L 8 U 3254/12

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 7492/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 3254/12
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. Juni 2012 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines Bizepssehnenrisses mit Schmerzereignisses vom 25.08.2010 als Arbeitsunfall streitig.

Der 1967 geborene Kläger ist seit 17.05.1999 bei der E. H. GmbH als Polier tätig. Am 25.08.2010 gegen 8:30 Uhr war der Kläger mit Hilfe eines Krans mit dem Abladen eines LKWs beschäftigt. Dabei kippte eine mit Steinen beladene Palette gegen eine weitere auf dem LKW befindliche mit Steinen beladene Palette. Dadurch stieß auch die bereits an dem Kran hängende Palette gegen den Kläger, der dahinter gestanden hatte und versucht hatte, die Palette mit den Armen aufzuhalten. Nach eigenen Angaben verspürte der Kläger dabei keinen Schmerz. Alsdann kletterte er auf den LKW um die gekippte Palette wieder auszurichten. Dabei rutschte er zunächst auf der Ladefläche aus und fiel hin. Nach dem Aufstehen versuchte der Kläger erneut, die gekippte Palette zurückzukippen. Dabei verspürte bzw. hörte er nach eigenen Angaben ein Reißen im Bereich der rechten Schulter bzw. der Bizepssehne und Schmerzen (Schilderung des Klägers am 19.12.2010, vgl. Blatt 43/46 der Senatsakte; Unfallanzeige vgl. Blatt 11 der Beklagtenakte).

Der Kläger begab sich unmittelbar darauf zum Orthopäden Dr. S. (Durchgangsarztbericht vom 25.08.2010 vgl. Blatt 1 der Beklagtenakte), der eine lange Bizepssehnenruptur rechts feststellte. Noch am 25.08.2010 wurde die Behandlung des Klägers in der S. S. fortgesetzt (Nachschaubericht vom 25.08.2010 und 26.08.2010 vgl. Blatt 2, 3 der Beklagtenakte). Am 02.09.2009 erfolgte die Operation der rechten Schulter zur Refixation der Bizepssehne mittels Schraube (Op-Bericht vom 02.09.2009, vgl. Blatt 9 der Beklagtenakte, Entlassungbericht vom 05.09.2010 vgl. Blatt 12 RS der Beklagtenakte); der Kläger war in der Folge arbeitsunfähig erkrankt jedenfalls bis 20.09.2010 (Blatt 14 der Beklagtenakte, zugleich Vorerkrankungsverzeichnis der IKKClassic).

Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Oberärztin Dr. L. von der S. S. mit Schreiben vom 13.09.2010 mit (Blatt 12 der Beklagtenakte), aufgrund der Unfallanamnese und nach Auswertung des histologischen Befundberichts komme sie zu der Auffassung, dass das vom Kläger geschilderte Ereignis vom 25.08.2010 nicht rechtlich wesentlich geeignet gewesen sei, eine proximale Bizepssehnenruptur hervorzurufen. Es fehlten ein von außen wirkendes Kraftereignis, akute traumatische Verletzungsfolgen im MRT und im histologischen Befundbericht seien mittelgradige bis schwergradige degenerative Veränderungen und ein unregelmäßiger Faserverlauf zu erkennen. Außerdem sei der Kläger aktiver Kraftsportler (beigefügt war der histologische Befundbericht vom 07.09.2010 Blatt 13 RS der Beklagten-Akte) und der Kernspintomographie-Bericht der rechten Schulter vom 26.08.2010 (Blatt 23 der Beklagtenakte).

Mit Bescheid vom 29.09.2010 (Blatt 22 der Beklagtenakte) lehnte die Beklagte die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Zwischen der Ruptur der langen Bizepssehne und dem Ereignis vom 25.08.2010 bestehe kein ursächlicher Zusammenhang. Ein eigentliches Unfallereignis habe nicht stattgefunden. Den hiergegen am 12.10.2010 erhobenen Widerspruch des Klägers (Blatt 25 der Beklagtenakte) wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29.10.2010 (Blatt 27/28 der Beklagtenakte) zurück.

