L 6 SB 2011/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 12 SB 2331/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 2011/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. April 2013 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt im Wege des Neufeststellungsverfahrens die Feststellung eines Grades der Behinderung (GdB) von 50.

Auf den Erstantrag der am 07.11.1964 geborenen Klägerin stellte die Beklagte wegen eines entzündlichen Gelenk- und Wirbelsäulenleidens den GdB mit Bescheid vom 11.02.1991 mit 30 fest. Aufgrund eines im Jahre 1997 diagnostizierten kombinierten Mitralklappenvitiums (leicht bis mittelgradige Mitralklappenstenose und leichtgradige Mitralinsuffienz, Bl. 32 BA) sowie eines Bluthochdrucks und einer Fettstoffwechselstörung hob der Beklagte mit Bescheid vom 30.04.1998 den GdB auf 40 an. Der Neufeststellungsantrag vom 30.10.2000 wurde durch Bescheid vom 08.03.2001 (Bl. 57 BA) abgelehnt. In einem weiteren Änderungsverfahren wurde eine Augenerkrankung geltend gemacht (Dr. B., Befundbericht vom 01.10.2002: Wiederholt auftretende Regenbogenhautentzündung, jedoch nur diskrete funktionelle Einschränkungen hierdurch, FR ccs 0,8, FL ccs 0,8 , Bl. 71 BA). In ihrer gutachtlichen Stellungnahme vom 22.10.2002 bewertete Dr. D.-L. die entzündlich-rheumatische Erkrankung der Gelenke sowie der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 30, den Herzfehler, Bluthochdruck und die Fettstoffwechselstörung mit einem Teil-GdB von 20 sowie die Sehminderung beidseitig, Augenerkrankung mit einem Teil-GdB von 10 (Bl. 74 BA). Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 23.10.2002 ab. Am 21.06.2005 beantragte die Klägerin erneut die Neufeststellung des GdB. Im vorgelegten Befundbericht des Facharztes für Innere Medizin und Kardiologie Dipl.-med. D. vom 08.04.2005 wird ausgeführt, es ergebe sich aus dem Befund des fahrradergometrischen Belastungstestes kein Hinweis für eine bestehende koronare Herzerkrankung und damit derzeit keine Indikation zu einer weiterführenden invasiven Koronardiagnostik. Echokardiographisch finde sich unverändert ein kombiniertes nicht kalzifizierendes Mitralklappenvitium mit mittelgradiger Stenose sowie noch leichtgradiger Insuffizienzkomponente, gegenüber früheren Befunden bestehe keine Befundprogression, der Befund sei zunächst nicht operationspflichtig. Auffällig sei eine mäßige Extasie der Aorta ascendens, die früher nicht bestanden habe (Bl. 88 BA). Im augenärztlichen Befundbericht des Dr. B. wird im Hinblick auf die letzte augenärztliche Untersuchung vom 17.11.2003 eine Sehschärfe FRsc 0,6 und FLsc 0,6 angegeben und ausgeführt, die Einschränkung der Sehschärfe beruhe auf der wiederholt auftretenden Regenbogenhautentzündung (Bl. 92 BA). Bei unverändert festgestellten Teil-GdB-Werten durch die Versorgungsärztin U. lehnte der Beklagte den Änderungsantrag mit Bescheid vom 21.11.2005 ab, nahm als weitere Funktionsbeeinträchtigung jedoch eine Erweiterung der thorakalen Aorta auf. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte nach Einholung des augenärztlichen Befundes bei Dr. O. (Visus ohne Korrektur R 0,5, L 0,5, Diagnose R iritis acuta) mit Widerspruchsbescheid vom 31.03.2006 zurück.

Am 24.10.2011 stellte die Klägerin den weiteren, hier streitgegenständlichen Änderungsantrag, da sich ihr Zustand im Allgemeinen komplett verschlechtert habe. Im beigefügten Entlassungsbericht der Assistenzärztin K., Universitätsklinikum T., Medizinische Klinik, vom 23.8.2011 wird nach Herzkatheter-Untersuchung am 23.08.2011 ein unveränderter Befund der Aortenisthmus-Stenose, Aneurysma der Aorta ascendens mit 38 mm, bikuspide Aortenklappe, kompiniertes Mitralklappenvitium mit geringer bis mittelgradiger Mitralklappenstenose und leichtgradiger Mitralklappeninsuffizienz, unverändert zum Vorbefund, diagnostiziert. Signifikante Koronararterienstenosen werden bei dilatativer koronarer Herzerkrankung mit normaler linksventrikulärer Pumpfunktion ausgeschlossen. Als weitere Diagnosen werden operativer Verschluss eines Ductus arterius botali 1966 sowie eine chronische Polyarthritis mit Zustand nach operativer Versteifung des rechten Daumengrundgelenks, derzeit keine Dauertherapie, genannt.

Der Beklagte holte bei dem behandelnden Hausarzt und Facharzt für Allgemeinmedizin B. den Befundbericht vom 18.11.2011 ein. Dieser berichtete über eine schmerzhafte Bewegungseinschränkung beider Schultergelenke sowie Schmerzen beider Füße nach kurzer Gehstrecke, die Arme könnten schmerzbedingt nicht über Schulterhöhe gehoben werden, hinsichtlich der undifferenzierten Spondarthritis bestehe derzeit eine geringe Entzündungsaktivität, schmerzhafte Sehnenansätze, vorwiegend im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) und des Beckens, Erhöhung der Leberwerte, ohne histologische Abklärung, bei chronischen Schmerzen Neigung zu depressiver Verstimmung.

