit war im Juni 1997 bei der P. Z. GmbH, S., einem bei der Beklagten versicherten Unternehmen, beschäftigt und als Maschinenarbeiterin bei der Firma H. an einer Abgratpresse eingesetzt (Bl. 4 VA). Am 30.06.1997 erlitt sie im Rahmen ihrer versicherten Tätigkeit einen Arbeitsunfall. Hierzu befragt gab die Klägerin im Erörterungstermin des Berichterstatters am 06.06.2013 an, sie sei an diesem Tag anders als üblich an einer großen Stanzmaschine tätig gewesen und habe mit dem Fußschalter die Sicherheitstür ausgelöst, die nach unten gefahren sei, noch bevor sie ihre Hand aus der Maschine herausgezogen habe. Obwohl sie den Fußschalter sofort wieder freigegeben habe, sei die Tür nicht wieder nach oben, sondern weiter nach unten gefahren, so dass ihre Hand eingeklemmt worden sei. Anschließend habe die Stanzmaschine Finger ihrer Hand gequetscht bzw. Teile der Finger abgetrennt. Nachdem die Sicherheitstür wieder nach oben gefahren sei, habe sie ihre Hand aus der Maschine ziehen können. Sie habe sofort ihre Kollegen gerufen, die sodann den Betriebsarzt verständigt hätten, der sich die Hand angeschaut habe. Anschließend sei sie mit dem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht worden. Das Bewusstsein habe sie bis zu diesem Zeitpunkt nicht verloren (vgl. zum Unfallgeschehen auch Bl. 116/117 VA). Aufgrund dieses Arbeitsunfalls verlor die Klägerin das Endglied des Zeigefingers (D II) sowie am Mittelfinger (D III) das Endglied und Teile des Mittelglieds der rechten Hand (vgl. zeichnerische Darstellung Bl. 5 Rs. VA). Im Befundbericht des Neurologen Dr. G. vom 12.09.1997 wird angegeben, der Klägerin seien durch eine Maschine die Fingerendglieder II und III rechts abgetrennt worden. In der Folgezeit bzw. in den letzten Wochen sei eine Berührungsempfindlichkeit im Bereich der Stumpfendglieder aufgetreten, motorische Defizite seien nicht umschrieben, die Beweglichkeit der Finger II und III in den Grundgelenken sei erhalten. Über psychische Auffälligkeiten wird nicht berichtet. Aufgrund der beschriebenen Berührungsempfindlichkeit wurden am 29.09.1997 im K.-O.-K. S. die Narbenneuromen der volaren Fingernerven am Amputationsstumpf des zweiten und dritten Fingers rechts entfernt und die Klägerin am 14.10.1997 aus der stationären Behandlung entlassen (Bl. 28 VA).

Der postoperative Verlauf gestaltete sich komplikationslos. Anlässlich der Untersuchung am 19.11.1997 waren die Narben vollständig reizlos. Arbeitsunfähigkeit wurde zunächst bis 27.11.1997 bescheinigt (Bl. 53 VA) und sodann bis 31.01.1998 verlängert (Bl. 63 VA). Bis dahin hatte die Klägerin immer wieder zwei bis drei Tage gearbeitet und war dann wieder arbeitsunfähig (Bl. 78 VA). Nach eigener Einlassung der Klägerin im Erörterungstermin des Berichterstatters habe sie nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit zunächst wiederum für das Zeitarbeitsunternehmen gearbeitet, allerdings nicht mehr bei der Firma H ... Sie sei auch an einer Bohrmaschine eingesetzt gewesen. Die Arbeit habe ihr jedoch Angst gemacht. Nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch die Zeitarbeitsfirma sei sie dann eine Zeitlang arbeitslos gewesen. Danach habe sie in der Cafeteria der B.-Klinik unter anderem an der Kasse gearbeitet, aber auch andere Tätigkeiten verrichtet. Die Probezeit von 3 Monaten sei allerdings nicht verlängert worden. Im Anschluss daran habe sie nicht mehr gearbeitet.

Im Befundbericht mit gutachterlicher Stellungnahme des Prof. Dr. S., Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik T., vom 07.05.1998 wird mitgeteilt, die Klägerin habe anlässlich der Untersuchung am 08.04.1998 über Schmerzen, Berührungsempfindlichkeit sowie Kälte des teilamputierten rechten Zeige- und Mittelfingers geklagt. Psychische Beschwerden wurden nicht angegeben. Nachdem Prof. Dr. S. ein kurzes stationäres Heilverfahren zur Ergo- und Krankengymnastik für angezeigt hielt und zum Untersuchungszeitpunkt Arbeitsunfähigkeit bescheinigte, bemühte sich die Beklagte, die Klägerin zur Durchführung der empfohlenen stationären Heilbehandlung zu veranlassen, was diese jedoch zunächst ablehnte und erst nach längerem Schriftverkehr dann akzeptierte. Im Entlassungsbericht der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik T., wo sich die Klägerin vom 18. - 29.10.1998 in stationärer Heilbehandlung befand, vom 11.11.1998 wird ausgeführt, es hätten sich bei der Aufnahme der Klägerin gut belastbare Stümpfe ohne wesentliche Neurombeschwerden oder Spontanschmerz gezeigt, die Akzeptanz der Teilamputation sei insgesamt jedoch verringert bzw. die Zeige- und Mittelfingerstümpfe seien aus dem Körperschema ausgespart worden. Der Versuch, durch ein kurzes Heilverfahren mit Ergo- und Physiotherapie die Einsetzung der beiden Finger zu steigern, sei nur in geringem Maße gelungen. Arbeitsfähigkeit bzw. Vermittelbarkeit bei Arbeitslosigkeit wurde ab dem 02.11.1998 angenommen.

Sodann holte die Beklagte bei Prof. Dr. G., M. S., das erste Rentengutachten vom 18.03.1999 ein. Im Rahmen der ambulanten Untersuchung klagte die Klägerin über Schmerzen der Finger II und III der rechten Hand bei Wetterumschwung. Wenn sie sich abstütze oder auf die Hand falle, träten noch elektrisierende Schmerzen vor allem im Zeigefinger auf. Die Beschwerden seien insgesamt jedoch sämtlich besser geworden. Sie habe wenig Kraft in der rechten Hand, mache das meiste mit links, könne nichts richtig greifen. Psychische Beschwerden wurden nicht angegeben. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) wurde vom 01.02.1998 - 08.03.1999 um 20 vom Hundert (v.H.) und vom 09.03.1999 bis auf Weiteres um 10 v.H. eingeschätzt.