Am 01.12.2010 hat der Kläger beim Sozialgericht Stuttgart (SG) Klage erhoben, zu deren Begründung er ausführte, das Unfallereignis sei bisher nur verkürzt geschildert worden. Am Unfalltag seien Paletten mit Steinen von einem Lastwagen mithilfe eines Krans abgeladen worden. Beim Anheben der ersten Palette sei die zweite Palette von der die erste Palette überragenden Gabel des Krans teilweise mit angehoben worden. Das habe dazu geführt, dass diese Palette umgekippt sei und die Palette auf der Gabel nach vorne weggedrückt worden sei. Dabei sei der Kläger von der weggedrückten ersten Palette, auf die er die Hände gelegt habe, direkt in die Arme gestoßen worden. Dieser schmerzhafte Stoß habe ihn nach hinten umstürzen lassen. Zunächst habe er keinen Schmerz verspürt und sich in der Lage gesehen, weiter zu arbeiten. Er habe dann die umgestürzte und verkantete Palette wieder aufrichten wollen. Beim Versuch, sie nach vorne wegzuschieben sei er auf dem Untergrund ausgerutscht und erneut gestürzt. Dabei sei er mit der Schulter auf die Steine geschlagen. Beim erneuten Versuch, die Palette nach vorne zu schieben, habe er plötzlich einen starken Schmerz im rechten Arm gespürt. Durch die zweimalige Verletzung der Schulter sei es beim letzten Versuch dann zum Riss der Bizepssehne gekommen. Eine Vorerkrankung bestehe nicht.

Das SG hat gemäß § 109 SGG Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens bei Dr. J. (Blatt 62/80 der SG-Akte). In seinem Gutachten vom 30.08.2011 kam Dr. J. zu dem Ergebnis, dass der vom Kläger geschilderte Unfallmechanismus nicht geeignet sei, die Bizepssehne zu zerreißen. Auch die nach dem histologischen Befund deutlich vorgeschädigte Sehne spreche gegen eine unfallbedingte Ruptur. Der Kläger führte nun aus (Blatt 85/87 der SG-Akte), seine Schilderung, dass er beim Abladen einer Steinpalette sowie beim Zurückschieben einen plötzlichen starken Schmerz verspürt habe, reiche für die Feststellung eines Arbeitsunfalls aus. Die Beklagte trat dem mit dem Hinweis entgegen, dass die am 25.08.2010 aufgetretenen Schmerzen Folge des Risses der langen Bizepssehne seien und nicht Folge des vom Kläger geschilderten Stolperns (Blatt 95/96 der SG-Akte). Der Riss der langen Bizepssehne sei aber nicht als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 25.06.2012 abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Feststellung eines Schmerzereignisses am 25.08.2010 als Arbeitsunfall. Durch die am Arbeitsplatz aufgetretenen Belastungen sei ein Bizepssehnenriss nicht verursacht worden. Auch ein anderer Erstschaden durch das Ereignis vom 25.08.2010 sei nicht feststellbar. Bei ihm sei nach seinen Angaben lediglich ein Schmerzereignis beim Reißen der langen Bizepssehne aufgetreten. Das Reißen der langen Bizepssehne sei aber kein Arbeitsunfall, so dass das allein dadurch aufgetretene Schmerzereignis auch nicht Folge eines Arbeitsunfalls sei. Es bestehe deshalb kein Gesundheitserstschaden, so dass auch kein Arbeitsunfall anerkannt werden könne.