Der Versorgungsarzt Dr. D. nahm in seiner gutachterlichen Stellungnahme als weitere Funktionsbeeinträchtigung eine Funktionsbehinderung beider Schultergelenke sowie eine depressive Verstimmung (Teil-GdB 10) neu auf, hielt aber an dem bestehenden Gesamt-GdB von 40 fest. Von Seiten des Herzens bestehe eine normale systolische LV-Funktion bei guter kardialer Belastbarkeit. Eine wesentliche Verschlechterung könne aus den vorgelegten ärztlichen Befundberichten nicht abgeleitet werden. Unter Bezugnahme hierauf lehnte der Beklagte den Antrag auf Neufeststellung mit Bescheid vom 31.01.2012 ab. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und machte zur Begründung geltend, die Aorta weite sich permanent, die Belastungen seien nachweisbar beim Belastungs-EKG mit maximal 70 Watt, was vergleichsweise dem Zustand einer siebzigjährigen Person gleichkomme. Zudem seien die Gelenkentzündungen in einem Ausmaß, dass sie so gut wie keine Tätigkeiten in ihrem Haushalt verrichten könne. Das versteifte Daumengelenk rechts trage natürlich zusätzlich zu den Einschränkungen bei, da sie nicht richtig greifen und heben könne.

Der Beklagte holte den augenärztlichen Befundbericht des Dr. B. vom 15.12.2011 ein, der nochmals über die bei ihm erfolgte letzte Untersuchung vom 17.11.2003 berichtete. Seither sei die Klägerin nicht mehr bei ihm gewesen.

In seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme wies Dr. W. darauf hin, dass die geltend gemachte fortschreitende "permanente Erweiterung" des Aneurysmas nicht beweisbar sei, nachdem am 24.08.2011 mit 38 mm gegenüber 46 mm am 09.06.2010 eher eine Verkleinerung nachgewiesen sei, wobei Sonographie und Herzkatheter nicht eins zu eins vergleichbar seien. Der Abbruch des letzten nachgewiesenen Belastungs-EKG sei wegen muskulärer Erschöpfung bei 75 Watt und nicht bei 70 Watt ohne Erreichen der kardialen Leistungsgrenze erfolgt. Die Spondarthritis weise derzeit nur geringe Entzündungsaktivitäten auf und benötige keine Dauertherapie. Auffallend sei, dass alle Visuswerte, zuletzt 2006, ohne Korrektur festgestellt worden seien. Eine Verschlimmerung sei daher insgesamt nicht nachgewiesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 12.06.2012 wies der Beklagte den Widerspruch unter Aufnahme der weiteren Funktionsbeeinträchtigung "Daumensattelgelenk versteift" zurück. Diese Präzisierung habe jedoch keine Auswirkung auf die Höhe des GdB, weil sämtliche Auswirkungen der entzündlich-rheumatischen Erkrankung bereits im GdB erfasst seien.

Hiergegen hat die Klägerin am 29.06.2012 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und wiederum geltend gemacht, ihr Zustand habe sich seit 2005 erheblich verschlechtert, die Aorta habe sich signifikant erweitert und sei in einem bedrohlichen Zustand. Sie habe eine lebensbedrohliche Herzkrankheit und sei kaum in der Lage, ihren Haushalt zu bestreiten durch ständige Atemnot und Angstzustände. Aufgrund der Rheumaerkrankung könne sie den linken Arm gar nicht mehr bewegen und trage jede Nacht Verbände mit Voltaren um die Handgelenke, um diese am nächsten Morgen wieder halbwegs bewegen zu können. Durch die permanenten Schmerzen habe sie keine Nacht mehr als 3 Stunden Schlaf. Da ihre Leberwerte ebenso in einem desolaten Zustand seien, könne sie sich nicht unbegrenzt mit Medikamenten und Schmerzmitteln vollpumpen.

Das SG hat den Allgemeinmediziner B. und den Arzt für Innere Medizin, Kardiologie, Dr. P., schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen.

Der Allgemeinmediziner B. hat mit Schreiben vom 25.07.2012 darauf hingewiesen, dass seit 31.01.2012 nur noch gelegentliche Behandlungen wegen der bekannten Erkrankungen erfolgten. Er schätze den GdB auf 60 ein. In Bezug auf das Rheuma sei eine Verschlimmerung eingetreten, laborchemisch sei eine erhöhte Aktivität der rheumatischen Erkrankung nachweisbar. Die Veränderung sei seit Anfang Juli 2012 feststellbar. Aktuell klage die Klägerin vermehrt über Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule (HWS) sowie der rechten Schulter und des rechten Armes. Seit Januar 2012 seien außer den am 12.03. und 06.07.2012 durchgeführten Labortests keine weiteren fachärztlichen Untersuchungen erfolgt.