Mit Bescheid vom 17.05.1999 anerkannte die Beklagte als Folgen des Versicherungsfalles Bewegungseinschränkung des rechten Zeige- und Mittelfingers, Minderung der groben Kraft der rechten Hand sowie Sensibilitätsstörungen im Bereich des Zeige- und Mittelfingerstumpfes rechts nach Teilamputation des rechten Zeige- und Mittelfingers im Mittelglied und gewährte für die Zeit vom 01.02.1998 - 31.03.1999 eine Rente nach einer MdE um 20 v.H ... Über diesen Zeitraum hinaus bestehe kein Anspruch auf Rente, weil die Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht mehr im rentenberechtigenden Grade gemindert sei. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und verwies zur Begründung auf ein Schreiben des Prof. Dr. K., B. Klinik, wonach aufgrund des vorliegenden klinischen Befundes die MdE mindestens 20 v.H. betrage. Psychische Beschwerden als Folge des Unfalles wurden nach wie vor nicht geltend gemacht (Bl. 256 VA).

Die Beklagte holte sodann ein weiteres Rentengutachten bei Prof. Dr. M., Orthopädische Universitätsklinik H., vom 19.11.1999 ein. Auch hier gab die Klägerin anlässlich der ambulanten Untersuchung an, immer noch Schmerzen zu haben, wenn sie sich an den Fingerstümpfen anstoße. Sie greife praktisch nur mit dem Ring- bzw. Kleinfinger und halte die amputierten Finger weg. Im Bereich der Greiffläche der Fingerstumpfspitzen habe sie kein Gefühl. Sie habe sich praktisch jetzt auf links verlagert, deshalb habe sie öfters Schmerzen im Bereich der linken Schulter und des linken Oberarmes. Auch hier wurden keine psychischen Beschwerden geschildert. Der Sachverständige schätzte die MdE vom 01.02.1998 - 10.11.1999 um 20 v.H., vom 11.11.1999 bis zur ersten Feststellung der Dauerrente um 20 v.H. und bis zur Beendigung des dritten Jahres nach dem Unfall um 15 v.H ...

Mit Bescheid vom 22.12.1999 half die Beklagte dem Widerspruch der Klägerin unter Beibehaltung der festgestellten Unfallfolgen ab, hob den Bescheid vom 17.05.1999 auf und stellte fest, dass die Klägerin wegen der Folgen des Versicherungsfalles Anspruch auf eine Rente als vorläufige Entschädigung ab 01.02.1998 habe. Wie sich aus der Rentenberechnung ergibt, wurde hierbei von einer MdE um 20 v.H. durchgehend ausgegangen.

Im weiteren Rentengutachten des Prof. Dr. M. vom 02.02.2000 wird ausgeführt, die Klägerin habe darüber geklagt, ihre rechte Hand nicht mehr so einsetzen zu können wie früher. Deshalb habe sie sich auf links verlagert. In letzter Zeit tue ihr auch der linke Oberarm weh. Sie arbeite vollschichtig und demontiere Elektrogeräte. Meistens würde sie mit dem Daumen und Ringfinger greifen und die Fingerstümpfe schonen. Beim Anstoßen der Fingerstümpfe würden Schmerzen auftreten. Wiederum fehlt es an Hinweisen auf psychische Beeinträchtigungen. Die Untersuchung zeigte an der rechten Hand reichliche Arbeitsspuren, auch im Bereich der Fingerstümpfe und keinen Anhalt für Durchblutungsstörungen oder trophische Störungen. Die Arbeitsspuren waren auf der rechten Seite im Vergleich zur linken Seite seitengleich ausgeprägt. Die MdE wurde bis zum 19.06.2000 um 20 v.H. und ab dem 20.06.2000 um 15 v.H. eingeschätzt. Eine Besserung der Erwerbsfähigkeit wurde nicht prognostiziert.

Die Beklagte gab der Klägerin sodann mit Schreiben vom 28.03.2000 Gelegenheit, zum beabsichtigten Entzug der Rente Stellung zu nehmen. Mit Schreiben vom 13.04.2000 ließ die Klägerin vortragen, weder mit dem Ergebnis des zweiten Rentengutachtens noch mit dem Entzug der Rente einverstanden zu sein. Weitere Tatsachen, insbesondere Unfallfolgen auf psychiatrischem Fachgebiet, machte die Klägerin nicht geltend.

Mit Bescheid vom 26.04.2000 entzog die Beklagte die als vorläufige Entschädigung gewährte Rente mit Ablauf des Monats April 2000 und lehnte die Gewährung einer Rente auf unbestimmte Zeit ab.

Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und nahm erneut Bezug auf das Schreiben des Prof. Dr. K. vom 18.08.1999. Außerdem ließ die Klägerin vortragen, unabhängig von den Heilerfolgen der Verletzungen sei bei der Feststellung der Rente zu berücksichtigen, dass die Funktion der rechten Hand stark eingeschränkt sei. Sie könne nur beschränkt Dinge greifen und eine Faust nicht bilden. Psychische Unfallschäden werden nach wie vor nicht behauptet (Bl. 364 f.)

Die Beklagte holte sodann das freie handchirurgische Gutachten bei Prof. Dr. S. vom 17.10.2000 ein. Hier gab die Klägerin bei der Untersuchung am 10.10.2000 an, seit dem Unfall ständig Schmerzen zwischen dem II. und III. Fingerglied und am Unterarm zu haben, an den Stumpfenden spüre sie gar nichts mehr. Sie benötige eine Unfallrente, da sie in ihrem früheren Beruf bedingt durch das Handicap nicht mehr unterkommen könne und dadurch auch deutliche finanzielle Einbußen habe. Psychische Beschwerden wurden nicht geklagt. Als noch bestehende Unfallfolgen wurden eine Amputation des rechten Zeigefingers im körperfernen Anteil des Mittelgliedes, so dass der rechte Zeigefinger zur Zwischenfingerfalte II/III 4,6 cm messe, eine Amputation des rechten Mittelfingers im Basisbereich des Mittelgliedes mit Wackelbeweglichkeit des Mittelgliedstumpfes, ein endgradiges und funktionell nicht wirksames Beugedefizit im rechten Zeigefingermittelgelenk sowie eine durch die Amputationsfolgen vorhandene Spitzgriffbehinderung, so dass kleinere Gegenstände zwischen Daumen und Ringfinger aufgehoben würden, beschrieben. Die hierdurch bedingte MdE betrage unter Dauerrentengesichtspunkten 10 v.H. Die ausgeprägten Arbeitsspuren an den Fingerstümpfen zeigten, dass die Klägerin ihre Hand im Alltag kräftig einsetze.

Hiergegen wandte die Klägerin mit Schreiben vom 07.01.2000 ein (Bl. 390 VA), sich aufgrund der Handlungsweise der Ärzte und der Gesetze, die sie anwendeten, verraten zu fühlen. Sie schäme sich, fühle sich nicht als vollwertig, weil ihre Hand nicht so sei wie die der anderen Menschen. Sie schäme sich, wenn sie sich vorstellen oder jemandem die Hand geben solle, sie sei immer aufgebracht deswegen. Sie habe bisher auch keine Arbeit gefunden, sie sei beim Arbeitsamt gemeldet und zur Zeit arbeitslos, deshalb wolle sie eine kleine Rente, damit sie etwas Sicherheit habe, denn sie fühle sich nicht mehr als ganzer Mensch wie früher.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2000 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG; S 1 U 184/01) und regte an, ein Gutachten einzuholen, das auch die psychosozialen und psychologischen Folgen der Verletzung und insbesondere auch die fortdauernden körperlichen Schmerzen angemessen berücksichtige. Dass die Klägerin wegen des Unfallereignisses an psychischen Erkrankungen leide, wurde indes nicht behauptet.