Gegen das seiner Prozessbevollmächtigten am 05.07.2012 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.07.2012 beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg Berufung eingelegt. Zur Bejahung eines äußeren Ereignisses sei auch das Zurückschieben oder Anheben beim Abladen einer Steinpalette mit einem Gewicht von ca. 200 kg ausreichend. Es genüge auch ein tägliches Ereignis wie Stolpern oder eine durch betriebliche Ereignisse hervorgerufene krankhafte Störung im Körperinnern. Insofern sei es nicht von Bedeutung, wenn das Drücken der Palette eine von einem willentlich gesteuerten Bewegungsablauf unter muskulärer Anspannung gesteuerten Ablauf handele. Es komme für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls auch nicht darauf an, ob die Sehne degenerativ vorgeschädigt sei.

Der Kläger beantragt sinngemäß, das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 25.06.2012 und der Bescheid der Beklagten vom 29.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.10.2010 aufzuheben und festzustellen, dass er am 25.08.2010 einen Arbeitsunfall mit Riss der langen Bizepssehne, hilfsweise mit Eintritt eines Schmerzereignisses, erlitten hat.

Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegengetreten und hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Die medizinischen Unterlagen belegten, dass der Kläger am 25.08.2010 keinen traumatischen Bizepssehnenriss erlitten habe. Auch ein anderer gesundheitlicher Erstschaden sei nicht nachweisbar.

Die Sach- und Rechtslage wurde mit den Beteiligten in einem Termin am 19.12.2012 erörtert (zum Inhalt und Ergebnisses des Termins vgl. die Niederschrift auf Blatt 43/46 der Senatsakte). Dabei hat der Kläger klargestellt, dass es ihm weiterhin um die Anerkennung des Risses der langen Bizepssehne als Folge eines Arbeitsunfalls gehe. Er sei nach dem ersten Stoß nicht hingefallen, auch betreibe er keinen Kraftsport, eher gehe er zur Rückenschule.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Gutachtens bei Prof. Dr. L. (Blatt 54/73 der Senatsakte). In seinem nach Aktenlage erstellten Gutachten vom 01.02.2013 hat Prof. Dr. L. auch die vom Senat beigezogene CD mit Röntgenbildern der rechten Schulter vom 25.08.2010 und MRT Aufnahmen vom 26.08.2010 (Anlage zu Blatt 49 der Senatsakte) ausgewertet und ist zu dem Ergebnis gekommen, es sei mit hoher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, dass sowohl eine erkennbare Läsion der Rotatorenmanschette als auch die Läsion der langen Bizepssehne überwiegend auf alterungs- und verschleißbedingte Veränderungen zurückzuführen sei und nicht durch das Ereignis vom 25.08.2010 maßgeblich verursacht worden sei. Der vom Kläger im Erörterungstermin geschilderte Unfallhergang spreche für eine willkürliche, wenn auch ungewöhnliche Kraftanstrengung und entspreche damit nicht der Definition eines geeigneten Unfalls mit überfallartiger, unkontrollierter Gewalteinwirkung von außen. Auch der medizinische Befund lasse sich mit einer traumatischen Zerreißung der Supraspinatussehne nicht vereinbaren. Mit hoher Wahrscheinlichkeit sei auch anzunehmen, dass es anlässlich des Ereignisses am 25.08.2010 zu einer Kontinuitätsunterbrechnung der langen Bizepssehne gekommen sei, das Ereignis jedoch als Anlassgeschehen bewertet werden müsse. Die durch den Anlass verursachte Verletzung sei als Schulterzerrung zu bezeichnen, die nach allgemeiner Erfahrung nach sechs Wochen ausgeheilt sei. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 21.10.2013 (Blatt 85 der Senatsakte) hat Prof. Dr. L. die Schulterzerrung als ein an den Verletzungsmechanismus orientierte unspezifische Dehnung oder Distorsion, "die auch bei dem von dem Untersuchten geschilderten Verletzungshergang anzunehmen" sei, beschrieben.