Dr. P. hat in seinem Schreiben vom 29.07.2012 lediglich zwei Behandlungstermine im August 2005 und am 09.06.2010 genannt, im Jahr 2012 habe kein Patientenkontakt stattgefunden. Bei der Untersuchung im Juni 2010 habe die Klägerin über eine Belastungsdyspnoe bei stärkerer Belastung sowie unspezifische thorakale Beschwerden geklagt. Die Mitralstenose sei als mittelgradig einzustufen. Es bestehe keine hämodynamisch relevante Aortenisthmusstenose, hingegen eine gute Ventrikelfunktion und insgesamt kein interventionsbedürftiger Befund. Die sich ergebende Einschränkung der Belastbarkeit durch Mitralstenose sei als geringgradig einzustufen. Für die Belastbarkeit spiele die Aortenisthmusstenose und auch die aufgeweitete Aorta im Alltag keine Rolle. Lediglich das Tragen schwerer Lasten sollte vermieden werden. Die zwischenzeitlich im März 2011 erfolgte invasive Diagnostik im Universitätsklinikum Tübingen und die dort erhobenen Befunde deckten sich von ihrer funktionellen Bedeutung mit seiner Einschätzung vom Juni 2010.

Die Klägerin hat den Befundbericht des PD Dr. S., S.-K. B. W., Gelenk- und Rheumazentrum Baden-Württemberg, vom 07.09.2012 vorgelegt, in dem ausgeführt wird, eindeutige Hinweise für eine entzündliche Aktivität der undifferenzierten Spondarthritis hätten auch diesmal nicht gefunden werden können. Im außerdem vorgelegten Befundbericht des Dr. P. vom 23.09.2012 wird die Aorta ascendens mit 42 mm angegeben und zum durchgeführten Belastungs-EKG ausgeführt, dass eine Belastung je 2 min bei 50 und kurz 75 Watt im Sitzen erfolgt sei, Abbruch wegen Dyspnoe, Blutdruckanstieg von 110/60 auf 120/70 mmHg, maximale Herzfrequenz 153/min, keine Angina pectoris-Beschwerden, keine signifikante Ischämiezeichen. Echokardiographisch sei die Aorta ascendens nur leicht extaktisch, ein Interventionsbedarf bestehe nicht. Ein Aortenvitium bestehe ebenfalls bei bicuspider Aortenklappe nicht, das Mitralvitium sei unverändert als mittelschwer einzustufen, die Öffnungsfläche liege bei 1,6 cm². Im Moment bestehe kein Handlungsbedarf. Verglichen mit den Vorbefunden aus Tübingen, wo Ende letzten Jahres eine invasive Diagnostik erfolgt sei, bestehe kein relevanter Befundwandel.

Im vorgelegten radiologischen Bericht des Dr. J., Kreisklinikum C.-N., vom 28.09.2012 wird im Hinblick auf das am 25.09.2012 durchgeführte NUK-Ganzkörperszintigramm ausgeführt, es bestehe eine umschriebene frühe und späte Mehrspeicherung im Bereich der rechten Handwurzel auf der Ulnarseite, unspezifischer Monarthritis-Befund, ansonsten keine Arthritiszeichen der großen und kleinen Gelenke, geringe späte Mehrspeicherungen der Fußwurzel beidseits sowie geringe, ersten degenerative Mehrspeicherungen der HWS im cervico-thorakalen Übergang.

Sodann hat das SG bei Dr. C., Leitender Oberarzt der Klinik für Endoprothetik und Gelenkchirurgie, S. Gelenk- und Rheumazentrum Baden-Württemberg, das fachorthopädische Gutachten vom 04.03.2013 eingeholt. Dieser hat nach ambulanter klinischer und radiologischer Untersuchung der Klägerin am 01.02.2013 auf orthopädisch-rheumatologischem Fachgebiet folgende Gesundheitsstörungen festgestellt: Undifferenzierte Spondylarthritis, degeneratives Zervikal-Syndrom, Impingement-Syndrom linke Schulter bei einliegendem Kalkdepot, Impingement-Syndrom rechte Schulter, Arthritis rechte Handwurzel - leicht, versteiftes rechtes Daumengrundgelenk, leichte Hallux valgus-Fehlstellung und Krallenzehenbildung der zweiten Zehen mit Metatarsalgien beidseits sowie Beinverkürzung links um einen Zentimeter, Verlängerungsoperation mit Infektverlauf. Seit dem letzten bindenden Bescheid vom 30.04.1998 seien weitere Gesundheitsstörungen hinzugekommen, nämlich an den Handgelenken seit ca. 2003, an den Schultern seit ca. 2010, an den Füßen seit ca. 2011 und an der HWS seit ca. Mitte 2012. Sowohl das "entzündliche Wirbelsäulen- und Gelenkleiden" als auch die internistischen Diagnosen schienen seit 1998 stabil. Die Gesundheitsstörung an den Schultern sei mit einem Teil-GdB von 10 zu berücksichtigen, ihre Funktion sei befriedigend (Bewegungsausmaß). Die Gesundheitsstörung an den Händen und Füßen bedinge keinen messbaren GdB. Der Gesamt-GdB bleibe unverändert bei 40. Eine wesentliche Änderung mit Auswirkung auf den GdB lasse sich nicht feststellen. eine vermehrte entzündliche Aktivität des "Rheuma" könne durch die Untersuchung der Abteilung für Rheumatologie in der S. Klinik B. W. am 15.08.2012, die szintigraphische Untersuchung am 25.08.2012 sowie die Begutachtung am 01.02.2013 nicht festgestellt werden.