Das SG holte von Amts wegen das chirurgisch-orthopädische Gutachten bei Prof. Dr. S. vom 12.06.2001 ein. Im Rahmen der Untersuchung vom 12.06.2001 gab die Klägerin an, vor dem 30.06.1997 gesund und leistungsfähig gewesen zu sein. An der rechten Hand habe sie eine Greifbehinderung und könne nur mit drei Fingern greifen. Die rechte Hand werde schneller müde. Schmerzen in der rechten Hand habe sie nicht. Sie habe nach dem Unfall wieder gearbeitet und sei jetzt seit etwa einem Jahr arbeitslos. Der Sachverständige fand eine Verkürzung des Zeigefingers mit einem Fehlen des Endgliedes und der Hälfte des Mittelgliedes sowie am dritten Finger eine Amputation knapp distal des Mittelgelenks. Das Mittelgelenk des Zeigefingers war um 60 Grad beugbar, am Mittelfinger ließ sich das Mittelgelenk um 40 Grad beugen bei freier Beweglichkeit der Grundgelenke und fehlendem Streckdefizit an den teilamputierten Fingern. Der Hohlhandabstand betrug 4 cm bzw. 3 cm für den II. bzw. III. Finger. Unter Berücksichtigung der unfallversicherungsrechtlichen Literatur, in der für den Teilverlust des zweiten und dritten Fingers im Mittelgelenk sowohl für die rechte wie für die linke Hand eine MdE um 20 v.H. angenommen werde und des Umstandes, dass vorliegend der Zustand etwas besser sei, da am Zeigefinger das Mittelglied zur Hälfte erhalten und auch funktionell einsetzbar sei, am Mittelfinger aber nur noch die Basis des Mittelgliedes, die Beweglichkeit im Mittelgelenk des Mittelfingers nur gering und funktionell nicht sehr ergiebig sei, sei die MdE mit 15 v.H. einzuschätzen. Eine MdE von nur 10 v.H. sei nicht gerechtfertigt, da der Zustand nur etwas besser sei als bei einer Amputation im Mittelgelenk, sich der Fingerrest am Zeigefinger jedoch funktionell günstiger auswirke als bei der glatten Amputation in den Mittelgelenken. Eine MdE von 20 v.H. werde nicht erreicht, da ein funktionell brauchbarer Rest des Mittelgliedes am Zeigefinger stehengeblieben sei.

Außerdem holte das SG bei dem Dipl.-Sozialpädagogen D. die Stellungnahme vom 30.10.2002 ein (Bl. 555 VA). Hierin wird mitgeteilt, die Klägerin werde seit 17.03.1998 über die Beratungsstelle durch Hilfe bei der Arbeitssuche, Begleitung zu Vorstellungsgesprächen und psycho-soziale Hilfestellungen auf Grund der Folgen des Arbeitsunfalles unterstützt. Sie seien in mehreren Fällen bei Vorstellungsgesprächen mit anwesend gewesen und könnten daher bestätigen, dass die Klägerin trotz aktiver Arbeitssuche bei der anhaltend angespannten Arbeitsmarktsituation und dem Umstand, dass Arbeitgeber unter vielen Bewerbern eher nicht gehandicapten Personen den Vorzug gäben, keine Arbeitsstelle habe finden können. Die Klägerin sei durch die lang anhaltende Arbeitslosigkeit und durch die Verstümmelung ihrer rechten Hand psychisch stark belastet. Ihr Selbstwertgefühl als Frau sei seit dem Arbeitsunfall äußerst reduziert. Zum Verhandlungstermin sei ein Dolmetscher beizuordnen, da die Klägerin durch mangelhafte Deutsch-Kenntnisse nicht in der Lage sei, dem Verhandlungsverlauf zu folgen und selbst Angaben zu machen.

Mit rechtskräftigem Urteil vom 15.11.2002 wies das SG im Wesentlichen unter Bezugnahme auf das eingeholte Gutachten die Klage ab.

Am 10.05.2006 beantragte die Klägerin eine Ausgleichszahlung und trug vor, die Teilamputation des zweiten und dritten Fingers habe dazu geführt, dass sie ihren Arbeitsplatz verloren habe und schließlich depressiv geworden sei. Sie sei seit Jahren in Behandlung und eine Besserung sei weder eingetreten noch in Sicht. Sie bitte um Mitteilung, ab wann ihr Leistungen aus der Berufsgenossenschaft zustünden (Bl. 483 VA). Im beigefügten Schreiben der Ärztin für Neurologie und Psychiatrie Heger vom 24.11.2005 wird angegeben, die Klägerin sei seit 28.09.2005 in ihrer ambulanten Behandlung. Wegen des Arbeitsunfalls vom 30.06.1997 und der hierbei erlittenen Verletzung habe sie Schwierigkeiten auf ihrem Arbeitsplatz, ihre letzte Arbeit habe sie 2002 verloren. Seit dem Unfall leide sie an einer depressiven Symptomatik mit Traurigkeit, innerer Unruhe, Tagesschwankungen, Grübeln, Schlafstörungen und Verlust der Lebensfreude. Die Klägerin werde antidepressiv behandelt. Im von der Beklagten angeforderten Befundbericht vom 20.07.2006 gibt die Psychiaterin Heger stichwortartig an, die Klägerin habe in der Cafeteria der B. Klinik, seit Juli 2005 K.-O.-Klinik, gearbeitet, es sei zu Mobbing auf der Arbeitsstelle gekommen, die Klägerin sei 2002 gekündigt worden, Arbeitslosigkeit, z. Zt. Hartz IV, aufgrund der Amputation der Finger keine Arbeitsstelle gefunden.

Mit Bescheid vom 18.10.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente ab. Die lange Arbeitslosigkeit mit der angegeben depressiven Symptomatik stelle keine Unfallfolge im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung dar. Die anerkannten Unfallfolgen vom 30.06.1997 (Teilamputation des rechten Zeige- und Mittelfingers im Mittelglied) seien nicht geeignet, eine depressive Symptomatik im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu verursachen.