Einem vom Senat vorgeschlagenen Vergleich über die Anerkennung eines Schmerzereignisses als Unfallfolge (Blatt 79 der Seantsakte) hat zwar der Kläger (Blatt 81 der Senatsakte) zugestimmt, die Beklagte (Blatt 82 der Senatsakte) hat ausgeführt, das streitige Ereignis stelle keinen Arbeitsunfall dar. Soweit Prof. Dr. L. die durch den Anlass verursachte Verletzung als Schulterzerrung bezeichne, sei weder ein Erstschaden belegt noch der Unfallhergang endgültig geklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG) über die Berufung des Klägers entscheiden, nachdem die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt hatten und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich erscheint.

Die gemäß § 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 SGG zulässig, aber unbegründet.

Das SG hat die Klage betreffend die Anerkennung des Bizepssehnenrisses zu Recht abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 29.09.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 29.10.2010 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Er hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung von Unfallfolgen der Ereignisse vom 25.08.2010.

Das SG hat die für die Entscheidung des Rechtsstreits maßgeblichen Rechtsvorschriften und Rechtsgrundsätze zutreffend dargestellt. Der Senat konnte jedoch unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers und der medizinischen Befunde, einschließlich der Gutachten von Dr. J. und Prof. Dr. L. nicht feststellen, dass das Ereignis vom 25.08.2010 im Sinne der vom SG zutreffend zitierten Rechtsprechung des BSG ursächlich gewesen ist für den vom Kläger geltend gemachten Abriss der Bizepssehne bzw. der Schmerzen.

Der Kläger weist zwar zutreffend darauf hin, dass auch ein gewöhnliches Ereignis die Voraussetzungen des § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII erfüllen kann. Insofern ist sowohl das Verschieben der Paletten als auch der Schlag in den Arm des Klägers durch die nach vorne gedrückte erste Palette dem Grunde nach geeignet, die Voraussetzungen eines plötzlichen von außen auf den Körper einwirkenden Ereignisses zu erfüllen. Die vom Kläger geschilderten Ereignisse am 25.08.2010 widerfuhren ihm auch im Rahmen seiner versicherten Tätigkeit, was auch die Beklagte nicht bestreitet.

Weiterhin lag beim Kläger ein Gesundheitsschaden vor (Riss der langen Bizepssehne, Schmerzen). Zwischen den drei für den 25.08.2010 geschilderten Ereignissen (1. Umkippen der Palette mit Schlag in den Arm des Klägers und anschließendem Sturz rückwärts, 2. erster Versuch des Verschiebens der umgekippten Palette mit anschließendem Sturz und Aufprall auf die Steine auf der Palette und 3. zweiter Versuch des Verschiebens der umgekippten Palette) und dem Riss der langen Bizepssehne bzw. den Schmerzen besteht aber kein ursächlicher Zusammenhang.

Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. stellvertretend BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, jeweils RdNr. 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 RdNr. 57 ff m. w. N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.

Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (ständige Rechtsprechung; vgl. stellvertretend zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, SozR 4 2700 § 8 Nr. 17; B 2 U 40/05 R , UV Recht Aktuell 2006, 419; B 2 U 26/04 R , UV Recht Aktuell 2006, 497; alle auch veröffentlicht in Juris).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09.05.2006 a.a.O. m.w.H.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m. w. N.).

Gegen eine traumatische Schädigung der langen Bizepssehnen sprächen zunächst die von Prof. Dr. L. und im Ergebnis auch die von Dr. J. ausführlich beschriebenen fehlenden Verletzungsfolgen, der fehlende Gelenkerguss, der auch am Folgetag bei der MRT Untersuchung nicht zu sehen war. Weiterhin spräche gegen die Ursächlichkeit der Ereignisse vom 25.08.2010 für den Riss der langen Bizepssehne, dass die vom Kläger geschilderten Unfallmechanismen ausnahmslos allenfalls als nicht geeignet für den traumatischen Riss auch einer vorgeschädigten Bizepssehne zu bezeichnen sind, wie Prof. Dr. L. ausführlich und nachvollziehbar dargelegt hat. Sofern Prof. Dr. L. die vom Kläger geschilderte Krafteinwirkung durch den Schlag auf den angewinkelten Arm als denkbaren Unfallmechanimus beschreibt, so wird aus seinen Ausführungen deutlich, dass dies lediglich eine Möglichkeit darstellt, aber nach den ihm bekannten Stimmen in der medizinischen Wissenschaft jedenfalls als nicht wahrscheinlicher Mechanismus beschrieben wird.