Die Klägerin ist mit E-mail vom 16.03.2013 dem Gutachten-Ergebnis entgegengetreten und hat geltend gemacht, bei diesem Gutachten sei eventuell ihre ruhige, besonnene Art falsch eingeschätzt worden, deshalb seien ihre Schilderungen nicht korrekt wiedergegeben worden.

Mit Urteil vom 24.04.2013 hat das SG die Klage abgewiesen, da seit dem Erlass des Bescheides vom 30.04.1998 eine wesentliche Änderung im Gesundheitszustand der Klägerin nicht eingetreten sei, vielmehr die Gesundheitsstörungen der Klägerin weiterhin einen Gesamt-GdB von 40 rechtfertigten. Hinsichtlich der Erkrankungen auf orthopädisch-rheumatologischem Fachgebiet hat sich das SG der Einschätzung des Sachverständigen Dr. C. angeschlossen und einen Teil-GdB von 30 bei guter Beweglichkeit der Wirbelsäule sowie der oberen und unteren Extremitäten und dem Nichtvorliegen einer entzündlichen Aktivität der Erkrankung für leidensgerecht gehalten. Von den neu hinzugekommenen Gesundheitsstörungen auf orthopädischem Fachgebiet bedinge lediglich die Funktionsstörung an den Schultergelenken einen Teil-GdB von 10, der jedoch bei der Bildung des Gesamt-GdB nicht relevant sei. Die auf internistischem Fachgebiet bestehenden Erkrankungen wiesen keine Verschlimmerung auf. Die von der Klägerin geltend gemachte Erweiterung der Aorta sei nicht nachgewiesen. Die weiteren bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen, namentlich die Fettstoffwechselstörung, die Sehminderung beidseits und die depressive Verstimmung rechtfertigten für sich genommen keinen höheren GdB als 10. Leichte Gesundheitsstörungen mit einem Teil-GdB von lediglich 10 führten, von hier nicht vorliegenden Ausnahmefällen abgesehen, nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, und zwar auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestünden. Das SG hat daher den Gesamt-GdB ausgehend von Teil-GdB-Werten von 30, 20, 10 und 10 mit 40 bewertet.

Gegen das ihr am 30.04.2013 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 02.05.2013 per E-mail sowie nach erfolgtem Hinweis durch den Berichterstatter per Telefax am 10.05.2013 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie über ihr bisheriges Vorbringen hinaus geltend gemacht, sich ab dem 14.06.2013 aufgrund der psychischen Erkrankung in ambulante Behandlung bei Dr. G. zu begeben.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. April 2013 und den Bescheid vom 31. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Juni 2012 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Bescheid vom 30.04.1998 abzuändern und den Grad der Behinderung bei ihr mit 50 seit 24. Oktober 2011 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hat darauf hingewiesen, dass berufliche Beeinträchtigungen bei der Feststellung des GdB nicht zu berücksichtigen seien. Die kardiale Situation sei Gegenstand der versorgungsärztlichen Überprüfung vom 20.11.2012 gewesen. Nach den vom Kardiologen Dr. P. mitgeteilten Befunden habe sich kein Anhalt für eine höhergradige Beeinträchtigung ergeben. Da das fachorthopädische Gutachten des Dr. C. vom 04.03.2013 keine wesentliche Änderung auf orthopädisch-rheumatologischem Fachgebiet habe bestätigen können, finde das Berufungsbegehren im objektiven medizinischen Sachverhalt keine Stütze.

Die Klägerin hat den vorläufigen Entlassungsbericht der Assistenzärztin Dr. E., S. Gelenk- und Rheumazentrum B.-W., Klinik für Endoprothetik und Gelenkchirurgie, vom 02.05.2013 vorgelegt. Danach ist im Rahmen einer vom 30.04. bis 02.05.2013 erfolgten stationären Behandlung aufgrund der diagnostizierten Tendinitis calcarea SSP linke Schulter am 30.04.2013 eine Arthroskopie und arthroskopische Kalkteilexczerpation der linken Schulter durchgeführt worden.

Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten den Sach- und Streitstand im Rahmen eines Erörterungstermins vom 30.07.2013 erörtert und hier unter anderem darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der psychischen Beeinträchtigungen ein nicht nur vorübergehender Zustand bislang nicht erwiesen sei. Da sowohl hinsichtlich der internistischen Gesundheitsstörungen als auch der orthopädisch-rheumatischen Erkrankungen keine Veränderungen im Sinne einer wesentlichen Verschlimmerung eingetreten sei und die hinzugekommenen orthopädischen Gesundheitsstörungen den Gesamt-GdB nicht beeinflussen dürften, sei die Berufung wohl nicht erfolgreich. Es sei beabsichtigt, über die Rechtssache im Beschlusswege nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden, da auch eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten werde. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Die Klägerin hat anschließend noch den nicht unterschriebenen Kurzarztbrief des Universitätsklinikums Tübingen, Kardiologie, zur Untersuchung vom 20.08.2013 vorgelegt. Darin wird ausgeführt, dass die Untersuchungen einen stabilen Befund im Hinblick auf die bikuspide Aortenklappe, die Aortenismusstenose, den operativen Verschluss des persistierenden Ductus arteriosus botali und das kombinierte Mitralklappenvitium gezeigt habe. Die Klägerin habe über vermehrte Dyspnoe in den letzten Monaten berichtet.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die vorgelegte Behördenakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat entscheidet über die Berufung nach § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss, weil die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Den Beteiligten ist im Erörterungstermin des Berichterstatters Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Verfahrensweise gegeben worden. Zudem ist die Klägerin darauf hingewiesen worden, dass die Berufung wenig aussichtsreich erscheint (vgl. BSG SozR 3-1500 § 153 Nr. 9).

Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere statthafte Berufung (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 SGG) ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 31.01.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2012 ist rechtlich nicht zu beanstanden, denn die Klägerin hat keinen Anspruch auf Abänderung des Bescheides vom 30.04.1998 und Neufeststellung des GdB.

Rechtsgrundlage für die seitens der Klägerin begehrte Neufeststellung des GdB ist § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Wesentlich ist eine Änderung dann, wenn sich der GdB um wenigstens 10 erhöht oder vermindert. Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, SozR. 1300 § 48 SGB X Nr. 29 m. w. N.). Dagegen ergibt sich aus der Änderung oder dem Hinzutreten weiterer Behinderungen allein keine wesentliche Änderung des ursprünglichen Bescheids. Denn weder die einzelnen Behinderungen noch die hierfür angesetzten Teil-GdB-Sätze gehören zum sogenannten Verfügungssatz des Bescheides und erwachsen daher nicht in Bindungswirkung (BSG, Urteil vom 10.09.1997 - 9 RVs 15/96 -, BSGE 81, 50). Das Vorliegen einer oder mehrerer neuer Behinderungen begründet einen Anspruch auf Abänderung des ursprünglichen Bescheids nur dann, wenn sich hieraus eine Erhöhung des Gesamt-GdB ergibt. Ob eine wesentliche Änderung in diesem Sinne eingetreten ist, muss durch einen Vergleich des gegenwärtigen Zustandes mit dem bindend festgestellten - früheren - Behinderungszustand ermittelt werden. Maßgeblich ist insoweit der letzte Feststellungsbescheid, hier der Bescheid vom 30.04.1998.

Der Anspruch der Klägerin auf Feststellung eines GdB richtet sich nach den am 01.07.2001 in Kraft getretenen Vorschriften des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) vom 19.06.2001 (BGBl. I S. 1046), zuletzt geändert durch Gesetz vom 05.08.2010 (BGBl. I S. 1127). Nach § 69 Abs. 1 S. 1 SGB IX stellen auf Antrag des behinderten Menschen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Menschen sind nach § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach 10er Graden abgestuft festgestellt. Hierfür gelten gem. § 69 Abs. 1 S. 4 und 5 SGB IX die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG (bis 30.06.2011 § 30 Abs. 17 BVG) erlassenen Rechtsverordnung entsprechend. Von dieser Ermächtigung hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales Gebrauch gemacht und die am 01.01.2009 in Kraft getretene Versorgungsmedizin-Verordnung - Vers.MedV - vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2412) erlassen, um u.a. die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG zu regeln (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Stands der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellten und fortentwickelten, Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31.12.2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird ebenso wie in den AHP der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 01.09.1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR. 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den behinderten Menschen nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.

Liegen - wie im Falle der Klägerin - mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 69 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet (vgl. hierzu und zum Folgenden: VG, Teil A, Nr. 3). Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und in wieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zu einander können unterschiedlich sein: Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung kann die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber auch nicht verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.

Der Gesamt-GdB ist unter Beachtung der VG nicht nach starren Beweisregeln, sondern auf Grund richterlicher Erfahrung unter Hinzuziehung der Sachverständigen-Gutachten in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (BSG, Urteil vom 11.11.2004 - B 9 SB 1/03 R -, zit. n. juris).

Unter Zugrundelegung dieser Voraussetzungen steht der Klägerin kein Anspruch auf Neufeststellung des GdB zu. Denn die Höhe des Gesamt-GdB hat sich seit der letzten maßgeblichen Feststellung durch Bescheid vom 30.04.1998 (GdB 40) nicht wesentlich geändert, obwohl weitere Funktionseinschränkungen hinzu gekommen sind.

Der Schwerpunkt der Erkrankung liegt bei der Klägerin auf orthopädisch-rheumatologischem Fachgebiet, was auch ihrer eigenen Gewichtung entspricht (vgl. Gutachten Dr. C., S. 6). Bei den entzündlich-rheumatischen Krankheiten sind unter Beachtung der Krankheitsentwicklung neben der strukturellen und funktionellen Einbuße die Aktivität mit ihren Auswirkungen auf den Allgemeinzustand und die Beteiligung weiterer Organe zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt für Kollagenosen und Vaskulitiden (VG Teil B Nr. 18.1). Die Klägerin leidet an einer undifferenzierten Spondylarthritis, die 1989 erstmals diagnostiziert und u. a. durch den Sachverständigen Dr. C. bestätigt worden ist.