Auf den Widerspruch der Klägerin holte die Beklagte die beratungsärztliche Stellungnahme des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Neuroradiologie PD Dr. R. vom 21.12.2006 ein, der nach Auswertung der Behördenakten keine Hinweise für einen psychischen Erstschaden zu erkennen vermochte. Ein solcher sei auch von der Klägerin zu keiner Zeit geltend gemacht worden. Zumindest bis zum Jahre 2002 hätten keine ins Gewicht fallenden, ursächlich auf den Unfall zurückzuführenden psychische Beeinträchtigungen bestanden. Aufgrund dieses Sachverhaltes könne die Behauptung der Klägerin, die jetzt bestehende depressive Symptomatik bestehe seit dem Unfall, mit hinreichender Sicherheit widerlegt werden. Ebenfalls nicht gefolgt werden könne der Auffassung der Klägerin, die jetzige und offensichtlich erst Jahre nach dem Unfall aufgetretene psychische Beeinträchtigung sei ursächlich auf den Unfall zurückzuführen. Vielmehr seien neben persönlichkeitsbedingten Faktoren unfallunabhängige psychosoziale Stressfaktoren (z.B. lang andauernde Arbeitslosigkeit) für die depressive Symptomatik verantwortlich zu machen. Mit Widerspruchsbescheid vom 22.02.2007 wies die Beklagte daher den Widerspruch der Klägerin zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 08.03.2007 beim SG erneut Klage (S 6 U 2124/07). Die Psychiaterin Heger führte in ihrer schriftlichen Zeugenaussage vom 23.07.2007 aus, die Klägerin habe sich erstmals am 28.09.2005 und zuletzt am 02.03.2007 vorgestellt. Sie habe über eine depressive Symptomatik geklagt, da sie im Oktober 2002 entlassen worden und in die Abhängigkeit von Hartz IV gefallen sei. Sie habe sich große Sorgen um ihren Sohn gemacht, der als Elektrotechniker in Italien arbeitslos sei. Sie habe ihre Schwierigkeiten auf den Arbeitsunfall vom 30.06.1997 zurückgeführt. Hierdurch sei sie ungeschickt in der Arbeit und könne keinen neuen Beruf ergreifen. Die Klägerin habe dann bei der Caritas eine Psychotherapie in ihrer Muttersprache durchführen können und nach einem Jahr die Therapie beendet. Eine Veränderung der psychischen Lage sei nicht eingetreten. Ob die depressive Symptomatik eine Folge des Arbeitsunfalles sei, könne sie nicht angeben, da sie die Klägerin vor 2005 nicht behandelt habe.

Mit Urteil vom 16.01.2008 wies das SG die Klage ab, da die geltend gemachten psychischen Beschwerden der Klägerin nicht auf den mehr als 10 Jahre zurückliegenden Arbeitsunfall zurückgeführt werden könnten.

Hiergegen legte die Klägerin Berufung beim Landessozialgericht (LSG; L 1 U 1149/08) ein und machte zur Begründung geltend, vor dem Unfall habe sie keine psychischen Probleme gehabt. Gleich danach habe sie sich in psychiatrische Behandlung begeben müssen. Mit Beschluss vom 23.05.2008 wies das LSG die Berufung der Klägerin zurück. In den Entscheidungsgründen wird ausgeführt, der Verlust der Endglieder und nur eines Teils der Mittelglieder am Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand rechtfertige nach der übereinstimmenden Beurteilung der begutachtenden Ärzte lediglich eine MdE um 15 v.H., was mit den allgemeinen Bewertungsgrundsätzen der unfallmedizinischen Literatur zu vereinbaren sei. Weitere Unfallfolgen seien nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit belegt. In den zeitnah zum Unfall bis 1999 eingeholten Arztunterlagen seien keine psychischen Beschwerden der Klägerin dokumentiert. Die psychiatrische Behandlung bei der Psychiaterin H. sei erst ab September 2005 aufgenommen worden. Der Hausarzt der Klägerin habe im Schwerbehindertenverfahren vor dem Sozialgericht die im Behandlungszeitraum von 1991 bis Mai 2003 erhobenen Diagnosen angegeben und hierbei keine psychischen Gesundheitsstörungen aufgeführt. Zwar habe die Klägerin 2001 vor dem Sozialgericht geltend gemacht, sie empfinde ihre deformierte Hand als Makel und schäme sich, die Hand zu zeigen. Darüber hinausgehende behandlungsbedürftige Beschwerden hätten zu diesem Zeitpunkt jedoch nicht vorgelegen. Im Urteil des SG vom 15.11.2002 sei daher die unfallbedingte MdE um 15 v.H. bestätigt worden. Die mit einer Amputation einhergehenden üblichen seelischen Begleiterscheinungen und Schmerzen seien in den unfallmedizinischen Bewertungstabellen berücksichtigt und somit vorliegend in der MdE um 15 v. H. bereits enthalten. Soweit von der Ärztin H. die jetzt bestehenden psychischen Beschwerden auf die anhaltende Arbeitslosigkeit der Klägerin bezogen würden, sei auch eine mittelbare Unfallfolge nicht begründbar. Die Klägerin sei trotz der Verletzungsfolgen an der rechten Hand bis 2002 erwerbstätig gewesen. In der vorgelegten Stellungnahme des Dipl.-Sozialpädagogen D. vom 30.10.2002 sei weder ausgeführt, dass die Klägerin den Arbeitsplatz aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls verloren habe, noch, dass allein oder überwiegend aufgrund der Unfallfolgen die eingetretene Arbeitslosigkeit andauere. Es würden der anhaltend angespannte Arbeitsmarkt und der Umstand, dass Arbeitgeber unter vielen Bewerbern eher nicht gehandicapten Personen den Vorzug gäben, als Gründe für die Arbeitslosigkeit der Klägerin genannt. Hierbei sei zu berücksichtigen, dass die Vermittlung der Klägerin auf dem Arbeitsmarkt durch ihren in den Gutachten beschriebenen Kleinwuchs von 140 cm sowie auch durch andere Gesundheitsstörungen erschwert sei, nämlich eine beschriebene Hautunverträglichkeit, die bei Putzarbeiten bzw. Umgang mit Feuchtigkeit und Arbeiten in Kälte aufträten (sachverständige Zeugenaussage vom 10.09.2002 im Schwerbehindertenverfahren S 18 SB 3335/03), und eine rezidivierende Epicondylitis radialis humeri, die von September 2005 bis April 2006 behandlungsbedürftig gewesen sei, aber nicht in Zusammenhang mit der Amputationsverletzung stehe. Eine mit dem anerkannten Arbeitsunfall kausal verknüpfte Arbeitslosigkeit und hierauf beruhende weitere psychische Unfallfolge sei daher nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festzustellen.

Am 06.08.2008 beantragte die Klägerin, den Bescheid vom 18.10.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.02.2007 aufzuheben und eine Verletztenrente zu gewähren, ohne den Antrag zu begründen oder neue Tatsachen oder Unterlagen vorzulegen.

Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 08.04.2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rücknahme des Bescheides vom 18.10.2006 ab. Der hiergegen eingelegte, wiederum nicht begründete Widerspruch wurde durch Widerspruchsbescheid vom 13.08.2009 zurückgewiesen.