Nun ist der Kläger – wie er zutreffend ausgeführt hat – in der gesetzlichen Unfallversicherung aber in dem Zustand versichert, in dem er sich vor dem Unfall befand, so dass im Grundsatz auch eine traumatische Schädigung einer degenerativ vorgeschädigten Bizepssehne ein Gesundheitsschaden sein kann, der durch einen Arbeitsunfall verursacht werden kann. Jedoch lag beim Kläger nach Überzeugung des Senats zum Zeitpunkt der Ereignisse vom 25.08.2010 eine degenerativ erheblich vorgeschädigte Bizepssehne vor. Zu dieser Überzeugung gelangt der Senat nach Auswertung der ärztlichen Unterlagen aus der Verwaltungsakte und der beiden vom Sozialgericht und vom Senat eingeholten Gutachten des Dr. J. und des Prof. Dr. L. Aus diesen Unterlagen ergibt sich zunächst, dass beim Kläger – trotz des in Bezug auf Schulterbeschwerden leeren Vorerkrankungsverzeichnisses seiner Krankenkasse und seiner Angaben im Erörterungstermin vom 19.12.2012 über fehlende Beschwerden bis zum 25.08.2010 – erhebliche degenerative Vorschäden der langen Bizepssehne vorlagen. Aus der pathologischen Untersuchung der bei der Operation am 02.09.2010 entnommenen Proben der Bizepssehne zeigten sich dem Alter des Kläger mittelschwer bis schwer vorauseilende degenerative Veränderungen der Bizepssehne. Wie Prof. Dr. L. für den Senat überzeugend ausgeführt hat, waren darüber hinaus aus den Röntgen- und MRT-Bilder Veränderungen im Bereich der Schulter zu erkennen, die für eine Behinderung der Gleitbewegung der Bizepssehne und degenerative Vorschädigung derselben sprachen. Damit zeigt aber das Ausmaß der degenerativen Veränderungen an der langen Bizepssehne des Klägers – wie sowohl Dr. J. als auch Prof. Dr. L. und Dr. L. überzeugend ausgeführt haben -, dass jeder alltägliche Vorgang zu denselben Folgen, nämlich dem Riss der Bizepssehne, geführt hätte, wie die vom Kläger geschilderten Ereignisse vom 25.08.2010. Der Senat geht insoweit aufgrund des überzeugenden Gutachtens von Prof. Dr. L. in wertender Betrachtung davon aus, dass die Vorschädigung der Bizepssehne des Klägers allein wesentliche Ursache für die Bizepssehnenruptur war. Die Vorschädigung hatte - im Anschluss an die Ausführungen des Gutachters Prof. Dr. L. - ein solches Ausmaß erreicht, dass die Ruptur auch jederzeit bei einer Alltagsbelastung zu annähernd dem gleichen Zeitpunkt hätte auftreten können.