Entzündlich-rheumatische Krankheiten (z.B. Bechterew-Krankheit) ohne wesentliche Funktionseinschränkung mit leichten Beschwerden bedingen einen GdB von 10, mit geringen Auswirkungen (leichtgradige Funktionseinbußen und Beschwerden, je nach Art und Umfang des Gelenkbefalls, geringe Krankheitsaktivität) einen GdB von 20 - 40 und mit mittelgradigen Auswirkungen (dauernde erhebliche Funktionseinbußen und Beschwerden, therapeutisch schwer beeinflussbare Krankheitsaktivität) einen GdB 50 - 70 (VG Teil B Nr. 18.2.1). Der Beklagte hat im Bescheid vom 30.04.1998, wie bereits zuvor im Bescheid vom 11.02.1991, für das entzündliche Gelenk- und Wirbelsäulenleiden einen Teil-GdB von 30 vergeben und ist somit von nur leichtgradigen Funktionseinbußen und Beschwerden und einer geringen Krankheitsaktivität ausgegangen. Diese Einschätzung entspricht nach wie vor den medizinischen Befunden und ist immer noch leidensgerecht. Dies ergibt sich zur Überzeugung des Senats aus dem von Amts wegen bei Dr. C. eingeholten, in sich schlüssigen und widerspruchsfreien Gutachten, der keine Änderung insoweit hat feststellen können, sondern das entzündliche Wirbelsäulen- und Gelenkleiden seit 1998 für stabil gehalten hat. Zwar hat der Allgemeinmediziner Bauer in seiner Zeugenauskunft eine Verschlimmerung der Rheumaerkrankung behauptet und eine erhöhte Aktivität der rheumatischen Erkrankung für nachweisbar gehalten. Dem steht jedoch entgegen, dass eine vermehrte entzündliche Aktivität des Rheumas durch die Untersuchung in der Abteilung für Rheumatologie in der SANA Klinik B. W. am 15.08.2012, das am 25.09.2012 im Kreisklinikum C.-N. durchgeführte NUK-Ganzkörperszintigramm und die Untersuchung des Sachverständigen Dr. C. nicht nachzuweisen war. Fehlt es an eindeutigen Hinweisen für eine entzündliche Aktivität, ist das von der Klägerin geäußerte hohe Schmerzempfinden in diesem Ausmaß nicht nachvollziehbar, worauf der Sachverständige Dr. C. ebenfalls hingewiesen hat, zumal die Umfänge an Armen und Beinen auf gleichmäßigen Gebrauch schließen ließen und eine medikamentöse Behandlung der Spondylarthritis nicht stattfindet. Auch das Ausmaß der durch die Rheumaerkrankung bedingten Funktionseinbußen rechtfertigt keinen höheren Teil-GdB als 30. So war bei der klinischen Untersuchung durch Dr. C. die Rumpfwirbelsäule (LWS und BWS) frei beweglich, der Fußboden konnte mit den Fingerspitzen erreicht werden, lediglich die Rotation und Seitneigung war zu etwa ein Drittel eingeschränkt. Die Beweglichkeit der HWS war auf ca. ein Drittel eingeschränkt, Rotation und Seitneigung betrugen jeweils 30 Grad. Die Schulterbeweglichkeit war trotz schmerzbedingter Kraftminderung fast vollständig erhalten. Die von der Klägerin als Hauptbeschwerden bezeichneten Schulterbeschwerden dürften ohnehin weniger der Rheumaerkrankung als dem beidseitigen Impingementsyndrom sowie dem - mittlerweile operativ beseitigten - einliegenden Kalkdepot in der linken Schulter zuzuschreiben sein. Die Ellenbogen- und Handgelenke waren frei beweglich, auch an den Händen fanden sich keine Auffälligkeiten mit Ausnahme des im Grundgelenk versteiften rechten Daumens. Die Hüftgelenke waren beidseits gut beweglich, wenn auch mit Schmerzangabe, lediglich die Innenrotation links war eingeschränkt. Die Knie- und Sprunggelenke waren in der Beweglichkeit nicht eingeschränkt. Der auffälligste orthopädische Befund bestand somit seit ca. Mitte 2012 an der HWS, die eine deutliche Einschränkung in der Beweglichkeit zeigte. Da Wirbelsäulenschäden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt mit einem GdB von 20 und mit schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt mit einem GdB von 30 zu bewerten sind (VG Teil B Nr. 18.9) und der Sachverständige Dr. C. das degenerative Cervicalsyndrom für mittelgradig gehalten hat, hält der Senat auch unter Berücksichtigung dieser Funktionseinschränkung im Rahmen der entzündlich-rheumatischen Erkrankung und der leichten Arthritis an der rechten Handwurzel eine höhere Bewertung für nicht gerechtfertigt.

Seit ca. 2010 leidet die Klägerin darüber hinaus an beidseitigen Schulterbeschwerden, die jedoch keinen höheren Teil-GdB als 10 bedingen. Bewegungseinschränkungen des Schultergelenks (einschließlich Schultergürtel) mit Armhebung nur bis zu 120 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit sind mit einem GdB von 10, mit Armhebung nur bis zu 90 Grad mit entsprechender Einschränkung der Dreh- und Spreizfähigkeit mit einem GdB von 20 zu bewerten. Im Rahmen der klinischen Untersuchung durch Dr. C. war die Klägerin in der Lage beide Arme auf 160 Grad anzuheben bei einer Abspreizfähigkeit von 170 Grad (rechts) bzw. 160 Grad (links) und einer Drehfähigkeit auswärts/einwärts von 50/0/80 Grad beidseits. Ein Teil-GdB von 10 lässt sich hier daher nur unter zusätzlicher Berücksichtigung des schmerzverursachenden beidseitigen Impingementsyndroms begründen.