Hiergegen hat die Klägerin am 08.09.2009 wiederum Klage beim SG erhoben und erneut geltend gemacht, gleich nach dem Unfall Behandlungen in Anspruch genommen zu haben, um die Angstzustände, Panikattacken und Depressionen zu bekämpfen. Die Depression als unmittelbare alleinige oder überwiegend unfallbedingte Folge habe gleich nach dem Unfall eingesetzt und sei nicht erst Folge ihres Arbeitsplatzverlustes gewesen. Die Behandlung durch die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie H. seit 28.09.2005 habe angeschlossen werden müssen. In der beigefügten Bescheinigung des Caritasverbandes S. vom 05.11.2007 gibt der psychologische Psychotherapeut S. an, die Klägerin seit 16.03.2007 wegen depressiver Verstörungen zu beraten. Auch in der Zeit von Oktober 2005 bis November 2006 habe die Klägerin regelmäßig Beratungstermine bei ihm in der Einrichtung wahrgenommen. Im außerdem vorgelegten fachärztlichen Attest der Ärztin für Psychiatrie, Psychotherapie Dr. D. wird ausgeführt, die Klägerin befinde sich seit 04.07.2007 in der Praxis in Behandlung und seit 04.04.2008 bei ihr in psychiatrischer Behandlung aufgrund einer rezidivierenden depressiven Störung (gegenwärtig mittelgradig), Angst und Depression gemischt, Zwangsgedanken und -handlungen gemischt und Verdacht auf eine kombinierte Persönlichkeitsstörung.

Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat das SG bei Prof. Dr. E. das psychiatrisch-psychotherapeutische Gutachten vom 29.05.2012 eingeholt. Zu Beginn des Gutachtens wird ausgeführt, die Klägerin sei seit Mai 2010 als Patientin in ihrer psychiatrischen Institutsambulanz bekannt; es finde eine regelmäßige psychiatrisch-psychotherapeutische Behandlung statt. Die Klägerin habe ausdrücklich sie als Gutachter benannt aufgrund einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung. Sie sähen darin keinen Interessenkonflikt, sondern sähen sich dadurch in der Lage, die Beweisfragen umfassend beantworten zu können. Der Sachverständige hat eine andauernde Persönlichkeitsänderung mit ausgeprägter zwanghafter und depressiver Begleitsymptomatik als Folge einer (chronifizierten) posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) diagnostiziert. Das Unfallereignis habe qualitativ wesentlich zur Entstehung der psychischen Funktionsstörung beigetragen. Hinweise auf eine ernsthafte psychische Vorerkrankung fänden sich in der Anamnese nicht. Aggravation oder Simulation seien nicht festzustellen. Es gebe auch keine sogenannte persönliche Schadensanlage vor dem Unfallereignis, die als konkurrierender Faktor in der Schadensverarbeitung zu werten wäre. Der körperliche Primärschaden sei ausreichend belegt. Das Unfallereignis sei als schwerwiegend zu werten, auch wenn die körperlichen Verletzungsfolgen nicht besonders gravierend anmuteten. Die Klägerin sei während ihres Arbeitsunfalles mit dem gesamten Arm in einer Stanzmaschine eingeklemmt gewesen und habe hilflos mit ansehen müssen, wie sich die Presse langsam herabgesenkt und ihr die Fingerglieder abgetrennt habe. Sie habe Todesangst gehabt, die Maschine, an der sie erstmals gearbeitet habe, könne sie ganz zerquetschen. Sie habe sich nur bruchstückhaft an den Unfall und an die ersten ärztlichen Maßnahmen im Krankenhaus erinnert. Mit zeitlicher Latenz und zunehmender Intensität seien im Anschluss an das Unfallereignis eine Reihe von Symptomen aufgetreten, die als typische PTBS-Symptome zu werten seien, nämlich Intrusionen und Vermeidungsverhalten. Weiter fänden sich Störungen im Bereich der Regulation von Affekten und Impulsen, Veränderungen im Bereich von Aufmerksamkeit und Bewusstsein, Veränderungen der Selbstwahrnehmung, Veränderung der Beziehung zu anderen, Somatisierung und Veränderung von Lebenseinstellungen. Die beschriebene Symptomatik bestehe seit mindestens zwei Jahren nach der vorangegangenen PTBS und erfülle somit die Kriterien einer anhaltenden Persönlichkeitsänderung nach ICD 10 (F 62.0). Es sei ein Zeitraum von mittlerweile knapp 15 Jahren zu beurteilen. Psychische Probleme würden von der Betroffenen erstmals 2000 erwähnt, eine fachärztlich-psychiatrische Stellungnahme finde sich erstmals 2005. Bezüglich der unfallbedingten MdE sei seit dem Jahre 2000 auf psychiatrischem Fachgebiet von einer MdE von 30 - 40 v.H. auszugehen, ab dem Jahr 2008 von einer MdE von 80 - 100 v.H ... Zusätzlich sei die körperliche Einschränkung durch die Teilamputation zweier Finger zu werten.

Die Beklagte ist dem Gutachten entgegengetreten. Die Voraussetzungen einer PTBS lägen nicht vor. Sie hat ein Schreiben der AOK - Die Gesundheitskasse, S.-B., vom 24.08.2012 vorgelegt. Hieraus ergibt sich, dass die Klägerin im Zeitraum vom 21.01. bis 07.02.1992 wegen eines Überlastungssyndroms, larvierte Depression arbeitsunfähig gewesen ist, weitere Zeiten der Arbeitsunfähigkeit wegen psychischer Erkrankungen jedoch nicht vorliegen.

Mit Urteil vom 13.03.2013 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung dargelegt, dass nach wie vor eine mit dem anerkannten Arbeitsunfall kausal verknüpfte Arbeitslosigkeit und hierauf beruhende weitere psychische Unfallfolge nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festzustellen sei. Das bei Prof. Dr. E. eingeholte Gutachten nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) biete nichts, worauf sich eine richterliche Überzeugung stützen könne. Das Gutachten beschäftige sich mit der ganzen Vorgeschichte nur am Rande ohne jede echte inhaltliche Auseinandersetzung. Die These des Sachverständigen, dass eine auf den Unfall 1997 zurückzuführende PTBS vorliege, werde ausschließlich auf die während der Untersuchung von der Klägerin über 15 Jahre nach dem Unfall gemachten Angaben gestützt. Diese These werde im Gutachten im Rahmen einer eher essayistischen Herangehensweise sodann durch stetige Wiederholung und schließlich Rückverweise auf bisherige Behauptungen nach und nach zur selbstreferenziellen Entität erhoben. Belegt sei weder die Diagnose noch sei der Zusammenhang - von psychischen Gesundheitsbeeinträchtigungen insgesamt - mit dem Unfall in irgendeiner Weise nachvollziehbar dargelegt. Es finde keinerlei Auseinandersetzung mit Vorgutachten bzw. den vorliegenden Gerichtsentscheidungen statt. Außerdem belege die Auskunft der AOK, dass die Klägerin schon 1992 an Depressionen gelitten habe und mithin die Richtigkeit der früheren Bescheide und Gerichtsentscheidungen.