Insoweit ist für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte (LSG 18.07.2013 – L 6 U 283/11 – juris RdNR. 36). Damit wird der Begriff der Gelegenheitsursache durch die Austauschbarkeit der versicherten Einwirkung gegen andere alltäglich vorkommende Ereignisse gekennzeichnet (LSG a.a.O. unter Hinweis auf BSG 09.05.2006 – B 2 U 1/05 RBSGE 96, 196-209 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = juris RdNr. 15). Maßgebend zur Bewertung einer Alltagsbelastung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch nicht das Unfallereignis als solches (z. B. die Tatsache eines Sturzes etc.) bzw. der generell zum Tragen gekommene Kraftaufwand, sondern die Intensität der Einwirkungen auf das verletzte Organ (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. zuletzt Senatsurteil vom 23.03.2012 - L 8 U 884/11 - juris RdNr. 36 ff, im Übrigen z.B. Urteil des Senats vom 01.07.2011 - L 8 U 197/11.; so auch der 1. Senat des LSG Baden-Württemberg 10.03.2008 - L 1 U 2511/07 - juris). Eine Alltagsbelastung ist damit nicht nach der individuellen Lebensführung des Versicherten zu beurteilen, sondern abstrakt danach, welche Verhaltensweisen in der Lebensführung in der Bevölkerung verbreitet vorzufinden sind und nach allgemeiner Anschauung als alltägliche, nur mäßiggradig belastende Verrichtungen gelten. Zwar ging vorliegend die Belastung des Klägers durch das Ereignis vom 25.08.2010 tatsächlich über eine bloße zufällige mäßiggradige Alltagsbelastung hinaus, doch kann eine für den Gesundheitsschaden wesentlich ursächliche Gelegenheitsursache nicht nur dann angenommen werden, wenn die tatsächliche Belastung einer anderen gelegentlichen Belastung entspricht, sondern auch dann, wenn eine Alltagsbelastung - wie vorliegend - bereits - fiktiv - zum Eintritt des Gesundheitsschadens führen würde bzw. geführt hätte. Insoweit ist bei der Beurteilung der Gelegenheitsursache darauf abzustellen, ob auch bei einem Austausch des tatsächlichen Ereignisses durch ein alltägliches Ereignis (zur Austauschbarkeit vgl. BSG 09.05.2006 – B 2 U 1/05 RBSGE 96, 196-209 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17 = juris RdNr. 15) der Gesundheitsschaden eingetreten wäre. Das ist vorliegend der Fall. Denn Prof. Dr. Loew konnte zur Überzeugung des Senats darlegen, dass auch eine gewöhnliche Alltagsbelastung ausgereicht hätte um die Bizepssehne des Klägers zum Zerreißen zu bringen. Hätten aber auch Alltagsereignisse die Bizepssehne zum Reißen gebracht, sind die Ereignisse vom 25.08.2010 deshalb nicht die rechtlich wesentliche Ursache für den Riss der langen Bizepssehne des Klägers.

Dass die Läsion der Rotatorenmanschette auf das Ereignis vom 25.08.2010 zurückzuführen sei, hat auch der Kläger nicht geltend gemacht. Auch konnte der Senat auf Grundlage der schlüssigen Ausführungen von Prof. Dr. L. nicht annehmen, dass das Ereignis vom 25.08.2010 hierfür ursächlich war.

Auch soweit der Kläger ein Schmerzereignis als Folge der Ereignisse vom 25.08.2010 geltend macht, ist die Berufung unbegründet. Der Senat lässt dahinstehen, ob damit ein als Unfallfolge feststellungsfähiger Gesundheitsschaden hinreichend konkretisiert wird. Das SG hat dargelegt, dass die vom Kläger geltend gemachten Schmerzen durch den Sturz, die auch nach seiner Darstellung nur für wenige Minuten, möglicherweise nur für Sekunden anhielten, nicht ausreichen, um einen Gesundheitsschaden im Sinne des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zu begründen.