Die Versteifung des Daumengrundgelenks, die Dr. C. als geringfügig erachtet hat, bedingt ebenso wie die seit 2011 bestehende beidseitige nicht mit Funktionsbeeinträchtigungen einhergehende Hallux valgus-Fehlstellung und die Krallenzehenbildung der zweiten Zehe mit Metatarsalgien keinen messbaren GdB (vgl. VG Teil B Nr. 18.14).

Für das Funktionssystem Herz-Kreislauf beträgt der Teil-GdB unverändert 20.

Aufgrund des von Dipl. med. D. am 26.05.1997 erstmals diagnostizierten kombinierten Mitralklappenvitiums mit einer leicht- bis maximal mittelgradigen Mitralklappenstenose und einer leichtgradigen Mitralklappeninsuffizienz hat der Beklagte nach Einholung der versorgungsärztlichen Stellungnahme des Dr. K. hierfür einen Teil-GdB von 20 vergeben. Eine Änderung im Sinne einer Verschlechterung dieses kardiologischen Befundes ist bis heute nicht eingetreten. Dies ergibt sich für den Senat aus dem Befundbericht des Kardiologen D. vom 08.04.2005, der aufgrund des fahrradergometrischen Belastungstests zu diesem Zeitpunkt keinen Hinweis für eine bestehende koronare Herzerkrankung gefunden hat und hinsichtlich des echokardiographisch nachweisbaren unveränderten Mitralklappenvitiums keine Befundprogression feststellen konnte. In seiner schriftlichen Zeugenaussage vom 29.07.2012 hat der Kardiologe Dr. P. bezogen auf die bei ihm erfolgte letzte Untersuchung am 09.06.2010 das Vorliegen einer mittelgradigen Mitralstenose bestätigt und die sich hieraus ergebende Einschränkung der Belastbarkeit als geringgradig eingestuft. Die außerdem bestehende Aortenisthmusstenose ist hämodynamisch nicht relevant bei guter Ventrikelfunktion, sodass sie ebenso wie die von Dipl. med. D. erkannte aufgeweitete Aorta für die Belastbarkeit im Alltag keine Rolle spielt. Die am 23.08.2011 erfolgte invasive Diagnostik im Universitätsklinikum Tübingen ergab nach wie vor keinen veränderten kardiologischen Befund. Dr. P. hat darauf hingewiesen, dass sich die dort erhobenen Befunde von ihrer funktionellen Bedeutung mit seiner Einschätzung decken. In seinem weiteren Befundbericht vom 23.09.2012 hat Dr. P. wiederum keinen relevanten Befundwandel feststellen können und auch der letzte kardiologische Befundbericht des Universitätsklinikums Tübingen vom 20.08.2013 beschreibt einen stabilen Befund im Hinblick auf die bikuspide Aortenklappe, die Aortenisthmusstenose, den operativen Verschluss des Ductus arteriosus botali und das kombinierte Mitralklappenvitium. Mithin entspricht der Zustand insoweit noch der 1997 festgestellten und im Bescheid vom 30.04.1998 berücksichtigten Herzerkrankung.

Für die Bemessung des GdB ist weniger die Art einer Herz- oder Kreislaufkrankheit maßgeblich als die Leistungseinbuße. Bei der Beurteilung des GdB ist zunächst von dem klinischen Bild und von den Funktionseinschränkungen im Alltag auszugehen. Ergometerdaten und andere Parameter stellen Richtwerte dar, die das klinische Bild ergänzen. Elektrokardiographische Abweichungen allein gestatten keinen Rückschluss auf die Leistungseinbuße (VG Teil B Nr. 9).

Eine Herzkrankheit ohne wesentliche Leistungsbeeinträchtigung (keine Insuffizienzerscheinungen wie Atemnot, anginöse Schmerzen) selbst bei gewohnter stärkerer Belastung (z.B. sehr schnelles Gehen [7-8 km/h], schwere körperliche Arbeit), keine Einschränkung der Solleistung bei Ergometerbelastung ist mit einem GdB von 0 - 10, mit Leistungsbeeinträchtigung bei mittelschwerer Belastung (z.B. forsches Gehen [5-6 km/h], mittelschwere körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 75 Watt (wenigstens 2 Minuten) mit einem GdB von 20 - 40, mit Leistungsbeeinträchtigung bereits bei alltäglicher leichter Belastung (z.B. Spazierengehen [3-4 km/h], Treppensteigen bis zu einem Stockwerk, leichte körperliche Arbeit), Beschwerden und Auftreten pathologischer Messdaten bei Ergometerbelastung mit 50 Watt (wenigstens 2 Minuten) mit einem GdB von 50 - 70 zu bewerten.