Gegen das dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 05.04.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 09.04.2013 beim SG Berufung eingelegt, mit der sie ihr bisheriges Begehren weiter verfolgt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 13. März 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 8. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. August 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 18. Oktober 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Februar 2007 eine Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 40 vom Hundert ab 10. Mai 2006 sowie um 100 vom Hundert ab 1. Januar 2008 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hat zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid und das klagabweisende Urteil des SG verwiesen.

Der Berichterstatter hat den Sacherhalt mit den Beteiligten am 06.06.2013 erörtert und die Klägerin zum Unfallhergang und ihrem Verhalten danach befragt.

Mit Beschluss vom 11.07.2013 hat der Senat den Antrag der Klägerin auf die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorgelegten Behördenakten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere statthafte Berufung (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Rücknahme des Bescheides vom 18.10.2006 und daher auch keinen Anspruch auf Gewährung einer Verletztenrente in Folge des anerkannten Arbeitsunfalls vom 30.06.1997.

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Ist ein Verwaltungsakt rechtswidrig, hat der betroffene Bürger im Interesse der materiellen Gerechtigkeit einen einklagbaren Anspruch auf Rücknahme des Verwaltungsaktes unabhängig davon, ob der Verwaltungsakt durch ein rechtskräftiges Urteil bestätigt wurde (BSGE 51, 139, 141; BSG SozR 2200 § 1268 Nr. 29). Ob bei Erlass des Bescheides von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden ist, beurteilt sich im Vergleich der Sachlage, wie sie dem zu überprüfenden Verwaltungsakt zu Grunde gelegt worden ist und wie sie sich bei Erlass des Verwaltungsaktes bei nachträglicher Betrachtung im Zeitpunkt der Überprüfung rückschauend tatsächlich darstellt. Mithin kommt es nicht auf den Erkenntnisstand bei Erlass, sondern bei Überprüfung an, die Rechtswidrigkeit beurteilt sich also nach der damaligen Sach- und Rechtslage aus heutiger Sicht (BSGE 57, 209; 90, 136). Dies gilt auch dann, wenn z. B. die richtige medizinische Beurteilung erst später möglich geworden ist. Nach Unanfechtbarkeit des zu überprüfenden Verwaltungsaktes liegt allerdings die objektive Beweislast für Tatsachen, aus denen sich eine Unrichtigkeit des Verwaltungsaktes wegen fehlerhafter Sachverhaltsannahme ergeben kann, bei dem Adressaten des Verwaltungsaktes (st. Rspr. BSG SozR 5870 § 2 Nr. 44).

Einen neuen Sachverhalt, der die dem Bescheid vom 18.10.2006 zugrunde gelegte tatsächliche Situation in Frage stellen könnte, hat die Klägerin nicht vorgetragen. Auch in rechtlicher Hinsicht ist der Bescheid vom 18.10.2006 indes nicht zu beanstanden.

Rechtsgrundlage für die Gewährung einer Verletztenrente aufgrund eines Arbeitsunfalles sind die §§ 7, 8 und 56 SGB VII.

Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v. H. gemindert ist, haben Anspruch auf eine Rente (§ 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Die MdE richtet sich nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), das heißt auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 48 Abs. 1 Satz 2 SGB VII).

Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen ergibt sich auch und gerade aus den nunmehr vorliegenden weiteren ärztlichen Stellungnahmen, dass die Beklagte zu Recht den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Verletztenrente abgelehnt hat. Ein Anspruch auf Rücknahme des Bescheides besteht daher nicht.

Wie bereits im Beschluss des LSG vom 23.05.2008 ausgeführt worden ist, ergibt sich aus dem Verlust der Glieder am Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand lediglich eine MdE um 15 v. H. Nachdem sich an diesem Sachverhalt seither nichts geändert hat, nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die Ausführungen im Beschluss vom 23.05.2008, denen er sich nach nochmaliger eigener Überprüfung voll umfänglich anschließt. Insbesondere wird insoweit auf die Ausführungen im Gutachten von Prof. Dr. S. vom 12.06.2001 (S 1 U 184/01) verwiesen, der mit überzeugender und schlüssiger Begründung dargelegt hat, dass die Verletzungsfolgen an der rechten Hand eine MdE um 20 v. H. nicht rechtfertigen können, da ein funktionell brauchbarer Rest des Mittelgliedes am Zeigefinger stehengeblieben ist.

Weitere Gesundheitsschäden sind nicht mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis vom 30.06.1997 zurückzuführen. Die von der Klägerin erstmals mit Schreiben vom 08.05.2006 geltend gemachten psychischen Beschwerden in Form von Depressionen sind nicht mit Wahrscheinlichkeit durch das Unfallereignis bedingt. Auch insoweit nimmt der Senat voll inhaltlich Bezug auf die Ausführungen im Beschluss des LSG vom 23.05.2008. Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Behauptung des Dipl.-Sozialpädagogen D., es sei im Rahmen der offensichtlichen Behinderung der Klägerin an der rechten Hand nicht zu einer Einstellung gekommen, eine durch keinerlei Fakten belegte Unterstellung ist. Es fehlt insoweit an jeglichen konkreten Angaben, welcher Arbeitgeber wann der Klägerin zu verstehen gegeben hat, ihre Bewerbung sei wegen der Teilamputation von zwei Fingern der rechten Hand erfolglos. Nachdem die Klägerin unmittelbar nach Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit durchaus in der Lage gewesen ist, unter Einsatz auch der rechten Hand körperliche Arbeit zu verrichten, was durch die seitengleichen Gebrauchsspuren an beiden Händen verdeutlicht wird, wäre eine solche Begründung auch wenig nachvollziehbar. Im Vergleich hierzu sind die im Beschluss des LSG bereits genannten weiteren, nicht unfallbedingten, gesundheitlichen Einschränkungen, nämlich die Hauterkrankung sowie die Ellenbogenreizung, jedenfalls für bestimmte Tätigkeitsbereiche von größerer Bedeutung. Weit mehr dürfte aber der - wiederum mit dem Unfallereignis nicht in Zusammenhang stehende - Umstand für die Arbeitslosigkeit der Klägerin verantwortlich sein, dass diese der deutschen Sprache nicht mächtig ist und über keine Berufsausbildung verfügt. Dass die Arbeitslosigkeit der Klägerin auf die Unfallfolgen gestützt werden kann und die diagnostizierte Depression Folge dieser Arbeitslosigkeit ist, hält der Senat daher ebenfalls nicht für wahrscheinlich.

Dies gilt auch unter Berücksichtigung des bei Prof. Dr. E. eingeholten Gutachtens nach § 109 SGG, das den Senat in keiner Weise überzeugt. Denn die erwiesenen Tatsachen lassen sich mit den angestellten Erwägungen des Sachverständigen nicht in Einklang bringen. Soweit der Sachverständige eine PTBS der Klägerin mit ausgeprägter zwanghafter und depressiver Begleitsymptomatik diagnostiziert hat, sind zur Überzeugung des Senats die Voraussetzungen für eine PTBS vorliegend nicht erfüllt. Die hierauf gestützte weitere psychiatrische Erkrankung verliert damit seine Grundlage.