Der Senat gelangt nach eigener Überprüfung zum selben Ergebnis. Gesundheitserstschaden i.S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist grundsätzlich jeder regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustand, der unmittelbar durch die (von außen kommende, zeitlich begrenzte) Einwirkung rechtlich wesentlich verursacht wurde, die selbst rechtlich wesentlich durch die Verrichtung der versicherten Tätigkeit verursacht wurde. Von diesem zum Tatbestand des Arbeitsunfalls gehörenden Primärschaden sind diejenigen Gesundheitsschäden zu unterscheiden, die rechtlich wesentlich erst durch den Erstschaden verursacht (unmittelbare Unfallfolgen) sind (BSG Urt. v. 15.05.2012 - B 2 U 16/11 R -, juris, Rnr. 19) oder sich in der Folge gegebenenfalls unter Hinzutreten weiterer Bedingungen entwickeln oder der versicherten Tätigkeit aufgrund Spezialvorschriften (z.B. § 11 SGB VII, vgl. BSG Urteil vom 15.05.2012, a.a.O.) zuzurechnen sind (mittelbare Unfallfolgen). Das Vorliegen von Unfallfolgen gleich welcher Art ist keine Tatbestandsvoraussetzung des Arbeitsunfalls. Der den Gesundheitserstschaden begründende regelwidrige physische oder psychische Zustand entspricht nach herrschender Meinung dem allgemeinen Krankheitsbegriff (vgl. Urteil des Senats vom 17.05.2013 - L 8 U 2652/12 -, juris, www.sozialgerichtsbarkeit.de, m.H.a. BSG Urt. vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R, juris, Rn. 21, 22 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 17; Ricke in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 8 SGB VII Rn. 20),

Mit dem vom Kläger geltend gemachten Schmerzereignis ist ein durch die genannten Einwirkungen verursachter anderer Gesundheitserstschaden nicht zur vollen Überzeugung des Senats erwiesen. Zwar setzt der Gesundheitserstschaden keine Dauerschädigung oder Gesundheitsschäden von erheblichem Gewicht oder mit notwendiger Behandlungsbedürftigkeit voraus (vgl. Urteil des Senats vom 17.05.2013, a.a.O.), jedoch muss ein regelwidriger Körperzustand oder psychischer Status von einem physisch-psychischen normalen Zustand abgrenzbar sein.

Der Kläger hat auch im Berufungsverfahren keinen Gesundheitsschaden geltend gemacht, der über die durch den Bizepssehnenriss verursachten Schmerzen hinausgeht. Soweit der Kläger Schmerzen an der Schulter empfunden hatte, als die umstürzende Palette an seine Arme stieß bzw. er auf der Ladefläche beim Sturz mit der Schulter auf Steine traf, ist damit allein noch keine substantielle körperliche Verletzung anderer Gewebestrukturen als der Bizepssehne - die nach Einschätzung des Klägers erst danach bei dem dritten geschilderten Vorgang des Zurückschiebens der Palette gerissen ist - dargelegt, sondern zunächst nur eine regelhafte Enervierung der Schmerzsensoren, die nicht zwingend eine - auch nur geringfügige - Verletzung von Körperstrukturen belegt (vgl. Urteil des Senats vom 17.05.2013, a.a.O.). Die von Prof. Dr. L. diagnostizierte Schulterzerrung beschreibt lediglich eine am dargelegten Verletzungsmechanismus orientierte unspezifische Dehnung oder Distorsion von Gewebestrukturen (ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. L. vom 21.10.2013), die sonach lediglich die sensorische Wahrnehmung von Schmerzen berücksichtigt und noch keine Rückschlüsse auf strukturelle somatische Verletzungen zulässt. Diese Schmerzen sind nach der eigenen Einlassung des Klägers nur kurz gewesen und haben ihn an der Weiterarbeit nicht gehindert. Eine Schulterzerrung ist in den medizinischen Befunden vom Unfalltag bzw. in der Folge als solche auch nicht festgestellt worden (dazu vgl. Blatt 1/3, 9, 12/13, 23 der Beklagtenakte). So konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass es bei einem der drei vom Kläger geschilderten Ereignisse vom 25.08.2010 an weiteren Schulterpartien zu einer Schulterzerrung im Sinne einer strukturellen Schädigung von Krankheitswert, die Ursache der Schmerzen gewesen wäre, gekommen ist. Die aus der Bizepssehnenruptur stammenden Schmerzen, von denen der Senat als tatsächlich vorhanden ausgeht, gehören zum nichtversicherten Gesundheitsschaden. Daher können Schmerzen, die auf ein Geschehen zurückzuführen sind, das selbst nicht als Arbeitsunfallanzusehen ist, auch nicht isoliert als Unfallfolge festgestellt werden.

Die Berufung war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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