Anlässlich des im Jahr 2005 durchgeführten fahrradergometrischen Belastungstests vermochte Dipl. med. D. keinen Hinweis für eine koronare Herzerkrankung zu erkennen, sodass insoweit von einer kardiologisch bedingten Leistungseinbuße nicht auszugehen ist. Anlässlich des bei Dr. P. am 23.09.2012 erfolgten Belastungs-EKG war die Klägerin in der Lage, mit 50 Watt über zwei Minuten und kurz mit 75 Watt belastet zu werden. Mithin hat die Klägerin zwar eine Leistungsbeeinträchtigung gezeigt, die sie auch im Rahmen ihrer anamnestischen Angaben und im Verwaltungs- und gerichtlichen Verfahren immer wieder betont hat. Diese Leistungseinbuße kann jedoch jedenfalls nicht vollständig der Herzerkrankung angelastet werden. Denn die Klägerin hat den Belastungstest wegen Atemnot und nicht wegen pathologischer Messdaten abgebrochen. Dass nicht eine Leistungseinschränkung des Herzens, sondern eher Trainingsmangel für die reduzierte körperliche Belastbarkeit verantwortlich ist, ergibt sich auch aus dem geringen Blutdruckanstieg während des Belastungstests von 110/60 mmHg auf 120/70 mmHg und dem Umstand, dass weder Angina pectoris-Beschwerden noch signifikante Ischämiezeichen aufgetreten sind. Nachdem Dr. P. unverändert bis zur letzten Untersuchung am 23.09.2012 die sich aus der Mitralstenose ergebende Einschränkung der Belastbarkeit als geringgradig eingestuft hat, während die Aortenisthmusstenose und die aufgeweitete Aorta für die Belastbarkeit überhaupt keine Rolle spielt, und das klinische Bild und die Funktionseinschränkungen im Alltag für die GdB-Bewertung vorrangig, Ergometerdaten dagegen lediglich ergänzend heranzuziehen sind, ist zur Überzeugung des Senats ein höherer Teil-GdB als 20 für die kardiologische Funktionsbeeinträchtigung nicht zu begründen.

Die arterielle Hypertonie ist unter medikamentöser Therapie gut eingestellt, wie sich aus den Messdaten des Allgemeinmediziners Bauer in dessen Zeugenauskunft vom 25.07.2012 ergibt. Die dort ebenfalls diagnostizierte Hyperlipoproteinämie Typ IIa weist trotz der in den Labortests vom 12.03. und 06.07.2012 festgestellten leicht erhöhten Cholesterinwerte keine Folgekrankheiten auf und bedingt daher keinen Teil-GdB (VG Teil B Nr. 15.3). Dies gilt auch hinsichtlich des augenärztlichen Befundes. Die Sehbehinderung umfasst alle Störungen des Sehvermögens. Für die Beurteilung ist in erster Linie die korrigierte Sehschärfe maßgebend; daneben sind u. a. Ausfälle des Gesichtsfeldes und des Blickfeldes zu berücksichtigen (VG Teil B Nr. 4). Eine Sehstörung wurde bei der Klägerin zuletzt am 12.01.2006 mit Visus rechts 0,5 und links 0,5 gemessen. Da diese Messung jedoch ohne Korrektur erfolgt ist, ist sie für die GdB-Bewertung nicht maßgeblich. Selbst wenn aber dieser Wert zugrunde gelegt werden könnte, ergäbe sich hieraus kein höherer Teil-GdB als 10. Die von Dr. B. erstmals im Jahr 2002 genannte wiederholt auftretende Regenbogenhautentzündung ist nach o. g. Voraussetzungen grundsätzlich nicht GdB-relevant. Zudem hat Dr. B. die funktionellen Einschränkungen hierdurch für lediglich diskret eingestuft.

Soweit die Klägerin eine psychische Erkrankung geltend gemacht hat, fehlt es bislang an einer entsprechenden Diagnostik. Auch der behandelnde Hausarzt Bauer hat in seiner Zeugenauskunft vom 25.07.2012 keinen entsprechenden Befund genannt. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin zwar geltend gemacht, sich ab dem 14.06.2013 aufgrund der psychiatrischen Erkrankung in ambulante Behandlung zu begeben. Der GdB setzt indes eine nicht nur vorübergehende und damit eine über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten sich erstreckende Gesundheitsstörung voraus (VG Teil A Nr. 2 f). Anhaltspunkte dafür, dass bei der Klägerin, die ausweislich ihrer Angaben bei der Untersuchung durch Dr. C. seit über 20 Jahren eine kaufmännische Tätigkeit im IT-Bereich bei der Firma IBM vollschichtig, bei Quartals- und Jahresabschlüssen bis zu 12 Stunden täglich, ausübt und im Jahr 2012 lediglich eine Woche arbeitsunfähig gewesen ist, im Funktionssystem Gehirn einschließlich Psyche eine derartige nicht nur vorübergehende Gesundheitsstörung vorliegt, lassen sich aus den vorliegenden medizinischen Unterlagen nicht entnehmen.

Ausgehend von der durch die orthopädisch-rheumatische Erkrankung bedingten und mit einem Teil-GdB von 30 zu bewertenden Funktionsbeeinträchtigung war der Gesamt-GdB auf 40 wegen der von der Herzerkrankung ausgehenden Funktionsbeeinträchtigung anzuheben. Die durch die Schultererkrankung bedingte nur leichte Funktionsbeeinträchtigung (Teil-GdB 10) führt hingegen nicht zu einer Zunahme der Gesamtbeeinträchtigung und kann daher nicht eine weitere Anhebung des Gesamt-GdB begründen. Dies würde auch für den Fall gelten, dass die Sehstörung nach Korrektur beidseits einen Visus von 0,5 aufweist bzw. nicht korrigierbar ist (VG Teil A Nr. 3 d ee).

Die Berufung der Klägerin war nach alledem zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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