Unfallversicherungsrechtlich relevant ist ein Gesundheitserst- oder folgeschaden nur dann, wenn er sicher feststeht, d. h. im Vollbeweis gesichert ist (BSG, Urteil vom 15.05.2012 - B 2 U 31/11 R). Hierbei ist eine exakte Diagnose der Krankheit nach einem der international anerkannten Diagnosensysteme zu stellen (BSG a. a. O. und Urteil vom 09.05.2006 - B 2 U 40/05 R). Der Senat berücksichtigt die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und verwandter Gesundheitsprobleme - 10. Revision - (ICD 10) und das Diagnostische und Statistische Manual psychischer Störungen - Textrevision - (DSM-IV-TR).

Bei der PTBS handelt es sich um eine Gesundheitsstörung nach ICD-10 F 43.1 beziehungsweise DSM-IV-TR 309.81.

Nach ICD-10 F 43.1 gelten folgende Grundsätze: Die posttraumatische Belastungsstörung entsteht als eine verzögerte oder protrahierte Reaktion auf ein belastendes Ereignis oder eine Situation kürzerer oder längerer Dauer, mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, die bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Prädisponierende Faktoren wie bestimmte, zum Beispiel zwanghafte oder asthenische Persönlichkeitszüge oder neurotische Krankheiten in der Vorgeschichte können die Schwelle für die Entwicklung dieses Syndroms senken und seinen Verlauf erschweren, aber die letztgenannten Faktoren sind weder notwendig noch ausreichend, um das Auftreten der Störung zu erklären. Typische Merkmale sind das wiederholte Erleben des Traumas in sich aufdrängenden Erinnerungen (Nachhallerinnerungen, Flashbacks), Träumen oder Alpträumen, die vor dem Hintergrund eines andauernden Gefühls von Betäubtsein und emotionaler Stumpfheit auftreten. Ferner finden sich Gleichgültigkeit gegenüber anderen Menschen, Teilnahmslosigkeit der Umgebung gegenüber, Freudlosigkeit sowie Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten. Meist tritt ein Zustand von vegetativer Übererregtheit mit Vigilanzsteigerung, einer übermäßigen Schreckhaftigkeit und Schlafstörung auf. Angst und Depression sind häufig mit den genannten Symptomen und Merkmalen assoziiert und Suizidgedanken sind nicht selten. Der Beginn folgt dem Trauma mit einer Latenz, die wenige Wochen bis Monate dauern kann. Der Verlauf ist wechselhaft, in der Mehrzahl der Fälle kann jedoch eine Heilung erwartet werden. In wenigen Fällen nimmt die Störung über viele Jahre einen chronischen Verlauf und geht dann in eine andauernde Persönlichkeitsänderung über.

Nach DSM-IV-TR 309.81 gelten folgende Grundsätze: Das Hauptmerkmal der posttraumatischen Belastungsstörung ist die Entwicklung charakteristischer Symptome nach der Konfrontation mit einem extrem traumatischen Ereignis. Das traumatische Ereignis beinhaltet unter anderem das direkte persönliche Erleben einer Situation, die mit dem Tod oder der Androhung des Todes, einer schweren Verletzung oder einer anderen Bedrohung der körperlichen Unversehrtheit zu tun hat (Kriterium A1). Die Reaktion der Person auf das Ereignis muss intensive Angst, Hilflosigkeit oder Entsetzen umfassen (Kriterium A2). Charakteristische Symptome, die aus der Konfrontation mit der extrem traumatischen Situation resultieren, sind das anhaltende Wiedererleben des traumatischen Ereignisses in Form von wiederholten und aufdringlichen Erinnerungen an das Ereignis (Kriterium B1), von wiederkehrenden, quälenden Träumen, in denen das Erlebnis nachgespielt wird oder in anderer Form auftritt (Kriterium B2), von Erleben von oft als "flashbacks" bezeichneten dissoziativen Zuständen, während derer einzelne Bestandteile des Ereignisses wieder erlebt werden (Kriterium B3) oder, wenn die Person mit Ereignissen konfrontiert wird, die sie an Aspekte des traumatischen Ereignisses erinnern oder die diese symbolisieren, in Form von intensiver psychischer Belastung (Kriterium B4) oder physiologischer Reaktionen (Kriterium B5). Charakteristische Symptome sind auch die andauernde Vermeidung von Reizen, die mit dem Trauma assoziiert sind, und eine Abflachung der allgemeinen Reagibilität in der Form, dass die Person im Allgemeinen versucht, Gedanken, Gefühle oder Gespräche über das traumatische Ereignis (Kriterium C1) und Aktivitäten, Situationen oder Personen, die die Erinnerung an das Ereignis wachrufen (Kriterium C2) absichtlich zu vermeiden, wobei die Vermeidung des Erinnerns die Unfähigkeit mit einschließen kann, sich an einen wichtigen Aspekt des traumatischen Ereignisses zu erinnern (Kriterium C3), oder in Form von verminderter Reaktionsbereitschaft auf die Umwelt, welche üblicherweise sehr bald nach dem traumatischen Erlebnis eintritt (Kriterium C4), eines Gefühls der Isolierung und Entfremdung von Anderen (Kriterium C5) oder einer deutlich reduzierten Fähigkeit, Gefühle zu empfinden (Kriterium C6) oder in der Form, dass betroffene Personen das Gefühl einer eingeschränkten Zukunft haben (Kriterium C7). Charakteristische Symptome sind auch anhaltende Symptome erhöhten Arousals in Form von Ein- oder Durchschlafschwierigkeiten, die durch wiederholte Albträume, in denen das traumatische Erlebnis wieder erlebt wird, hervorgerufen werden können (Kriterium D1), Hypervigilanz (Kriterium D4) und übertriebener Schreckreaktion (Kriterium D5), wobei manche Personen über Reizbarkeit oder Wutausbrüche (Kriterium D2) oder Schwierigkeiten, sich zu konzentrieren oder Aufgaben zu vollenden (Kriterium D3), berichten. Das vollständige Symptombild muss länger als einen Monat anhalten (Kriterium E) und die Störung muss in klinisch bedeutsamer Weise Leiden oder Beeinträchtigungen in sozialen, beruflichen oder anderen wichtigen Funktionsbereichen verursachen (Kriterium F). Traumatische Erfahrungen, die direkt erlebt wurden, umfassen insbesondere kriegerische Auseinandersetzungen, gewalttätige Angriffe auf die eigene Person, Entführung, Geiselnahme, Terroranschlag, Folterung, Kriegsgefangenschaft, Gefangenschaft in einem Konzentrationslager, Natur- oder durch Menschen verursachte Katastrophen, schwere Autounfälle oder die Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit. Hinsichtlich Beginn und Dauer der Symptome wird unterschieden zwischen der akuten posttraumatischen Belastungsstörung (wenn die Dauer der Symptome weniger als drei Monate beträgt), der chronischen posttraumatischen Belastungsstörung (wenn die Symptome drei Monate oder länger andauern) und der posttraumatischen Belastungsstörung mit verzögertem Beginn (wenn mindestens sechs Monate zwischen dem traumatischen Ereignis und dem Beginn der Symptome vergangen sind). Die Symptome, wie beispielsweise verminderte affektive Schwingungsfähigkeit, dissoziative Symptome, somatische Beschwerden, Gefühle der Insuffizienz in Form von Hoffnungslosigkeit, sozialer Rückzug, ständiges Gefühl des Bedrohtseins oder beeinträchtigte Beziehung zu anderen oder Veränderung der Persönlichkeit im Vergleich zu früher beginnen normalerweise innerhalb der ersten drei Monate nach dem Trauma, obwohl sich die Ausbildung der Symptome aber auch um Monate oder sogar Jahre verzögern kann. Die Schwere, Dauer und Nähe der Person bei Konfrontation mit dem traumatischen Ereignis sind die wichtigsten Faktoren, die die Wahrscheinlichkeit bestimmen, mit der die Störung sich entwickelt. Es gibt Hinweise, dass soziale Unterstützung, Familienanamnese, Kindheitserfahrungen, Persönlichkeitsvariablen und vorbestehende psychische Störungen die Ausbildung einer posttraumatischen Belastungsstörung beeinflussen können. Die Störung kann sich auch bei Personen entwickeln, bei denen zuvor keine besondere Auffälligkeit vorhanden war, besonders dann, wenn es sich um eine besonders extreme Belastung handelt.

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze sowie der umfangreichen medizinischen Unterlagen ist der Senat nicht davon überzeugt, dass bei der Klägerin infolge des Arbeitsunfalls vom 30.06.1997 eine PTBS vorliegt. Eine solche hat außer dem Sachverständigen Prof. Dr. E. keiner der anderen Ärzte diagnostiziert, insbesondere haben weder die über einen langen Zeitraum hinweg immer wieder konsultierte Psychiaterin Heger noch der muttersprachlich therapierende Psychologische Psychotherapeut S. und auch nicht die seit 04.04.2008 behandelnde Psychiaterin Dr. D. entsprechende Symptome festgestellt oder eine solche Diagnose gestellt. Schon deshalb ist eine Fehldiagnose naheliegend.

Zum anderen fehlt es an den Diagnosevoraussetzungen. Zwar zog der Arbeitsunfall mit der Quetschung bzw. Abtrennung der vorderen Glieder zweier Finger der rechten Hand eine Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit der Klägerin nach sich. Hierbei handelte es sich aber nicht um das Erleben einer Situation, die mit einer Naturkatastrophe, Folter, Geiselhaft, Raubüberfall oder einer Vergewaltigung zu vergleichen ist, so dass das Kriterium A 1 bereits nicht erfüllt ist. Denn hierfür genügt nicht jede erlebte Körperverletzung. Vielmehr muss es sich dabei um ein Ereignis mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß handeln, das bei fast jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde. Darüber hinaus verlangt ein Trauma eine Situation, in der ein Mensch anhaltend, d. h. nicht nur für einige Sekunden, eine schwere Form von Ohnmacht und Hilflosigkeit bei gleichzeitigem Überwältigtwerden von einer anhaltenden schweren Gefahr oder/und Gewalteinwirkung erlebt. Vorliegend handelte es sich hingegen um ein sehr kurzzeitiges Unfallereignis von nur wenigen Sekunden und nicht um eine länger andauernde Bedrohungssituation. Weshalb die Klägerin Todesangst verspürt und befürchtet haben will, die Maschine könne sie ganz zerquetschen, wie im Gutachten von Prof. Dr. E. angegeben, erschließt sich dem Senat nicht. Ferner konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass die Klägerin auf dieses Erlebnis mit intensiver Angst, Hilflosigkeit oder Entsetzen reagiert hat, so dass auch das Kriterium A 2 nicht gegeben ist. Es fehlt an jeglichen Hinweisen darauf, dass die Klägerin im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit dem Unfallereignis, wie im Schreiben eines früheren Klägervertreters vom 15.03.2010 behauptet, wegen unfallbedingter psychischer Beschwerden in Form von Angstzuständen, Panikattacken und Depressionen Behandlungen in Anspruch genommen hätte. Diesem Vortrag steht entgegen, dass die Klägerin bei allen gutachterlichen Untersuchungen bis 2006 keine psychischen Beschwerden geklagt hat und auch in ihrem Schreiben vom 07.01.2000 zwar berichtet hat, sich zu schämen, wenn sie jemanden die Hand gebe, und sich nicht als vollwertig zu fühlen. Gerade die von Prof. Dr. E. behaupteten Reaktionen wie Angst, Hilflosigkeit oder Entsetzen hat die Klägerin jedoch nicht beschrieben. Da die Klägerin auch Jahre nach dem Unfallereignis von solch heftigen psychischen Reaktionen nie berichtet hat, bestand auch keinerlei Veranlassung, die Klägerin psychiatrisch begutachten zu lassen.

Nicht nachzuvollziehen ist auch, dass die Klägerin an Intrusionen und Flashbacks leiden soll, wovon sie vor der Untersuchung durch Prof. Dr. E. nie berichtet hatte, obwohl sie sich nach anamnestischer Einlassung nur bruchstückhaft an den Unfall erinnert. Ebenso wenig finden sich Anhaltspunkte für Reaktionen der Klägerin im Sinne der E- und C-Kriterien. Wenn der Sachverständige Prof. Dr. E. angibt, die Klägerin habe erstmals im Jahr 2000 psychische Probleme erwähnt, hätte er insoweit erklären müssen, wie sich die zeitliche Latenz von mindestens zweieinhalb Jahren zum Unfallereignis begründen lässt. Darüber hinaus sind krankheitswerte psychische Probleme der Klägerin erst seit 2005 dokumentiert, sodass entgegen der zu erwartenden Abflachung der Symptomatik mit zunehmender zeitlicher Distanz zum Unfallereignis eine erklärungsbedürftige Progredienz festzustellten wäre. Insgesamt liegen die Voraussetzungen für die Feststellung einer PTBS daher nicht vor. Dass auch die erstmals im Jahr 2005 diagnostizierte psychische Erkrankung in Form einer Depression nicht auf das Unfallereignis zurückgeführt werden kann, hat das LSG in seinem Beschluss vom 23.05.2008 bereits im einzelnen zutreffend dargelegt. Diese Ausführungen werden durch das nach § 109 SGG eingeholte Gutachten des Prof. Dr. E. nicht in Frage gestellt.

Die Berufung der Klägerin war nach alledem mit der Kostenfolge des § 193 SGG zurückzuweisen.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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